TE OGH 1985/3/19 4Ob30/85

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Veröffentlicht am 19.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl, Dr. Resch sowie als Beisitzer Komm.Rat Dr. Scheiner und Johann Herzog als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Werner D***, Kaufmann, Bregenz, Stoppelfeldstraße 24, vertreten durch Dr. Kurt Martschitz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Franz A, Kaufmann, Hard, Rheinstraße 2, vertreten durch Dr. Rainer Kinz, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen S 345.553,56 s. A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 15. Oktober 1984, GZ Cga 20/84-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 9. Mai 1984, GZ Cr 108/83-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.305,50

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 940,50 Umsatzsteuer und S 960,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger brachte vor, er sei am 9. Februar 1983 aus dem Unternehmen des Beklagten, wo er als Angestellter beschäftigt gewesen sei, vorzeitig ausgetreten, weil der Beklagte ihm gegenüber tätlich geworden sei. Seine Ansprüche im Zusammenhang mit diesem berechtigten vorzeitigen Austritt errechnete der Kläger mit S 345.553,56.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, ein vorzeitiger Austritt des Klägers aus dem Betrieb des Beklagten sei deshalb nicht möglich gewesen, weil der Kläger bereits zuvor wegen Verweigerung seiner Dienstleistung vom Beklagten entlassen worden sei. Der Kläger könne daher Ansprüche im Zusammenhang mit einem vorzeitigen Austreten nicht geltend machen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es ging davon aus, daß der Kläger einen vorzeitigen Austritt deshalb nicht habe erklären können, weil er zuvor vom Beklagten bereits entlassen worden sei. Ob diese Entlassung begründet gewesen sei oder nicht, sei nicht zu untersuchen, da auch eine unbegründete Entlassung das Dienstverhältnis beende und daher ein vorzeitiger Austritt begrifflich unmöglich sei.

Im Berufungsverfahren stützte der Kläger seine Ansprüche auch darauf, daß eine allenfalls vom Beklagten ausgesprochene Entlassung mangels eines entsprechenden Entlassungstatbestandes unwirksam sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger ist der eheliche Sohn des Beklagten. Er war in dessen Elektrofachgeschäft seit dem Jahr 1965 beschäftigt. Zunächst absolvierte er die Lehre als Elektromonteur und wurde dann in das Angestelltenverhältnis übernommen. Allmählich arbeitete sich der Kläger in eine eher führende Funktion im Betrieb seines Vaters empor und betreute zuletzt vor allem den Einkauf. Im Jahr 1980 wurde im Einvernehmen zwischen dem Beklagten und dem Kläger ein Computer für das Unternehmen angeschafft. über diesen Computer liefen vor allem die Lagerhaltung und das Rechnungswesen. Die Programme für den Computer erarbeitete der Kläger, der das Computerwesen zunächst zur Gänze allein betreute.

