Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 4.April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Lachner, Dr. Felzmann und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schwab als Schriftführer in der Strafsache gegen Guntram Josef P*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB
und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Guntram Josef A gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 25.Jänner 1984, GZ. 16 Vr 554/82-48, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Betruges (Punkt A/I des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Der Angeklagte wird mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit diese gegen den Schuldspruch wegen Betruges gerichtet ist, sowie mit seiner Berufung auf die getroffene Entscheidung verwiesen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Guntram A (zu A/I) des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB und (zu A/II) des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2, erster Fall, StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Salzburg
I. mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, nachgenannte Personen durch die Vorgabe, ein rückzahlungsfähiger und rückzahlungswilliger Kreditnehmer zu sein, obwohl über sein Vermögen das Konkursverfahren eröffnet war, somit durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, welche diese oder einen anderen am Vermögen schädigten, wobei der Schaden 100.000 S überstiegen hat, und zwar 1. am 9.Mai 1980 Angestellte der
B C reg.Gen.m.b.H. zur Gewährung eines Kredites in der Höhe von 65.000 S, wodurch das genannte Kreditinstitut um diesen Betrag geschädigt worden ist;
2. am 14.Mai 1980 Angestellte der D, Bank für Oberösterreich und Salzburg, Zweigstelle Alpenstraße, zur Einräumung eines Sofortkredites in der Höhe von 63.000 S, wodurch das bezeichnete Bankinstitut um diesen Betrag geschädigt worden ist;
II. in der Zeit zwischen Frühjahr und Sommer 1981 ein ihm anvertrautes Gut in einem 5.000 S übersteigenden Wert, nämlich einen Betrag in der Höhe von 50.000 S in bar, den er von Heide Maria E zur gewinnbringenden Anlegung für die Genannte und Ing. Norbert E erhalten hat, sich mit dem Vorsatz zugeeignet, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, indem er diesen Betrag für sich behielt und verbrauchte.
Von einem weiteren Anklagevorwurf in Richtung des Betruges (Aufnahme eines Darlehens von 50.000 S am 17.Juni 1981 zum Nachteil des Eugen
F) wurde Guntram A gemäß § 259 Z. 3 StPO (unangefochten)
freigesprochen (Punkt B/ des Urteilssatzes).
Der Angeklagte bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z. 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß der Schuldspruch wegen Betruges (Punkt A/I des Urteilssatzes), und zwar sowohl hinsichtlich des dem Angeklagten angelasteten Betruges an der B (A/I/1) als auch hinsichtlich des ihm gleichfalls vorgeworfenen Betruges an der D (A/I/2), mit einer in der Beschwerde nicht geltendgemachten, dem Angeklagten jeweils zum Nachteil gereichenden materiellrechtlichen Nichtigkeit im Sinn der Z. 9 lit. a (in Ansehung des Punktes A/I/1 allenfalls auch im Sinn der Z. 10) des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, was insoweit ein Vorgehen gemäß § 290 Abs. 1 StPO erfordert, weshalb auf die diesen Schuldspruch betreffenden Beschwerdeausführungen nicht eingegangen zu werden braucht; in Ansehung des Schuldspruchs wegen Veruntreuung (Punkt A/II des Urteilssatzes) ist die Beschwerde hingegen offenbar unbegründet.
Zum Schuldspruch wegen Betruges:
Zum Faktum A/I/1 (Betrug an der B C) stellte das Schöffengericht zusammengefaßt fest, daß der Angeklagte den betreffenden Kredit (von 65.000 S) unter der - zunächst gegenüber seiner Bekannten Hildegard G, die schließlich die Bürgschaft für den Kredit übernahm, sowie der Kreditvermittlerin Charlotte H, sodann aber insbesonders auch gegenüber dem Bankbeamten Herbert I gebrauchten - Vorgabe, das Geld dringend zur Rettung seines todkranken Kindes zu benötigen, sowie unter bewußter Verschweigung des gegen ihn (seit Anfang 1975) anhängigen Konkursverfahrens herauslockte, bisher keine Rate bezahlte und schon zum Zeitpunkt der Kreditaufnahme nicht die Absicht hatte, den Kredit zurückzuzahlen (S. 384 ff./Bd. I). Es hielt die Verantwortung des Angeklagten, den Kredit lediglich für Hildegard G aufgenommen bzw. der Genannten den größten Teil des Geldes übergeben zu haben, auf Grund der für glaubwürdig befundenen Bekundungen der Zeugin G für widerlegt und schloß aus der gesamten Vorgangsweise des Angeklagten bei Erlangung des Kredites auf dessen vorgefaßte Schädigungsabsicht (S. 390 ff./Bd. I). Dabei stellte es zwar (auch) fest, daß Hildegard G gegenüber der B für den in Rede stehenden Kredit die Haftung als Bürge und Zahler gemäß § 1357 ABGB übernommen hat (S. 386/Bd. I), unterließ es aber, die im Hinblick auf diese Konstatierung gebotenen (weiteren) Feststellungen zu treffen, ob und inwieweit es sich bei der Genannten um eine taugliche (solvente) Bürgin gehandelt hat bzw. welche Vorstellungen der Angeklagte diesbezüglich im Zeitpunkt der Kreditaufnahme (und damit der Haftungsübernahme) hatte (vgl. dazu Bd. I, S. 348, 358). Feststellungen in dieser Richtung wären aber deshalb geboten gewesen, weil es am Schädigungsvorsatz eines Kreditnehmers - mag dieser auch von Anfang an beabsichtigen, den Kredit nicht selbst zurückzuzahlen - dann mangeln kann, wenn er zur Besicherung seiner Schuld einen tauglichen (solventen) Bürgen stellt (vgl. ÖJZ-LSK. 1977/268; 9 Os 140/76; Kienapfel BT. II § 146 RN. 241; Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 146 RN. 43); dies umso mehr, wenn der Bürge - wie vorliegend - solidarisch mit dem Schuldner haftet und daher vom Gläubiger unmittelbar in Anspruch genommen werden kann (§ 1357 ABGB.). Scheidet bei einer solchen Konstellation ein Schädigungsvorsatz in Ansehung des Kreditgebers aus, so kann allerdings Betrug am Bürgen gegeben sein, wenn dieser in Ansehung der übernahme der Bürgschaft vom Schuldner getäuscht und dadurch geschädigt wird (vgl. Leukauf-Steininger a.a.O. § 146 RN. 43). Dies könnte vorliegend in Ansehung der Hildegard G der Fall sein. In dieser Richtung steht allerdings einer endgültigen rechtlichen Beurteilung des Tatverhaltens des Angeklagten der Umstand entgegen, daß sowohl in der Anzeige (S. 31, 35 a/Bd. I) als auch in der Aussage der Zeugin G vor dem Untersuchungsrichter (ON. 9/S. 50/Bd. I) davon die Rede ist, daß zwischen dem Angeklagten und G eine Lebensgemeinschaft bestanden hat, worüber das Urteil keine Konstatierungen enthält. Bestand aber zwischen dem Angeklagten und der Zeugin G zur Tatzeit eine echte, auf gewisse Dauer angelegte (Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 72 RN. 15) Lebensgemeinschaft im Sinn des § 72 Abs. 2 StGB, dann wäre ein zum Nachteil der Genannten verübter (vollendeter oder versuchter) Betrugs des Angeklagten (durch betrügerische Erwirkung der übernahme der Bürgschaft) lediglich (als Privatanklagedelikt) nach § 166 Abs. 1 StGB zu beurteilen.
Dem Schuldspruch zu A/I/1 haften somit Feststellungsmängel an, die dessen Kassierung zwecks Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz erfordern.
Zum Faktum A/I/2 (Betrug an der D) wird im angefochtenen Urteil festgestellt, daß der Angeklagte im Mai 1980 bei einer Salzburger Autofirma wegen des Ankaufs eines Gebrauchtwagens vorstellig wurde. Da der Angeklagte nicht über die erforderlichen Barmittel verfügte, wurde ihm vom Autohändler ein Sofortkredit bei der D, Bank für Oberösterreich und Salzburg, Zweigstelle Alpenstraße, vermittelt, bei dessen Aufnahme der Angeklagte sowohl das gegen ihn anhängige Konkursverfahren als auch seine bereits bestehenden Verbindlichkeiten bewußt verschwieg, sondern vielmehr erklärte, monatlich netto etwa 20.500 S zu verdienen und keine Schulden zu haben. Daraufhin wurde ihm von der D ein Kredit in der Höhe von 63.000 S gewährt und (zur Anschaffung des begehrten PKW) ausbezahlt. Auf Grund des Kreditvertrages ging der Eigentumsvorbehalt an dem angeschafften PKW vom Autokäufer auf die D über, die allerdings in der Folge nicht auf das Fahrzeug greifen konnte, weil dieses einem Verkehrsunfall mit Totalschaden zum Opfer fiel; aus dem Verkauf des Wracks konnte die Bank lediglich einen Erlös von 8.000 S erzielen (S. 388/Bd. I). Auch in diesem Fall ging das Gericht davon aus, daß der Angeklagte von vornherein beabsichtigte, den Kredit nicht zurückzuzahlen.
