TE OGH 1985/3/28 6Ob616/84 (6Ob617/84)

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Veröffentlicht am 28.03.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl, Dr. Resch, Dr. Schobel und Dr. Riedler als Richter in der Pflegschaftssache der mj.Kinder Ulrike A, geb. am 26.5.1972 und Doris A, geb. am 22.6.1973, infolge der Revisionsrekurse der ehelichen Mutter Theresia A, Graz, Eisteichgasse 18/15, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 4.Juni 1984, GZ. 3 R 135/84-42, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 4.Mai 1984, GZ. 16 P 222/83-34, bestätigt wurde, und gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgerichtes vom 4.Juni 1984, GZ. 3 R 136/84-43, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 7.Mai 1984, GZ. 16 P 222/83-35, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1.) Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 4.6.1984, GZ 3 R 135/84-42, erhobene Revisionsrekurs ON 44 wird zurückgewiesen.

2.) Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes vom 4.6.1984, GZ 3 R 136/84-43, gerichtete Revisionsrekurs ON 45 wird, soweit damit die Bestätigung der Abweisung des Antrages auf Freigabe des Bausparvertrages der mj.Ulrike A angefochten wird, zurückgewiesen. Im übrigen, also insoweit, als die Bestätigung der Aufforderung der ehelichen Mutter, den über ihre Veranlassung aus dem Bausparvertrag ausbezahlten Betrag von S 59.121,83 binnen 14 Tagen auf ein Sparkonto, lautend auf mj.Ulrike A zur Einzahlung zu bringen und dem Gericht die Einzahlung nachzuweisen, bekämpft wird, wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben und werden insoweit die vorinstanzlichen Entscheidungen dahin abgeändert, daß dieser Beschlußpunkt ersatzlos aufgehoben wird.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der beiden mj.Kinder wurde mit Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 31.8.1983 gemäß § 55 a EheG geschieden. In dem anläßlich der Scheidung geschlossenen und später pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich vereinbarten die Eltern, daß hinsichtlich der beiden Kinder die familienrechtlichen Beziehungen im Sinne des § 144 ABGB der Mutter zustehen. Dem Vater wurde ein Besuchsrecht eingeräumt.

Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluß ON 42:

Am 16.11.1983 beantragte der Vater der Kinder, ihm 'das alleinige Sorgerecht' hinsichtlich beider Kinder zu übertragen. Die Mutter sprach sich gegen diesen Antrag aus.

Das Erstgericht entzog mit Beschluß vom 4.5.1984, ON 34, der Mutter gemäß § 176 ABGB die Rechte und Pflichten im Sinne des § 144 ABGB und teilte diese Rechte dem Vater zu. Es legte seiner Entscheidung folgenden Sachverhalt zugrunde:

Die Mutter übersiedelte mit den beiden mj. Kindern nach der Scheidung im September 1983 nach B, Ungergasse 40, in eine 2-Zimmer-Wohnung. Da diese Wohnung zu klein war, entschloß sich die Mutter, die größere Wohnung in B, Eisteichgasse 18/4/15, zu erwerben. Diese Wohnung besteht aus 3 Zimmern, Küche und Nebenräumen. Die Räume sind zwar noch nicht fertig eingerichtet, aber recht gemütlich. Die beiden Kinder besuchten das Gymnasium der Ursulinen in B. Beide Mädchen hatten ein gutes bzw. sehr gutes Semesterzeugnis. Der Vater bewohnt die frühere Ehewohnung in C, Friedhofweg 150, wo die beiden Kinder, wenn sie sich beim Vater befinden, ein gemeinsames geräumiges Zimmer bewohnen. Daneben gibt es eine große Wohnküche, ein Wohnzimmer und ein Arbeitszimmer. Im Dachgeschoß befinden sich drei weitere Zimmer und die Sanitäranlagen. Das Stockhaus steht in einem großen Obstgarten im Ortskern von C. Die Bushaltestelle ist ca.500 m vom Haus entfernt. Der Vater hatte schon während aufrechter Ehe einen Großteil der Aufgaben im Rahmen des Haushaltes übernommen. Unter anderem hatte er - vor allem auf Grund seiner nur vormittägigen Arbeitszeit und offenbar im Einvernehmen mit der Mutter - gekocht, eingekauft, gewaschen und gebügelt. Es ergab sich daher ganz natürlich, daß die Kinder primär von ihm betreut wurden. Mittlerweile wohnt im Haushalt des Vaters auch dessen Freundin Ruth D, die von den Kindern gut angenommen wurde und nun schon eine vertraute Bezugsperson für die Kinder repräsentiert. Die Kinder sind in C beim Vater aufgewachsen und haben neben dem Vater die väterliche Großmutter, ihre Freundinnen und die Haustiere dort. Im Laufe des März 1984 wurde die zwischen den Eltern vereinbarte Besuchsrechtsregelung in unveränderter Form eingehalten. Jeweils am Mittwoch besuchten die Kinder die Musikschule in C. Probleme ergaben sich insoferne, als die Mutter wollte, daß die Kinder nach dem Besuchswochenende am Sonntag abends bzw. nach dem Musikschulbesuch am Mittwoch abends noch nach Hause kämen. Die Kinder kamen aber immer erst am darauffolgenden Nachmittag, also nach dem Schulbesuch in die Wohnung der Mutter zurück. Dadurch traten große Spannungen und Konflikte auf. Die Mutter ist unsicher und weiß insgeheim um den Wunsch der Kinder, lieber beim Vater zu sein, wagt es aber offenkundig nicht, 'sich mit dieser Realität zu konfrontieren'. Die Vorstellung, daß die Kinder sich mit der Situation, bei ihr zu sein, schon abgefunden hätten, wären sie nur von Anfang an dazu gezwungen worden, zeigt eine erschreckende Unkenntnis oder Verdrängung dessen, wie Bindungen entstehen. Auch ist die Mutter im Moment nicht in der Lage, die Kinder zu verstehen und emotional für sich zu gewinnen. Das formulierte Erziehungsziel 'die Kinder sollen sich behaupten können', ist ein in die Kinder projizierter Wunsch. Die Mutter selbst fühlt sich ohnmächtig und hilflos. Der Kontakt zu den Kindern ist steif. Die Mutter ist derzeit psychisch nicht in der Lage, Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. Die Mutter ist seit April 1983 (richtig 1984) arbeitslos. Diese Arbeitslosigkeit tritt zu den oben angeführten Belastungen hinzu, sodaß gerade jetzt die Familie erhöhte Bedeutung für sie gewonnen hat.

Die psychische Belastung für die Kinder wurde nicht zuletzt durch die Entwurzelung (Umzug nach B) verstärkt. Die Mutter meint selbst, sie habe sich in der Eisteichgasse noch nicht eingelebt. Die 'größte Aggression der Mutter' wendet sich gegen die Freundin des Vaters. Die mj.Ulrike hat am 16.4.1984 einen Brief an das Pflegschaftsgericht geschrieben, in dem sie unter anderem darum bat, beim Vater bleiben zu dürfen. Nachdem die Mutter davon Kenntnis erlangt hatte, ergriff sie zu Hause ein Küchenmesser, richtete es auf sich und forderte die Minderjährige auf, sie solle sie umbringen, sie selbst hätte nicht die Kraft dazu. Ulrike reagierte jedoch nicht darauf. Die Mutter hat schon öfters die Drohung ausgesprochen, sich bzw. die Kinder umzubringen, falls diese nicht zu ihr kämen. Die Mutter hat auch zweimal im Auto gesagt, sie würde am liebsten 'mit dem Auto in einen Baum fahren', damit dann alle tot seien. Die Kinder sind offenkundig unter einem starken Druck. Sie getrauen sich kaum ihre Meinung zu äußern, weil sie wissen, daß die Mutter davon Kenntnis erhält und weil sie Angst um die Mutter und vor der Mutter haben. Die Suiziddrohungen, die die Kinder natürlich schwer irritieren, werden durch den Vorfall mit dem Küchenmesser, womit symbolisch mitgeteilt wurde, 'wenn Du Dich gegen mich aussprichst, bringst Du mich um', noch glaubwürdiger und massiv bedrohlich. Die Kinder erleben die Situation bei der Mutter 'als ungeborgen, sie ist angstbesetzt'. Die derzeitige Situation stellt eindeutig eine Beeinträchtigung der seelischen Entwicklung beider Kinder dar. Ein weiterer Verbleib der Kinder bei der Mutter kann nicht verantwortet werden, weil mit Sicherheit eine psychische Beeinträchtigung der Kinder schon eingetreten ist und eine körperliche Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden kann. Die derzeitige Situation muß besonders Ulrike irritieren, die nach dem Bericht der Eltern bereits pubertiert, weil die Pubertät vor allem am Beginn mit einer Destabilisierung einhergeht. Aber auch Doris ist verunsichert und verstört und tendiert zur Regression. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Mutter weitere unüberlegte und für die Kinder bedrohliche Akte setzt. Der Vater ist vergleichsweise wesentlich besser in der Lage, die Kinder zu verstehen. Er hat die Zuneigung der Kinder. Auch zu Ruth D ist das Verhältnis der Kinder ungestört und eng. Beide sind klar in ihren Äußerungen und Handlungen den Kindern gegenüber; der Erziehungsstil erscheint als partnerschaftlich. Die Lebenssituation in C ist den Kindern vertraut. Hilfe und Förderung in schulischen Angelegenheiten ist ihnen eher gesichert als bei der Mutter. Beim Vater sind auch aus psychologischer Sicht die günstigeren Lebens- und Erziehungsbedingungen gegeben.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß Änderungen einer einmal erfolgten Zuteilung der Elternrechte und Elternpflichten nur dann anzuordnen seien, wenn besonders wichtige Gründe dies im Interesse der Kinder dringend geboten erscheinen ließen. Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen des § 176 ABGB erfüllt. Durch das Gesamtverhalten der Mutter sei eine Gefahr für die Kinder zu besorgen. Der Vater sei befähigt, die Elternrechte und Elternpflichten auszuüben. Es erscheine notwendig, die Kinder aus ihrer bisherigen Umgebung zu entfernen. Der Wunsch der Kinder stelle zwar nicht das absolute Maß für das zu beachtende Kindeswohl dar, sei aber konform mit den Empfehlungen der Sachverständigen und brächte auch gute Erfolgsaussichten in der Erziehung. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter nicht Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist unzulässig.

Da eine bestätigende Entscheidung der zweiten Instanz vorliegt, ist eine Anfechtung derselben nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit oder einer begangenen Nullität zulässig (§ 16 Abs 1 AußStrG). Soweit die eheliche Mutter als offenbare Gesetzwidrigkeit rügt, es seien nicht die Lebensverhältnisse beider Elternteile in die Entscheidung einbezogen worden, so ist dieser Rüge schon durch den oben wiedergegebenen Sachverhalt und die von den Vorinstanzen angestellten rechtlichen Überlegungen der Boden entzogen. Die Mutter macht weiter die Verletzung des rechtlichen Gehöres 'durch mangelhafte Stoffsammlung' und einen Verfahrensmangel vom Gewicht einer Nichtigkeit geltend, den sie darin erblickt, daß das Rekursgericht nicht auf die Umstände Bedacht genommen habe, die sie im Rekurs als erhebungsbedürftig bezeichnet habe.

Von einer im außerordentlichen Revisionsrekurs geltendzumachenden Nichtigkeit durch Verletzung des rechtlichen Gehörs kann nicht mehr gesprochen werden, wenn diese Verletzung im erstinstanzlichen Verfahren erfolgt sein soll und Gelegenheit bestand, im Rekurs diese angebliche Nichtigkeit aufzuzeigen (EFSlg.30.388; 37.153 ua). Dies gilt auch vom Vorwurf der Mutter, sie habe zu den beiden 'Gutachten' bei Gericht nicht Stellung nehmen können.

Die von der Rechtsmittelwerberin zur Stützung ihrer Rüge, es liege ein 'Verfahrensmangel wegen Nichtigkeit' vor, gemachten Ausführungen erweisen sich in den Punkten 1 bis 3 sowie 5 und 6 als Bekämpfung der Feststellungen und der Beweiswürdigung durch die Vorinstanzen. Damit macht die Mutter aber einen im § 16 Abs 1 AußStrG nicht genannten und damit nicht zulässigen Rechtsmittelgrund geltend. Dasselbe gilt von der Rüge, das Rekursgericht hätte wohl ein neuerliches Gutachten einholen müssen, weil durch die von ihr im Rekurs vorgelegte Stellungnahme des Prim.Dr. E das Gutachten des Dr. F ins Wanken gerate.

Was schließlich den im Punkt 4 des Revisionsrekurses erhobenen Vorwurf der Rechtsmittelwerberin betrifft, sie sei zu ihrem Antrag auf Rückversetzung der Kinder von der Hauptschule C in die 'AHS' der Ursulinen in B nicht gehört worden, vermag die Rechtsmittelwerberin ebenfalls keine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen, weil der den Rückversetzungsantrag beinhaltende Schriftsatz, sollte er von der Rechtsmittelwerberin als Ergänzung zum bereits eingebrachten Rekurs gegen den erstgerichtlichen Beschluß gedacht gewesen sein, schon deshalb nicht in Behandlung durch das Rekursgericht gezogen werden durfte, weil er nicht nur nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingelangt, sondern auch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist verfaßt worden war.

Mangels gesetzlicher Anfechtungsgründe im Sinne des § 16 Abs 1 AußStrG mußte daher dieser Revisionsrekurs zurückgewiesen werden.

Zum Revisionsrekurs gegen den Beschluß ON 43:

Das Erstgericht wies mit Beschluß vom 7.5.1984, ON 35, den Antrag der Mutter auf Freigabe des Bausparvertrages der Minderjährigen Ulrike für die Finanzierung und Einrichtung der Wohnung ab und forderte die Mutter auf, den über ihre Veranlassung ausbezahlten Betrag von S 59.121,83 binnen 14 Tagen auf ein auf die mj.Ulrike A lautendes Sparkonto zur Einzahlung zu bringen und dem Gerichte die Einzahlung nachzuweisen. Gleichzeitig wies es einen Antrag des Vaters, die offenen Schulgeldforderungen der Ursulinen und die Kosten des Schikurses von den Zahlungen an die Mutter in Abzug bringen zu dürfen, ab.

Während der Vater die Abweisung seines Antrages unangefochten ließ, bekämpfte die Mutter diesen Beschluß insoweit, als ihr Antrag auf Freigabe des Bausparguthabens abgewiesen und ihr der Auftrag zur Einzahlung des Betrages von S 59.121,83 erteilt worden war. Das Rekursgericht gab diesem Rekurs nicht Folge und bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß.

Den Entscheidungen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Raiffeisen-Bausparkasse nahm einen auf den Namen der mj. Ulrike abgeschlossenen Bausparvertrag mit einer Vertragssumme von S 100.000 am 7.10.1977 an. Die vom Vater zum 30.9.1983 zufolge Ablaufes der gesetzlichen Bindungsfrist vorgenommene Kündigung dieses Bausparvertrages wurde von der Bausparkasse nicht akzeptiert, weil dem Vater nicht die gesetzliche Vertretung der Minderjährigen zustand. über Antrag des Vaters veranlaßte das Erstgericht mit Beschluß vom 4.11.1983, ON 8, die Umwandlung des Bausparguthabens nach Fälligkeit in eine mündelsichere Spareinlage. Dieser Beschluß wurde damit begründet, daß der Bausparvertrag Eigentum der Minderjährigen sei. Die Entscheidung wurde auch der Mutter zugestellt. Mit Schreiben vom 28.11.1983

