TE OGH 1985/5/8 9Os48/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.05.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schwab als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann A wegen des Verbrechens des (teils vollendeten, teils versuchten) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 2 (und § 15) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29.November 1984, GZ 2 a Vr 980/84-63, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Bassler, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

I. Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I/2, soweit dem Angeklagten (auch) der Diebstahl eines Fläschchens 'Eau de Toilette' zum Nachteil einer Angestellten der B zur Last liegt, und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Johann A wird von der Anklage, am 11.Mai 1984 in Wien in Gesellschaft mit dem abgesondert verfolgten Johann C als Beteiligtem (§ 12 StGB) eine fremde bewegliche Sache, nämlich ein Parfümfläschchen, einer noch nicht ausgeforschten Angestellten der B mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs zu den Punkten I/1 bis 4 und II/ weiterhin zur Last fallende Verbrechen des (teils vollendeten, teils versuchten) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 2 (und § 15) StGB wird Johann A nach § 129 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr verurteilt. Die Aussprüche gemäß §§ 389, 369 StPO und § 38 Abs. 1 Z 1 StGB werden aus dem Ersturteil übernommen.

II. Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen Diebstahls eines Fläschchens 'Eau de Toilette' (Punkt I/2) gerichtet ist, sowie mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die zu I. getroffene Entscheidung verwiesen; im übrigen wird seine Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.

III. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Johann A des Verbrechens des (zu ergänzen: teils vollendeten, teils versuchten) Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, 129 Z 2 (zu ergänzen: und § 15) StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien fremde bewegliche Sachen in einem 5.000,-- S nicht übersteigenden Wert mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, I. weggenommen, und zwar 1. am 16. Dezember 1983 eine Ledergeldbörse geringen Wertes und 1.500,-- S Bargeld dem Josef D;

2. am 11.Mai 1984 ein Fläschchen 'Eau de Toilette' und einen Bargeldbetrag von 18,-- S einer Angestellten der B;

3. am 17.Mai 1984 eine Ledergeldbörse geringen Wertes und einen Bargeldbetrag von 1.300,-- S der Elisabeth E;

4. am 16.August 1984 eine Geldbörse geringen Wertes und einen Bargeldbetrag von 1.350,-- S der Andrea F;

II. am 11.Mai 1984 wegzunehmen versucht, indem er im Gebäude der B verschiedene Laden und Kästen aufbrach und nach verwertbaren Gegenständen durchsuchte.

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch lediglich in den Punkten I/1

(Diebstahl zum Nachteil des Josef D) und I/2 (insoweit nur in Ansehung des Diebstahls eines Fläschchens 'Eau de Toilette' zum Nachteil einer Angestellten der B) mit einer allein auf die Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch hat er Berufung ergriffen.

Zum Schuldspruch zu I/1 reklamiert die Beschwerde eine offenbar unzureichende und - der Sache nach - unvollständige Begründung, weil sich das Gericht nicht mit den verschiedenen Varianten, die der Zeuge D über den Tatablauf (nämlich darüber, ob die Sachwegnahme im Cafe G oder vor diesem stattgefunden hat) schilderte, auseinandergesezt und die Umstände, unter welchen D den Beschwerdeführer an Hand eines Lichtbilds identifizierte, nicht entsprechend berücksichtigt habe. Ein formaler Begründungsmangel in der Bedeutung des geltendgemachten Nichtigkeitsgrundes wird damit indes nicht dargetan.

Rechtliche Beurteilung

Abgesehen davon, daß das Gericht gemäß § 270 Abs. 2 Z 5 StPO die Entscheidungsgründe in gedrängter Darstellung abzufassen hat und daher nicht verhalten ist, alle Umstände, die das Beweisverfahren erbracht hat, im einzelnen wiederzugeben und zu erörtern, kann den aktenkundigen Angaben des Zeugen D die behauptete widersprüchliche Darstellung hinsichtlich der Örtlichkeit der Tatverübung gar nicht entnommen werden. Die in der Polizeianzeige wiedergegebenen Bekundungen des Anzeigers enthalten keinen Hinweis darauf, ob die Tat im Lokal oder vor diesem begangen wurde (S 13); aus der mit Josef D am Bezirkspolizeikommissariat Josefstadt aufgenommenen Niederschrift geht unmißverständlich hervor, daß die Sachwegnahme vor dem Lokal stattgefunden hat (S 15, 17). Vor dem Untersuchungsrichter hat sich D auf seine Angaben anläßlich dieser polizeilichen Einvernahme bezogen und diese als richtig aufrechterhalten (S 149). In der Hauptverhandlung schließlich war zwar zunächst im Zusammenhang mit der Wegnahme der Geldbörse davon die Rede, daß der Beschwerdeführer und D an der Bar, somit im Lokal, standen (S 301); über näheres Befragen hat D jedoch auch bei dieser Einvernahme dezidiert erklärt, daß die Tat vor dem Lokal begangen worden ist (S 302). Ein erörterungsbedürftiger Widerspruch in den Bekundungen des Zeugen D, dem das Schöffengericht Glauben geschenkt hat, ist somit den Akten nicht zu entnehmen.

Soweit sich die Beschwerde aber gegen die Identifizierung des Angeklagten durch D wendet, bekämpft sie im Ergebnis lediglich die tatrichterliche Beweiswürdigung; einen formalen Begründungsmangel vermag sie diesbezüglich nicht aufzuzeigen.

Die gegen den Schuldspruch zu I/1 gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde war somit als unbegründet zu verwerfen.

