Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****, vertreten durch Dr. Franz Kreibich und Dr. Alois Bixner, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Ferdinand P*****, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1.950.000 S sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. November 1983, GZ 1 R 195/83-15, womit das Urteil des Landes- als Handelsgericht Salzburg vom 4. August 1983, GZ 13 Cg 175/83-9, aufgehoben wurde, folgenden
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung:
Mit Wechselzahlungsauftrag des Erstgerichts vom 26. 4. 1983 wurde dem Beklagten aufgrund des von Theresia P*****, seiner geschiedenen Frau, ausgestellten, auf ihn gezogenen und von ihm akzeptierten Wechsels vom 15. 12. 1982 aufgetragen, der klagenden Partei die Wechselsumme von 1.950.000 S sA zu bezahlen.
In den gegen diesen Wechselzahlungsauftrag erhobenen Einwendungen brachte der Beklagte vor, dass ihm der Wechsel als Blankoakzept im Oktober 1977 von seiner geschiedenen Frau aus einem Eisenschrank gestohlen worden sei. Der Ankauf des Wechsels durch die klagende Partei sei ausschließlich zu dem Zweck erfolgt, ihm jegliche Einwendungen abzuschneiden, wobei die klagende Partei bewusst zu seinem Nachteil vorgegangen sei. Sie habe nämlich eine Rückfrage bei ihm unterlassen, obwohl dies bei einem Betrag in der Größenordnung von 1,95 Mio S stets von Bankinstituten gemacht werde. Die klagende Partei habe bei der S***** lediglich die Bonität des Akzeptanten überprüft, sei aber darauf hingewiesen worden, dass keinerlei Verbindung seines Unternehmens mit Theresia P***** bestehe. Theresia P***** habe die klagende Partei erstmals in Anspruch genommen und sei der Wechselerlös auf ein Sperrkonto erlegt worden; daraus sei ersichtlich, dass die klagende Partei den Wechsel gar nicht erworben habe, sondern diese Vorgangsweise nur dazu gewählt worden sei, um ihm Einwendungen abzuschneiden.
Die klagende Partei bestritt dieses Vorbringen und führte aus, sie habe vom Standpunkt des Beklagten erst nach Wechselerwerb Kenntnis erlangt. Daraufhin habe Theresia P***** die klagende Partei über den dem Wechsel zugrundeliegenden Sachverhalt in Kenntnis gesetzt; nach dieser Mitteilung habe ihr Mann das Blankoakzept zur Absicherung für ihre Mithaftung bei der Aufnahme eines Betriebsmittelkredits des gemeinsam betriebenen Unternehmens H***** in Graz zur Verfügung gestellt. Sie habe den Wechsel ausgefüllt, weil sie nunmehr vom Kreditgeber aus dieser Mithaftung in Anspruch genommen werde.
Das Erstgericht hielt den Wechselzahlungsauftrag aufrecht. Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Theresia P*****, deren Ehe mit dem Beklagten im Jahre 1981 geschieden worden war, wurde von der S***** wegen eines mit ihrem Mann gemeinsam aufgenommenen Kredits geklagt. Theresia P***** erzählte ihrem Salzburger Rechtsanwalt, Dr. P*****, der ihr von ihrem Bruder empfohlen worden war, von einem Wechsel, den ihr geschiedener Mann blanko akzeptiert hatte. Dr. P***** versprach ihr, mit Geldinstituten in Salzburg wegen der Beschaffung von Bargeld Kontakt aufzunehmen. Nachdem er einige Vorgespräche geführt hatte, bot er der Klägerin schriftlich den inzwischen von Theresia P***** mit dem Ausstellungsdatum 15. 12. 1982 und dem Fälligkeitsdatum 15. 3. 1983 versehenen und mit einem Betrag in der Höhe von 1.950.000 S ausgefüllten Wechsel zum Ankauf an. In seinem Schreiben (an die Klägerin) vom 2. 2. 1983 wies Dr. P***** darauf hin, dass der Beklagte der geschiedene Mann der Ausstellerin und Inhaber der prot Firma „H*****“ in Graz sei und ersuchte er um einen Besprechungstermin am 4. 2. 