TE OGH 1985/5/9 7Ob576/85

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Veröffentlicht am 09.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing.Mircea A, Bauingenieur, Hinterbrühl, Wagnerstraße 29, Haus Nr.18, vertreten durch Dr.Hanns Hügel und Dr.Hanns F.Hügel, Rechtsanwälte in Mödling, wider die beklagte Partei Marius B, Schüler, Hinterbrühl, Wagnerstraße 29, Haus Nr.18, vertreten durch Dr.Hermann Gaigg und Dr.Karl E.Leitinger, Rechtsanwälte in Wien, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 12.Dezember 1984, GZ 41 R 861/84-28, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Mödling vom 29.Juni 1984, GZ 3 C 425/83-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:

'Das Klagebegehren, der Beklagte sei schuldig, das Reihenhaus in Hinterbrühl, Wagnerstraße 29/18, von den in seinem Eigentum stehenden beweglichen Sachen zu räumen und das Reihenhaus zu verlassen, wird abgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 11.972,40 bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz (darin S 1.088,40 an Umsatzsteuer) und die mit S 3.935,36 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 357,36 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.' Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten die mit S 2.363,68

bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 214,88 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellte das aus dem Spruch ersichtliche Begehren und brachte vor, er habe zusammen mit seiner Gattin Dipl.Ing.Margaretha C ein Reihenhaus in Hinterbrühl je zur Hälfte gekauft. Der Eigentumserwerb sei bisher aus formalen Gründen unterblieben, weil das Grundbuchsgericht im Hinblick auf den anders lautenden Namen der Gattin des Klägers die Einverleibung des Wohnungseigentums für die Ehegatten abgelehnt habe. Der Kläger besitze jedoch seit Jahren das gesamte Reihenhaus und sei daher dessen rechtmäßiger Besitzer. Der Beklagte sei der Sohn seiner Ehegattin. Auch er bewohne das Reihenhaus. Ein Mietvertrag oder ein anderer Rechtstitel des Beklagten zur Benützung des Reihenhauses bestehe jedoch nicht. Mangels verwandtschaftlicher Beziehungen und mangels einer Unterhaltsverpflichtung bestehe zwischen den Streitteilen auch kein familienrechtliches Wohnverhältnis. Im übrigen sei der am 9.9.1962 geborene Beklagte bereits großjährig. Da der Beklagte das Reihenhaus ohne Rechtstitel benütze, könne der Kläger die Räumung ohne Angaben von Gründen verlangen. Dazu komme, daß der Beklagte Handlungen gesetzt habe, die seinen weiteren Aufenthalt für den Kläger als unzumutbar erscheinen lassen. So habe der Beklagte den Kläger bedroht und beschimpft und ihm am 20.5.1983 im Zuge einer Auseinandersetzung einen Faustschlag versetzt. Der Kläger habe deshalb den Beklagten aufgefordert, das Haus unverzüglich zu räumen. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage, wendete mangelnde Aktiv- und Passivlegitimation ein und brachte vor, er sei noch nicht selbsterhaltungsfähig, sondern besuche noch einen Lehrgang für Maturanten an einer höheren technischen Lehranstalt in Wien. Er habe daher Anspruch auf Unterhalt in der Ehewohnung seiner Mutter und des Klägers. Es bestehe eine Vereinbarung, wonach der Beklagte das Haus bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit und Erlangung einer eigenen Wohnung benützen dürfe.

Das Erstgericht gab der Klage statt und traf folgende Feststellungen:

Der Kläger und dessen Gattin sind gebürtige Rumänen und halten sich seit 1970 ständig in Österreich auf. Sie schlossen 1974 die Ehe. Der Beklagte ist der Sohn der Gattin des Klägers. Diese und auch der Kläger selbst beabsichtigten seit dem Beginn ihres Aufenthaltes in Österreich, daß auch der Beklagte nach Österreich kommt und mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebt. Erst 1975 konnten die Ehegatten unter Mithilfe einer Bekannten die Ausreise des Beklagten erreichen. Kurz zuvor bezogen der Kläger und seine Gattin das gemeinsam gekaufte Haus in der Hinterbrühl, Wagnerstraße 29/18. Dieses Haus kauften die Ehegatten auch deswegen, um über eine ausreichende Wohnmöglichkeit für sich selbst un für den Beklagten zu verfügen.

Seit seiner Ankunft in Österreich bewohnt der Beklagte gemeinsam mit seiner Mutter und dem Kläger das Reihenhaus in der Hinterbrühl. Der Beklagte besuchte das Bundesoberstufenrealgymnasium in Wien I und ist nunmehr Schüler des Kollegs für Elektrotechnik an der Höheren Technischen Bundeslehranstalt Wien I.

Eine Vereinbarung über die Benützung des Reihenhauses wurde weder zwischen dem Kläger und dessen Gattin, noch zwischen dem Kläger und dem Beklagten in irgendeiner Form geschlossen. Es war für die Ehegatten selbstverständlich, daß der damals 13 Jahre alte Beklagte bei ihnen wohnt. Auch der Kläger hatte damals ein sehr gutes Verhältnis zum Beklagten und war mit der Benützung des Reihnhauses durch den Beklagten einverstanden. Eine Vereinbarung über die beabsichtigte Dauer der Benützung des Reiehnhauses durch den Beklagten wurde nicht getroffen.

1978 traten Krisen in der Ehe des Klägers auf. Der Kläger brachte im Jahre 1981 die Scheidungsklage ein. Trotzdem war das Verhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten noch gut. Es verschlechterte sich erst, als der Beklagte im Scheidungsverfahren Partei für seine Mutter ergriff. Nach Auseinandersetzungen forderte der Kläger den Beklagten auf, das Reihenhaus zu verlassen; dieser Aufforderung kam der Beklagte nicht nach.

Wegen der Streitigkeiten mit seiner Gattin bzw. dem Beklagten hält sich der Kläger nunmehr nicht ständig im Reihenhaus in der Hinterbrühl auf. Er benützt dieses Haus jedoch weiterhin teilweise tagsüber und teilweise nachts.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Aktivlegitimation des Klägers sei gegeben, weil auch dem außerbücherlichen Erwerber einer Liegenschaft das Recht zugebilligt werde, einen Dritten mit der Eigentumsklage zu belangen. Vereinbarungen über die Benützung der Liegenschaft durch den Beklagten bestünden nicht. Das Wohnen von Familienangehörigen in einem Haus begründe für diese noch kein Wohnrecht, umso weniger das Bewohnen lediglich durch den Sohn der Gattin des Klägers. Selbst wenn aber ein familienrechtliches Wohnverhältnis bestünde, wäre der Kläger jederzeit berechtigt, dieses ohne Angabe von Gründen zu beenden und den Beklagten auf Räumung zu klagen. Das dem Beklagten von seiner Mutter eingeräumte Recht zur Benützung des Hauses sei zwar im Rahmen eines familienrechtlichen Wohnverhältnisses zwischen diesen beiden Personen wirksam, entfalte aber dem Kläger gegenüber keine Rechte. Der Häflfteeigentümer eines Hauses könne denjenigen, der das Haus oder Teile desselben ohne seine Zustimmung nur auf Grund eines mit dem anderen Hälfteeigentümer abgeschlossenen Mitvertrages benütze, mit Erfolg auf Räumung klagen. Der Kläger sei daher an die Verfügungen seiner Gattin nicht gebunden. Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß der von der Bestätigung betroffene Streitgegenstand S 60.000, nicht jedoch S 300.000 übersteige und daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und teilte dessen rechtliche Beurteilung.

Der Beklagte bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes mit außerordentlicher Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung und beantragt, es im klageabweisenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger hat in der ihm freigestellten (§ 508 a Abs2 ZPO) Revisionsbeantwortung beantragt, die Revision zurückzuweisen, jedenfalls aber ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.

