Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Gamerith und Komm.Rat Gen.Dir. Scheiner und Johann Herzog als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Franz A, Pensionist, Oberstiftung 21, Bad Leonfelden, vertreten durch Dr. Wolfgang Kronsteiner, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte in Linz, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Graf, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Ing. Siegfried B, Baumeister, Hagauerstraße 71, Bad Leonfelden, vertreten durch Dr. Peter Frömmel, Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, Linz, wegen S 54.831,89 s.A. (Revisionsstreitwert S 54.812,92 s.A.) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 10.Oktober 1984, GZ 12 Cg 24/84-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Linz vom 10.Mai 1984, GZ 1 Cr 371/83-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 29.7.1923 geborene Kläger war beim Beklagten vom 8.7.1968 bis 31.7.1983 als angelernter Eisenbieger mit folgenden saisonbedingten, durch jeweilige Arbeitgeberkündigung herbeigeführten Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses beschäftigt:
29.12.1975 bis 29.2.1976 (63 Tage) 27.12.1976 bis 20.3.1977 (84 Tage) 21. 1.1980 bis 8.3.1980 (48 Tage) 23.12.1981 bis 21.2.1982 (60 Tage) 1. 1.1983 bis 4.4.1983 (94 Tage).
Anläßlich dieser saisonbedingten Kündigungen wurde dem Kläger und seinen Mitbeschäftigten in Betriebsversammlungen 'allgemein' mitgeteilt, daß die Arbeitnehmer im Frühjahr bei entsprechender Auftragslage wieder zu arbeiten beginnen könnten. Diese Zusage wurde bewußt mündlich erteilt, weil der Beklagte die tatsächliche Auftragssituation abwarten wollte. Aus Anlaß der jeweiligen Kündigungen hat der Kläger vom Beklagten keine Abfertigung erhalten. Der Kläger beendete sein Dienstverhältnis durch Selbstkündigung zum 31.7.1983 wegen Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer (Art. I § 2 Abs 1 ArbAbfG, §§ 23 a Abs 1 Z 1 AngG, 253 b ASVG).
Auf das Dienstverhältnis des Klägers ist der Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe in der jeweils geltenden Fassung (im folgenden auch kurz: Kollektivvertrag KV mit der Jahreszahl der Fassung) anzuwenden.
Diese Kollektivvertragsfassungen enthalten folgende Bestimmungen:
1.) Kollektivvertrag vom 24.3.1972, in Kraft seit 1.4.1972 ' § 13 Entschädigung bei Lösung des Dienstverhältnisses (Abfertigung) 1. Arbeitnehmer erhalten nach einer mindestens 15- jährigen ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit eine Entschädigung (Abfertigung), wenn sie a) vom Arbeitgeber gekündigt werden, ausgenommen der Fall, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Wiedereinstellung innerhalb von 60 Tagen zu den ursprünglichen Lohnbedingungen schriftlich zusichert.
.......
4. Für die Bemessung der Dauer der ununterbrochenen
Betriebszugehörigkeit im Sinne der Z 1, 2 ...' (- die Z 2 regelt die
nach Länge der Dienstzeit gestaffelte Abfertigungshöhe) 'sind
Dienstzeiten, die keine längere Unterbrechung als jeweils 60 Tage
aufweisen, zusammenzurechnen. Dies gilt nicht....für Zeiten, für die
eine Abfertigung bezahlt wurde.....'.
2.) Kollektivvertrag vom 28.3.1977, gültig ab 1.4.1977:
'§ 13 Entschädigung bei Lösung des Dienstverhältnisses (Abfertigung)
.......
1. Arbeitnehmer erhalten nach einer mindestens 10-jährigen
ununterbrochenen Betriebszugehörigkeit eine Entschädigung
(Abfertigung), wenn sie a) vom Arbeitgeber gekündigt werden,
ausgenommen der Fall, daß der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine
Wiedereinstellung innerhalb von 90 Tagen zu den ursprünglichen
Lohnbedingungen schriftlich zusichert.
.......
c) mit einem wichtigen Grund austreten; als wichtiger Austrittsgrund
gelten auch die Bestimmungen der §§ 253 b und 254 ASVG.
......