1983. Theresia P***** hatte den erwähnten Betrag deshalb eingesetzt, weil sie zum Zeitpunkt der Ausstellung auf den gegen sie geltend gemachten Betrag in der Höhe von 2,5 Mio S an die Steiermärkische Bank insgesamt 550.000 S bezahlt hatte. Die Klägerin hatte schon vorher verschiedene Auskünfte über die Bonität des Bezogenen und der Unternehmungen „H*****“ und „G*****“ eingeholt. In einer dieser Auskünfte wurde hervorgehoben, dass die wirtschaftliche Lage der Unternehmung geordnet ist und der Beklagte seit mehreren Jahren als seriöser und tüchtiger Kaufmann, der keine Verpflichtungen eingehen werde, die er nicht erfüllen könnte, bekannt sei. Außerdem wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, „dass die Firma H***** Gastronomiemaschinen Ferdinand P*****, keinesfalls mit der Firma G***** in Verbindung zu bringen ist“. Diese Auskunft stammt von der S***** in Graz. Vor dem Ankauf des Wechsels wurde keine Rücksprache mit dem Bezogenen für notwendig erachtet. Die Mitteilung der S***** hatte der Komplementär der Klägerin, Dr. Walter E*****, so verstanden, dass die beiden erwähnten Unternehmen rein geschäftlich klar zu trennen seien. Am 4. 2. 1983 wurde der gegenständliche Wechsel von Theresia P***** in Begleitung Dris. P***** der klagenden Partei an deren Schalter übergeben und indossiert. Der Ankauf erfolgt allerdings erst nach Erfüllung von Sicherheiten durch Theresia P***** (insb in Form eines Rangordnungsbeschlusses) am 10. 3. 1983. Theresia P***** wurde ein Betrag von rund 1.918.000 S zur freien Verfügung gutgebracht. Der Beklagte erfuhr erst durch das Aviso der Klägerin, das wenige Tage vor der Fälligkeit des Wechsels in Graz einlangte, von einer aus dem Wechsel resultierenden Verpflichtung. Mit Schreiben vom 14. 3. 1983 übermittelte der Vertreter des Beklagten der klagenden Partei eine Sachverhaltsdarstellung des Beklagten, die im Wesentlichen dem Vorbringen in den Einwendungen entspricht. In einer am 18. 3. 1983 von der klagenden Partei aufgenommenen Aktennotiz wurde von Theresia P***** im Beisein Dris. P***** deren Version über den Erwerb des Wechsels geschildert. In dieser Notiz ist festgehalten, dass sie den Wechsel zur „Absicherung eines gemeinsam aufgenommenen Kredits bei der S***** Bank“ erhalten hätte. Sie fühle sich daher absolut berechtigt, von diesem Wechsel Gebrauch zu machen. Dr. P***** hatte zunächst versucht, bei der R***** einen Kredit in Höhe von 2,5 Mio S für Theresia P***** zu erhalten. Aus diesem Grund hatte dieses Geldinstitut auch entsprechende Auskünfte eingeholt. Zu einer Kreditgewährung kam es aber nicht. Dr. P***** hatte sich zunächst auch bei der klagenden Partei um die Gewährung eines Kredits mit einer Laufzeit von ca 10-15 Jahren bemüht. Als Begründung hatte er angegeben, Theresia P***** benötige diese Summe für ihr Unternehmen G***** in Graz. Im Hinblick auf die neben der grundbücherlichen Sicherstellung angebotene Besicherung durch einen Wechsel (der sich nach Ansicht Dris. E***** wegen der Kurzfristigkeit eines Wechsels zur Sicherung eines Kredits mit einer Laufzeit von 10-15 Jahren nicht eignete – vgl AS 33) kam das ursprünglich geplante Geschäft nicht zustande.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dem Beklagten sei trotz gewisser Ungereimtheiten ein Nachweis, dass die klagende Partei beim Erwerb des Wechsels bewusst zum Nachteil des Wechselschuldners gehandelt habe (Art 17 Wechselgesetz) oder ihr auch nur grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei (Art 10 Wechselgesetz), nicht gelungen. Die klagende Partei habe hinsichtlich des Entstehens der Wechselschuld keine Nachforschungen anstellen müssen. Immerhin sei das Wechselgeschäft durch einen Rechtsanwalt eingeleitet worden, sodass die klagende Partei umsomehr auf die „Ordnungsmäßigkeit“ habe vertrauen dürfen.
Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Beklagten Folge, hob das Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlicher Entscheidung an das Erstgericht unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehalts zurück. Bei Beurteilung der Überprüfungspflicht der Klägerin spiele zunächst die Frage eine Rolle, ob der Wechselerwerb durch die klagende Partei unter den Blickwinkel der Art 10 und 16 oder des Art 17 Wechselgesetz zu betrachten sei. Während ein Handeln bewusst zum Nachteil des Wechselakzeptanten iSd Art 17 Wechselgesetz zumindest nach dem überwiegenden Teil der Lehre und Rechtsprechung positive Kenntnis von den Einwendungen des Beklagten aus dem Grundgeschäft verlange und auch, dass dessen Schädigung in Kauf genommen werde, eine Nachforschungspflicht aber verneint werde (EvBl 1977/55; EvBl 1976/52 gegenüber SZ 41/40 und EvBl 1969/395), fordere man vom Erwerber eines Blankoakzepts, soweit nicht überhaupt durch einen Teil der Lehre diesfalls eine bloße Zession des Ausfüllungsrechts angenommen werde (Jacobi, Wechsel und Scheckrecht, 495; Kapfer, Handkommentar zum Wechselgesetz, 65), dass er der Frage nachgehe, inwieweit dem Vormann ein Ausfüllungsrecht zugestanden sei. Dass nämlich der Vormann die Ausfüllung unterlassen habe, könnte seinen Grund darin haben, dass er von einer vereinbarungswidrigen Ausfüllung zurückgescheut und sie lieber dem Nachmann vorbehalten habe. Dem Inhaber, der wisse, dass der Vormann das Akzept vervollständigt habe, sei allein deshalb noch nicht grobe Fahrlässigkeit iSd Art 10 Wechselgesetz anzulasten. Dies treffe nur dann zu, wenn besondere Umstände Anlass zu - nicht aufgeklärtem - Zweifel geben müssen. Hier komme insbesondere die Höhe der Wechselforderung, ihr Alter und die Bonität des Vormannes in Betracht. Eventuell könne auch, soferne dies mühelos möglich sei, eine Anfrage beim Bezogenen angezeigt sein. Es komme unter Umständen auch darauf an, ob der Wechselindossatar seinen Vormann, von dem er den Wechsel erworben habe, als besonders vertrauenswürdig habe ansehen dürfen (EvBl 1957/6, JBl 1982, 541). Daraus ergäbe sich zunächst eine gewisse Abstufung des Ausmaßes der Überprüfungspflicht, indem unterschieden werden müsste, ob der Wechselberechtigte den Wechsel selbst in Form eines Blankoakzepts erworben und ihn erst nachträglich selbst ausgefüllt habe, ob er einen vollständig ausgefüllten Wechsel erworben habe, von dem er wisse, dass ihn einer seiner Vormänner ausgefüllt habe oder aber ob er überhaupt keine Kenntnis davon gehabt habe, dass der Wechsel unausgefüllt vom ursprünglichen Wechselschuldner übergeben worden oder aus seiner Gewahrsame gelangt sei. Wie der Zusammenhang mit Art 16 Abs 2 Wechselgesetz zeige und auch von Lehre und Rechtsprechung angenommen werde, müsse sich der Wechselberechtigte auch im zuletzt angeführten Fall das Grundverhältnis entgegenhalten lassen, wenn er beim Erwerb des Wechsels nur grob fahrlässig gehandelt habe, sofern ihm dadurch entgangen sei, dass es sich ursprünglich um ein Blankoakzept gehandelt habe und dieses dem Akzeptanten in Verlust geraten sei oder von ihm ebenfalls nicht zu dem Zwecke der nunmehrigen Wechselausfüllung gegeben worden sei (Kapfer aaO 64 ff und 36; Jacobi aaO 495; Stanzl, Wechsel-, Scheck und sonstiges Wertpapierrecht, 50; Hueck-Canaris, Recht der Wertpapiere11, 67; SZ 45/6; SZ 52/164; JBl 1963, 97; JBl 1982, 541). Daneben könne Art 