Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 17.April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schwab als Schriftführer, in der Strafsache gegen Franz Paul A wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 3. Oktober 1984, GZ. 5 c Vr 12.618/83-71, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, und der Verteidigerin Dr. Musil, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung dahin ergänzt, daß dem Angeklagten auch die Vorhaft vom 28.Oktober 1981, 0.00 Uhr, bis zum 17.Dezember 1981, 24.00 Uhr, und vom 31.August 1982, 0.00 Uhr, bis zum 29.November 1982, 24.00 Uhr, gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 StGB auf die Strafe angerechnet wird.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Österreicher Franz Paul A (zu A/) des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB - begangen in drei Fällen, nämlich Ende September 1981 in Wien an der B C, Zweigstelle Eßling (A/1), in der Zeit von Ende September bis Anfang Oktober 1981 in Tel Aviv/Israel an der D E F (A/2) und am 5.Oktober 1981 in Rom an der G (A/3) - sowie der Vergehen (zu B/) der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und (zu C/) der Urkundenfälschung (richtig: der Fälschung besonders geschützter Urkunden) nach §§ 223 Abs. 2, 224 StGB schuldig erkannt und hiefür nach § 147 Abs. 1 StGB unter Anwendung der §§ 28, 39 StGB sowie unter Bedachtnahme gemäß §§ 31 Abs. 1 und 2, 40 StGB auf das Urteil des Strafgerichtes in Johannesburg/Südafrikanische Republik vom 29.November 1982
zu einer Zusatz-Freiheitsstrafe von 2 (zwei) Jahren verurteilt. Gemäß § 38 StGB wurde die Vorhaft vom 1.August 1982, 0.00 Uhr, bis zum 30.August 1982, 24.00 Uhr, und vom 11.November 1983, 0.00 Uhr, bis zum 12.November 1983, 12.40 Uhr, auf die Strafe angerechnet. Von einem weiteren Betrugsvorwurf erging ein (unangefochten gebliebener) Freispruch gemäß § 259 Z. 3 StPO
Mit seiner auf die Z. 5, 9 lit. b und 11 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft der Angeklagte zum einen (aus den beiden erstbezeichneten Nichtigkeitsgründen) den Schuldspruch zu Punkt A/2 des Urteilssatzes (Betrug zum Nachteil der D E F in Tel Aviv) mit der Behauptung, wegen der betreffenden Tat bereits vom Strafgericht in Johannesburg rechtskräftig abgeurteilt worden zu sein, zum anderen wendet er sich (aus dem letztgenannten Nichtigkeitsgrund) gegen das Unterbleiben der Anrechnung weiterer, nach den abgeurteilten Taten erlittener (ausländischer) Vorhaftzeiten.
Rechtliche Beurteilung
Der Einwand, das Urteil des Strafgerichtes in Johannesburg - mit welchem Franz Paul A wegen Betruges in drei Fällen (mit Schadenssummen von 898,15, 220,-- und 30,-- südafrikanischer Rands, d. s. rund 18.721,25 S) und wegen Entweichens aus der Untersuchungshaft zu insgesamt einem Jahr und 130 Tagen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist - habe sich auch auf den in Tel Aviv verübten, den Gegenstand des Schuldspruchs zu Punkt A/2 bildenden Betrug zum Nachteil der D E F (mit einem Schaden von 71.100 S) bezogen, versagt. Denn das Erstgericht ist - gestützt auf die bezüglichen Erhebungen der Interpol (S. 65, 73/Bd. II) - zutreffend davon ausgegangen, daß der Verurteilung in Johannesburg nur solche Betrugsstraftaten zugrundelagen, die der Beschwerdeführer in Johannesburg verübt hat (S. 147, 153 ff.). Diese Feststellung wird durch die inzwischen vom Justizministerium der Republik Südafrika und von den südafrikanischen Polizeibehörden übermittelten (noch nicht einjournalisierten) Unterlagen bestätigt, aus denen hervorgeht, daß die Verurteilung vom 29.November 1982 ausschließlich in Südafrika begangene Betrugsstraftaten (zum Nachteil von H I, von J K L M N und von O P Q R) zum Gegenstand hatte, nicht jedoch den in Tel Aviv zum Nachteil von D E F verübten Betrug. Einer Verwertung dieser dem Gericht erst nach der Urteilsfällung in erster Instanz zugekommenen Aktenteile im Nichtigkeitsverfahren steht das im § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO normierte Neuerungsverbot nicht entgegen, weil erlittene Strafen zu den sogenannten 'Generalien' (Angaben über die persönlichen Verhältnisse) des Angeklagten zählen (vgl. §§ 199 Abs. 2, 240 StPO in Verbindung mit § 593 Abs. 3 und 4 Geo.) und daher prozessuale Tatsachen sind, zu deren Feststellung und Ergänzung der Oberste Gerichtshof berechtigt ist (vgl. 11 Os 149/84 sowie Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr. 31 ff. zu § 288).
