TE OGH 1985/5/8 9Os46/85

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Veröffentlicht am 08.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schwab als Schriftführer, in der Strafsache gegen Karl A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Karl A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 11.Jänner 1985, GZ 20 i Vr 6720/84-88, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, und des Verteidigers Dr. Mauser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 36-jährige Karl A (zu 1) des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB und (zu 2) des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 4.Juni 1984 in Wien (1.) den Engelbert B durch einen wuchtigen Stich mit einem Fixiermesser gegen den Kopf, wodurch dieser eine komplette, scharfe Durchtrennung der linken inneren Kopfschlagader und des 3. linken Hirnnervs mit ausgedehnter Hirnschwellung und Hirnerweichung erlitt, vorsätzlich getötet und (2.) den Friedrich C mit einem Fixiermesser vorsätzlich am Körper verletzt, wobei dieser eine etwa 13 cm lange Schnittwunde an Stirn und Schläfe erlitt. Dieser Schuldspruch erging auf Grund des Verdikts der Geschwornen, welche die zwei anklagekonform gestellten Hauptfragen (Nr 1 und 7 des Fragenschemas) nach dem Verbrechen des Mordes und dem Vergehen der Körperverletzung stimmeneinhellig bejaht und demgemäß die Eventualfragen nach dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung mit Todesfolge nach § 87 Abs. 1

und Abs. 2 StGB (Nr 3 des Fragenschemas) und der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs. 1, 86 StGB (Nr 5 des Fragenschemas) sowie die Eventualfragen Nr 2, 4, 6 und 8, die ihnen die Möglichkeit geboten hätten, die in den aufgezählten Haupt- und Eventualfragen beschriebenen strafbaren Handlungen als Rauschtaten im Sinne des § 287 StGB zu werten, unbeantwortet gelassen hatten.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten allein gegen den Schuldspruch wegen Verbrechens des Mordes erhobene, die Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO geltend machende Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet.

Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte sich stets dahin verantwortet, am Tag der Tat - ebenso wie in den Vortagen - im Verlauf einer länger dauernden Zechtour jedenfalls größere Mengen Alkohol genossen und zusätzlich Tabletten eingenommen, also gleichfalls willentlich konsumiert zu haben (vgl Seiten 117, 129 verso, 340-344, 407 f, 410, 452). Da sonach kein Anhaltspunkt dafür bestand, daß der !nach seinen eigenen Angaben (Seite 339) und auch nach dem Inhalt der Vorakten im Umgang mit Alkohol erfahrene Beschwerdeführer unverschuldet in den von ihm behaupteten Rauschzustand gelangte, verstieß - der Beschwerde zuwider - das gegenständlich angewendete sogenannte 'Zweifragenschema' nicht gegen das Gesetz und war es entbehrlich, eine Zusatzfrage nach dem Vorliegen von Zurechnungsfähigkeit im Sinne des § 11 StGB und sodann eine Eventualfrage nach der entsprechenden Rauschtat gemäß § 287 StGB zu stellen, also das sogenannte 'Dreifragenschema' zu praktizieren (vgl hiezu Mayerhofer-Rieder StPO 2 Nr 76 zu § 314 und die dort angeführte Judikatur).

Eine Fragestellung in Richtung irrtümlich angenommenen Notstandes (§ 10 Abs. 2 StGB), wie die Beschwerde sie vermißt, kam vorliegend schon deshalb nicht in Betracht, weil sich die Handlung des Angeklagten gegen den 'Angreifer' seines Freundes Otto D, und nicht gegen das Rechtsgut eines schuldlosen Dritten richtete. In derartigen Fällen kommt aber grundsätzlich nur die Rechtsfigur der (Putativ-)Nothilfe nach §§ 3 bzw 8 StGB in Betracht (vgl Leukauf-Steininger Kommentar 2 RN 3 zu § 10).

Auch wenn die Beschwerde der Sache nach in die letztgenannte Richtung zielte, wäre für den Angeklagten aber nichts gewonnen. Denn in der Hauptverhandlung wurden keinerlei Tatsachen vorgebracht, die darauf hindeuteten, der Angeklagte habe seinen Freund Otto D (irrtümlich) in Gefahr und sonach hilfsbedürftig gewähnt. Während nämlich die Zeugin Joanna E weitgehend unsubstantiiert von einer 'Rauferei' (S 48, 355) bzw von einem 'Handgemenge' (S 164) sprach und der Zeuge B in seinen teilweise widersprüchlichen Bekundungen (vgl S 24, 34, 144, 373) keinerlei aggressive Akte seines Cousins (des Opfers) gegen D deponierte, erklärte D selbst (vgl S 39, 75, 360, 362), den später Getöteten von hinten gehalten zu haben, während der Angeklagte diesen von vorn angegriffen hat. Eine Fragestellung im begehrten Sinne war mithin nicht indiziert. Es war sonach die im ganzen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Bei der Strafbemessung wertete das Geschwornengericht als erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, den äußerst raschen Rückfall (nach einer Verurteilung am 2. März 1984) und den Umstand, daß der Angeklagte scon neunmal wegen verschiedener Gewalt- und Körperverletzungsdelikte verurteilt wurde. Als mildernd zog es hingegen in Betracht, daß der Angeklagte durch seine Angaben im Vorverfahren zur Wahrheitsfindung im Faktum 1 und durch seine Verantwortung in der Hauptverhandlung zur Wahrheitsfindung im Faktum 2 beigetragen habe und verhängte über ihn gemäß §§ 28, 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Jahren.

Die Berufung des Angeklagten, mit der er Herabsetzung der Strafe anstrebt, ist nicht begründet.

Die Annahme, er habe bloß seinem Freund Otto D in einer Notstandssituation helfen wollen, findet - wie oben gezeigt - in den Akten ebensowenig Deckung wie die Behauptung, er sei durch den später Getöteten 'gezwungenermaßen' in eine Rauferei einbezogen worden. Andererseits kann im Hinblick darauf, daß der Angeklagte auch im Vergehensfaktum - noch dazu am selben Tag! - einen Messerstich gegen den Kopf eines Menschen führte, keine Rede davon sein, daß das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen vorliegend nur rein formellen Charakter trage.

Die schöffengerichtlichen Strafzumessungsgründe bedürfen mithin keiner nennenswerten Korrektur. Geht man aber davon aus und legt man namentlich dem schwer belasteten Vorleben des Angeklagten und dem ungewöhnlich hohen Schuld- und Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verfehlungen die gebührende Bedeutung bei, dann erweist sich die geschöpfte Unrechtsfolge als keineswegs überhöht und mithin einer Ermäßigung unzugänglich.

Es mußte daher auch der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05529

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00046.85.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19850508_OGH0002_0090OS00046_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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