17 Wechselgesetz noch zum Tragen kommen, wenn der Wechsel zum Teil ausgefüllt gewesen sei und die Einwendungen diese Teile beträfen oder wenn die Ausfüllung der Ermächtigung gemäß erfolgt sei, sich aber nun Mängel des Grundgeschäfts herausgestellt hätten, die dem Wechselerwerber schon beim Erwerb bekannt gewesen seien. Werde anhand dieser Grundsätze der vorliegende Fall geprüft, so komme zum Tragen, dass grobe Fahrlässigkeit angenommen werde, wenn Maßnahmen außer Acht gelassen werden, die im betreffenden Gewerbezweig allgemein üblich seien (Stanzl aaO 50; SZ 52/164; SZ 45/6; JBl 1963, 97). Gerade hiezu habe aber der Beklagte schon in ester Instanz die Behauptung aufgestellt, dass nach der Höhe des Betrags die Rückfrage bei ihm in Bankkreisen üblich wäre und hiezu die Einvernahme eines Sachverständigen aus dem Bankwesen beantragt, die das Erstgericht aber unterlassen habe. Dabei falle im Zusammenhang mit der Höhe des Betrags auch ins Gewicht, dass den Betrag der Akzeptant seiner geschiedenen Gattin schulden sollte und die Auskunft der S***** nicht geeignet gewesen sei, anzunehmen, dass der Wechsel im Rahmen einer Geschäftsbeziehung derartigen Umfangs ausgestellt worden sei. Ungeachtet der in der Entscheidung EvBl 1957/6 vertretenen Ansicht, dass eine Pflicht zur Rückfrage bei Akzeptanten auch im Rahmen des Art 10 Wechselgesetzes mit dem Wesen des Wechsels als eines abstrakten Wertpapiers unvereinbar sei, müssten sich doch die im vorliegenden Fall bestehenden Bedenken gegen die Hereinnahme des Wechsels durch die Bank verstärkt haben, wenn die Bank von den üblichen Gepflogenheiten abweichend vorgegangen wäre. Der Hinweis, dass das Unternehmen H*****, Gastronomische Maschinen, Ferdinand P***** mit der „G*****“ nicht in Verbindung gebracht werden könne, ließe sich im Sinne der von Dr. E***** gebotenen Auslegung, dass es an einem gesellschaftsrechtlichen Zusammenhang fehle, also verschiedene Rechtsträger vorliegen, verstehen, aber auch dahin, dass die Bonität der G***** nicht in gleicher Weise zu bejahen sei, wie dies in der erteilten Auskunft hinsichtlich des H***** ausgesprochen worden sei. In dieser Überlegung füge sich zwanglos die vom Erstgericht festgestellte Tatsache ein, dass die Zeugin Theresia P***** zunächst einen langfristigen Kredit offenbar in der Höhe von 2,5 Mio S angesprochen hätte, diese Kreditgewährung aber nach Erhebungen über gebotene Sicherheiten abgelehnt worden sei. Ein Wechsel über den Betrag von 1.950.000 S, ausgestellt vom Beklagten als Inhaber des H*****, wäre aber ein Hinweis auf einen hohen Umsatz des Unternehmens der Zeugin Theresia P***** gewesen. Dass es sich dabei aber um geschiedene Gatten gehandelt habe, ergebe sich aus der von der klagenden Partei selbst vorgelegten Information vom 2. 2. 1983. Es sei auch nicht ohne weiteres verständlich, dass Theresia P***** als Berechtigte aus einem Wechsel mit einer derart hohen Summe überhaupt die Notwendigkeit gehabt habe, einen langfristigen Kredit aufzunehmen. Zunächst habe nämlich die klagende Partei vom 3-Monat-Akzept keine Kenntnis gehabt. Aus der Aussage der Zeugin Theresia P***** gehe überdies hervor, dass der verstorbene Rechtsanwalt Dr. P***** gewusst habe, dass sie das Blankoakzept ausgefüllt habe und er habe mit der klagenden Partei offenbar auch ohne Beisein der Zeugin Verhandlungen gepflogen. Unter Umständen hätten sich im Handakt Unterlagen darüber befunden, ob