TE OGH 1985/5/8 1Ob10/85

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Veröffentlicht am 08.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Mehrdad A, Dissertant, Leoben, Feldgasse 7, vertreten durch Dr. Michael Stern, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Land B, vertreten durch Dr. Hans Baier, Rechtsanwalt in Graz, und deren Nebenintervenienten 1.) Helfried C, Gendarmeriebeamter, Deutschlandsberg. Karl-Hubmannstraße Nr.12, 2.) Franz D, Gendarmeriebeamter, Bruck an der Mur, Ziegelofenweg 5, beide vertreten durch Dr. Helmut Cronenberg, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 257.000 samt Anhang und Feststellung (Gesamtstreitwert S 307.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 17.Dezember 1984, GZ 5 R 171/84-47, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 19.September 1984, GZ 13 Cg 5/83-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.278,80

(darin enthalten S 850,80 Umsatzsteuer und S 1.920 Barauslagen) und den beiden Nebenintervenienten auf seiten der beklagten Partei die mit S 11.254,68 (darin enthalten S 935,88 Umsatzsteuer und S 960 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 19.Dezember 1980 gegen 20 Uhr überwachten die Gendarmeriebeamten Gerhard E und Helfried C des Gendarmeriepostens Niklasdorf den Verkehr auf der Bundesstraße 116. Da der Kläger mit seinem PKW in einem überholverbotsbereich einen anderen PKW mit überhöhter Geschwindigkeit überholte und die beiden Beamten das Kennzeichen des PKWs des Klägers nicht vollständig ablesen konnten, nahmen sie mit ihrem Dienstfahrzeug, an dem sie Blaulicht und Folgetonhorn einschalteten, die Verfolgung des Klägers auf. Nach mehreren verkehrswidrigen überholmanövern unter Einhaltung überhöhter Geschwindigkeit im Ortsgebiet hielt der Kläger in Streitgarn bei einem Gasthaus an. Inspektor Helfried C forderte den im PKW sitzenden Kläger auf, die Fahrzeugpapiere vorzuweisen. Der Kläger antwortete, er bestimme selbst, was er zu tun habe, und fuhr davon. Die beiden Gendarmeriebeamten nahmen die Verfolgung auf und verständigten über Funk den Gendarmerieposten Bruck an der Mur. Der Kläger wurde mit Unterstützung der Beamten dieses Gendarmeriepostens in Bruck an der Mur bei der Leobnerbrücke angehalten. Versuche weiterzufahren wurden unterbunden. Die Gendarmeriebeamten Franz D und Helfried C begaben sich zum Kraftfahrzeug des Klägers. Der Kläger wurde aufgefordert, auszusteigen und seine Identität nachzuweisen. Er kam dem aber nicht nach. Nachdem diese Aufforderung mehrmals wiederholt worden war, sprach Franz D die Festnahme des Klägers aus. Der Kläger leistete der Festnahme keine Folge. Er weigerte sich beharrlich, auszusteigen und die Fahrzeugpapiere vorzuweisen. Anläßlich der unter Anwendung von Körperkraft durchgeführten Festnahme erlitt der Kläger einen offenen Oberarmbruch. Ein gegen Franz D und Helfried C eingeleitetes Straverfahren wurde mit Beschluß des Kreisgerichts Leoben vom 15. Juni 1981, 16 Vr 316/81, gemäß § 90 StPO eingestellt. Der Subsidiarantrag des Klägers auf Einleitung der Voruntersuchung wurde mit Beschluß der Ratskammer des Kreisgerichtes Leoben vom 3.Dezember 1981, 1 Vr 1111/81-17, abgewiesen.

Der Kläger begehrt aus dem Titel der Amtshaftung an Schmerzengeld, Verdienstentgang und Mehraufwand den Zuspruch des Betrages von S 257.000 und die Feststellung, daß die beklagte Partei für die zukünftigen Folgen und Schäden des Klägers dieser Körperverletzung hafte. Die einschreitenden Gendarmeriebeamten hätten nicht nur eine über das allgemein übliche Ausmaß bei derartigen Amtshandlungen hinausgehende Gewalt angewendet und den Arm des Klägers verdreht, sondern ihm auch zusätzlich einen heftigen Schlag gegen den bereits verdrehten und angespannten Oberarm versetzt, so daß es zu einer offenen Fraktur gekommen sei. Selbst wenn man von der Darstellung der beiden Beamten ausginge, sei die Gewaltanwendung technisch unrichtig ausgeführt worden. Anstatt den linken Arm zu verdrehen, hätte es genügt, die rechte Hand des Klägers vom Lenkrad zu lösen. In Wahrheit sei der Kläger aber zuerst an den Oberarmen aus dem PKW gezerrt worden; als er sich bereits außerhalb des PKWs befunden habe, hätte ihm ein Beamter die linke Hand nach hinten auf den Rücken gebogen und nach oben verdreht.

