TE OGH 1985/4/18 13Os44/85

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Veröffentlicht am 18.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18.April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller (Berichterstatter), Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Erwin A wegen des Verbrechens des Raubs nach § 142 f. StGB und anderer strafbaren Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Graz vom 17.Dezember 1984, GZ 9 Vr 2353/84-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr. Etzl, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 6 1/4 (sechseinviertel) Jahre herabgesetzt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der zuletzt beschäftigungslos gewesene Erwin A wurde auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubs nach § 142 Abs 1, 143, zweiter Fall (richtig: zweiter Satz), StGB (I) sowie der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (II), des Diebstahls nach § 127 Abs 1 und 2 Z. 3 StGB (III 1), der Vorbereitung der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach § 227 Abs 1 StGB (III 2) und des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1, 2 und 3 StGB (III 3) schuldig erkannt. Darnach hat er am 3.Juli 1984 in Graz Franz B unter Niederschlagen und Versetzen von Fußtritten eine Barschaft von ca. 3.200 S bis 4.000 S geraubt, wobei B schwer verletzt wurde (Jochbeinbruch, Bruch des linken Knöchels, Rippenprellung links, multiple Schnittverletzungen an der linken Stirnseite, ein Brillenhämatom und multiple Augenverletzungen: I), am 3.Mai 1984 in Lebring Alois C durch einen Faustschlag verletzt (Rißquetschwunde im Bereich der rechten Augenbraue: II) sowie am 18.Juni 1984

in Neutillmitsch seinem Arbeitgeber Franz D einen Geldbetrag von 300 S, mehrere Kraftfahrzeugschlüssel und eine Handkasse gestohlen (III 1), mit dem Vorsatz, sich oder einem anderen eine Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen zu ermöglichen, sich 75 Kraftfahrzeug-Begutachtungsplaketten (§ 57 a KFG.) und eine Zwickzange verschafft (III 2), schließlich den Personenkraftwagen des Ferdinand P*** mittels eines widerrechtlich erlangten Schlüssels in Gebrauch genommen und dabei am Fahrzeug einen Schaden von 7.000 S verursacht (III 3).

Den Schuldspruch wegen Raubs (I) ficht der Angeklagte aus § 345 Abs 1 Z. 5 und 12 StPO mit der Behauptung an, er sei bei der Tat volltrunken gewesen (§ 287 StGB) und habe B nicht schwer verletzt (§ 84 Abs 1 StGB).

Rechtliche Beurteilung

Die Verfahrensrüge (Z. 5) releviert die Abweisung folgender Anträge, die der Verteidiger des Angeklagten in der Hauptverhandlung gestellt hatte (S. 327 und 328):

1. Vernehmung des Johann E, des Konrad F, des Jürgen G und des Hubert H als Zeugen zum Beweis dafür, daß sich der Angeklagte zur Tatzeit in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand befunden habe;

2. ergänzende Einholung von Krankengeschichten der Augenklinik und der III. Chirurgischen Abteilung (des Landeskrankenhauses) Graz (Röntgenbilder) und die Einvernahme der damals diensthabenden örzte Dr. I und Dr. J zum Beweis dafür, daß bei der Einlieferung des Franz

B in die Krankenanstalt kein Bruch des Sprunggelenks vorgelegen bzw. konstatiert worden sei und 3. zeugenschaftliche Einvernahme der Christine K zum Beweis dafür, daß der Angeklagte nicht mit demjenigen Täter ident sei, der dem Franz B zumindest die Fußverletzungen zugefügt habe.

Der Schwurgerichtshof hat diese Anträge abgewiesen, weil (zu 1) für Feststellungen zur Alkoholisierung des Angeklagten die Aussage des Zeugen Leopold L und die objektive Beurteilung durch den Sachverständigen, der eine Volltrunkenheit ausgeschlossen habe, ausreichen;

(zu 2) der Sachverständige in die Krankengeschichten Einsicht genommen und darnach das Gutachten erstellt habe, sodaß in Verbindung mit der Aussage des Zeugen B Klarheit darüber bestehe, welche Verletzungen bei diesem zur Zeit seiner Spitalseinlieferung und - was insbesondere für die Knöchelverletzung gelte - während seines stationären Krankenhausaufenthalts behandelt und festgestellt wurden; zudem könnten die örzte der Ambulanz wegen der Vielfalt der Fälle ohnedies Aussagen nur anhand der Krankengeschichte ablegen; (zu 3) ohnehin ein Tatsachengeständnis des Angeklagten vorliege, Christine K nach der Aussage ihrer Tochter die Flucht ergriffen hatte und die Aussagen bereits vernommener Tatzeugen eine Beurteilung des Geschehensablaufs ermöglichen.

