Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Pflegschaftssache der am 15.5.1966 geborenen mj. Brigitte A, Hochschülerin, 9020 Klagenfurt, Florian Gröger-Straße 37, vertreten durch die eheliche Mutter Mathilde A, Schuhfacharbeiterin, ebendort, diese vertreten durch Dr. Günther Moshammer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, infolge Revisionsrekurses des ehelichen Vaters Anton A, Lagerarbeiter, 9020 Klagenfurt, Völkermarkter Straße 67, vertreten durch Dr. Wilhelm Watzke, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 25. Jänner 1985, GZ. 1 R 17/85- 86, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 14. Dezember 1984, GZ. 1 P 162/68-83, bestätigt wurde, folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern der Minderjährigen ist seit 1969 geschieden. Brigitte wurde auf Grund einer gerichtlich genehmigten Vereinbarung ihrer Eltern der Mutter überlassen. Dies gilt nach Art. XVIII § 3 des Bundesgesetzes über die Neuordnung des Kindschaftsrechts BGBl. Nr. 403/1977, mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1.1.1978 als Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten im Sinn des § 177 ABGB an die Mutter allein.
Seit 24.7.1980 hatte der Vater für Brigitte, die seit dem Schuljahr 1980/81 das Bundesoberstufenrealgymnasium in Klagenfurt besuchte, einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von S 1.800,- zu leisten. Am 5.7.1984 beantragte die Minderjährige, den väterlichen Unterhaltsbeitrag ab sosofrt auf S 2.500,- zu erhöhen. Sie habe am 18.6.1984
die Matura abgelegt und wolle ab Oktober 1984 an der Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt Deutsch und Geschichte studieren.
Der Vater beantragte nicht nur die Abweisung des Erhöhungsantrages, sondern auch seine gänzliche Enthebung von der Unterhaltsleistung ab 1.8.1984.
Mit der bestandenen Matura sei seine Tochter selbsterhaltungsfähig geworden.
Im Hinblick auf den Stand der Eltern (Arbeiter) könne von ihr erwartet werden, daß sie einen ihrer gehobenen Schulbildung entsprechenden Beruf ergreife. Das angestrebte Lehramtsstudium sei wegen der mangelnden Berufsaussichten sinnlos.
Das Erstgericht gab dem Erhöhungsantrag ab 1.7.1984 statt und wies den Enthebungsantrag ab.
Es stellte fest, daß die Mutter die Minderjährige in dem von ihr geführten Haushalt betreue. Brigitte studiere nach der am 18.6.1984 bestandenen Reifeprüfung seit Oktober 1984 an der Universität Klagenfurt Deutsch und Geschichte und sei ohne Einkommen. Die Mutter sei Facharbeiterin und beziehe ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen von etwa S 7.300,-. Der vermögenslose Vater verdiene als Lagerarbeiter etwa S 11.800,- monatlich. Weil seine Ehegattin 14mal jährlich eine Invalidenpension von S 3.800,-
netto beziehe, habe er für sie nur eine geringe Sorgepflicht. Sonstige Sorgepflichten habe er nicht. Er beabsichtige, im Jänner oder Februar 1985 in Pension zu gehen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsmeinung, daß der Besuch einer allgemeinbildenden höheren Schule in erster Linie auf ein Hochschulstudium vorbereite, was die Chance biete, in einem akademischen Beruf ein höheres Einkommen zu erzielen. Dies könne der Minderjährigen nicht verwehrt werden.
Der erhöhte Unterhaltsbeitrag sei den Bedürfnissen des Kindes und der Leistungsfähigkeit des Vaters angemessen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem gegen die gesamte erstgerichtliche Entscheidung gerichteten Rekurs des Vaters nicht Folge, wobei es die wiedergegebene Rechtsansicht der ersten Instanz in jeder Hinsicht billigte.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen entweder dahin abzuändern, daß seine Unterhaltsverpflichtung für erloschen erklärt wird, allenfalls sie zwecks Verfahrensergänzung und neuerlicher Entscheidung aufzuheben.
Die Rechtsansicht, daß seine Tochter auf seine Kosten trotz nicht oder kaum gegebener Aussichten im Lehrberuf und trotz seiner persönlichen Verhältnisse, insbesondere seiner bevorstehenden Pensionierung, Deutsch und Geschichte studieren dürfe, sei offenbar gesetzwidrig. Daß zur Frage der sich durch ein solches Studium für seine Tochter eröffnenden Berufsaussichten kein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, stelle eine Nullität dar.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs ist unzulässig. Nach § 14 Abs. 2 AußStrG sind unter anderem Rekurse gegen die Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig.
Die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit ist zwar als eine die Bedürfnisse des Unterhaltsfordernden betreffende Bemessungsfrage anzusehen (EFSlg. 39.238, 42.289 ua). Keine Bemessungsfrage aber bildet es, wenn in erster Linie die Ermöglichung einer bestimmten Berufsausbildung durch den Besuch einer bestimmten Schule oder Universität zu entscheiden ist und die weitere Unterhaltspflicht damit in untrennbarem Zusammenhang steht (EFSlg. 39.227 ua). Aber auch dann, wenn der Revisionsrekurs diesbezüglich nicht nach § 14 Abs. 2 AußStrG unzulässig ist, muß § 16 Abs. 1 AußStrG berücksichtigt werden, wonach gegen einen bestätigenden Beschluß nur im Fall einer offenbaren Gesetzoder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder einer begangenen Nullität die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof stattfindet.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit wäre nur dann gegeben, wenn ein Fall im Gesetz selbst ausdrücklich und so klar geregelt wäre, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem anders entschieden worden wäre (EFSlg. 42.327 uva), oder wenn die Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechts im Widerspruch stünde (EFSlg. 42.328 uva).
Welche Ausbildung dem Wohl eines Kindes angemessen ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt, sondern im Streitfall vom Gericht nach Ermessen zu entscheiden. Billigen die Vorinstanzen - wie im vorliegenden Fall übereinstimmend das Universitätsstudium, dann könnte eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur dann vorliegen, wenn dies in Mißachtung des Grundprinzipes des Kindeswohles oder unter Ermessensmißbrauch (Willkür) erfolgt wäre (EFSlg. 42.334, 42.340, 42.350 ua), wofür hier keinerlei Anhaltspunkt besteht. Allfällige Verfahrensmängel können im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses nur beachtet werden, wenn sie das Gewicht einer Nichtigkeit haben (EFSlg. 39.783 ua), was nur dann der Fall wäre, wenn die Stoffsammlung so umangelhaft geblieben wäre, daß dadurch Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens außer acht gelassen worden wäre (EFSlg. 37.363 ua).
Das kann hinsichtlich der vom Rechtsmittelwerber gerügten Nichteinholung eines formellen Gutachtens über die mit einem Deutschund Geschichtsstudium verbundenen Berufsaussichten schon deshalb nicht gesagt werden, weil dem Erstgericht auf die telefonische Anfrage beim Landesschulrat Kärnten mitgeteilt wurde, daß derzeit allen Mittelschullehrern eine Einführung in Form eines Probejahres angeboten worden sei, daß man über die Anstellungsaussichten in fünf Jahren aber derzeit auch nicht annähernd etwas sagen könne (AS 201).
Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E05110European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00532.85.0327.000Dokumentnummer
JJT_19850327_OGH0002_0030OB00532_8500000_000