4. Für die Bemessung der Dauer der ununterbrochenen
Betriebszugehörigkeit im Sinne der Z 1, 2....sind Dienstzeiten, die
keine längere Unterbrechung als jeweils 90 Tage aufweisen,
zusammenzurechnen. Dies gilt nicht... für Zeiten, für die eine
Abfertigung bezahlt wurde.....' 3. Diese Bestimmung galt in der ab
1.4.1979 in Kraft getretenen Fassung des Kollektivvertrages vom
13.3.1979 im wesentlichen unverändert weiter, doch wurde dort in §
13 auf Art.VII Abs 5 des ab 1.7.1979 geltenden Arbeiter-
Abfertigungsgesetzes vom 23.2.1979 hingewiesen, wonach unter anderem
Kollektivverträge, die den Anspruch auf Abfertigung für die
Arbeitnehmer günstiger regeln, insoweit unberührt bleiben. Es wurde
bestimmt, daß beide Varianten (gesetzliche und
kollektivvertragliche) durchzurechnen sind.
4.) Kollektivvertrag vom 3.April 1981, in Kraft seit 1.4.1981:
(auch: Sonderkollektivvertrag) '§ 2 Abfertigung Der Anspruch auf Abfertigung richtet sich nach den Bestimmungen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes 1979 einschließlich der darin enthaltenen übergangsbestimmungen mit folgenden Ergänzungen:
1. Die in Art.VII Abs 2 Abfertigungsgesetz 1979 festgelegte Etappenregelung wird jeweils um ein halbes Jahr vorgezogen.
2. Für die Bemessung der Dauer des ununterbrochenen Arbeitsverhältnisses sind Dienstzeiten beim selben Arbeitgeber, die keine längere Unterbrechung als jeweils 120 Tage aufweisen, zusammenzurechnen, sofern die Wiedereinstellung innerhalb von 120 Tagen zu den ursprünglichen Lohnbedingungen schriftlich zugesichert wird. Diese Zusammenrechnungsbestimmung gilt nur für Unterbrechungen, die in den Monaten November bis März eintreten. Die vorerwähnte schriftliche Zusicherung ist bei anbrechenbaren Dienstzeiten unter drei Jahren nicht erforderlich.
........... Eine Anrechnung der Vordienstzeiten findet nicht statt, wenn bei der letzten Unterbrechung eine Abfertigung bezahlt wurde.....' 5.) Kollektivvertrag vom 16.April 1982, in Kraft seit 1.4.1982:
'Artikel 3 - Änderung im Rahmenkollektivvertrag Anstelle der bisherigen kollektivvertraglichen Regelungen der Arbeiter-Abfertigung (§ 13 des Rahmenkollektivvertrages in der Fassung vom 1. April 1979 und des Kollektivvertrages vom 3.April 1981 bzw. 1. November 1981) tritt mit Wirksamkeit für alle Fälle der Inanspruchnahme der Abfertigung ab 1.April 1982 folgende Regelung in Kraft:
§ 13 Abfertigung Der Anspruch und das Ausmaß der Abfertigung richten sich nach den Bestimmungen des Arbeiter-Abfertigungsgesetzes 1979 (BGBl. Nr.107/1979) einschließlich der darin enthaltenen übergangsbestimmungen mit folgenden Ergänzungen:
1. Vorziehung der Etappen:
Die in Art.VII Abs 2 Abfertigungsgesetz 1979 festgelegte Etappenregelung wird jeweils um ein halbes Kalenderjahr vorgezogen.
2. Zusammenrechnung der zwischen 1.April 1972 bis 31.März 1979 liegenden Dienstzeiten.
Beginnend mit 1.April 1972 sind für die Bemessung der Dauer des ununterbrochenen Dienstverhältnisses alle Dienstzeiten beim selben Arbeitgeber, die keine längere Unterbrechung als jeweils 90 Tage aufweisen, zusammenzurechnen, sofern die Wiedereinstellung schriftlich zugesichert wurde.
3. Zusammenrechnung der zwischen 1.April 1979 bis 31.März 1982 liegenden Dienstzeiten.
Zur Erreichung des gesetzlichen Mindestanspruches auf Abfertigung sind ab 1.April 1979 für die dafür notwendige 3-jährige Dauer des ununterbrochenen Dienstverhältnisses alle Dienstzeiten beim selben Arbeitgeber, die keine längere Unterbrechung als jeweils 120 Tage aufweisen, auch ohne schriftliche Zusicherung der Wiedereinstellung zusammenzurechnen....