Was dagegen den Schuldspruch zu I/2 (Diebstahl eines Fläschchens 'Eau de Toilette' zum Nachteil einer Angestellten der B) betrifft, so hat sich der Oberste Gerichtshof aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde davon überzeugt, daß das Urteil insoweit mit einem vom Beschwerdeführer nicht gerügten, ihm zum Nachteil gereichenden Feststellungsmängel im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist, der gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen war.

Das Erstgericht lastet dem Angeklagten (auch) den (von ihm allein begangenen) Diebstahl eines (Probe-)Fläschchens (S 3 der Blg A/ zu ON 62) 'Eau de Toilette' an, wobei es ersichtlich davon ausging, daß es sich dabei um eine für den Täter fremde Sache gehandelt hat, die er in den Räumlichkeiten der B zum Nachteil einer (unbekannten) Angestellten dieser Versicherungsgesellschaft weggenommen hat. Dabei unterließ es das Gericht aber, nähere Feststellungen in Ansehung des Tatbestandsmerkmals 'fremde' Sache zu treffen, wiewohl derartige Konstatierungen im konkreten Fall nach den Verfahrensergebnissen geboten gewesen wären, weil darnach die Annahme dieses Merkmals keineswegs auf der Hand lag. Schon in der Anzeige (S 99 ff) wird nämlich festgehalten, daß jenes Parfümfläschchen, das in dem Raum des Versicherungsgebäudes, in welchem sich der Angeklagte und sein Begleiter bis zum Eintreffen der Funkstreife aufgehalten hatten, gefunden - vom Angeklagten also nicht in seinen Gewahrsam überführt - wurde, einem weiteren Fläschchen entsprach, das den Polizeibeamten bei den beiden perlustrierten Männern aufgefallen war (S 100) und von welchem sie annahmen, daß es vermutlich aus dem Besitz der beiden (oder eines von ihnen) stamme (S 101), was sohin gegen die Annahme der Fremdheit des (nach Auffassung des Schöffengerichtes) im Besitz des Angeklagten befindlichen, ihm als gestohlen angelasteten und dem Schuldspruch zu I/2 zugrundeliegenden Fläschchens spricht. Dazu kommt, daß die gesamten übrigen Verfahrensergebnisse (vgl insbesondere S 306, 307 und Blg A/

zu ON 62) keinen Hinweis darauf enthalten, das Parfümfläschchen könnte aus dem Besitz einer/eines Angestellten der Versicherung stammen. So gesehen wäre es aber - da niemand die im Besitz des Angeklagten (bzw seines Begleiters) befindliche Sache als sein Eigen reklamierte - geboten gewesen, nähere Feststellungen darüber zu treffen, ob es sich bei diesem Fläschchen tatsächlich um eine für den Angeklagten fremde Sache gehandelt hat. Ein Feststellungsmangel hinsichtlich eines (wie hier in bezug auf die Fremdheit der Sache) für die Herstellung des Tatbestandes entscheidenden Umstandes liegt aber (schon) dann vor, wenn die Ergebnisse des Verfahrens auf das Vorhandensein dieses Umstandes hinweisen und das Gericht sich hierüber nicht geäußert hat (vgl Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr 19 zu § 281 Z 9 a).

Der mithin dem Schuldspruch zu I/2 in Ansehung des in Rede stehenden Fläschchens 'Eau de Toilette' anhaftende Feststellungsmangel müßte somit zur Kassierung dieses Teils des Schuldspruchs und zur Anordnung der Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz führen. Da aber nach den aktenkundigen Verfahrensergebnissen nicht zu erwarten ist, daß die fehlenden Feststellungen mit zureichender Begründung auf Grund eines neuen Rechtsganges getroffen werden könnten, war sofort in der Sache selbst zu erkennen und der Angeklagte vom Vorwurf des Diebstahls eines Fläschchens 'Eau de Toilette' freizusprechen (vgl auch Mayerhofer-Rieder aaO ENr 27, 28 zu § 288). Bei der hiedurch erforderlich werdenden Neubemessung der für den unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruchs (Punkte I/1 I/2 !in Ansehung des Diebstahls von 18,-- S , I/3 und I/4 sowie II/) verwirkten Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, die Wiederholung der diebischen Angriffe und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen das teilweise Geständnis, die teilweise objektive Schadensgutmachung und daß es teilweise beim Versuch geblieben ist. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung der Schwere der personalen Täterschuld erachtete der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als schuldangemessen. Dabei war zu Lasten des Angeklagten insbesondere zu berücksichtigen, daß er nicht nur mehrfach einschlägig vorbestraft ist, sondern - was das Erstgericht als erschwerend zu werten unterlassen hat - auch rasch rückfällig geworden ist; dieser (weitere) Erschwerungsgrund (und die damit dokumentierte Wirkungslosigkeit der vorangegangenen Abstrafungen) wird durch den (zusätzlichen) Milderungsgrund des teilweisen Geständnisses (in einem Diebstahlsfaktum), aber auch durch die - an sich geringfügige - Korrektur des Schuldspruchs zu I/2 nicht aufgewogen, weshalb es im Ergebnis bei jenem Strafmaß zu bleiben hatte, das bereits das Erstgericht gefunden hatte.

Mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie gegen den Schuldspruch zu I/2 gerichtet ist, sowie mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Sachentscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle (vgl Mayerhofer-Rieder aaO ENr 11 zu § 390 a StPO).

Anmerkung

E05667

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00048.85.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19850508_OGH0002_0090OS00048_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten