TE OGH 1985/4/18 6Ob685/84

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Dr. Ernst Schnatke, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei F***** junior, *****, vertreten durch Dr. Ekardt Blahut, Rechtsanwalt in Wien, wegen 180.000 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. August 1984, GZ 1 R 160/84-7, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Handelsgerichts Wien vom 28. Mai 1984, GZ 21 Cg 374/84-2, verworfen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung über die Berufung des F***** junior nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Rechtsmittelkosten sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger brachte gegen den in der Klage mit „F*****“ bezeichneten Beklagten eine Klage auf Zahlung eines Betrags von 180.000 S sA ein und führte in der Klage aus: Der Beklagte sei Gesellschafter der Firma H***** & Co Gesellschaft mbH in *****. Der Kläger sei handelsrechtlich bestellter Geschäftsführer dieser Gesellschaft gewesen und habe dem Beklagten persönlich einen Betrag von 180.000 S zur Verfügung gestellt, zu dessen Rückzahlung sich dieser im Falle des vorzeitigen Austritts des Klägers aus dem Vertrag als Geschäftsführer verpflichtet habe. Der Kläger sei als Geschäftsführer abberufen und in der Folge unbegründet fristlos entlassen worden, sodass der Beklagte verpflichtet sei, den ihm als Darlehen gewährten Betrag zurückzuzahlen.

Das Erstgericht erließ am 28. Mai 1984 antragsgemäß ein klagsstattgebendes Versäumungsurteil. Sowohl die Klage als auch das Versäumungsurteil wurden von F***** senior persönlich übernommen, wobei die Zustimmung des Versäumungsurteils am 4. Juni 1984 erfolgte.

Gegen dieses Versäumungsurteil erhob F***** (im folgenden F***** junior) die am 28. Juni 1984 überreichte Nichtigkeitsberufung. In dieser führte er aus, an der Anschrift *****, wohne der Vater des Beklagten, nämlich F***** senior, Kaufmann. Er, F***** junior, sei zwar an dieser Anschrift noch gemeldet, aber schon mehrere Jahre nicht mehr dort wohnhaft. Die Klage sei von F***** senior übernommen, aber seinem Sohn erst gemeinsam mit dem Versäumungsurteil übergeben worden, der sie erst nach dem 4. Juni 1984 entgegengenommen habe.

Das Berufungsgericht hat diese Nichtigkeitsberufung „verworfen“ und dabei ausgeführt:

F***** junior sei in diesem Rechtsstreit nicht Partei, weshalb ihm die Rechtsmittellegitimation fehle. Wer Partei sei, bestimme der Kläger in der Klage. Gemäß den §§ 226 Abs 3, 75 ZPO müssten die Prozessparteien mit Namen, Wohnort, Beschäftigung und Parteistellung bezeichnet sein. Die Partei sei also anhand der objektiv geforderten Angaben nach § 75 Z 1 ZPO zu ermitteln. Sei der in der Klage bezeichneten Person zugestellt worden, so werde sie auch dann Partei, wenn sie der Kläger nicht als Partei gewollt habe. Partei sei nicht, wer als Partei bei der Klagsverfassung allenfalls beabsichtigt gewesen sei, sondern derjenige, der bei objektiver Betrachtung der Klagsangaben als Partei anzusehen sei. Dazu könnten aber nur die Angaben in der Klage herangezogen werden. Nachdem Name, Beschäftigung und Anschrift des Beklagten, die eine tatsächliche existente Person, nämlich F***** senior betroffen hätten, ein ausreichendes Kriterium seiner Identifizierung dargestellt hätten, sei F***** senior Prozesspartei geworden und nicht sein namensgleicher, anderswo wohnhafter Sohn, der im Übrigen auch nicht Kaufmann, sondern Angestellter sei. Von einer gesetzwidrigen Zustellung könne daher keine Rede sein. Soweit F***** junior anlässlich seiner Vernehmung vor dem Erstgericht als Auskunftsperson angegeben habe, aus dem ersten Satz des Klagstextes sei klar, dass nur er gemeint sein könne, weil sein Vater an der H***** & Co Gesellschaft mbH in keiner Weise beteiligt sei, sei ihm zu erwidern, dass in einem solchen Fall der Beklagte den Klagsanspruch vor dem Erstgericht bestreiten und mangelnde passive Klagslegitimation hätte einwenden müssen. Die Berufung des verfahrensfremden F***** junior sei jedenfalls zu verwerfen gewesen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des F***** junior.