Für die Zusammenrechnung von über das Ausmaß von 3 Jahren für den Erwerb des gesetzlichen Mindestanspruches hinausgehenden Dienstzeiten vor dem 1.April 1982 ist Z 2 anzuwenden. Bei Erstbeginn des Dienstverhältnisses vor dem 1.April 1982 sind zuerst die anrechenbaren Dienstzeiten gemäß Z 3 Abs 1 und wenn diese nicht ausreichen, gemäß Z 4 Abs 1 zur Erreichung des Mindestanspruches heranzuziehen.
4. Zusammenrechnung der ab 1.April 1982 liegenden Dienstzeiten. Zur Erreichung des gesetzlichen Mindestanspruches auf Abfertigung sind ab 1.April 1982 für die dafür notwendige 3-jährige Dauer des ununterbrochenen Dienstverhältnisses alle Dienstzeiten beim selben Arbeitgeber, die keine längere Unterbrechung als jeweils 150 Tage aufweisen, auch ohne schriftliche Zusicherung zusammenzurechnen. Für die Zusammenrechnung von nach dem 1.April 1982 liegenden, über das Ausmaß von 3 Jahren für den Erwerb des gesetzlichen Mindestanspruches hinausgehenden Dienstzeiten ist eine schriftliche Zusicherung notwendig, sofern nicht Z 7 zur Anwendung kommt. Die Unterbrechung darf nicht länger als jeweils 120 Tage gedauert haben. Bei Erstbeginn des Dienstverhältnisses ab dem 1.April 1982 sind - gerechnet ab Beginn des Dienstverhältnisses - zuerst die anrechenbaren Dienstzeiten gemäß Z 4 Abs 1 zur Erreichung des Mindestanspruches heranzuziehen.
...........
7. Regelung bei Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses beim selben Arbeitgeber.
Wird innerhalb von 120 Tagen nach der letzten Beendigung das Dienstverhältnis beim selben Arbeitgeber fortgesetzt, erfolgt anstelle der Auszahlung der Abfertigung gemäß Z 6 die Anrechnung der der Abfertigung zugrundeliegenden anrechenbaren Dienstzeiten auf das neue Dienstverhältnis.
Wird das Dienstverhältnis im obigen Sinn ohne Vorliegen einer schriftlichen Zusicherung fortgesetzt, entfällt bei derartigen Unterbrechungen die Voraussetzung einer schriftlichen Zusicherung gemäß Z 4 Abs 2 für den Erwerb eines höheren Abfertigungsanspruches...' Der Kollektivvertrag vom 16.April 1982 enthält ferner folgende Vereinbarung 'über die gemeinsame Einrichtung der Kollektivvertragsparteien, betreffend die Abfertigung-Pauschalabgeltung:
...........
1. Jene Arbeitnehmer, die dem Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe unterliegen und für den Zeitraum vom 1.4.1972 bis 31.3.1979 keine schriftliche Zusicherung haben und deren einzelne Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses nicht länger als jeweils 90 Tage gedauert haben, können eine Pauschalabgeltung erhalten. Auf die Pauschalabgeltung besteht kein Rechtsanspruch. Voraussetzung ist, daß zum Zeitpunkt der Auflösung des Arbeitsverhältnisses (ab dem 1.April 1982) ein Grundanspruch auf Abfertigung vorliegt und es sich um Arbeitszeiten beim selben Arbeitgeber handelt. Die näheren Voraussetzungen für die allfällige Gewährung der Pauschalabgeltung werden in gemeinsam erstellten Richtlinien (siehe diese in Adametz-Schenk-Tscheppl, Abfertigung für Bauarbeiter 19 ff) geregelt.....' Der Wortlaut des § 13 des Kollektivvertrages vom 16. April 1982 blieb in der nach dem Stande vom 1.4.1983 geltenden Fassung unverändert.
Der Kläger begehrt infolge Selbstkündigung wegen Inanspruchnahme der vorzeitigen Alterspension Zahlung einer Abfertigung in Höhe von S 54.831,89
s. A. (4 Monatsentgelte). Sollte er die Voraussetzungen für diesen Abfertigungsanspruch nicht erfüllen, stehe ihm jedenfalls aus der letzten Arbeitgeberkündigung zum 31.12.1982 die Mindestabfertigung in Höhe von zwei Monatsbezügen zu.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß dem Kläger wegen Selbstkündigung kein Abfertigungsanspruch zustehe, da er die besonderen kollektivvertraglichen Voraussetzungen eines als 'ununterbrochen' geltenden Dienstverhältnisses nicht erfülle. Der auf die Arbeitgeberkündigung zum 31.12.1982 gestützte Abfertigungsanspruch sei verfallen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.
