Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25.April 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Walter A und Friedrich B wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 15, 127 ff. StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 18.Jänner 1985, GZ. 5 c Vr 11.741/84-35, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Der am 8.März 1953 geborene Walter A und der am 5.August 1954 geborene Friedrich B wurden des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs. 1 und 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB schuldig erkannt. Ihnen liegt ein am 15.Oktober 1984 um ca. 2.00 Uhr nachts durch Einschlagen einer Auslagenscheibe des Textilgeschäfts der Firma C versuchter Einbruchsdiebstahl zur Last. Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden. A stützt dieses Rechtsmittel auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 10 StPO, B auf die beiden erstangeführten Nichtigkeitsgründe.
Unter Bezugnahme auf § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO behaupten die Beschwerdeführer, infolge Abweisung (S. 137 und 145 i.V.m. S. 174 ff.) der vom Verteidiger BS gestellten Beweisanträge (S. 136 f.), denen der Verteidiger AS beigetreten ist (S. 137), in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden zu sein. Gegenstand dieser Beweisanträge ist die Vornahme eines Augenscheins im Tatortbereich, in dem sich das Lorenz Böhler-Krankenhaus befindet, dessen Nachtportier Franz D - den Urteilsfeststellungen zufolge - den durch das Einschlagen der Auslagenscheibe entstandenen Lärm hörte, die Polizei telefonisch verständigte und im hellen Licht der Ein- und Ausfahrt des Krankenhauses die Angeklagten kurz nach der Wahrnehmung des Lärms beobachtete, und zwar zweimal: einmal, als sich die Angeklagten nach dem Einschlagen der Scheibe vom (unmittelbaren) Tatort etwas zurückgezogen, um sich zu überzeugen, ob das Klirren von dritter Seite wahrgenommen wurde, und das zweite Mal, als sie sich von ihrer Beobachtungsposition, vorbei am Krankenhaus und - weil sie sich von D wahrgenommen fühlten - am Textilgeschäft, entfernen wollten.
Durch den beantragten Ortsaugenschein bzw. die eventualiter beantragte Beischaffung einer maßstabgetreuen Skizze sollte auf der Grundlage der Zeit-, Weg- und Lichtverhältnisse die objektive Unrichtigkeit der Aussagen des Zeugen D und der (von diesem herbeigeholten) Polizeibeamten dargetan werden.
Rechtliche Beurteilung
Diese Rüge, welche die schon erwähnten, ausdrücklich festgestellten guten Sichtmöglichkeiten von der Portierloge des Krankenhauses aus (auch nach Mitternacht, weil sie von der Straßenbeleuchtung unabhängig ist), vernachlässigt, ist nicht zielführend. Die Täterschaft der (im Tatortbereich gestellten) Angeklagten, konkret:
die Feststellung des Einschlagens der Auslagenscheibe mittels eines von einer in der Nähe befindlichen Baustelle genommenen Pflastersteins, gründet sich nämlich nicht nur auf jene Teile der Zeugenaussage, die zeit- und wegmäßige Angaben enthalten (etwa über Einsetzen und Inhalt der Beobachtungen DS nach dem durch das Einschlagen der Auslagenscheibe entstandenen Lärm), sondern auch auf die Bekundungen der drei Polizeibeamten, die wieder jene Mitteilungen wiedergaben, die ein unmittelbar nach der Tat vorbeigekommener, allerdings unbekannt gebliebener Fahrzeuglenker ihnen gemacht hatte.
Die Beweisanträge laufen nach Inhalt und Zielsetzung darauf hinaus, erst die Grundlage für eine allfällige Bekämpfung von Urteilsfeststellungen zu gewinnen. Dabei werden Beweisergebnisse aus dem Zusammenhang herausgegriffen, die - bei Betrachtung aus dem Blickwinkel der in Ausübung freier Beweiswürdigung vom Schöffengericht abgelehnten Verantwortung der Angeklagten - zu anderen Feststellungen führen sollen als jenen, die der Gerichtshof getroffen hat.
Damit zielen die - auch Elemente einer Beweiswürdigungsbekämpfung enthaltenden - Verfahrensrügen beider Beschwerdeführer zur Gänze auf einen irrelevanten Erkundungsbeweis ab. Solcherart wird aber weder der im § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO vorgesehene noch ein anderer Nichtigkeitsgrund dargestellt (vgl. u.a. 13 Os 121/83, 13 Os 65/84).
Sämtliche Ausführungen zur Mängelrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO) erweisen sich gleichfalls als - im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässiger und daher unbeachtlicher - Versuch, die Beweiswürdigung anzufechten.
Beide Beschwerdeführer, A in weitwendigen, sich in manchen Punkten wiederholenden Ausführungen, reißen einzelne Verfahrensergebnisse aus dem Zusammenhang und versuchen nach Art einer Schuldberufung, ihre Täterschaft, und zwar was die objektive und die subjektive Tatseite anlangt, in Frage zu stellen. Dabei übersehen sie den vom Erstgericht ausdrücklich hervorgehobenen Umstand, daß es seine Feststellungen auf Grund der Zeugenaussagen des Spitalsportiers und der drei Polizeibeamten traf, die es in den wesentlichen und relevanten Bereichen sowohl an sich als auch zueinander als widerspruchsfrei und deckungsgleich bezeichnete (S. 161). Im gegebenen Zusammenhang ist es, wie der Vollständigkeit halber erwähnt sei, nicht von Bedeutung, welchen Teil A von seiner zuletzt bezogenen Sozialhilfeunterstützung noch zur Verfügung hatte, ob sich die Angeklagten im Tatortbereich mehr oder weniger schnell bewegten und daß sie nach einem Lokalbesuch alkoholisiert waren. Daß sich in dem Textilgeschäft überhaupt keine für einen Diebstahl geeigneten Sachen befunden hätten, wurde nicht behauptet. Wie hoch aber deren Wert war, ist angesichts der Nichtannahme einer Wertqualifikation im angefochtenen Urteil ebenso bedeutungslos wie das - schon in anderer Beziehung erwähnte - Abschalten eines Teils der Straßenbeleuchtung nach Mitternacht, weil bei Beurteilung der Sichtverhältnisse von dem vom Krankenhauseingang ausgestrahlten Licht ausgegangen wurde. Schließlich entbehrt auch die unter Zitierung des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO ausgeführte Rechtsrüge des Angeklagten A einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Soweit nämlich eine Beurteilung (bloß) als Vergehen der Sachbeschädigung reklamiert wird, gehen die diesbezüglichen Ausführungen nicht vom Urteilssachverhalt aus, demzufolge die Angeklagten mit Diebstahlsvorsatz die Auslagenscheibe einschlugen. Der - an sich zutreffende - Hinweis, es sei im gesamten Verfahren nicht behauptet worden, daß der Steinwurf gesehen wurde, stellt sich abermals als (unzulässige) Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung dar. Legte doch das Erstgericht ausführlich und auf der Basis der Verfahrensergebnisse denkrichtig dar, aus welchen Gründen das vom Zeugen D akustisch wahrgenommene Einschlagen der Auslagenscheibe nur von den Angeklagten (mit Diebstahlsvorsatz) vorgenommen worden sein kann.
Zusammenfassend ergibt sich mithin, daß in Wahrheit kein in § 281 Abs. 1 StPO aufgezählter Nichtigkeitsgrund geltend macht wurde, sodaß die Beschwerde nach § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO i.V.m. § 285 a Z. 2 StPO zurückzuweisen war. Demgemäß waren die Akten dem Oberlandesgericht Wien als zuständigem Gerichtshof zweiter Instanz zur Entscheidung über die von den Angeklagten ausgeführten Berufungen zuzuleiten, weil eine die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs für die Erledigung der Berufung (§ 296 StPO) begründende Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerden entfällt (RZ. 1970 S. 17, 18; 1973 S. 70; 13 Os 11/83, 13 Os 121/83, zuletzt 13 Os 2/85 u.a.).
Anmerkung
E05557European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00063.85.0425.000Dokumentnummer
JJT_19850425_OGH0002_0130OS00063_8500000_000