bei diesen Verhandlungen auf die Tatsache des Vorliegens eines Blankoakzepts hingewiesen worden sei. Theresia P***** habe jedoch ihre Zustimmung zu einer Vernehmung des Kanzleiverwesers Dr. S***** versagt. Auffällig sei auch, dass sich die in Graz ansässige Zeugin an die in Salzburg etablierte klagende Partei zur Durchführung eines Wechselkomptes gewandt habe. Unter diesen Umständen stelle es nach Auffassung des Berufungsgerichts eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens dar, wenn das Erstgericht entgegen dem Beweisantrag des Beklagten nicht geklärt habe, ob die klagende Partei durch die Unterlassung der Rückfrage beim Bezogenen von üblichen Gepflogenheiten abgewichen sei. Es sei daher der Berufung Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden gewesen (§ 496 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO). Das Erstgericht werde daher dem Antrag auf Einvernahme eines Sachverständigen aus dem Bankwesen zu entsprechen und auch hinsichtlich des Tatbestands der groben Fahrlässigkeit zu prüfen haben, ob die klagende Partei durch die Hereinnahme des Wechsels von Grundsätzen Abstand genommen habe, die im Bankwesen üblicherweise beachtet würden. Dabei komme es darauf an, ob die Klägerin vom ursprünglichen Bestand eines Blankoakzepts Kenntnis gehabt habe und ob ihr allenfalls das Unternehmen der Zeugin so wenig verlässlich erschienen sei, dass sie einen langfristigen Kredit nicht habe gewähren wollen. Schon jetzt lägen gewisse Hinweise dafür vor, dass für die Klägerin unklar habe sein müssen, ob und welche Geschäftsbeziehungen zwischen Berechtigter und Wechselschuldner vorliegen, die allenfalls die Bank zu einer Rückfrage beim Bezogenen vor Wechselerwerb hätten veranlassen sollen. Es werde aber auch zu klären sein, inwieweit die Bonität des Unternehmens der Zeugin aus Anlass des Ansuchens um einen langfristigen Kredit überprüft worden sei, weil es davon abhänge, ob trotz der Tatsache, dass es sich um geschiedene Ehegatten handle, Geschäftsbeziehungen zwischen den beiden Unternehmungen mit einer an 2 Mio S heranreichenden Höhe hätten angenommen werden können, was sich mit dem Inhalt der Beilage ./5 (Auskunft) aber nicht zwanglos in Einklang bringen ließe. Wenn danach unter Heranziehung der vom Berufungsgericht aufgezeigten rechtlichen Gesichtspunkte (der Anwendung der Art 10 und 16 Wechselgesetz statt des Art 17 Wechselgesetz) dass die klagende Partei bei der in ihrem Geschäftszweig üblichen Diligenz sich für das Grundverhältnis hätte interessieren sollen, würden auch die Beweise über dieses Grundverhältnis aufzunehmen und die (über den angeblichen Diebstahl des Wechselakzepts des Beklagten durch Theresia P***** geführten) Zeugen T***** und Dr. K***** zu vernehmen sein.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.
Der Beklagte beantragte in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerberin wendet sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Rechtssache sei noch nicht spruchreif. Im Verfahren seien keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, ihr sei bei Erwerb des Wechsels die Tatsache bekannt gewesen, dass Theresia P***** ein ihr übergebenes Blankoakzept ausgefüllt habe. Es sei daher im Sinne der erstgerichtlichen Entscheidung bei Beurteilung der ihr obliegenden Überprüfungspflicht von den zu Art 17 Wechselgesetz entwickelten Grundsätzen auszugehen. Dem kann nicht gefolgt werden.
