TE OGH 1985/3/19 4Ob24/85 (4Ob25/85, 4Ob26/85)

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Veröffentlicht am 19.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Resch sowie die Beisitzer Komm.Rat Dr. Scheiner und Johann Herzog als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Waltraud A, Angestellte, Eisenstadt, Tillstraße 10, vertreten durch Dr. Alfred B, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Berta C, Textilhandelskaufmann in Wien 2, Handelskai 214/10/10/104, vertreten durch Dr. Peter Ponschab, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 76.488,48 brutto abzügl. S 5.683,80 netto (8 Cr 125/82), S 24.500,-- brutto (8 Cr 174/82) und S 12.250,-- brutto (8 Cr 188/82) jeweils samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 17. September 1984, GZ 44 Cg 11/84-37, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 23. September 1983, GZ 8 Cr 125/82-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung I. den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Zuspruch der Beträge von S 24.500,-- brutto (8 Cr 174/82) und von S 12.250,-- brutto (8 Cr 188/82) samt je 4 % Zinsen seit 1.Mai 1982 wendet, zurückgewiesen.

Die Parteien haben die auf diesen Teil des Revisionsverfahrens entfallenden Kosten selbst zu tragen.

II. zu Recht erkannt:

Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.553,50

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 268,50 Umsatzsteuer und S 600,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte im Verfahren 8 Cr 125/82 zunächst den Zuspruch von S 76.548,48 brutto, davon S 60,-- netto s.A. an Kündigungsentschädigung, anteiligem Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Urlaubsentschädigung, Wohnungsbeihilfe und der vorerst fällig gewordenen Abfertigung im Ausmaß von 6 Monaten. Im Verfahren 8 Cr 174/82 wurden zuletzt S 24.500,-- s.A. und im Verfahren 8 Cr 188/82 S 12.250,--, an restlichen Abfertigungsbeträgen begehrt. Nach Verbindung der Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung schränkte die Klägerin das Klagebegehren im Hinblick auf die Zahlung von S 5.683,80 netto für 12 Tage Urlaubsanspruch dahin ein, daß sie insgesamt in den verbundenen Streitsachen den Betrag von S 113.238,48 brutto (die S 60,-Wohnungsb wurden offensichtlich fallengelassen) abzüglich S 5.683,80 netto samt 4 % Zinsen seit 1.Mai 1982 begehrte. Die Klägerin brachte vor, die Beklagte habe sie zunächst vor Weihnachten 1981 fristgerecht zum 31.März 1982

gekündigt, jedoch am 3.Februar 1982 grundlos entlassen. Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, beantragte jedoch dessen Abweisung und wendete ein, die Entlassung der Klägerin sei zu Recht erfolgt. Die Klägerin habe im Namen der Beklagten mit der falschen Behauptung, sie sei im Besitz einer sogenannten Kundenkarte, bei der Großhandelsfirma D Waren für sich eingekauft, obgleich es ihr anläßlich eines vier Monate zuvor aufgekommenen gleichartigen Kaufes bei der Fa. E streng untersagt worden sei, derartige Einkäufe zu tätigen. Die Klägerin habe dadurch einen schweren Vertrauensbruch begangen und der Beklagten möglicherweise steuerliche Nachteile zugefügt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Klägerin war seit 6.Februar 1967 bis zu ihrer Entlassung am 3. Februar 1982 im Textilhandelsgeschäft der Beklagten in Eisenstadt tätig.

Diese hatte die Klägerin bereits vor Weihnachten 1981 fristgerecht zum 31.März 1982 gekündigt. Die Entlassung erfolgte während der Kündigungszeit, und zwar drei Tage vor Vollendung des 15. Dienstjahres der Klägerin.