Von einer Erledigung des Strafanspruchs (im Sinn § 65 Abs. 4 Z. 3 StGB) in Ansehung der den Gegenstand des Schuldspruchs zu Punkt A/2 bildenden Betrugsstraftat kann somit keine Rede sein. Im übrigen genügt nach der zitierten Gesetzesstelle die rechtskräftige Verurteilung durch ein ausländisches Gericht allein noch nicht für den Entfall der inländischen Strafbarkeit; vorausgesetzt wird vielmehr, daß die Strafe ganz vollstreckt oder, soweit dies nicht der Fall ist, endgültig erlassen worden ist (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 65 RN. 14, 15), was vorliegend nicht zutrifft, weil der Beschwerdeführer - wovon auch die Beschwerde ausgeht (S. 263/Bd. II) - in Johannesburg auf Bewährung ('on probation'), mithin bedingt entlassen worden ist (vgl. S. 119/Bd. II).
Teilweise berechtigt ist die aus der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO erhobene Rüge in Ansehung der Vorhaftanrechnung. Wie sich aus den von den südafrikanischen Behörden übermittelten Unterlagen ergibt (vgl. insb. S. 153
im Vorakt 1 b Vr 4299/80 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und das !noch nicht einjournalisierte Schreiben vom 23.Oktober 1984; siehe auch S. 5/Bd. II), wurde der Beschwerdeführer nach seiner Einreise in die Republik Südafrika am 28.Oktober 1981 in der Stadt Durban nach Begehung der bereits erwähnten, in Südafrika begangenen (Scheck-)Betrügereien in Haft genommen. Am 17.Dezember 1981 entwich er in Johannesburg aus der Untersuchungshaft (vgl. S. 65/Bd. II) und flüchtete nach Mozambique, von wo er am 30.August 1982
wieder in die Republik Südafrika abgeschoben wurde; dort befand er sich sodann zunächst bis zu seiner Aburteilung am 29.November 1982 und darnach weiters bis zum 11.November 1983 in Haft, an welchem Tag er schließlich nach Österreich abgeschoben wurde. Seine Entlassung am 11.November 1983 aus der Haft in Südafrika erfolgte, wie aus dem Schreiben der Gefangenenhausverwaltung in Johannesburg vom 13.Juli 1984 (S. 119/Bd. II) hervorgeht, auf Bewährung ('on probation'), während (laut dem Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 20. Juli 1983 S. 277/Bd. I) als urteilsmäßiges Strafende der 6.April 1984
vorgesehen gewesen war. Davon ausgehend zeigt sich aber, was die Beschwerde zu Recht reklamiert, daß die bis zum Urteil vom 29. November 1982 erlittene Vorhaft (vom 28.Oktober 1981 bis zum 17. Dezember 1981 und vom 31.August 1982
bis zum 29.November 1982) in Südafrika ersichtlich nicht auf die dort verhängte Strafe angerechnet worden ist, weshalb sie gemäß § 38 Abs. 1 Z. 2 StGB (im Hinblick darauf, daß in bezug auf das Urteil des Strafgerichtes in Johannesburg die Voraussetzungen des § 31 Abs. 1 und 2 StGB gegeben sind) auf die im gegenständlichen Verfahren über den Angeklagten verhängte Strafe anzurechnen ist. Da das Erstgericht diese Anrechnung unterlassen hat, war das angefochtene Urteil in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung zu ergänzen.
Nicht berechtigt ist hingegen das (weitere) Beschwerdevorbringen, mit welchem der Angeklagte die Anrechnung einer von ihm (angeblich) in Mozambique erlittenen Vorhaft vom 19.Dezember 1981 bis zum 31. Juli 1982 anstrebt. Das Schöffengericht hat nämlich die bezügliche Verantwortung des Angeklagten, er sei nach seiner Flucht aus der Untersuchungshaft in Johannesburg bereits am 19.Dezember 1981 in Mozamibque durch die Organisation 'FRELIMO' als 'Agent des Südafrikanischen Geheimdienstes' festgenommen, in der Stadt Maputo am 30.Jänner 1982 angeklagt und zum Tode verurteilt, dann aber vom Präsidenten von Mozambique zu 25 Jahren Gefängnis begnadigt worden, mit eingehender Begründung als unglaubwürdig abgelehnt (S. 155 ff./Bd. II) und dem Angeklagten lediglich eine Vorhaft vom 1.August 1982 bis zum 30.August 1982 angerechnet.