Nach den eben wiedergegebenen Urteilsfeststellungen hatte sich die D zur Besicherung des dem Angeklagten gewährten (Anschaffungs-)Kredites das Eigentum an dem angeschafften PKW vorbehalten. Ein solcher Eigentumsvorbehalt schließt zwar eine strafrechtlich entscheidende wirtschaftliche Vermögensschädigung des Vorbehaltseigentümers (Kreditgebers) nicht generell aus (vgl. EvBl. 1984/52 u.a.); er kann aber für den Betrugsvorsatz, insbesondere für die Höhe des beabsichtigten Schadens, von Bedeutung sein, sofern sich der Kreditnehmer in Ansehung der unter Eigentumsvorbehalt stehenden Sache so verhält, daß dem Kreditgeber die (angestrebte) Sicherung erhalten bleibt (vgl. Mayerhofer-Rieder StGB 2 ENr. 55 und 56 zu § 146), und zwar auch dann, wenn die Sache ohne Verschulden des Kreditnehmers in der Folge beschädigt oder zerstört wird. Ob der Angeklagte in Ansehung des Kraftwagens, an dem sich die D zur Besicherung des gewährten Kredites das Eigentum vorbehalten hat, ein solches Verhalten an den Tag gelegt hat und die allfällige Realisierung des Vorbehalts nur infolge von Umständen, die der Angeklagte nicht zu vertreten hat, nur zu einem geringen Teil möglich war, kann den Urteilsgründen nicht entnommen werden, weil das Erstgericht diesbezüglich keine Feststellungen getroffen hat. Damit haftet auch dem Schuldspruch zu A/I/2 ein Feststellungsmangel an, der zur Urteilsaufhebung und zur Anordnung der Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz zwingt.
In amtswegiger Wahrnehmung der dem Schuldspruch wegen Betruges anhaftenden materiellrechtlichen Nichtigkeit war somit das angefochtene Urteil gemäß § 290 Abs. 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung im bezeichneten Umfang aufzuheben (§ 285 e StPO), was auch die Kassierung des Strafausspruchs zur Folge hat, und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang dieser Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen Betruges (A/I) gerichtet ist, sowie mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.
Zum Schuldspruch wegen Veruntreuung:
Gegen diesen Schuldspruch wendet der Angeklagte als Verfahrensmangel (Z. 4) ein, das Erstgericht habe durch die Ablehnung der (vom Angeklagten beantragten) Beischaffung des Strafaktes 'betreffend das gegen den Zeugen J in diesem Zusammenhang geführte Strafverfahren' und der (ebenfalls vom Angeklagten beantragten) Vernehmung der Helga K die Rechte der Verteidigung des Angeklagten beeinträchtigt. Mit diesen Vorwürfen ist der Beschwerdeführer jedoch nicht im Recht. Der bloße Hinweis im Beweisantrag (S. 371/Bd. I, Punkt 4), gegen den Zeugen J sei 'in diesem Zusammenhang' ein Strafverfahren anhängig, hat weder für sich allein noch auch im Zusammenhalt mit den bezüglichen Verfahrensergebnissen zur Zeit der Antragstellung (vgl. insbesondere S. 361 f./Bd. I) erkennen lassen, daß durch die begehrte Aktenbeischaffung ein für die Beurteilung des - letztlich als Veruntreuung (und nicht als Betrug) qualifizierten - Tatverhaltens des Angeklagten relevantes Beweisergebnis erzielt werden könnte. Mangels Anführung eines Beweisthemas und eines Beweiszweckes fehlt es somit an einem auf seine Berechtigung überprüfbaren Antrag, sodaß die Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes von vornherein ausgeschlossen ist. Erst im Rechtsmittelverfahren nachgeholte Angaben dieser Art können keine Berücksichtigung finden (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , ENr. 16, 18 f., 40 f. zu § 281 Abs. 1 Z. 4).
Durch die Vernehmung der Zeugin Helga K sollte unter Beweis gestellt werden, daß der Angeklagte den ihm anvertrauten Geldbetrag von 50.000 S nicht im Frühjahr oder Sommer 1981 für sich behalten und verbraucht, sondern im September 1981 an Herbert J weitergegeben habe. Damit wäre jedoch für den Angeklagten nichts gewonnen gewesen, weil er unter dieser Voraussetzung nach seiner bezüglichen Verantwortung den Geldeigentümern, nämlich dem Ehepaar E, im Juli und August 1981 die Zurückgabe der von ihm verwahrten Summe mit der wahrheitswidrigen Behauptung verweigert hätte, über das Geld schon disponiert zu haben (S. 116, 351, 362/Bd. I). In diesem Verhalten wäre - ebenso wie in der Weitergabe im September 1981 gegen den erklärten Willen der rückfordernden Eigentümer - ein Zueignungsakt zu erblicken, durch welchen der Angeklagte das anvertraute Gut seinem eigenen wirtschaftlichen Machtbereich zugeführt hätte, weshalb auch unter solchen Gegebenheiten die Veruntreuung verwirklicht worden wäre. So gesehen ist es für die Tatbeurteilung aber bedeutunglos, ob der Angeklagte damals das Geld für eigene Zwecke ausgegeben oder durch Ableugnung des Besitzes und Vortäuschung erfolgter Verfügungen für sich in Anspruch genommen hat, weshalb die beantragte Zeugenvernehmung ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben konnte.
Die gegen den Schuldspruch wegen Veruntreuung erhobene Verfahrensrüge erweist sich somit als offenbar unbegründet, sodaß die Nichtigkeitsbeschwerde diesbezüglich gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO ENr. 11 zu § 390 a).
Anmerkung
E05168European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00200.84.0404.000Dokumentnummer
JJT_19850404_OGH0002_0090OS00200_8400000_000