Eine Beweisaufnahme ist, ebenso wie im gesamten Strafprozeß, nur insoweit erforderlich, als die Sachlage einen Anlaß bietet, demnach die Beweisaufnahme ein maßgebendes Resultat erwarten läßt, d.h. wenn die ganze Verfahrenslage eine solche Erwartung unterstützt (LSK. 1983/199 u.a.). Dies ist aber, wie aus der zutreffenden Argumentation des Schwurgerichtshofs in Ablehnung der Beweisanträge hervorgeht, hier nicht der Fall. Es sei lediglich beigefügt:

Die Zeugen E, F, G und H wurden nicht, worauf die Beschwerde abzielt, zur Trinkmenge des Angeklagten vor der Tat, sondern zu dessen Berauschung zur Tatzeit schlechthin beantragt. Daß der Angeklagte, wie die Beschwerde behauptet, wegen seiner starken Alkoholisierung im Restaurant des Hotel's M abgewiesen worden wäre, widerspricht der Aktenlage.

Wurde dem Angeklagten und seinen Begleitern doch der Zutritt zum Lokal wegen ihres 'vergammelten' Aussehens verwehrt (S. 91). Aus der Einlassung des Angeklagten selbst geht keineswegs die Behauptung einer vollen Berauschung hervor (S. 304: 'Ich war ... schon etwas betrunken', S. 47 in Verbindung mit S. 329; siehe ferner auch S. 123). Der vom Rechtsmittelwerber angegebene Konsum alkoholischer Getränke (S. 307) wurde im Gutachten des Sachverständigen (ebenso wie eine allfällige Interaktion des Alkohols mit anderen psychotropen Substanzen) berücksichtigt (S. 324 ff.). über Antrag des Verteidigers (S. 330) war schließlich das Fragenschema durch eine Eventualfrage (VII) in der Richtung auf einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand des Angeklagten ergänzt worden. Durch die stimmeneinhellige Verneinung dieser Frage haben die Geschwornen einen solchen Zustand des Beschwerdeführers auf zureichender Grundlage beweiswürdigend ausgeschlossen. Nach einer anfänglich zurückhaltenden Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S. 303) hat dieser (wie auch ursprünglich: S. 33) ganz massive Angriffshandlungen, auch Fußtritte, gegen das Opfer einbekannt (S. 309, 317). Daß die schwere Verletzung (der Knöchelbruch) nicht sogleich bei der Einlieferung des B ins Krankenhaus konstatiert wurde, ist gleichfalls im Verfahren zur Sprache gekommen und wurde vom Sachverständigen erörtert (S. 325 f.). Wenn die Geschwornen bei dieser Beweislage zur Auffassung gelangten, daß auch dieser Knochenbruch durch die Einwirkung des Beschwerdeführers zustandekam, so haben sie die ihnen vorgelegten Beweise eben in dieser Richtung unanfechtbar gewürdigt. Bei Christine K schließlich handelt es sich um eine (im Urteilszeitpunkt) 84-jährige Frau, die wegen eines Schenkelhalsbruchs nicht vor Gericht erscheinen konnte und die nach der Aussage ihrer Tochter Dr. Erika K den Vorfall nicht genau gesehen hat: sie ist weiter weg gestanden, 'weil sie das nicht anschauen konnte' (S. 317). Trotz einer Diskrepanz in der Schilderung der Kleidung des Täters (S. 316), die allerdings deshalb nicht ins Gewicht fällt, weil diese Zeugin schon von Anfang an erklärt hatte, bezüglich der Bekleidung nicht ganz sicher zu sein, weil sie schlecht sehe (S. 20), hat Dr. K den Angeklagten als Täter nicht ausgeschlossen. Dieser hat ferner selbst den von der Zeugin wiedergegebenen Zuruf des Täters als seinen bestätigt (S. 317). Von einer Vernehmung der Christine K war bei dieser Sachlage für den Angeklagten nichts zu gewinnen.