Der Beklagte macht geltend, es könne die durch seine Aufnahme in den gemeinsamen Haushalt des Klägers und seiner Mutter geschaffene Regelung, die gegenüber seiner Mutter familienrechtlich begründet, gegenüber dem Kläger aber zumindest schlüssig erfolgt sei, nicht einseitig und vor Erreichen seiner Selbsterhaltungsfähigkeit durch den Kläger, der ebenso wie die Mutter des Beklagten nur außerbücherlicher Hälfteeigentümer des Hauses sei, geändert werden. Das Revisionsgericht schließt sich der Ansicht des Beklagten an, daß die Vorinstanzen den Rechtsstreit im Ergebnis nicht im Sinne der herrschenden Rechtsprechung entschieden haben.

Lehre und Rechtsprechung anerkennen zwischen Angehörigen der Familie im engeren Sinn, sohin zwischen Ehegatten und deren Kindern, im Hinblick auf die bestehende Unterhaltsverpflichtung den Bestand familienrechtlicher Wohnverhältnisse (MietSlg.31.008 ua.). Derartige Wohnverhältnisse können nach Erlöschen der besonderen Verpflichtungen, also etwa gegenüber großjährig und selbsterhaltungsfähig gewordenen Kindern, jederzeit, nötigenfalls durch Räumungsklage, beendet werden (MietSlg.29.013, 25.106). Ein derartiges familienrechtliches Wohnverhältnis besteht zwar zwischen dem großjährigen, aber noch nicht selbsterhaltungsfähigen Beklagten und seiner Mutter, nicht aber auch zwischen den Streitteilen, da der Beklagte als Stiefsohn des Klägers nicht zu dessen Familie im engeren Sinn gehört und den Kläger gegenüber dem Beklagten eine Unterhaltsverpflichtung nicht trifft. Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen trifft es aber nicht zu, daß zwischen den den Streitteilen keinerlei Rechtsbeziehungen bestehen, sodaß der Beklagte gegenüber dem Kläger das Haus ohne Rechtstitel benütze. Der Kläger - dem entweder (ebenso wie seiner Gattin) als 'außerbücherlichem Hälfteeigentümer' des Hauses zumindest der gleiche Rechtsschutz einzuräumen ist wie einem Bestandnehmer, der im Besitz des Bestandrechtes ist oder doch war (MietSlg.27.059 ua., Spielbüchler in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 372) oder dem als Wohnungseigentumsbewerber, dem die zugesagte Wohnung nach Beziehbarkeit übergeben wurde dieselben Rechte zukommen, weil seine Rechtstellung mit der des Mieters vergleichbar ist (5 Ob 43/81, 5 Ob 51/83), sodaß seine Aktivlegitimation insoweit mit Recht bejaht wurde - war nach den getroffenen Feststellungen damit einverstanden - wenn auch keine ausdrückliche Regelung darüber getroffen wurde -, daß der Beklagte als der Sohn seiner Gattin das Haus mitbenützt. Es war für ihn selbstverständlich, daß der Beklagte bei ihm und seiner Gattin wohnt. Er hat damit unzweifelhaft (§ 863 ABGB) zum Ausdruck gebracht, daß (auch) er den Beklagten nicht bloß prekaristisch (§ 974 ABGB) aufnehmen und nicht nach Gutdünken aus der Wohnung entfernen will (EvBl 1965/300). An diese von ihm zumindest konkludent übernommene Verpflichtung, die mangels einer anderen Regelung bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit des Beklagten anzunehmen wäre, ist der Kläger allerdings nicht unter allen Umständen gebunden. Sie besteht vielmehr nach den im redlichen Verkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuchen (§ 863 ABGB) nur so lange, als der Beklagte kein Verhalten an den Tag legt, das ihm ein Zusammenleben mit diesem unzumutbar macht (EvBl 1965/300). Feststellungen, nach denen beurteilt werden könnte, ob dem Kläger ein weiteres Zusammenleben mit dem Beklagten zumutbar ist, wurden nicht getroffen. Sie sind aber entbehrlich. Es entspricht nämlich der ständichen Rechtsprechung, daß der Hälfteeigentümer eines Hauses gegen denjenigen einen Räumungsanspruch besitzt, der das Haus oder Teile desselben ohne seine Zustimmung nur auf Grund eines mit dem anderen Hälfteeigentümer abgeschlossenen Mietvertrages benützt, da der Räumungsbeklagte sich nicht auf einen Mietvertrag berufen kann, der nur zwischen ihm und seinem Bestandgeber wirksam ist und an den die übrigen Miteigentümer des Hauses, die dem Vertrag weder ausdrücklich noch durch schlüssige Handlungen zustimmten, nicht gebunden sind (SZ 45/49). In gleicher Weise könnte sich zwar der Beklagte gegenüber dem Kläger nicht auf ein nur gegenüber seiner Mutter, der Gattin des Klägers, bestehendes familienrechtliches Wohnverhältnis berufen. Da aber der Kläger diesem Wohnverhältnis schlüssig zugestimmt hat, kann er die dem Beklagten gegenüber übernommenen Verpflichtungen mit Rücksicht darauf, daß seine Gattin ebenso 'außerbücherliche Hälfteeigentümerin' ist wie er selbst, nicht einseitig und ohne Zustimmung seiner Gattin auflösen. Vorzugehen ist vielmehr nach den Grundsätzen der Gemeinschaft des Eigentums. Danach entscheidet in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung - zu denen im Regelfall auch die Einbringung einer Aufkündigung oder einer Räumungsklage gehört (MietSlg.22.164) - die Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit dagegen entscheidet der Richter im Verfahren Außerstreitsachen (MietSlg.23.057; Klang in Klang 2 III 1112, Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 11 zu § 833); bis dahin haben die Maßnahmen zu unterbleiben (vgl. Koziol-Welser, Grundriß II 7 47). Ein Klagerecht des einzelnen Teilhabers gegen Dritte kommt nur dort in Frage, wo die Klage keine Veränderung des gemeinsamen Vermögens anstrebt, sondern den Zweck verfolgt, im Interesse der Gesamtheit den rechtswidrigen Eingriff eines Dritten in die gemeinsame Sache abzuwehren (SZ 48/62). Davon aber kann vorliegend nicht die Rede sein.

Die Zustimmung seiner Gattin zur Klageführung hat der Kläger nicht behauptet (SZ 23/108 ua.). Eine Entscheidung des Richters im Verfahren außer Streitsachen liegt nicht vor.

Da die Entscheidungen der Vorinstanzen sohin von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweichen, war die Revision zulässig. Sie war nach den vorstehenden Ausführungen auch berechtigt, sodaß ihr Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden war.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz erfolgte nach § 41 ZPO, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens nach den §§ 41, 50 ZPO. Mehrkosten, welche durch die Bestellung eines nicht am Sitz des Prozeßgerichtes ansässigen Rechtsanwaltes entstehen (höherer Einheitssatz), sind nur dann zu ersetzen, wenn die Partei nicht selbst am Gerichtsort wohnt, es sei denn, es liegen besondere Gründe für die Bestellung des auswärtigen Rechtsanwalts durch die am Gerichtsort wohnhafte Partei vor (JBl 1978, 594). Besondere Gründe für die Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwalts hat der am Gerichtsort wohnhafte Beklagte nicht bescheinigt. Der in der Kostennote verzeichnete doppelte Einheitssatz war daher nicht zuzusprechen. Barauslagen waren nicht zuzuerekennen, weil der Beklagte Verfahrenshilfe genießt.

Anmerkung

E05916

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00576.85.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19850509_OGH0002_0070OB00576_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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