Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Leopold A, Druckereibesitzer und 2.) Edith B, Angestellte, beide wohnhaft in Spillern, Wienerstraße 68, beide vertreten durch Dr.Oskar Himmelbauer, Rechtsanwalt in Bad Deutsch Altenburg, wider die beklagte Partei C AU AM D, vertreten durch Dr.Rudolf Friedrich Stiehl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 10.Jänner 1983, GZ 14 R 234/82-67, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 23. August 1982, GZ 1 Cg 337/76-60, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird derart abgeändert, daß das Klagebegehren auf Feststellung, zwischen den Streitteilen habe auf Grund des Jagdpachtvertrages vom 24.Juni 1974 vom 1.Jänner 1975 bis 31.Dezember 1980 ein Jagdpachtverhältnis bestanden, abgewiesen wird.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit S 64.641,64 bestimmten Kosten des gesamten Rechtsstreites (darin enthalten an Barauslagen S 5.612 und an Umsatzsteuer S 4.372,56) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei ist eine körperschaftlich organisierte niederösterreichische Agrargemeinschaft, deren Verwaltungssatzungen agrarbehördlich genehmigt sind. Nach dem jagdbehördlichen Feststellungsbescheid vom 17.10.1974 stand ihr in der Jagdperiode 1975 bis 1980 die Befugnis zur Eigenjagd in Ansehung einer Gesamtfläche von rund 482,5 ha zu. Die restlichen Grundflächen der Katastralgemeinde im Gesamtausmaß von fast 1194 ha wurden als Genossenschaftsjagdgebiet festgestellt. über die Jagdausübung im Eigenjagdgebiet der beklagten Partei schloß diese mit dem ersten Kläger und einem weiteren Kaufmann als Jagdgesellschafter einen Jagdpachtvertrag. Die hierüber errichtete Urkunde vom 24.Juni 1974 wurde der Jagdbehörde angezeigt. über die Jagdausübung im Genossenschaftsjagdgebiet schloß die Jagdgenossenschaft einen Jagdpachtvertrag mit denselben Pächtern.
Keine der beiden Pachtvertragsurkunden enthält eine Bestimmung über eine wechselseitige Abhängigkeit der beiden Pachtverträge vorneinander. Sowohl in den Jagdpachtvertrag über das Eigenjagdgebiet als auch in den über das Genossenschaftsjagdgebiet traten auf Pächterseite die beiden Ehefrauen der Mitpächter ein. Die Jagdbehörde nahm die Verpachtung der Eigenjagd zur Kenntnis und genehmigte die Verpachtung der Genossenschaftsjagd. Wegen der bereits im ersten Pachtjahr aufgetretenen Meinungsverschiedenheiten unter den Jagdgesellschaftern kam es nicht zur Errichtung einer Urkunde über den Jagdgesellschaftsvertrag. Aus diesem Grunde hob das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 18.2.1976 den Bescheid über die Genehmigung der Verpachtung der Genossenschaftsjagd als nichtig auf. Der Jagdausschuß schloß hierauf über die Ausübung der Jagd im Genossenschaftsgebiet für den Rest der Jagdperiode einen Jagdpachtvertrag mit den beiden ehemaligen Jagdgesellschaftern der Kläger. Die beklagte Partei kündigte den Klägern und ihren Mitpächtern die Pacht der Eigenjagd und schloß hierauf ebenfalls mit den Pächtern der Genossenschaftsjagd einen neuen Jagdpachtvertrag. Am 19.7.1976 brachten die Kläger gegen die Agrargemeinschaft eine Klage auf Feststellung ein, daß ihnen auf Grund des am 24.6.1974 geschlossnen Jagdpachtvertrages im Sinne dieses Vertrages das bis 31. Dezember 1980
vereinbarte Jagdrecht zustehe. Nachdem das Erstgericht dieses Feststellungsbegehren abgewiesen, das Berufungsgericht einen Aufhebungsbeschluß gefaßt, das Erstgericht im zweiten Rechtsgang das Feststellungsbegehren abermals abgewiesen und das Berufungsgericht wieder einen Aufhebungsbeschluß gefaßt hatten und sich der Rechtsstreit nach der im November 1980 erfolgten Zustellung des zweiten berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses im dritten Rechtsgang befand, kündigten die Kläger mit dem am 10.Dezember 1980 beim Erstgericht eingelangten und in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 21.1.1981 vorgetragenen Schriftsatz (ON 41) folgende Abänderung ihres Klagebegehrens an: Aus dem Verfahren ergäbe sich, daß die Kläger spätestens seit Mai 1976 die Jagd im Eigenjagdgebiet der beklagten Partei nicht mehr ausüben könnten. Im Falle ihres Obsiegens im ahängigen Feststellungsstreit stünden ihnen 'verschiedene Leistungsansprüche gegen die beklagte Partei sowie auch gegen Funkionäre