Es war der Ansicht, daß dem Kläger die Dienstzeiten bis 31.3.1979 wegen der Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses nicht anrechenbar seien, weil ihm die Wiedereinstellung nicht schriftlich zugesichert worden sei. Das Erfordernis einer mindestens zehn-jährigen ununterbrochenen Dienstzeit nach § 23 a Abs 1 Z 2 AngG sei daher nicht erfüllt. Ein Anspruch auf Abfertigung aus der letzten Arbeitgeberkündigung zum 31.12.1982 stehe dem Kläger nicht zu, weil er das Dienstverhältnis gemäß § 13 Z 7 KV (1983) innerhalb von 120 Tagen wieder fortgesetzt habe. überdies wären diese Ansprüche gemäß § 14 Z 3 KV verfallen.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz. Es führte die Verhandlung gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem durch, traf dieselben Feststellungen wie das Erstgericht und ergänzte diese durch weitere Feststellungen aus früheren Kollektivvertragsfassungen (die in dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt bereits berücksichtigt sind).
Durch Art.3 KV 1982 seien sämtliche früheren kollektivvertraglichen Regelungen über die Abfertigung aufgehoben und mit Wirkung ab 1.4.1982 durch den neu gefaßten § 13 KV ersetzt worden. Diese Bestimmung enthalte im wesentlichen nur Regelungen über die Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten, die den besonderen Gegebenheiten im Baugewerbe und insbesondere der saisonbedingten Freistellungen von Arbeitnehmern Rechnung trügen, jedoch keine Regelungen des Abfertigungsanspruches selbst. Für die Auslegung des § 13 KV sei daher aus einer Heanziehung früherer Kollektivverträge nichts zu gewinnen.
Für die Zusammenrechnung ununterbrochener Dienstzeiten zwischen dem 1.4.1972 und dem 31.3.1979 erfülle der Kläger nur die Voraussetzung, daß sein Dienstverhältnis nicht länger als jeweils 90 Tage unterbrochen gewesen sei, nicht aber die weitere Voraussetzung, daß ihm die Wiedereinstellung schriftlich zugesichert worden sei. Kollektivverträge seien wie Gesetze auszulegen. Mit Rücksicht auf den klaren Wortlaut des § 13 KV komme die vom Kläger gewünschte 'Auslegung' in dem Sinn, daß schon eine mündliche Zusage oder die Wiedereinstellung als solche zu einer Zusammenrechnung der Dienstzeiten führe, nicht in Betracht.
Aus dem Abschluß des KV 1982 über die Pauschalabgeltung gehe hervor, daß sich auch die Kollektivvertragsparteien bewußt gewesen seien, daß die vereinbarten Anrechnungserfordernisse zu Härten führen könnten.
Für die Ermittlung eines Abfertigungsanspruches des Klägers seien seine Dienstzeiten bis 26.12.1976 gemäß § 13 Z 2 KV überhaupt nicht und bis 22.12.1981 gemäß § 13 Z 3 Abs 1 und 2 KV nur für den gesetzlichen Mindestanspruch zu berücksichtigen. Ein Anspruch nach § 23 a Abs 1 Z 2 AngG iVm Art.I § 2 Abs 1 ArbAbfG stehe dem Kläger nicht zu, weil hiefür nur seine Dienstzeiten ab 22.2.1982 anrechenbar seien, die die vom Gesetz geforderte zehnjährige Mindestdauer bei weitem nicht erreichten. Der Abfertigungsanspruch nach § 23 Abs 1 AngG komme nicht in Betracht, weil der Kläger das Dienstverhältnis selbst gekündigt habe. Nach der letzten Arbeitgeberkündigung zum 31.12.1982 wären dem Kläger zwar 80 % der Mindestabfertigung (Art.VII Abs 2 ArbAbfG, § 13 Z 1 KV) zugestanden, weil er gemäß § 13 Z 3 Abs 1 und 2 KV drei anrechenbare Dienstjahre gehabt habe. Gemäß § 13 Z 7 KV habe jedoch der Kläger diesen Anspruch dadurch verloren, daß er das Dienstverhältnis beim Beklagten innerhalb von 120 Tagen nach der letzten Beendigung fortgesetzt habe. Der Kläger habe dadurch neue Anrechnungsansprüche erworben, was ihm aber im konkreten Fall keinen Nutzen bringe. Der Kollektivvertrag enthalte keine Regelungslücke, die im Wege der Analogie geschlossen werden könnte.