Seit etwa Ende des Jahres 1980 gab es ernstliche Differenzen und Schwierigkeiten zwischen den Streitteilen, die ihre Ursache in Problemen der Ehe des Beklagten und darin hatten, daß der Beklagte versuchte, seine 'Freundin' im Betrieb unterzubringen. Der Beklagte hatte zwar seinerzeit der Anschaffung des Computers zugestimmt und war auch grundsätzlich damit einverstanden, daß der Kläger die entsprechenden Programme erstellt und an diesem Computer arbeitet. In der Folge vertrat er allerdings die Auffassung, daß der Kläger nicht seine gesamte Arbeitskraft für die Bedienung des Computers aufwenden solle, sondern es vielmehr seine Aufgabe sei, mehr in den Außendienst zu gehen und die Kunden zu betreuen, weil er einmal den Betrieb übernehmen solle. Um den Kläger bei der Computerarbeit zu entlasten, beschloß der Beklagte im Herbst 1982, eine Arbeitskraft einzustellen. Damit war der Kläger nicht einverstanden, sodaß der hiefür vorgesehene Anton B die Stelle nicht antrat. Es kam aus diesem Anlaß zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen. Das Betriebsklima zwischen den Streitteilen verschlechterte sich in der Folge zusehends. Es kam auch zu Problemen mit der Frau des Klägers, welche ebenfalls im Betrieb des Beklagten beschäftigt war. Der Kläger befolgte wiederholt dienstliche Weisungen des Beklagten nicht. Insbesonders erteilte der Beklagte dem Kläger im Herbst 1982 erfolglos die Weisung, er dürfe keine Bestellungen mehr durchführen. Im Februar 1983 entschloß sich der Beklagte wieder zur Einstellung einer neuen Kraft, nachdem er Ende Dezember 1982 die Gattin des Klägers entlassen hatte. Die neue Kraft, Anna C, wurde für die Arbeit am Computer, nicht aber auch für den Verkauf eingestellt. Der Kläger arbeitete zunächst mit Anna C am Computer, es wurde vor allem die Lagerhaltung auf den neuesten Stand gebracht. Anna C, die vorher in einem anderen Betrieb an einem Computer gearbeitet hatte, arbeitete zunächst Rückstände, zum Teil auch selbständig nach entsprechender Anleitung durch den Kläger, auf. In der Folge vertrat der Kläger die Auffassung, eine weitere Einschulung und Einarbeitung am Computer könne derzeit nicht erfolgen, weil er noch komplizierte Abbuchungsarbeiten durchführen müsse, die er nur selbst machen könne. Der Kläger hatte die Absicht, Anna C schrittweise in die Tätigkeit am Computer einzuarbeiten. Er sagte zu ihr, sie möge in den Verkaufsraum hinaufgehen, um sich dort von der Verkäuferin eine Arbeit geben zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte nicht im Betrieb. Als er um etwa 10 Uhr zurückkam, sah er Anna C im Geschäftsraum damit beschäftigt, Lampen abzustauben. Der Beklagte fragte sie, warum sie diese Arbeit mache, worauf sie ihm erwiderte, der Kläger mache mit ihr am Computer nicht mehr weiter, er gebe ihr die Einkaufspreise nicht bekannt. Der Beklagte war sehr aufgebracht und stellte den Kläger zur Rede. Er forderte ihn auf, sofort mit Anna C am Computer weiterzumachen, widrigenfalls sei er fristlos entlassen. Der Kläger erwiderte, er mache mit Anna C am Computer nicht weiter, insbesondere würde er die Einkaufspreise nicht bekanntgeben. Im übrigen erklärte er, er habe am Computer eine Arbeit zu erledigen, die nur er allein machen könne. Der Beklagte stellte sich auf den Standpunkt, Anna C müsse in alle Arbeiten am Computer eingeschult werden, es dürfe diesbezüglich kein Geheimnis geben. Er forderte den Kläger neuerdings auf, mit Anna C weiterzumachen, widrigenfalls er sofort entlassen werde. Der Beklagte ging nun in sein Büro, um seinen Steuerberater anzurufen. Er hatte das Gespräch gerade begonnen, als der Kläger ihm ins Büro folgte. Es kam erneut zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und dem Beklagten, die sehr lautstark bei offener Bürotür geführt wurde. Der Beklagte forderte den Kläger neuerlich auf, seine Einschulungsarbeit mit Anna C am Computer fortzusetzen, worauf der Kläger erwiderte, das mache er nicht, insbesonders gebe er Anna C die Einkaufspreise nicht bekannt. Daraufhin erklärte der Beklagte, Anna C wäre ihm zum Lampenabstauben zu teuer. Wenn der Kläger sie nicht einschule, dann sei dies eine Arbeitsverweigerung und der Kläger sei fristlos entlassen. Im Verlauf des Gespräches belegten sich die Streitteile gegenseitig mit Schimpfnamen. Während der Kläger den Beklagen mit Ausdrücken wie Trottel, Sauhund, Hurentreiber bedachte, nannte der Beklagte den Kläger Rotzlöffel udgl. Die Auseinandersetzung endete damit, daß der Beklagte einen auf seinem Schreibtisch stehenden Aschenbecher ergriff und in Richtung des Klägers schleuderte. Der Aschenbecher prallte neben dem Kläger an die Wand und von dort auf das Knie des Klägers. Daraufhin sagte der Kläger, 'so jetzt gehe ich'. Er verließ den Betrieb und ging nach Hause. Nach entsprechender Beratung verfaßte der Kläger sein Austrittsschreiben und gab es am selben Tag an den Beklagten auf. Am Abend dieses Tages legte der Kläger auch ein gleichlautendes Schreiben auf den Schreibtisch des Beklagten. Eine Feststellung dahin, daß der Beklagte dem Kläger schon mehrfach erklärt habe, er sei entlassen, dies vom Kläger aber nicht ernstgenommen wurde und er dessenungeachtet weitergearbeitet habe, konnte nicht getroffen werden.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, der Beklagte habe den Kläger mit Recht entlassen, weil dieser sich ohne sachlichen Grund geweigert habe, die Einschulung mit Anna C am Computer fortzusetzen. Es liege der Entlassungsgrund der beharrlichen Dienstverweigerung im Sinn des § 27 Z 4 AngG vor. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, es im Sinne einer Klagsstattgebung abzuändern oder zu entscheiden, ob und in welcher Höhe dem Kläger im Sinn des § 32 AngG ein Entgelt zustehe, oder es aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor

(§ 510 Abs 3 ZPO).

