TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/21 2004/06/0023

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Veröffentlicht am 21.06.2005
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §66 Abs4;
VStG §24;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des HE in S, vertreten Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 19. Jänner 2004, Zl. uvs-2002/19/183-2, betreffend Übertretungen gemäß TBO 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Spruch des gegen den Beschwerdeführer ergangenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft K vom 1. Oktober 2002 lautete wie folgt:

"Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 28.03.2002, Zl. ..., wurde Ihnen der Neubau eines Einfamilienwohnhauses auf Grundstück Nr. 1776/6, EZ 2284, KG K..., bewilligt.

Bei einer baubehördlichen Überprüfung am 07.08.02 wurde festgestellt,

a) dass von Ihnen in der Zeit vom 15.04.02 bis 07.08.02 folgende bewilligungspflichtige Baumaßnahmen abweichend vom Baubescheid des Bürgermeisters durchgeführt wurden:

1) Errichtung einer Stützmauer auf Gst. Nr. 1776/6 an der Grundstücksgrenze zum Gst. Nr. 1775/2 anstatt 4,31 m davon entfernt, die außerdem nicht dem Stand der Technik entspricht.

2) Errichtung einer Stützmauer auf Gst. Nr. 1776/6 an der Grundstücksgrenze zum Gst. Nr. 1735/3 in einer Höhe von 2 m ohne Absturzsicherung anstatt der bewilligten Höhe von 2 m inklusive Absturzsicherung.

b) dass von Ihnen in der Zeit vom 15.04.02 bis 07.08.02 auf Gst. Nr. 1776/6 ein Rohbau entgegen § 30 Abs. 4 TBO 2001 ungeachtet eines Auftrages zur Bestellung eines Bauverantwortlichen gem. Spruchpunkt IIA des Bescheides des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 28.03.2002, Zl. ..., errichtet wurde."

Der Beschwerdeführer habe dadurch zu Spruchpunkt a)1) und 2)

§ 20 Abs. 1 lit. e Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001) i.V.m. § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001 und zu Spruchpunkt b) § 30 Abs. 4 i.V.m.

§ 55 Abs. 1 lit. g TBO 2001 i.V.m. dem Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K. vom 28. März 2002 (Zl. 3217/01) verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 lit. a TBO 2001 (zu Spruchpunkt a)1) und 2)) und gemäß § 55 Abs. 1 lit. b TBO 2001 (zu Spruchpunkt b) folgende Geldstrafen verhängt: zu Punkt a)1) EUR 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen), zu Spruchpunkt a)2) EUR 400,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage) und zu Spruchpunkt b) EUR 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 6 Tage).

Der dagegen erhobenen Berufung des Beschwerdeführers wurde mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge gegeben und der erstinstanzliche Spruch wie folgt abgeändert:

"Zu a) wird dem Tatzeitraum '15.04.02 bis 07.08.02' die Wortfolge angefügt 'als Bauherr'; die in a)2) angeführte Grundstücksnummer '1735/3' wird berichtigt und hat zu lauten '1775/3'. Zu a) des angefochtenen Straferkenntnisses wird an Stelle der zwei verhängten Geldstrafen lediglich eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 1.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage, verhängt.

Zu b) wird dem Tatzeitraum '15.04.02 bis 07.08.02' die Wendung 'als Bauherr' angefügt; die Wendung 'errichtet wurde' wird ersetzt durch die Wendung 'ohne die vorherige Bestellung eines geeigneten Bauverantwortlichen errichtet wurde'.

Die zu diesem Punkt verhängte Ersatzfreiheitsstrafe von 6 Tagen wird auf 3 Tage herabgesetzt.

Die verletzte Rechtsvorschrift zu a) wird durch das Normzitat 'i.V.m. § 16 Abs. 1 TBO', die Strafsanktionsnorm sowohl zu a) als auch zu b) hat zu lauten '§ 55 Abs. 1 TBO 2001'."

Zur Begründung der Entscheidung wurde im Wesentlichen ausgeführt, den Planunterlagen der mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde K vom 28. März 2002 dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin erteilten Baubewilligung zur Errichtung eines Einfamilienwohnhauses auf dem Grundstück Nr. 1776/6, KG K.-L., sei u. a. zu entnehmen, dass die vom Beschwerdeführer geplante Stützmauer in einem Mindestabstand von 4,31 m zum angrenzenden Grundstück 1775/2 (H.M.) vorbeiführen sollte. Auf Grund der unbedenklichen Feststellungen, insbesondere der Aussage des Dipl. Ing. Arch. A.R. als hochbautechnischem Sachverständigen anlässlich der Begehung vom 7. August 2002 sowie der dieser Niederschrift angeschlossenen Fotodokumentation, stehe fest, dass die Mauer direkt an der Grenze zum Grundstück Nr. 1775/2 errichtet worden sei und auf dieses Grundstück in der Nacht vom 6. August 2002 auf den 7. August 2002 abgerutscht und abgestürzt sei. Die im Bericht des Stadtbauamtes vom 29. August 2002 dargelegte Errichtungstechnik (kleine Steine unten und große Steine oben) beschreibe eine auch für einen Laien erkennbare mangelhafte technische Ausführung.