Der Kläger bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes im Umfang der Abweisung eines Betrages von S 54.812,92 brutto s.A. wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und beantragt, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß ihm dieser Betrag zugesprochen werde. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Der Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber versucht, auf Grund der bisherigen kollektivvertraglichen Rechtsentwicklung der Bauarbeiterabfertigung darzulegen, daß die schriftliche Zusicherung der Wiedereinstellung in Wahrheit keine Anspruchsvoraussetzung sei. Dieses Erfordernis sei teleologisch auf die Voraussetzung zu reduzieren, daß ein Dienstnehmer einen Abfertigungsanspruch erworben hatte und dieser nicht bezahlt, sondern durch Anrechnung aller Vordienstzeiten ersetzt wurde.
Kollektivverträge sind in ihrem normativen Teil (§ 11 Abs 1 ArbVG) nach herrschender Lehre und Rechtsprechung (Floretta-Strasser, Komm.z.ArbVG 33;
Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht 2 II 118 mit zahlreichen Judikaturhinweisen FN 174) nach den Regeln, die für die Auslegung von Gesetzen gelten (§§ 6, 7 ABGB), auszulegen. Nach § 3 KV 1982 trat anstelle der bisherigen kollektivvertraglichen Regelungen der Arbeiter-Abfertigung mit Wirksamkeit für alle Fälle der Inanspruchnahme der Abfertigung ab 1.4.1982 die Regelung des § 13 KV 1982 in Kraft. Nach Adametz-Schenk-Tscheppl (Abfertigung für Bauarbeiter 37) sind damit allfällige Nachwirkungen der bisher geltenden Kollektivverträge ausgeschlossen. Das bedeutet allerdings nicht, daß frühere Regelungen dieser Materie zur Auslegung der jetzigen kollektivvertraglichen Abfertigungsbestimmungen nicht herangezogen werden dürften. Auch für die Auslegung von Gesetzen kann deren Entstehungsgeschichte und der Inhalt älterer Regelungen, an deren Stelle die auszulegende Norm getreten ist, von Bedeutung sein (vgl. Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz 19 zu § 6 ABGB), doch ist auf diese Auslegungsmittel erst zurückzugreifen, wenn die Ausdrucksweise der Norm zweifelhaft ist (Bydlinski aaO Rdz 25 zu § 6 ABGB; SZ 22/1; Arb.6622; 7174;
SZ 45/41). Im vorliegenden Fall ist nicht nur, wie noch auszuführen
sein wird, die Ausdrucksweise der Norm klar, sondern es spricht auch
die Entstehungsgeschichte der jüngeren Regelungen der Materie für
den Wortlaut.
Zutreffend verweist der Revisionswerber freilich darauf, daß § 13 Z
1
lit a KV 1972 eine Schutzbestimmung für den Dienstnehmer war. Der
Dienstnehmer konnte im Falle der Arbeitgeberkündigung bei Vorliegen
der sonstigen Anspruchsvoraussetzungen die Abfertigung verlangen;
der Arbeitgeber konnte diesen Anspruch nur dadurch abwenden, daß er
dem Dienstnehmer die Wiedereinstellung innerhalb von 60 Tagen zu den
ursprünglichen Lohnbedingungen schriftlich zusicherte. Dienstzeiten,
die keine längere Unterbrechung als jeweils 60 Tage aufwiesen, waren
aber auch dann, wenn es nicht zu einer solchen Zusicherung kam, als
Zeiten ununterbrochener Betriebszugehörigkeit anzusehen.
Dienstnehmer, die im Zeitpunkte einer saisonbedingten Unterbrechung
der Dienstleistungen noch keinen Abfertigungsanspruch erworben
hatten - Anspruchsvoraussetzung war vor dem Inkrafttreten des
Arbeiter-Abfertigungsgesetzes nach KV 1972 eine mindestens 15-
jährige Betriebszugehörigkeit und ab KV 1977 eine solche von
mindestens 10 Jahren - hatten keine Möglichkeit, den Dienstgeber
durch das Verlangen nach Abfertigung zu einer schriftlichen
Wiedereinstellungszusage zu veranlassen.