Der Rekurs ist zulässig, weil er sich gegen einen Beschluss des Berufungsgerichts wendet, mit welchem dieses die Berufung aus formellen Gründen, nämlich der mangelnden Rechtsmittellegitimation des nach seiner Meinung verfahrensfremden F***** junior, zurückgewiesen hat (§ 519 Abs 1 Z 1 ZPO), und weil der Wert des Streitgegenstands 15.000 S übersteigt (§ 528 Abs 1 Z 5 ZPO). Eines Ausspruchs über die Zulässigkeit des Rekurses gegen den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichts bedurfte es nicht, weil § 528 Abs 2 ZPO nur für Entscheidungen des Rekursgerichts, nicht aber für solche des Berufungsgerichts gilt.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist auch berechtigt.

Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass der Kläger bestimmt, wer Partei ist, und bei Unklarheiten jene Person als Partei anzusehen ist, die bei objektiver Betrachtung der Klagsangaben als solche erkennbar ist. Das Berufungsgericht hat dabei aber zumindest nicht genügend beachtet, dass zu dieser objektiven Auslegung nicht nur die gemäß den §§ 226 Abs 3, 75 Z 1 ZPO vorgeschriebenen Angaben im Kopf des Schriftsatzes heranzuziehen sind, sondern jedenfalls der gesamte Inhalt der Klageschrift (Fasching, Zivilprozessrecht Rdz 322; Stein/Jonas, ZPO20 Rdn 3 und 7 vor § 50; Rosenberg/Schwab, Zivilprozessrecht13, 210 f; vgl auch EvBl 1973/30, S 77; EvBl 1973/281, S 578; RZ 1977/102, S 211 ua). Es hat vor allem unberücksichtigt gelassen, dass der Kläger die Person des Beklagten nicht nur durch die Angaben im Kopf der Klage, sondern insbesondere auch in der Klagserzählung durch die Behauptung bezeichnet hat, der Beklagte sei Gesellschafter der „Firma H***** & Co GesmbH“.

Solange im vorliegenden Verfahren nicht geklärt ist, auf welche der beiden Personen, die aufgrund der Gleichnamigkeit als Partei auf Beklagtenseite in Frage kommen, das Merkmal „Gesellschafter der Firma H***** & Co Gesellschaft mbH“ zutrifft, kann nicht darüber entschieden werden, ob F***** senior oder F***** junior Partei ist und daher auch nicht darüber, ob F***** junior verfahrensfremd ist.

Daran vermag es auch nichts zu ändern, dass die in der Klage für den Beklagten angegebene Anschrift selbst nach den Ausführungen des F***** junior als Wohnanschrift für F***** senior, nicht aber für ihn zutrifft, und dies allenfalls auch bezüglich des Individualisierungsmerkmals „Kaufmann“ gilt. Dem Individualisierungsmerkmal „Gesellschafter der Firma H***** & Co Gesellschaft mbH“ kommt nämlich gegenüber diesen beiden anderen Merkmalen entscheidende Bedeutung zu, weshalb ohne Feststellung darüber, welche der beiden auf Beklagtenseite in Betracht kommenden Personen Gesellschafter der genannten Gesellschaft war bzw ist, die Parteifrage nicht entschieden werden kann. Auf die Klarstellung dieser Frage hat wie auch sonst auf die Klarstellung der Parteienbezeichnung das Gericht in jeder Lage des Verfahrens hinzuwirken (vgl Rosenberg/Schwab aaO S 213; EvBl 1973/30, S 77; EvBl 1973/281, S 578; 1 Ob 83/75 ua). Da das Berufungsgericht dies unterlassen hat und eine diesbezügliche Feststellung fehlt, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben.

Da F***** junior bereits ausgesagt hat, dass das Unterscheidungsmerkmal „Gesellschafter der H***** & Co Gesellschaft mbH“ nur auf ihn zuträfe, wird es weiterer diesbezüglicher Erhebungen dann nicht bedürfen, wenn der Kläger über Aufforderung durch das Berufungsgericht diesen Umstand als richtig zugeben sollte, weil dann nichts der Beurteilung im Wege steht, dass F***** junior als beklagte Partei anzusehen ist. Sollte der Kläger die Richtigkeit dieser Aussage bestreiten, wird das Berufungsgericht weitere geeignete Erhebungen vorzunehmen haben. In beiden Fällen wird neuerlich über die Berufung des F***** junior abzusprechen sein.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E116156

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00685.840.0418.000

Im RIS seit

16.11.2016

Zuletzt aktualisiert am

30.12.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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