teilte die Raiffeisenbausparkasse dem Pflegschaftsgericht mit, daß sie auf Grund der gesetzlichen Bestimmungen keine Mündelgeldeinlagen führe. Am 3.1.1984 beantragte die Mutter die Freigabe des Bausparvertrages ihrer Tochter und führte aus, sie benötige diesen zur Finanzierung und Einrichtung der neuen Wohnung. Am 26.4.1984 teilte die Bausparkasse dem Pflegschaftsgericht mit, daß die Mutter der Minderjährigen als gesetzliche Vertreterin die Zuteilung des Bausparvertrages zum 31.12.1983 beantragt habe und das Sparguthaben in Höhe von S 59.121,83 gemäß dem Auftrag der Mutter am 10.1.1984 an die Landeshypothekenbank für Steiermark auf ein Konto zu Gunsten der Minderjährigen überwiesen wurde. Bereits mit Beschluß vom 2.4.1984, ON 20, war die genannte Bausparkasse vom Erstgericht ersucht worden, den Bausparvertrag zu realisieren und den Erlös an die Steiermärkische Sparkasse in B zu überweisen.

Das Erstgericht ging bei seiner Entscheidung davon aus, daß das Guthaben aus dem Bausparvertrag Vermögen der Minderjährigen darstelle, die Mutter das Eigentum der Minderjährigen nicht beanspruchen könne und für eine eventuell zu genehmigende Auszahlung von der Mutter keine Sicherheit der Wertanlage vorgelegt worden sei. Das Rekursgericht hielt der Bekämpfung der 'Feststellung', bei dem Guthaben aus dem Bausparvertrag habe es sich um Teile des Vermögens der Minderjährigen gehandelt, entgegen, daß das Erstgericht zutreffend angenommen habe, der Bausparvertrag sei zu Gunsten der Minderjährigen abgeschlossen worden. Dies sei vom Vater behauptet worden. Die Mutter habe gegen den ihr zugestellten Beschluß ON 8, der diese Rechtsansicht ebenfalls vertreten habe, kein Rechtsmittel erhoben. Sie gehe in ihrem Antrag selbst davon aus, daß es sich um den Bausparvertrag ihrer Tochter handle. Das Sparguthaben sei daher im Sinne ständiger Rechtsprechung als Mündelvermögen anzusehen. Ansprüche auf Herausgabe von Sachen, die Besitz oder Eigentum eines Minderjährigen seien, könnten überdies nur im ordentlichen Rechtsweg durchgesetzt werden. Die Bestimmungen der §§ 230 bis 230 e ABGB hätten gemäß § 149 Abs 1 letzter Halbsatz ABGB auch für die Eltern Geltung. Die Eltern hätten das Geld des Minderjährigen, das nicht für besondere Zwecke zu verwenden sei, unverzüglich und sicher, in zweiter Linie möglichst fruchtbringend anzulegen. § 149 Abs 2 ABGB enthalte Regeln über die genehmigungsfreie Verwendung des Vermögens.

Eheliche Eltern unterlägen nicht von vornherein der Überwachung der Anlegung von Mündelgeld im Sinne des § 193 AußStrG. Nur wenn das Wohl eines Minderjährigen bezüglich der Anlegung seines Geldes gefährdet sei, seien auch ehelichen Eltern entsprechende Aufträge zu erteilen. Die mißbräuchliche Verwendung des Geldes für die Eltern oder andere Personen könne einen Gefährdungstatbestand im Sinne des § 176 ABGB darstellen. Im vorliegenden Fall lägen die Voraussetzungen für die Überwachung der Verwaltung des Mündelvermögens durch den Elternteil, dem die Vermögensverwaltung im Zeitpunkt der Verwaltungshandlungen zustand, vor, weil die Mutter oder eine andere Person, wie das Rekursgericht ergänzend aus dem Amtsvermerk vom 2.5.1984

festgestellt habe, das Bausparguthaben der Minderjährigen behoben habe. Ein Fall der genehmigungsfreien Verwendung des Mündelvermögens liege nicht vor.