Zur Wahrung des späteren Abfertigungsanspruches mußten sie
diesbezüglich auch keine Vorsorge treffen, weil bei (tatsächlicher)
Wiedereinstellung innerhalb von 60 Tagen die ununterbrochene
Betriebszugehörigkeit für den Abfertigungsanspruch ohne weitere Voraussetzungen fingiert wurde. Es liegt damit auf der Hand, daß die Arbeitnehmer auf der Grundlage dieser seit dem Kollektivvertrag 1972 geltenden Regelung wohl nur selten eine schriftliche Wiedereinstellungszusage erhielten. Dennoch wurde mit dem KV 1981 das Erfordernis der schriftlichen Zusicherung der Wiedereinstellung für den Erwerb eines höheren Abfertigungsanspruches eingeführt. Sie war nach dem klaren Wortlaut dieser Norm Gültigkeitsvoraussetzung (4 Ob 144/82). In der Folge stellte sich heraus, daß viele Arbeitnehmer diese Voraussetzung nicht erfüllen konnten. Mit der Neuregelung der Materie durch den KV 1982 sind die Kollektivvertragsparteien von dieser Situation ausgegangen (vgl. Adametz-Schenk-Tscheppl aaO 6). Wenn sie dennoch das Erfordernis der schriftlichen Wiedereinstellungszusicherung in modifizierter Form als Anspruchsvoraussetzung für die Zusammenrechnung von Dienstzeiten aufrecht erhielten, kann dieses Tatbestandsmerkmal nicht im Wege teleologischer Reduktion einfach 'weginterpretiert' werden, wie es der Revisionswerber erstrebt. § 13 KV 1982 (=1983) enthält für verschiedene Zeiträume (Z 2:
Dienstzeiten zwischen 1.April 1972 und 31.März 1979; Z 3:
Dienstzeiten zwischen 1.April 1979 und 31.März 1982; Z 4:
Dienstzeiten seit 1.April 1982) unterschiedliche Zusammenrechnungsvoraussetzungen. Zum Teil hängt die Zusammenrechnung von Dienstzeiten für die Erreichung eines Abfertigungsanspruches nur mehr von der Dauer der Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit, zum Teil aber immer noch von der zusätzlichen Voraussetzung ab, daß die Wiedereinstellung schriftlich zugesichert wurde.
Hiebei wurden für die Erreichung des gesetzlichen Mindestanspruches auf Abfertigung die nach dem 1.4.1979 (Z 3) und nach dem 1.4.1982 (Z 4) liegenden Unterbrechungen der Betriebszugehörigkeit insofern privilegiert, als für den Erwerb dieses Anspruches eine schriftliche Wiedereinstellungszusicherung nicht vorliegen muß. Für die Erreichung eines höheren Abfertigungsanspruches wurde aber dieses Erfordernis ausdrücklich aufrecht erhalten. Zweck jener Begünstigung war es, die Grenze von drei Jahren für den Erwerb des Mindestabfertigungsanspruches zu erreichen (vgl. Adametz-Schenk-Tscheppl aaO 41 ff). Der Kollektivvertrag unterscheidet in aller Deutlichkeit zwischen jenen Dienstzeiten, die auch ohne schriftliche Zusicherung der Wiedereinstellung zusammenzurechnen sind (§ 13 Z 3 Abs 1, Z 4 Abs 1, Z 7
Abs 2 KV 1982), und jenen, für deren Zusammenrechnung eine schriftliche Wiedereinstellungszusage vorliegen muß (§ 13 Z 2, Z 3 Abs 2, Z 4 Abs 2
KV 1982). Zur Abgeltung von Härten, (allerdings nur solcher, die dadurch entstehen, daß Arbeitnehmer nur den Grundanspruch auf Abfertigung erreichen) wurde am 16.April 1982 ein Kollektivvertrag über die gemeinsame Einrichtung der Kollektivvertragsparteien betreffend die Abfertigung-Pauschalabgeltung geschlossen und dazu detaillierte Richtlinien ausgearbeitet, unter welchen Voraussetzungen Arbeitnehmern eine Pauschalabgeltung - ohne Rechtsanspruch - zuerkannt werden kann. Die Kollektivvertragsparteien gingen somit eindeutig davon aus, daß die neue Regelung mangels Vorliegens einer schriftlichen Wiedereinstellungszusicherung zu Härten führen kann, denen sie durch Einführung einer Pauschalabgeltung zu begegnen suchten. Die vom Revisionswerber gewünschte Auslegung des § 13 KV 1982 würde dazu führen, daß die aus dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung hervorgehenden, für einzelne Zeiträume sowie für den Anspruch auf Mindestabfertigung und den Erwerb eines Höheranspruches verschieden geregelten Anspruchsvoraussetzungen unanwendbar würden. Eine solche Auslegung widerspräche dem selbstverständlichen Grundsatz, daß Rechtsvorschriften ohne ersichtlichen Grund nicht so verstanden werden dürfen, daß sie überflüssig und daher inhaltslos werden (ÖVA 1965,73; ÖBl 1971,51). Es kann einem Normgeber nicht unterstellt werden, daß er zweck- und funktionslose, weil praktisch unanwendbare Anordnungen treffen wollte (Bydlinski aaO Rdz 18 zu § 6 ABGB; vgl. SZ 44/25). Die erstrebte Auslegung würde auf eine völlig andere, von den Kollektivvertragsparteien eindeutig nicht getroffene Regelung hinauslaufen, nämlich die, daß alle Zeiten der Betriebszugehörigkeit vom 1.4.1972 bis 31.3.1982 zusammenzurechnen wären, vorausgesetzt, daß es zu keiner längeren Unterbrechung der Betriebszugehörigkeit als 60 (90, 120) Tage gekommen war und keine Abfertigung erfolgte. Eine solche Auslegung des Kollektivvertrages widerspräche dem unzweideutig formulierten Wortlaut (so schon zu § 2 KV 1981, 4 Ob 144/82).
Daß die derzeitige Regelung - soweit auch der Härteausgleich durch Pauschalabgeltung nicht gewährt wird - unbefriedigend ist, weil der Erwerb von Abfertigungsansprüchen von der Zufälligkeit der seinerzeitigen Erteilung einer Wiedereinstellungszusage abhängt, kann im Wege der Auslegung nicht behoben werden. So wie es nicht Sache der Rechtsprechung ist, eine unbefriedigende Regelung des Gesetzes zu korrigieren (SZ 45/41; JBl 1974, 99; SZ 54/40 ua), darf auch einem Kollektivvertrag nicht zu diesem Zweck eine Deutung gegeben werden, die dem klaren und unzweideutig formulierten Wortlaut der Norm zuwiderliefe. Insoweit kann nur durch den Normgeber, also durch die Kollektivvertragsparteien eine Änderung herbeigeführt werden. Im Wege der Auslegung kann auch nicht korrigiert werden, daß Arbeitnehmer dadurch, daß die schriftliche Wiedereinstellungszusage mit dem KV 1981 Anspruchsvoraussetzung für die Zusammenrechnung wurde, in bezug auf den Erwerb von Anwartschaftsrechten möglicherweise schlechter als vorher gestellt wurden. Die den kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustehende Befugnis, die gegenseitigen, aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu regeln (§ 2 Abs 2 Z 2 ArbVG), hat zur Folge, daß auch in (auf Grund kollektivvertraglicher Bestimmungen erworbene!) Anwartschaften eingegriffen werden kann. Die Kollektivvertragspartner können das, was sie einmal gegeben haben, auch wieder nehmen. Einzige Schranke dieser Eingriffe bilden - abgesehen davon, daß sie selbstverständlich auch nicht gegen eine günstigere gesetzliche Regelung verstoßen dürfen, was aber hier nicht der Fall ist - die guten Sitten (Floretta-Strasser aaO 28). Dem Revisionswerber kann aber auch nicht gefolgt werden, wenn er die Normierung der schriftlichen Wiedereinstellungszusage als Voraussetzung für die Zusammenrechnung unterbrochener Betriebszeiten als sittenwidrig ansieht und daraus ableitet, daß der von ihm gewünschten Auslegung des Kollektivvertrages, die diesen als gesetzmäßig erscheinen lasse, der Vorzug zu geben sei (vgl. EvBl 1971/345; ÖBl.1971, 125; RZ 1973/147). Wohl sind auch Kollektivverträge (bzw. einzelne Bestimmungen derselben) gemäß § 879 Abs 1