Diesem Schreiben des Stadtbauamtes sei auch zu entnehmen, dass anlässlich eines Lokalaugenscheines am 26. August 2002 festgestellt habe werden können, dass die Mauer entgegen der Auflage in der Baubewilligung an der Grenze zum Grundstück Nr. 1775/3 (ursprünglich unrichtig im erstinstanzlichen Bescheid Nr. 1735/3) eine Höhe von 2 m ohne Absturzsicherung aufgewiesen, und dass der Beschwerdeführer bereits ein nachträgliches Bauansuchen für diese Abweichungen von der Baubewilligung eingebracht habe. Aus der Niederschrift vom 7. August 2002 über den vorgenommenen Lokalaugenschein ergebe sich auch, dass am 7. August 2002 der Rohbau auf dem verfahrensgegenständlichen Gebäude bereits errichtet gewesen sei. Gemäß § 16 Abs. 1 erster Satz TBO 2001 müssten bauliche Anlagen in allen ihren Teilen entsprechend dem Stand der Technik geplant und ausgeführt werden. Dass durch die Errichtung vor allem die bautechnischen Erfordernisse der mechanischen Festigkeit und Standsicherheit wesentlich berührt würden, sei durch das Abrutschen der Mauer auf das Nachbargrundstück ausreichend deutlich zum Ausdruck gebracht worden, sodass die Bewilligungspflicht von der Erstbehörde zu Recht angenommen worden sei. Unzutreffend sei der Einwand des Beschwerdeführers, dass er der Bestellung eines Bauverantwortlichen bescheidgemäß nachgekommen sei. Die mit 8. August 2002 vorgenommene Bestellung des Baumeisters O. zum Bauverantwortlichen sei zu einem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Rohbau bereits errichtet gewesen sei, wohingegen nach II.A. der Auflagen dem Beschwerdeführer als Bauwerber aufgetragen worden sei, für die Ausführung des gesamten Bauvorhabens einen Bauverantwortlichen zu bestellen.

Zutreffend habe der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass es sich bei der angeführten Stützmauer um eine Einfriedung gehandelt habe, die entgegen der Baubewilligung errichtet worden sei. Diesem Umstand sei mit dem geänderten Spruch Rechnung getragen worden. Die Spruchänderung habe der Präzisierung der Tat sowie der korrekten Anführung der angeführten Rechtsvorschriften wie auch der Richtigstellung einer Grundstücksnummer gedient.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht u.a. geltend, dass er in seiner Berufung vom 18. Oktober 2002 ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung beantragt habe. In der Berufung sei von ihm auch ausdrücklich die Einvernahme des Zeugen Dipl. Ing. A.R., die Beischaffung des Bauaktes sowie die Einholung eines Gutachtens der Landesbaudirektion zu einem bestimmten Beweisthema beantragt worden. Die beantragte Beweisaufnahme hätte im Zuge der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung zu einem anderen Bescheid führen können. Der Beschwerdeführer hätte auch vorgebracht, dass eine Genehmigung gemäß TBO 2001 für die in Rede stehenden Stützmauern nicht erforderlich sei.

Die Absätze 1 bis 5 des § 51e VStG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 65/2002 lauten:

"(1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche Beurteilung behauptet wird oder

2.

sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe richtet oder

3.

im angefochtenen Bescheid eine EUR 500,-- nicht übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

              4.              sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zustellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegen steht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

Da der Beschwerdeführer in der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt hat, war die belangte Behörde im Beschwerdefall - da kein Fall des § 51e Abs. 4 oder 5 VStG vorliegt - verpflichtet, eine öffentlich-mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2003, Zl. 2003/02/0085). Die belangte Behörde hat sich zu Unrecht auf § 51e Abs. 4 VStG gestützt, da diese Bestimmung voraussetzt, dass der Unabhängige Verwaltungssenat einen "verfahrensrechtlichen Bescheid" zu erlassen hat. Ein verfahrensrechtlicher Bescheid liegt dann vor, wenn ein Bescheid in Vollziehung von Verfahrensrecht, also in Erledigung eines prozessualen Rechtsverhältnisses, ergeht (vgl. Walter - Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, S. 202, Rz. 398f). Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall, in dem sie gemäß § 66 Abs. 4 AVG i. V.m. § 24 VStG über die Berufung gegen das angeführte erstinstanzliche Straferkenntnis in der Sache entschied, keinen verfahrensrechtlichen Bescheid erlassen.

In der Berufung hat der Beschwerdeführer auch das tatbildmäßige Handeln bestritten. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, hat sie den angefochtenen Bescheid schon deshalb mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne dass beim gegenwärtigen Stand des Verfahrens auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Juni 2005

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004060023.X00

Im RIS seit

29.07.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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