Das Erstgericht sei daher berechtigt gewesen, der Mutter den Auftrag zur Rückzahlung des Betrages in der Höhe von S 59.121,83 zu erteilen. Weitere, zur Sicherung des Mündelvermögens erforderliche Verfügungen habe das Erstgericht ohnehin nicht getroffen. Der Antrag auf Freigabe des Bausparvertrages der Minderjährigen zur Finanzierung und Einrichtung der neuen Wohnung der Mutter entbehre jeder rechtlichen Grundlage.

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist teils unzulässig, zum Teil zulässig und berechtigt. Soweit die Rechtsmittelwerberin auch in diesem Rechtsmittel das Vorliegen einer Nichtigkeit infolge Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend macht, das darin gelegen sein soll, daß sie zu ihrem Antrag auf Freigabe des Bausparguthabens nicht gehört worden sei, verkennt sie, daß sie das rechtliche Gehör durch die Einbringung ihres Antrages ausübte.

Ihre Ausführungen über die Höhe des Sparguthabens zum Zeitpunkt des Beschlusses des Erstgerichtes vom 4.11.1983 und die Einzahlung eines weiteren Betrages von S 10.000 auf das Konto bei der Bausparkasse vermögen ebensowenig wie die Ausführungen über eine fehlende Rechtsmittelbelehrung anläßlich des Beschlusses vom 4.11.1983, ON 8, eine Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses, soweit damit ihr Antrag auf Freigabe des Bausparguthabens abgewiesen wurde, aufzuzeigen. Insoweit war daher das Rechtsmittel zurückzuweisen. Durch die angefochtene Entscheidung wurde die Rechtsmittelwerberin aber auch zur Herausgabe des von ihr behobenen Bausparguthabens bzw. zur Zahlung eines Betrages in der Höhe desselben verpflichtet, weil die Vorinstanzen die Auffassung vertraten, bei diesem Geld handle es sich um Eigentum der mj.Ulrike (Erstgericht) bzw. das Sparguthaben sei im Sinne ständiger Rechtsprechung als Mündelvermögen anzusehen (Rekursgericht). Berücksichtigt man, daß die Rechtsmittelwerberin das Geld als ihr Eigentum beansprucht hat, dann wird deutlich, daß es sich bei den vorinstanzlichen Entscheidungen nicht um eine bloße Sicherungsmaßnahme, wie etwa bei der Sperre eines auf das Kind lautenden Kontos, sondern um Entscheidungen handelt, mit denen über das Eigentum am behobenen Sparguthaben, bzw. über eine Ersatzpflicht der Rechtsmittelwerberin entschieden wurde. Entscheidungen dieser Art gehören aber nicht in die Zuständigkeit des Außerstreitgerichtes, weil alle in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Sachen grundsätzlich auf den Prozeßweg gehören, wenn ein Gesetz nicht ausdrücklich oder schlüssig etwas anderes bestimmt (SZ 54/129 uva); solches ist aber hier nicht gegeben. Die danach im außerstreitigen Verfahren ergangenen Entscheidungen sind daher im Sinne des sinngemäß anzuwendenden § 477 Abs 1 Z 6 ZPO nichtig (EvBl.1980/78, S 244;

EFSlg.37.155 ua). Dies muß im vorliegenden Fall, weil der Auftrag an die Mutter zur Einzahlung des Betrages von S 59.121,83 erfolgte, ohne daß ein diesbezüglicher Antrag vorlag, zur ersatzlosen Aufhebung dieses Beschlußpunktes führen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E05485

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00616.84.0328.000

Dokumentnummer

JJT_19850328_OGH0002_0060OB00616_8400000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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