(teil)nichtig, wenn sie gegen die guten Sitten verstoßen (Floretta-Strasser aaO 40; EvBl 1955/177). Von einer Sittenwidrigkeit kann aber nur gesprochen werden, wenn die vom Richter vorzunehmende Interessenabwägung eine grobe Verletzung rechtlich geschützter Interessen ergibt (Arb 8703; Krejci in Rummel Rdz 55 zu § 879; vgl dort auch Rdz 176 ff). Wesentlicher Maßstab für diese Beurteilung sind die aus dem gesatzten Recht zu entnehmenden Wertungen. Berücksichtigt man, daß das Gesetz Abfertigungsansprüche ausnahmslos von einer bestimmten ununterbrochenen Dauer des Dienstverhältnisses abhängig macht und die von 1972 bis 1977 abgeschlossenen Kollektivverträge insofern ständig verbesserte Ausnahmsregelungen brachten, mit denen auf die besonderen Gegebenheiten im Baugewerbe Rücksicht genommen wurde, so sind nachfolgende Regelungen, die sich auf Anwartschaften ungünstig auswirkten (aber nicht in bereits bestandene Rechte eingriffen!), aus diesem Grund allein noch nicht sittenwidrig. Es ist nicht zu übersehen, daß die Regelungen seit dem KV 1981
Hand in Hand mit einer Erschwerung der Zusammenrechnungsvoraussetzungen, von der aber wieder der Mindestanspruch auf Abfertigung bei Dienstgeberkündigung ausgenommen wurde, auch ins Gewicht fallende Verbesserungen brachten, wie die Normierung längerer, für die Zusammenrechnung nicht schädlicher Unterbrechungszeiten und das Vorziehen der Etappenregelung nach Art VII Abs 2 ArbAbfG. Daß das (teilweise) Abhängigmachen der Zusammenrechnung unterbrochener Dienstzeiten vom Vorliegen einer schriftlichen Wiedereinstellungszusage eine unbefriedigende Regelung ist, wurde bereits dargelegt. Es kann aber nicht gesagt werden, daß diese Regelung völlig willkürlich und sachfremd wäre, da schon mit der Einführung der Bauarbeiterabfertigung im KV 1972 eine schriftliche Zusicherung der Wiedereinstellung zur Abwendung eines vom Arbeiter bei der saisonbedingten Unterbrechung des Dienstverhältnisses erhobenen Abfertigungsanspruches vorgesehen war. Die - auf die dreijährige Frist des § 23 Abs 1 AngG zugeschnittenen - Regelungen des § 13 KV 1982 über den privilegierten gesetzlichen Mindestanspruch auf Abfertigung können in ihrer Gesamtheit auch nicht auf den Abfertigungsanspruch des Dienstnehmers bei Selbstkündigung (§ 23 a Abs 1 AngG) analog angewendet werden. § 13 Z 3 Abs 1 KV 1982
privilegiert den in drei Jahren zu erwerbenden gesetzlichen Mindestanspruch auf Abfertigung nur, soweit Zeiten ab 1.April 1979 zusammenzurechnen sind. Für Dienstzeiten zwischen dem 1.April 1972 und dem 31.März 1979 findet gemäß § 13 Z 2 KV 1982 die Zusammenrechnung unterbrochener Dienstzeiten auch zum Erwerb des gesetzlichen Mindestanspruches auf Abfertigung nicht statt, soferne die Wiedereinstellung nicht schriftlich zugesichert wurde. Selbst bei sinngemäßer Anwendung des § 13 Z 3 Abs 1 KV 1982 auf den erst nach zehnjähriger Dienstzeit erreichbaren Abfertigungsanspruch nach § 23 a Abs 1 AngG (eine solche Analogie wäre immerhin denkbar), könnte der Kläger nicht in den Genuß eines Abfertigungsanspruches kommen, weil ihm dann nur Dienstzeiten vom 21.3.1977 bis 31.7.1983 (abzüglich der Unterbrechung von 202 Tagen) anzurechnen wären, und er damit eine zehnjährige Dauer des Dienstverhältnisses bei weitem nicht erreicht hätte.
Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 40 und 50 ZPO.
Anmerkung
E05617European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00027.85.0319.000Dokumentnummer
JJT_19850319_OGH0002_0040OB00027_8500000_000