Wenn der Beschwerdeführer demgegenüber einwendet, die Annahme, er sei erst im August 1982 in Mozambique in Haft genommen worden, beruhe auf einer unrichtigen übersetzung der bezüglichen Textstelle in dem Schreiben der südafrikanischen Polizei vom 4.April 1984 (S. 65, 75/Bd. II), so vermag er damit weder eine Urteilsnichtigkeit im Sinn der Z. 5 noch eine solche im Sinn der Z. 11 des § 281 Abs. 1 StPO aufzuzeigen. Denn selbst wenn man - seiner Argumentation folgend - annähme, daß in dem erwähnten Schreiben nur zum Ausdruck gebracht werden sollte, er sei zu einem unbestimmten Zeitpunkt in Mozambique festgenommen und während des August 1982 in die Republik Südafrika abgeschoben worden, könnte daraus nicht abgeleitet werden, daß A in Mozambique (über den ihm ohnedies auf die Strafe angerechneten Zeitraum hinaus) eine den Voraussetzungen des § 38 StGB entsprechende Vorhaft erlitten, sich also dort schon ab 19. Dezember 1981 wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung in gerichtlicher oder verwaltungsbehördlicher Verwahrungs-, Untersuchungs- oder Auslieferungshaft befunden hat. Im Hinblick auf das Fehlen jedes Rechtshilfeverkehrs mit Mozambique und auf die bisher erfolglosen Bemühungen, über die Justizbehörden der Republik Südafrika nähere Aufklärungen zum Vorbringen des Angeklagten zu erlangen, sind weitere Erhebungen im internationalen Rechtshilfeverkehr - die vom Angeklagten im übrigen gar nicht beantragt wurden - von vornherein aussichtslos. Von all dem abgesehen bleibt - unberührt von der Interpretation der Auskunft der südafrikanischen Polizei vom 4.April 1984 in diesem oder jenem Sinn - die auf einem gerichtspsychiatrischen und einem gerichtspsychologischen Sachverständigengutachten basierende, als Tatfrage einer Überprüfung im Nichtigkeitsverfahren entzogene Überzeugung der Tatrichter, wonach die Darstellung des Angeklagten, er sei als internationaler Spion tätig gewesen und deswegen in Mozambique verhaftet und zum Tode verurteilt worden, als Konfabulation und Ausfluß einer krankhaftem Geltungs- und Dominanzbedürfnis entspringenden phantastischen Ideenbildung zu werten ist und auch durch ein - ersichtlich bestelltes - Schreiben eines ehemaligen Mithäftlings in Südafrika, das keine Rückschlüsse auf den Wahrheitsgehalt der in Rede stehenden Darstellung des Angeklagten zuläßt, nicht an Glaubwürdigkeit gewinnt (vgl. S. 157 ff./Bd. II).
Es war somit der Nichtigkeitsbeschwerde lediglich teilweise Folge zu geben; im übrigen war sie als unbegründet zu verwerfen. Auf die an den Obersten Gerichtshof gerichteten Eingaben des Angeklagten vom 3.April und vom 11.April 1985, soweit sie einen Nachtrag zur Nichtigkeitsbeschwerde darstellen, war nicht einzugehen, weil es nur eine einzige Ausführung dieses Rechtsmittels gibt, die fristgerecht vom Verteidiger des Angeklagten eingebracht worden ist (Mayerhofer-Rieder a.a.O. Nr. 39 a ff. zu § 285).
Das Schöffengericht wertete bei der Strafbemessung als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen (seit 1969 mußten über den Angeklagten wegen der Begehung von Vermögensdelikten insgesamt rund 10 1/2 Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden), der äußerst rasche Rückfall (der Angeklagte ist in Österreich am 28.August 1981 aus der Strafhaft geflüchtet und hat kurz darauf die gegenständlichen Straftaten verübt), das Zusammentreffen dreier Vergehen, die dreifache Wiederholung des Betruges und den hohen (knapp unter der Wertgrenze des § 147 Abs. 3 StGB liegenden, unter Berücksichtigung der in Südafrika abgeurteilten Fakten aber über dieser Wertgrenze gelegenen) Schaden; als mildernd zog es lediglich das Geständnis des Angeklagten in Betracht.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der
(Zusatz-)Freiheitsstrafe an.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Das Schöffengericht hat die Strafzumessungsgründe richtig und vollständig festgestellt, aber auch zutreffend gewürdigt und vorliegend im Hinblick auf die offenkundige Wirkungslosigkeit bisher erlittener Abstrafungen zu Recht von der Möglichkeit der Strafschärfung nach § 39 StGB Gebrauch gemacht. Die sich aus der Summe der in dem (gemäß § 31 Abs. 1 und 2 StGB berücksichtigten) Urteil des Strafgerichtes in Johannesburg verhängten Strafe und der im angefochtenen Urteil ausgesprochenen Zusatzstrafe ergebende (Gesamt-)Strafe entspricht durchaus der Schwere der personalen Täterschuld und der kriminellen Täterpersönlichkeit des Berufungswerbers. Zu einer Reduzierung der Zusatzstrafe bestand mithin kein Anlaß, sodaß der Berufung kein Erfolg beschieden sein konnte.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E05526European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00013.85.0417.000Dokumentnummer
JJT_19850417_OGH0002_0090OS00013_8500000_000