Bei Beurteilung der wechselseitigen Haftung des Beklagten der Klägerin gegenüber ist davon auszugehen, dass es sich bei dem vorliegenden Wechsel um ein Blankoakzept des Beklagten handelt, das noch vor dem Erwerb des Papieres durch die Klägerin von Theresia P***** ausgefüllt worden ist. Nach der Prozessbehauptung des Beklagten wurde ihm der Blankowechsel von seiner geschiedenen Frau widerrechtlich entzogen, sodass es sich – die Richtigkeit dieses Vorbringens vorausgesetzt – bei dem von der Klägerin erworbenen Wechsel um ein abredewidrig ausgefülltes Papier handelt. Ob der Beklagte die abredewidrige Ausfüllung des Blankoakzepts der Klägerin als Dritterwerber entgegenhalten kann, ist in Art 10 WG geregelt. Das Berufungsgericht hat daher mit Recht den Wechselerwerb durch die Klägerin unter dem Blickwinkel des Art 10 WG betrachtet. Das Berufungsgericht hat aber auch zutreffend erkannt, dass die vereinbarungswidrige Ausfüllung eines Blankowechsels (Blankoakzepts) dem Inhaber nur dann entgegengesetzt werden kann, wenn er den Wechsel in bösem Glauben erworben hat oder ihm beim Erwerb grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt (Art 10 Wechselgesetz). Bösgläubigkeit der klagenden Partei beim Erwerb des Wechsels scheidet im Hinblick auf die Feststellungen der Vorinstanzen aus. Sie wäre nur dann anzunehmen, wenn die klagende Partei beim Erwerb des Wechsels gewusst hätte, dass das Blankett abredewidrig ausgefüllt wurde oder aber wenn sie dies in Kenntnis bestehender Vereinbarungen selbst getan hätte (SZ 45/6; 1 Ob 693, 694/80 ua).
Mit dem Hinweis der Rekurswerberin auf das Fehlen von Anzeichen dafür, dass sie bei Erwerb des Wechsels Kenntnis von der Ausfüllung des Blanketts durch Theresia P***** gehabt habe, allein, ist daher für die Klägerin nichts zu gewinnen. Dem Berufungsgericht ist auch darin beizupflichten, dass im Sinne der Rechtsprechung von grober Fahrlässigkeit beim Wechselerwerb nur dann gesprochen werden kann, wenn dem Erwerber auf die Fragwürdigkeit der Wechselverpflichtung hinweisende Umstände in einem solchen Maße erkennbar gewesen sind, dass sie jedem Angehörigen des betreffenden Erwerbszweigs aufgefallen wären, von ihm aber trotzdem außer Acht gelassen wurden (SZ 45/6; JBl 1963, 97; SZ 53/36; 1 Ob 693, 694/80 ua). Dabei ist nur im Falle der Ausfüllung des Wechselblanketts durch den Erwerber des Wechsels ein strengerer Maßstab am Platz, weil der Gedanke nahe liegen mag, dass der Aussteller die vertragswidrige Ausfüllung scheut und dies dem Erwerber des Blanketts überlässt. Anders ist es bei Erwerb eines bereits ausgefüllten Wechsels. Nach der Rechtsprechung brauchen auch Kreditinstitute vor der Übernahme eines Wechsels – sofern nicht besondere Umstände wie Vertrauensunwürdigkeit des Einreichers oder die außergewöhnliche Höhe der Wechselsumme hiezu Anlass geben – beim Akzeptanten keine Erkundigungen einzuziehen, ob die Ausfüllung abredegemäß erfolgte (JBl 1957, 47; JBl 1963, 97; SZ 41/167; SZ 45/6; QuHGZ 1975/125, 132; 1 Ob 693, 694/80; JBl 1982, 541; Kapfer, Komm 66).
Wenn nun das Gericht zweiter Instanz unter Hinweis auf das Vorliegen einer unter den gegebenen Umständen doch als ungewöhnlich hoch zu bezeichnenden Wechselsumme und den Umstand, dass die Klägerin kurz vor dem Wechselerwerb einen Antrag der Theresia P***** auf Gewährung eines Kredits nach Einholung von Auskünften über den Beklagten und sein Unternehmen sowie jenes der Theresia P***** abgelehnt hat, zur Beurteilung der Frage, ob der Klägerin bei Erwerb des Wechsels grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt – wofür die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind (SZ 43/80; SZ 53/36 ua) – die Tatfrage nicht hinlänglich geklärt erachtet und die Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage durch Aufnahme von vom Beklagten von Anfang an beantragter Beweise für erforderlich hält, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, dieser Auffassung nicht entgegentreten (vgl Fasching IV 414; SZ 38/29 und 227 uva).
Damit erweist sich aber der Rekurs als unberechtigt, weshalb ihm der Erfolg versagt werden musste.
Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf dem § 52 ZPO.
Textnummer
E115710European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0050OB00513.840.0305.000Im RIS seit
28.09.2016Zuletzt aktualisiert am
28.09.2016