derselben zu.' Dezeit seien diese Ansprüche aber in ihrer Gesamtheit noch nicht absehbar. Für die Zeit nach dem 1. Jänner 1981 änderten die Kläger ihr Begehren auf Feststellung, daß das Jagdpachtverhältnis zwischen den Streitteilen auf Grund des Jagdpachtvertrages vom 24.6.1974 vom 1.Jänner 1975 bis 31.Dezember 1980 zu recht bestanden habe. Im dritten Rechtsgang fand außer am 21.1.1981 noch am 5.5.1981, am 3.2.1982 und am 27.5.1982 jeweils eine Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung statt. Die Kläger trugen zu ihrem rechtlichen Interesse am abgeänderten Feststellungsbegehren nichts weiter vor, das Feststellungsinteresse wurde auch nicht zum Gegenstand amtswegiger Erörterungen genommen. Mit dem Urteil vom 23.8.1982 (ON 60) gab das Erstgericht dem abgeänderten Feststellungsbegehren statt. Zum Feststellungsinteresse bemerkte das Erstgericht lediglich, es sei glaubhaft, daß aus dem bereits beendeten Pachtverhältnis noch Abrechnungen ausstünden. Das Berufungsgericht bestätigte - noch vor dem Inkrafttreten der Zivilverfahrens-Novelle 1983 - das erstinstanzliche Urteil; dazu sprach es aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000 übersteigt. Das Berufungsgericht anerkannte das Feststellungsinteresse, 'weil den Klägern im Falle des Obsiegens in diesem Rechtsstreit verschiedene Leistungsansprüche gegen die beklagte Partei zustehen, deren Gesamtheit noch nicht absehbar ist'. Die beklagte Partei ficht das bestätigende Berufungsurteil wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem auf Klageabweisung zielenden Abänderungsantrag an. Dabei wendet sich die Revisionswerberin ausdrücklich gegen die Annahme des Feststellungsinteresses, weil bis zum Schluß der Verhandlung in erster Instanz (Ende Mai 1982) die angeblichen Ansprüche der Klägerin aus dem strittigen Jagdpachtvertrag, der bei vollem Auslaufen mit Ablauf der Jagdperiode am 31.12.1980 geendet hätte, bereits klar abgrenzbar hätten sein müssen.
Die Kläger streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidng an. Zur Bemängelung ungerechtfertigter Annahme ihres Feststellungsinteresses bringen sie vor, sie hätten im Oktober 1982 gegen die Revisionswerberin eine Klage auf Zahlung von S 69.123 eingebracht und sich die Ausdehung ihres Begehrens ausdrücklich vorbehalten. Der über dieses Begehren anhängige Rechtsstreit sei bis zur Erledigung des hier anhängigen Feststellungsstreites unterbrochen.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Einem Begehren auf richterlichen Ausspruch über das Bestehen oder Nichtbestehen eines konkreten Rechtsverhältnisses oder Rechtes wohnt das Interesse an der Rechtsschutzgewährung nicht in gleich offenkundiger Weise inne wie einem Begehren auf richterliche Gestaltung einer Rechtsbeziehung oder auf richterlichen Leistungsbefehl. Soll der Beklagte nicht durch den Richterspruch in einer konkreten Rechtsstellung betroffen oder zu keiner Leistung verpflichtet werden, ist es ein praktisches Gebot der Ökonomie, daß materielle Ansprüche oder die Eröffnung eines Weges zur Anspruchsdruchsetzung an positive Voraussetzungen geknüpft werden, weil vor allem bei absoluten Rechten einer Person Kollisionsfälle mit anderen Rechtspersönlichkeiten abstrakt in unabsehbarer Zahl denkbar erschienen, Rechtsschutz aber nur im Falle konkreter Aktualisierung der theoretischen Kollisionslage gewährt werden soll. In dieser Hinsicht liegt die Problemstellung beim Unterlassungs- und beim Feststellungsbegehren ähnlich. Der Verfahrensgesetzgeber hat in der Exekutionsordnung das Unterlassungsurteil ebenso vorausgesetzt wie das Leistungsurteil, ohne deren Zulässigkeit im besonderen zu normieren. Anders im Falle der bloßen Feststellung. Hierzu normiert er im § 228 ZPO ausdrücklich, daß 'Klage erhoben werden kann', knüpft dies aber an die Voraussetzung eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung durch gerichtliche Entscheidung. Ungeachtet der systematische Einordnung in ein Verfahrensgesetz und der Formulierung, es könne 'Klage erhoben werden', darf nicht übersehen werden, daß die Eröffnung einer Möglichkeit zur Anspruchsverfolgung den zu verfolgenden Anspruch voraussetzt oder aber schafft. Wenn etwa nach Art.XLII Abs 1 ZPO - dem im folgenden Absatz genannten Rechtssubjekt gegenüber - derjenige, der von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, 'mittels Urteiles' zu Angaben und deren eidlicher Bekräftigung verhalten werden kann, stehen ebenfalls formal verfahrensrechtliche Kriterien im Vordergrund, was aber nicht hindert, aus der Erfüllung des Tatbestandes einen materiellrechtlichen Bekanntgabeanspruch abzuleiten. öhnliches ist auch im Falle des § 228 ZPO geboten. Ist der Tatbestand erfüllt, besteht zwischen einer durch die Sachverhaltsgestaltung bestimmten Person als dem Berechtigtem und einem Verpflichteten als Nebenverbindlichkeit zu einer bestehenden Rechtsbeziehung ein Anspruch, der nicht nur klageweise verfolgbar, sondern beispielsweise auch schuldhaft verletzbar ist. Das Revisionsgericht sieht sich aus dieser Sicht nicht bestimmt, der in der Lehre verbreitet und heftig verfochtenen Ansicht einer rein verfahrensrechtlichen Betrachtungsweise des Feststellungsinteresses als einer bloßen Zulässigkeitsvoraussetzung der Anspruchsverfolgung und den daraus gezogenen formellen Konsequenzen (vgl. Fasching Lehrbuch des Zivilprozeßrechts, Rdz 1096) zu folgen. Die übereinstimmende, jeweils in den Entscheidungsgründen zum Ausdruck gebrachte Ansicht eines Feststellungsinteresses der Kläger durch die Vorinstanzen schließt daher keinesfalls eine überprüfung dieses Tatbestandselementes als Anspruchsvoraussetzung aus. In dieser Eigenschaft als Element des anspruchsbegründenden Tatbestandes unterlag es der vollen Behautpungs- und Beweispflicht der Kläger. Solange diese - bis zum Ende der Jagdperiode - die Feststellung des aufrechten Bestandes eines laufenden Dauerschuldverhältnisses anstrebten, durfte das Feststellungsinteresse ohne weiteres wegen der auf der Hand liegenden vielfachen Möglichkeiten der rechtlichen Bedeutsamkeit der Feststellung für künftige Streitfragen unterstellt werden. Als der Rechtsstreit über das Ende der Jagdperiode hinaus fortgesetzt und das Klagebegehren auf Feststellung eines bereits beendeten Dauerschuldverhältnisses in der Vergangenheit umgestellt worden war, war das Feststellungsinteresse der Kläger nicht mehr in gleicher Weise offenkundig.
Die Kläger hatten ihr Feststellungsinteresse durch konkrete Behauptungen darzulegen. Ihre allgemein gehaltenen Ausführungen, die das Berufungsgericht ohne jede Prüfung nahezu wörtlich für seine Beurteilung übernommen hat, reichten hiezu nicht aus. Diese Problematik war den Klägern aus dem gegen sie im Zusammenhang mit dem selben Jagdpachtfall geführten Rechtsstreit zu 4 Cg 224/76 des Kreisgerichtes Korneuburg und der in jenem Verfahren ergangenen Revisionsentscheidung zu 5 Ob 554/77 hinlänglich bekannt. Die Kläger konnten in dieser Hinsicht nicht durch eine entpsrechende Prüfung ihres Feststellungsinteresses überrascht werden. Ihre Ausführungen in der Revisionsbeantwortung müssen als Neuerung unbeachtet bleiben. Aber selbst diese Ausführungen zeigten nicht auf, daß es den Klägern im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz im anhängigen Rechtsstreit noch nicht möglich gewesen wäre, alle noch denkbaren Ansprüche gegen die beklagte Partei aus dem festzustellenden Jagdpachtverhältnis abzuschätzen und gerichtlich geltend zu machen.
Die Revisionswerberin hat daher zutreffend darauf hingewiesen, daß es die Kläger verabsäumten, nach der Umstellung ihres Klagebegehrens auf Feststellung eines nach ihrem eigenen Standpunkt bereits beendeten Dauerschuldverhältnisses die Umstände zu behaupten und zu beweisen, aus denen wegen einer etwa bestehenden Unmöglichkeit oder Untunlichkeit einer Verfolgung von Einzelansprüchen aus dem beendeten Rechtsverhältnis oder wegen einer ausnahmsweisen Fortwirkung des beendeten Rechtsverhältnisses auf gegenwärtige oder künftige Rechtsbeziehungen (etwa als Tatbestandsmerkmal) ein aufrechtes rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung des für eine abgeschlossene vergangene Zeitspanne behaupteten Jagdpachtverhältnisses durch Richterspruch gefolgert werden müßte. Das geänderte Feststellungsbegehren ist im aufgezeigten Sinne unschlüssig.
Es war in Stattgebung der Revision abzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E05285European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00651.83.0228.000Dokumentnummer
JJT_19850228_OGH0002_0060OB00651_8300000_000