Die beklagte Partei und die auf ihrer Seite beigetretenen Nebenintervenienten wendeten ein, die Gendarmeriebeamten hätten bei ihrer Amtshandlung nicht den Rahmen der gesetzlich zulässigen Möglichkeiten überschritten. Da sich der Kläger ungeachtet der ausgesprochenen Festnahme geweigert habe auszusteigen, sei er unter Anwendung von Körperkraft aus dem PKW geschafft worden. Der Kläger habe sich aber mit der rechten Hand am Lenkrad festgeklammert, so daß eine Armwinkelsperre angewendet habe werden müssen, um den Widerstand zu brechen. Die angewandte Körperkraft sei gemäß § 2 Z 2 und 3 in Verbindung mit § 4 WaffengebrauchsG 1969 gerechtfertigt gewesen. Sie sei auch technisch richtig durchgeführt worden. Ein Schlag gegen den Oberarm des Klägers sei nicht geführt worden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, der Kläger habe der Festnahme keine Folge geleistet. Franz D habe darauf die Tür des PKWs geöffnet, den Kläger unter den Achseln gefaßt und versucht, ihn aus dem Fahrzeug herauszuziehen. Der Kläger habe aber seine rechte Hand um das Lenkrad geklammert. Helfried C habe sodann die linke Hand des Klägers, mit der er sich an die Außentür geklammert gehabt habe, mit beiden Händen ergriffen und eine Armwinkelsperre angebracht; er habe vorerst nur leichten Druck ausgeübt, den er erst dann verstärkt habe, als der Kläger sich weiter fest am Lenkrad angeklammert und versucht habe, sich loßzureißen. Der Kläger habe seinen linken Fuß vor das Fahrzeug auf den Boden gesetzt, um sich gegen das Herausziehen aus dem Fahrzeug wehren zu können. Er habe dann jedoch wegen des verstärkten Druckes auf seinen linken Arm den Widerstand aufgegeben und sei ausgestiegen. Helfried C habe daraufhin den linken Unterarm des Klägers sofort losgelassen. Die Verletzung des Klägers sei durch den Griff der Armwinkelsperre erfolgt. Es handle sich um einen reinen Drehbruch. Ein Bruch als Folge eines Schlages könne mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Dem Kläger sei nach dem Aussteigen auch nicht der Arm auf den Rücken gedreht worden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß das Vorgehen der beiden Beamten gemäß §§ 2 und 4 WaffengebrauchsG 1969

berechtigt gewesen sei. Die Durchführung der Armwinkelsperre sei technisch richtig vorgenommen worden; durch ein Anspannen der Muskeln im Oberarm des Klägers, der sich der Festnahme widersetzt habe, sei ein erhöhter Muskelzug aufgetreten. Dies habe Helfried C gezwungen, den Druck gegen den Unterarm des Kläges zu verstärken, um den Kläger widerstandsunfähig zu machen und die Festnahme durchführen zu können. Das Ausmaß des für die Armwinkelsperre durchzuführenden Kraftaufwandes sei dadurch gesteigert worden, daß der Kläger sich der Durchführung der Armwinkelsperre aktiv widersetzt habe. Ein rechtswidriges schuldhaftes Organverhalten liege nicht vor.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es in Ansehung des Feststellungsbegehrens entschieden habe, zusammen mit dem in einem Geldbetrag feststehenden Teil den Betrag von S 300.000 übersteige. Es übernahm die auf Grund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen rechtliche Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Zur Erzwingung einer rechtmäßigen Festnahme dürfen Organe der Bundesgendarmerie gemäß § 2 Z 3 WaffengebrauchsG 1969 von Dienstwaffen im Sinne des § 3 des Gesetzes Gebrauch machen. Der Waffengebrauch ist aber nach § 4 WaffGG unter anderem nur zulässig, wenn ungefährlichere oder weniger gefährliche Maßnahmen wie die Anwendung von Körperkraft ungeeignet erscheinen.

Als Anwendung von Körperkraft kommt insbesondere die Anlegung von Polizeigriffen in Betracht (Erben-Szirba, Das Waffengebrauchsrecht in Österreich 3 48). Darauf, daß die Festnahme nicht gerechtfertigt gewesen wäre, war das Begehren nicht gestützt. Soweit der Kläger in der Revision dies erstmals behauptet, handelt es sich um die Geltendmachung eines neuen, im Aufforderungsschreiben nicht genannten Rechtsgrundes. Geht man aber, wie auch der Revisionswerber in seinen weiteren Ausführungen davon aus, daß zur Durchführung der Festnahme die Anwendung von Körperkraft gerechtfertigt war, liegt ein rechtswidriges und schuldhaftes Organhandeln nicht vor. Der Kläger vertritt weiterhin die Ansicht, die Gendarmeriebeamten hätten zur überwindung seines Widerstandes seine rechte Hand vom Lenkrad entfernen, nicht aber Polizeigriffe anwenden dürfen. Dabei übersieht der Kläger, daß nach den getroffenen Feststellungen die Armwinkelsperre vorerst nur mit leichtem Druck gerade deshalb angewendet wurde, um den Kläger zum Auslassen des Lenkrades zu veranlassen. Ein verstärkter und damit zur Verletzung des Klägers führender Druck wurde in der Folge nur deshalb ausgeübt, weil sich der Kläger ungeachtet der Armwinkelsperre am Lenkrad weiter angeklammert und sogar seinen linken Fuß dazu benützt hatte, um sich gegen das Herausziehen aus dem Fahrzeug abstützen zu können. Der Kläger hat es sich daher selbst zuzuschreiben, daß wegen des von ihm ungeachtet der Anwendung von Körperkraft geleisteten weiteren Widerstandes die Körperkraft verstärkt werden mußte und es dadurch zu der von ihm erlittenen Verletzung kam.

Die behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt, wie der Oberste Gerichtshof prüfte, nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Da der Vertreter der beiden Nebenintervenienten nur diese vertrat, ist ihm nur ein Streitgenossenzuschlag von 10 % zuzuerkennen.

Anmerkung

E05574

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00010.85.0508.000

Dokumentnummer

JJT_19850508_OGH0002_0010OB00010_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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