Das Geschäft der Beklagten war von deren Ehemann bis zu dessen Tod vor etwa 2 Jahren geführt worden. Dieser räumte der Klägerin im Geschäft eine besondere Stellung ein. Er führte die Klägerin auf Märkten für Wiederverkäufer ein und erlaubte ihr ausdrücklich, für ihren persönlichen Bedarf dort einzukaufen. Die Klägerin machte nahezu 15 Jahre hindurch von dieser Möglichkeit unbehelligt Gebrauch. Einige Monate vor der Entlassung wurde die Klägerin von einer Verkäuferin der Fa. E beanstandet, daß sie keine Kundenkarte vorweisen konnte. Die Beklagte wurde von der Fa. E über diesen Vorfall in Kenntnis gesetzt und machte der Klägerin Vorhaltungen. Diese erklärte ihr, sie habe immer einkaufen können und sehe nicht ein, warum sich das nun ändern solle. Die Beklagte verbot der Klägerin dennoch, ohne ihr Wissen solche Einkünfte weiterhin auf eigene Faust durchzuführen. Als die Klägerin in der Folge die Beklagte wegen des Kaufes einer Handtasche als Geschenk für ihre Mutter ansprach, war die Beklagte mit einem solchen Kauf nicht nur einverstanden, sondern schickte die Klägerin selbst zu einem bestimmten Wiederverkäufer und erlaubte ihr auch, sich auf die Beklagte zu berufen.

Anfang Februar 1982 rief eine Angestellte der Firma D bei der Beklagten an und gab bekannt, daß eine Dame ihrer Firma bei D einkaufen gewesen sei und irrtümlich den Paragon samt einem für die Fa. D bestimmten Durchschlag mitgenommen habe. Die Angestellte ersuchte, den Durchschlag des Paragons für die Verrechnung umgehend zurückzustellen. Dadurch erfuhr die Beklagte, daß die Klägerin erneut, ohne sie zu fragen, in Wiederverkäufergeschäften eingekauft hatte. Unmittelbar danach wurde die Klägerin im Auftrag der Beklagten von deren Wirtschaftstreuhänder entlassen. Bei Privateinkäufen von Wiederverkäufern in Wiederverkäuferzentren wird auf dem Paragon kein Firmenname vermerkt. Dies geschah auch im vorliegenden Fall. Ein wie immer gearteter finanzieller Schaden der Beklagten durch die Vorgangsweise der Klägerin konnte nicht nachgewiesen werden.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, die Klägerin sei nicht vertrauensunwürdig geworden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht mit der Ergänzung, daß die Klägerin am 1.Februar 1982 Waren um S 638,-- bei der Fa. D eingekauft hat.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, der Entlassungsgrund des § 27 Z 4 dritter Fall AngG liege deshalb nicht vor, weil das Verbot, ohne ausdrückliche Genehmigung des Dienstgebers bei einer Großhandelsfirma einzukaufen, nicht im Zusammenhang mit der Dienstleistung stehe. Auch eine Zuwendung unberechtigter Vorteile im Sinn des § 27 Z 1 AngG sei nicht gegeben, weil die Vorteile im Zusammenhang mit der Dienstleistung des Angestellten zugewendet sein müßten, was hier nicht der Fall gewesen sei.

Die Klägerin sei auch nicht vertrauensunwürdig geworden. Die Erwägung der Beklagten für ihr Verbot, daß dem Detailhandel durch ein überhandnehmen von Einkäufen durch Letztverbraucher bei Großhändlern ein wirtschaftlicher Nachteil erwachsen könne, vermöge den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nicht zu begründen. Für die Klägerin sei die Bedeutung der Einhaltung des Verbotes für die Beklagte nicht klar erkennbar gewesen, nachdem diese trotz des Vorfalls mit der Fa. E die Klägerin in der Folge anläßlich des Kaufes einer Handtasche zu einem bestimmten Wiederverkäufer geschickt und ihr erlaubt habe, sich auf die Beklagte zu berufen. Dieses Verhalen der Beklagten im Zusammenhang mit der vorangegangenen jahrelangen übung habe in der Klägerin nicht den Eindruck entstehen lassen können, daß die Beklagte die Einkäufe der Klägerin bei Großhändlern als ihre geschäftlichen Interessen gefährdend erachte. Infolge der Handhabung des Paragons bei den Großhändlern sei ein Schaden für die beklagte Partei nicht eingetreten und auch nicht zu befürchten gewesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an eine der Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, soweit sie den Zuspruch von S 24.500,-- s.A. und S 12.250,-- s.A. bekämpft, unzulässig. Gemäß § 23 a Abs 4 ArbGG ist die Revision gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichtes unzulässig, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, an Geld oder Geldeswert S 30.000,-- nicht übersteigt. Die Verbindung der Verfahren blieb für die Rechtsmittelzulässigkeit unbeachtlich. Hier ist jeder Klagsanspruch trotz der Verbindung gesondert zu beurteilen (Fasching II 893, IV 282 und Zivilprozeßrecht Rdz 786; JBl. 1984, 554 mwN). Der Ausspruch über die auf diesen Teil des Revisionsverfahrens entfallenden Kosten gründet sich auf die §§ 40 und 50 ZPO, weil auch die Klägerin die Unzulässigkeit der Revision nicht erkannt hat. Die Revision ist auch im übrigen nicht berechtigt.

