Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann A Gesellschaft mbH & Co. KG, Spielwarenfabrik, Egglham, BRD, vertreten durch Dr. Hansjörg Zink, Dr. Georg Petzer und Dr. Herbert Marschitz, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Norbert B, Kaufmann, Ebbs, Wildbichlerstraße 4, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und Dr. Helmut Atzl, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen S 53.223,23 s.A., infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 16.November 1984, GZ 2 a R 484/84-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Kufstein vom 10.August 1984, GZ 2 C 935/83-8, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.553,50
bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 268,50 an Umsatzsteuer und S 600,-- an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck vom 10.August 1982, S 105/82-3, wurde über das Vermögen des Beklagten der Konkurs eröffnet. Das Konkursverfahren wurde am 27.September 1983 beendet. Mit der am 17.Oktober 1983 eingelangten Klage begehrte die Klägerin die Zahlung von (Einschränkung ON 6) S 53.223,23 samt Anhang für Spielwaren, die sie dem Beklagten über dessen Auftrag im Jahre 1981 (ON 4) geliefert habe. Der Klagsbetrag sei spätestens am 24.Dezember 1982 zur Zahlung fällig geworden.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die von der Klägerin angemeldete Forderung sei mit dem Klagsbetrag in das Anmeldungsverzeichnis aufgenommen worden. Es fehle daher an einem Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin (ON 5).
Die Klägerin machte demgegenüber geltend, sie könne mit dem Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis nur im Inland, nicht auch wie sich aus Art. 14 des Vertrages von 6.Juni 1959 zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidung, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen ergebe - in der Bundesrepublik Deutschland Exekution führen. Der Beklagte verfüge zwar nicht im Inland, wohl aber in der Bundesrepublik Deutschland über pfändbares - bewegliches - Vermögen. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin sei daher gegeben (ON 6 und 7).
Der Beklagte wendete dagegen ein, die Klägerin habe erst mit dem Schriftsatz ON 6 den Grund für die Klageführung angegeben. Hätte sie dies bereits in der Klage getan, hätte der Beklagte das Klagebegehren nicht bestritten. Die Klägerin sei daher dem Beklagten kostenersatzpflichtig.
Die Klägerin bestritt dies. § 60 Abs 2 der KO idF des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes (C) 1982 sei auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da der Konkurs über das Vermögen des Beklagten im Jahr 1982
eröffnet worden sei.
Das Erstgericht wies die Klage ab. Die Klägerin habe nicht einmal behauptet, daß die Voraussetzungen für eine Klageführung nach § 60 KO vorlägen.
Das Berufungsgericht gab der Klage - mit Ausnahme eines Zinsenmehrbegehrens, dessen Abweisung unbekämpft geblieben ist - statt und sprach aus, daß die Revision gegen den abändernden Teil des Urteils zulässig sei. Ungeachtet der ein Urteilssurrogat darstellenden Anmeldung im Konkursverfahren könne wegen der Konkursforderung ein Rechtsstreit jedenfalls dann geführt werden, wenn deren Vollstreckung im Ausland erfolgen soll. Nach der Rechtslage vor dem C 1982 habe der Kläger dies sowie die Tatsache, daß die Eintragung im Anmeldungsverzeichnis dort keinen tauglichen Exekutionstitel bilde, behaupten müssen. Nunmehr könne der Gläubiger im Hinblick auf § 60 Abs 2 KO idF des C 1982 jederzeit und ohne die genannten Vorbedingungen den Klageweg beschreiten. Im vorliegenden Zivilverfahren komme diese Bestimmung bereits zur Anwendung. Die bisher geltenden Bestimmungen des Insolvenzrechts seien nach der übergangsbestimmung des Art. XI § 2 Abs 1 C nur auf Konkurse, Anschlußkonkurse und Ausgleichsverfahren, die vor dem Ablauf des Jahres 1982 eröffnet worden seien, anzuwenden. Der Umstand, daß das Konkursverfahren gegen den Beklagten bereits 1982 eröffnet worden sei, sei daher unerheblich. Der Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es dahin abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Beklagte vertritt den Standpunkt, § 60 Abs 2 KO sei im gegenständlichen Rechtsstreit entsprechend der übergangsregelung des Art. XI § 2 Abs 1 C noch nicht anzuwenden, da das Konkursverfahren gegen ihn bereits im Jahr 1982 eröffnet worden sei. Nach der Rechtslage vor dem C 1982 wäre aber entgegen der Meinung des Berufungsgerichtes die Aufnahme der Forderung der Klägerin in das Anmeldungsverzeichnis der Durchführung eines Zivilverfahrens im Wege gestanden, zumal aus der Klage nicht hervorgegangen sei, daß die Klägerin das Verfahren eingeleitet habe, um einen Exekutionstitel zu erwirken, der zur Zwangsvollstreckung in der Bundesrepublik Deutschland nötig sei. Auch dann aber, wenn die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes in der Hauptsache zutreffen wollte, wäre die Klägerin zum Prozeßkostenersatz zu verpflichten gewesen, weil sie den Grund ihrer Klageführung nicht bereits in der Klage angeführt habe.
Der Oberste Gerichtshof schließt sich dieser Ansicht nicht an. Die Zulässigkeit der Schaffung eines vollstreckbaren Urteils neben dem einen Exekutionstitel bildenden Auszug über die Eintragung im Anmeldungsverzeichnis wurde schon vor dem Insolvenzrechtsänderungsgesetz 1982
als gegeben angesehen, wenn - was ausdrücklich behauptet werden mußte - das zu erwirkende Urteil zur Exekutionsführung auf ein in einem Staate befindliches Vermögensobjekt verwendet werden sollte, der - wie die Bundesrepublik Deutschland (Art. 14 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Vergleichen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen, BGBl. Nr. 105/1960) - den Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis nicht als Exekutionstitel anerkennt (EvBl 1960/106). Im einzelnen herrschte allerdings Streit darüber, ob und inwieweit die Möglichkeit der Beschaffung eines Exekutionstitels auf Grund der Ergebnisse eines Ausgleichs- und Konkursverfahrens in nachfolgende Verfahren über Geldleistungsansprüche einwirkt (vgl. 3 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrats XV. GP, 41, sowie Fasching III 170, Wegan, Österreichisches Insolvenzrecht, 137 f und 277 f, und Jelinek, § 53 a Ausgleichsordnung, Bedeutung und Wirkungen, ÖJZ 1970, 5 ff und 34 ff insbesondere 34). Dieser Streit wurde insbesondere im Hinblick darauf, daß zahlreiche Staaten, die ohne weiteres österreichische Urteile vollstrecken, eine Exekution auf Grund eines Auszuges aus einem österreichischen Anmeldungsverzeichnis sowie eine Bindung an dieses ablehnen (3 der Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrates aaO), durch die neuen, durch das C 1982 eingefügten Bestimmungen des § 60 Abs 2 KO (sowie § 54 Abs 4 AO) gelöst, wonach zwar die Feststellung einer Forderung, die der Gemeinschuldner nicht ausdrücklich bestritten hat, die Gerichte und, soferne besondere Gesetze nichts anderes bestimmen, auch die Verwaltungsbehörden bindet, Leistungsklagen über solche Forderungen aber zulässig bleiben, dem unterlegenen Beklagten jedoch die Prozeßkosten zu ersetzen sind, es sei denn, er hat die Abweisung des Klagebegehrens beantragt oder der Kläger benötigt das Urteil zur Zwangsvollstreckung in einem Staat, der Auszüge aus dem Anmeldungsverzeichnis eines österreichischen Gerichts nicht als Exekutionstitel anerkennt (vgl. hiezu auch Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechts 4 , Rdz 160). Dem Umstand, daß ein Auszug aus dem Anmeldungsverzeichnis erworben werden kann, kann daher auch für den innerstaatlichen Bereich nicht die Wirkung eines rechtskraftgleichen Prozeßhindernisses gegeben werden (Beilagen zu den stenografischen Protokollen des Nationalrats aaO). Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Bestimmungen des § 60 Abs 2 KO auf den vorliegenden Rechtsstreit ungeachtet dessen anzuwenden sind, daß das Konkursverfahren gegen den Beklagten im Jahr 1982 eingeleitet wurde, im Ergebnis zutreffend gelöst. Die Anwendbarkeit ergibt sich allerdings nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes bereits aus Art. XI § 1 des C, wonach dieses Bundesgesetz am 1.Jänner 1983 in Kraft tritt. Es liegt kein Konkurs, Anschlußkonkurs oder Ausgleichsverfahren vor, für die in Art. XI § 2 C besondere Anordnungen darüber getroffen wurden, ab welchem Zeitpunkt die Bestimmungen des C auf sie anzuwenden sind, sondern ein Zivilverfahren über eine Leistungsklage.
Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht der Klage stattgegeben, sodaß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte. Die Prüfung der Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes durch den Obersten Gerichtshof ist im Hinblick auf die Bestimmung des § 528 Abs 1 Z 2 ZPO nicht zulässig.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E05498European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00529.85.0328.000Dokumentnummer
JJT_19850328_OGH0002_0070OB00529_8500000_000