Auch die Rechtsrüge ist nicht begründet.

Der Kläger meint, wenn das Berufungsgericht den festgestellten Sachverhalt in seiner Gesamtschau gewürdigt hätte, wäre es nie zu dem Ergebnis gekommen, der Kläger habe eine Weisung des Beklagten beharrlich mißachtet. Der Kläger sei zumindest subjektiv der Auffassung gewesen, daß die Weisung des Beklagten augenblicklich nicht durchführbar sei. Es müsse auch beachtet werden, daß sich die Differenzen zwischen den Streitteilen vor allem daraus ergeben hätten, daß der Beklagte versucht habe, seine Freundin im Betrieb unterzubringen.

Dem kann nicht beigepflichtet werden.

Auch wenn es sich beim Kläger um den Sohn des Beklagten handelt, war er als Angestellter verpflichtet, den gerechtfertigten betrieblichen Weisungen des Beklagten nachzukommen. Daß die Weisung, Anna C am Computer weiter einzuschulen, gerechtfertigt war, kann nicht zweifelhaft sein. Es ist Sache des Arbeitgebers, seinen Betrieb in der ihm zweckmäßig erscheinenden Weise zu organisieren. Der Auftrag, Anna C weiter am Computer einzuschulen, hält sich durchaus im Rahmen der dem Arbeitgeber zustehenden Weisungsbefugnisse und verletzte auch in keiner Weise Rechte des Klägers aus seinem Arbeitsvertrag. Ob die Entscheidung zweckmäßig war, ist ohne Bedeutung. Der Kläger konnte gegen die Zweckmäßigkeit Bedenken vorbringen, war aber verpflichtet, sich den Anordnungen des Beklagten zu fügen, wenn dieser darauf beharrte. Er hat sich jedoch nach den Feststellungen der Vorinstanzen trotz zweimaliger Androhung der Entlassung geweigert, der Anordnung nachzukommen. Daraus ergibt sich, daß der Kläger entschlossen war, die Anordnung nicht zu befolgen. Wenn der Kläger meint, er sei subjektiv der Auffassung gewesen, Anna C könne derzeit nicht weiter eingeschult werden, übersieht er, daß er sich auch geweigert hat, ihr die Einkaufspreise bekanntzugeben. Ob der Kläger eine Tätigkeit im Außendienst hätte verweigern dürfen, hat mit der durch familiäre Differenzen nicht berührten Rechtmäßigkeit des Auftrages zur Einschulung der Anna C nichts zu tun. Der Kläger hat daher den Entlassungsgrund der beharrlichen Weigerung, sich den durch den Gegenstand der Dienstleistung gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgeber zu fügen (§ 27 Z 4 AngG), gesetzt.

Es kann auch nicht gesagt werden, eine Entlassung sei nicht erfolgt. Die abschließende Erklärung beim zweiten Gespräch, wenn der Kläger Anna C nicht einschule, dann sei dies eine Arbeitsverweigerung und der Kläger sei fristlos entlassen, konnte im Hinblick auf die vorangegangene zweimalige Androhung der Entlassung nicht anders verstanden werden, als daß der Beklagte damit die Entlassung des Klägers unter Bekanntgabe des Entlassungsgrundes ausgesprochen hatte.

Aber auch von einem Mitverschulden des Beklagten im Sinn des § 32 AngG kann nicht w sprochen werden. Die Verschlechterung der familiären Beziehungen zwischen den Streitteilen im Zusammenhang mit den Problemen in der Ehe des Beklagten steht in keinem Zusammenhang mit der Anordnung des Beklagten, Anna C weiter am Computer einzuschulen, und der Weigerung des Klägers, dies zu tun. Das vom Beklagten nach der Entlassung gesetzte Verhalten kann nicht mehr berücksichtigt werden.

Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E05472

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00030.85.0319.000

Dokumentnummer

JJT_19850319_OGH0002_0040OB00030_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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