Daß die übertretung des Verbotes, bei Großhändlern einzukaufen, den Tatbestand des § 27 Z 1 erster und zweiter Fall AngG ebensowenig erfüllt wie jene des § 27 Z 4 dritter Fall AngG, wird in der Revision nicht bestritten, weshalb diesbezüglich auf die zutreffende Begründung des Berufungsgerichtes verwiesen werden kann. Aber auch eine Vertrauensunwürdigkeit im Sinne des § 27 Z 1 dritter Fall AngG wurde von den Vorinstanzen mit Recht verneint. Bei der Vertrauensunwürdigkeit kommt es darauf an, ob zufolge des Verhaltens des Arbeitnehmers vom Standpunkt vernünftigen dienstlichen und geschäftlichen Ermessens für den Arbeitgeber die objektiv gerechtfertigte Befürchtung bestand, daß seine Interessen und Belange durch den Angestellten gefährdet sind (Martinek-Schwarz, AngG 6 604; Arb. 9091, 9862 uva). Das Verhalten muß so schwerwiegend sein, daß dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst während der Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (Martinek-Schwarz aaO; Arb. 9862 uva). Davon kann hier nicht gesprochen werden.

Der Klägerin war vom verstorbenen Gatten der Beklagten das Recht eingeräumt worden, für ihren persönlichen Bedarf auf Märkten für Wiederverkäufer einzukaufen, und sie hat davon durch nahezu 15 Jahre unbehelligt Gebrauch gemacht. Wenn in der Revision ausgeführt wird, der Gatte der Klägerin sei zur Einräumung derartiger Rechte nicht befugt gewesen, übersieht die Klägerin, daß nach den getroffenen Feststellungen ihr Gatte das Geschäft bis zu seinem Tod geführt hat. Daß der Gatte der Beklagten nicht berechtigt gewesen sei, der Klägerin die Erlaubnis zum Einkauf bei Großhändlern zu erteilen, wurde von der Beklagten im Verfahren erster und zweiter Instanz nicht bestritten (vgl. ON 21, S 111). Die Beklagte wendete lediglich ein, daß ihr Gatte nicht berechtigt gewesen sei, mit der Klägerin Entgeltvereinbarungen zu treffen (ON 36, S 163). Der Einkauf bei der Fa. E, der zum Verbot durch die Beklagte führte, stellte daher noch keinen Verstoß gegen das Verbot dar, weil die Klägerin davon ausgehen konnte, daß ihr die Beklagte weiterhin dieselben Begünstigungen einräumt, wie ihr verstorbener Gatte. Damit bleibt aber eine einzige nachgewiesene übertretung des Verbotes, nämlich der Einkauf bei der Fa. D im Februar 1982 übrig.

Berücksichtigt man, daß die Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits zum 31. März 1982 gekündigt war, ihr die Beklagte den Einkauf bei Großhändlern in einem Fall ausdrücklich erlaubt hatte und ein Schaden für die Beklagte nicht eintreten konnte, weil auf dem Paragon kein Name vermerkt war, dann erscheint dieser einzige Verstoß keineswegs so schwerwiegend, daß der Beklagten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum 31.März 1983 nicht zumutbar gewesen wäre.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, daß die Klägerin in der Revisionsbeantwortung nicht auf die teilweise Unzulässigkeit der Revision hingewiesen hat, weshalb ihr Kosten nur auf der Basis von S 50.000,-- bis S 75.000,-- zuzusprechen waren.

Anmerkung

E05118

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00024.85.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19850319_OGH0002_0040OB00024_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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