In seiner Rechtsrüge (Z. 12) geht der Angeklagte nicht prozeßordnungsgemäß vom Wahrspruch der Geschwornen aus, sondern von seiner von den Laienrichtern abgelehnten Verantwortung mit Volltrunkenheit und von seiner gleichfalls wahrspruchswidrigen Bestreitung, der Urheber der schweren Verletzung des B zu sein. Daß der Wahrspruch in letzterem Punkt lediglich auf einem Stimmenverhältnis von 6 zu 2 beruht, ist in jeder Beziehung irrelevant. Folgt man diesem Gedankengang der Beschwerde, so dürfte es nur einstimmige kondemnierende Wahrsprüche geben. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach den § 28, 143, erster Strafsatz, StGB unter Bedachtnahme gemäß § 31 StGB auf das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17.Juli 1984, GZ 9 Vr 1696/84-11 (Schuldspruch wegen § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 3; 15, 169

Abs 1; 136 Abs 1 und 2 StGB; 15 Monate Freiheitsstrafe) eine zusätzliche Freiheitsstrafe von siebeneinhalb Jahren. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen und die brutale Vorgangsweise, mildernd waren hingegen das Geständnis, das zur Wahrheitsfindung beigetragen hat, die teilweise Schadensgutmachung durch Auffindung der restlichen Beute, die Anstiftung zum Raub durch einen Unbekannten und die schlechten familiären Verhältnisse in der Jugend des Angeklagten.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe auf eine unter fünfjährige Dauer an. Die Berufung schlägt durch.

Es ist dem Berufungswerber zuzugeben, daß er bisher über Gebühr günstig abgeschnitten hat: Erst die zehnte (!) Verurteilung führte zu einer unbedingten Freiheitsstrafe, aber selbst diese hatte der Angeklagte vor der Verübung der gegenständlichen Straftaten noch nicht angetreten (S. 127, 133, 133 b). Diese Milde der Gerichte konnte dem Angeklagten bis zu einem gewissen Grad die Einsicht in die Verwerflichkeit einer kriminellen Handlung schlechthin erschwert haben. Die Begehung des Verbrechens über Anstiftung wurde ohnedies angenommen; deshalb allein kann aber der Raub noch nicht als Ausdruck einer Unbesonnenheit aufgefaßt werden. Daß das Opfer Geld bei sich trug, stellt noch keine besonders verlockende Gelegenheit her. Zu Recht hat das Geschwornengericht auch eine mildernde Wirkung der Berauschung abgelehnt, weil dem Täter bekannt war, daß er in diesem Zustand zu Straftaten neigt, und sich dennoch seiner Trunksucht hingegeben hat (S. 342). Die anderen von der Berufung hervorgekehrten Aspekte fanden im Urteil Berücksichtigung. Bei einem Strafsatz, der von fünf bis fünfzehn Jahren reicht, erweist sich die vom Erstgericht für alle in den im Verhältnis des § 31 StGB stehenden Urteilen erfaßten, konkurrierenden Straftaten als angemessen erachtete Strafsumme von achteinviertel Jahren als etwas überhöht, zumal auch beachtet werden muß, daß bisher nur eine Vorhaft von acht Tagen angerechnet wurde und der Angeklagte zwischenweilig einunddreißig Monate Strafhaft (13 b E Vr 1585/81 und 15 b E Vr 245/82, beide des Landesgerichts Feldkirch, sowie 9 E Vr 4145/83 und 9 Vr 1696/84, beide des Landesgerichts für Strafsachen Graz) zu verbüßen haben wird, bevor die nunmehrige Strafe vollstreckt werden kann.

Ausgehend von der im § 40 StGB vorgeschriebenen Gesamtbetrachtung und darnach von einer im ganzen angemessenen Strafe von siebeneinhalb Jahren errechnet sich die Zusatzstrafe mit sechseinviertel Jahren. In Stattgebung der Berufung war die Freiheitsstrafe daher auf dieses Ausmaß zu reduzieren.

Anmerkung

E05555

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00044.85.0418.000

Dokumentnummer

JJT_19850418_OGH0002_0130OS00044_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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