Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider (Berichterstatter), Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Stöger als Schriftführerin in der Strafsache gegen Egon A wegen des Verbrechens des Betrugs nach §§ 146 f. StGB. und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 5.Dezember 1984, GZ. 7 a Vr 2945/83-234, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalts Dr. Presslauer, und des Verteidigers Dr. Doczekal, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch B I (Verbrechen des schweren Betrugs) und im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen.
Soweit die Nichtigkeitsbeschwerde den Grund des § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO.
geltend macht, wird sie auf die Aufhebung der Vorhaftanrechnung verwiesen.
Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die vorstehende Entscheidung verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 13.Februar 1935 geborene Egon A wurde des Vergehens der versuchten Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB. (A), des Verbrechens des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 3 StGB. (B), des Verbrechens der Untreue nach § 153 Abs. 1 und 2, zweiter Fall, StGB. (C), des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z. 4 StGB. (D) und des Verbrechens der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs. 2 StGB. (E) schuldig erkannt. Darnach hat er (A) von Mitte August 1981 bis Mitte September 1981 in Wien in mehrfachen Angriffen versucht, Gertrude B und ihren Lebensgefährten Fritz C jeweils durch telefonische Äußerungen gegenüber Gertrude B, Hilde ANIBAS, Renate D und Herbert E, er werde sie (Gertrude B) in die 'Gosch'n hauen', ihr eine auf den Schädel hauen, ihr das Geschäft zusammenhauen und Fritz
C zusammenschlagen, wenn sie nicht 80.000 S bzw. 180.000 S zahlen, sohin durch gefährliche Drohung, zu einer Handlung, nämlich zur Zahlung einer angeblichen Schuld (gegenüber Franz F) zu nötigen; (B) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die sie oder andere am Vermögen schädigten, wobei der Schaden 100.000 S überstieg:
I. vom April 1982 bis Dezember 1982 Angestellte der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse unter der Vorgabe, arbeitsunfähig zu sein, zur Auszahlung eines Krankengelds von 416,50
S täglich, während er tatsächlich von April bis Oktober 1982 zumindest an vier Tagen in der Woche bei der Firma G und dann im November und Dezember 1982 beim H I an den Werktagen arbeitete und Provisionen oder Gehaltsbezüge erhielt; Schaden mindestens 71.045 S;
II. durch dietVorgabe, ein zahlungsfähiger und zahlungswilliger Käufer zu sein, zur Ausfolgung nachgenannter Wertgegenstände 1. vom 6. April 1983 bis 19.April 1983 in Fürstenfeldbruck und München Angestellte der Firma J & Co. KG. nach fingierter fernschriftlicher Bestellung im Namen der Firma K Ges.m.b.H. und unter Verwendung des Namens L zur Ausfolgung von 14 Warengutscheinen im Gesamtwert von
2.800 DM; Schaden: 18.200 S;
2. am 15. und 16.Mai 1983 in München Mitarbeiter der Julius M Gesm.b.H. & Co. KG. zur übersendung von zwei Brillanten mit Fassung im Wert von 12.543 DM und zur übergabe eines Solitärs im Wert von
5.700 DM unter Leistung einer Anzahlung von 1.700 DM; Gesamtschaden ungefähr: 115.800 S;
(C) vom Dezember 1982 bis Februar 1983 in Wien, der Bundesrepublik Deutschland, Spanien und Italien die ihm durch Rechtsgeschäft, nämlich durch Abschluß eines Kreditkartenvertrags mit der Firma N O P Ges.m.b.H. eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen, wissentlich mißbraucht und dem angeführten Unternehmen einen 100.000 S übersteigenden Vermögensnachteil zugefügt, indem er unter Verwendung der Kreditkarte von Vertragsfirmen Waren erwarb und Dienstleistungen erbringen ließ, ohne die hiedurch eingegangenen Verbindlichkeiten im Gesamtbetrag von 146.389,15 S einlösen zu können oder zu wollen;
(D) am 25. oder 26.Juni 1983 in Germering/Bundesrepublik Deutschland fremde bewegliche Sachen, nämlich insgesamt zehn, im angefochtenen Urteil näher bezeichnete Wertgegenstände in einem Gesamtwert von ungefähr 76.000 S, dem Adolf Q mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;
(E) am 12.Oktober 1982 vor dem Exekutionsgericht Wien anläßlich der Ablegung des Offenbarungseids (AZ. 14 E 2234/82) durch die eidliche Angabe, er heiße Harald A (statt: Egon A), sowie durch die Angabe, er gehe keiner Beschäftigung nach, während er tatsächlich als freier Mitarbeiter der Firma G (R) arbeitete und Provisionseinkünfte bezog, sowie durch die Angabe, seitens der Wiener Gebietskrankenkasse (richtig: Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse) ein monatliches Krankengeld von 4.700 S zu beziehen, während er tatsächlich über 12.000 S erhielt, einen in den Gesetzen vorgesehenen Eid vor Gericht falsch geschworen.
Egon A bekämpft die Schuldsprüche A, B II, C und D sowie den Ausspruch über die Vorhaftanrechnung mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5, 9 lit. a und 11 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die gegen den Schuldspruch B I erhobene Nichtigkeitsbeschwerde hat der Verteidiger im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof zurückgezogen.
Rechtliche Beurteilung
Die im Rahmen der Verfahrensrüge aufgestellten Behauptungen, wonach mehrere gegen seinen Antrag gefällte Zwischenerkenntnisse den Angeklagten in seinen Verteidigungsrechten verkürzt haben sollen, erweisen sich als nicht stichhältig. Mit der begehrten neuerlichen Vernehmung der Zeugin Gabriele S sollte unter Beweis gestellt werden, daß der Angeklagte die im Betrugsfaktum B II 2 bezeichneten Schmuckstücke der Barbara L übergeben habe, und daß mehrere Personen Gelegenheit zur Verübung des Diebstahls (D) gehabt hätten. Da diese Beweisthemen ohnehin Gegenstand der im Rechtshilfeweg durchgeführten Befragung der Zeugin Gabriele S durch das Amtsgericht Fürstenfeldbruck gewesen sind (siehe das Rechtshilfeersuchen und das Protokoll Band III ON. 209), hätte bei der Antragstellung auch dargetan werden müssen, aus welchen Gründen nunmehr eine abermalige Beweisaufnahme ein anderes Ergebnis erwarten lasse. Mangels eines derartigen Vorbringens durfte das Schöffengericht davon ausgehen, daß eine solche Vernehmung keine zusätzlichen, für die Schuldfrage bedeutsamen Erkenntnisse erbringen werde.
Davon abgesehen ist ein Gelegenheitsverhältnis anderer Personen zur Verübung des Diebstahls ohnedies vom Erstgericht angenommen worden (Band IV S. 43).
Die angestrebte Vernehmung der Zeugen T und U sollte ergeben, daß der Angeklagte der Barbara L 'namhafte Geldbeträge' mit der Widmung übergeben habe, 'damit die Schuld u.a. beim N O abzudecken' (Band III S. 535). Weder der Antragstellung noch der widersprüchlichen Verantwortung des Angeklagten (Band III S. 481 ff.) zu der ihm angelasteten Untreue (C) konnte jedoch entnommen werden, daß die behauptete Geldleistung der vertragsmäßigen Erfüllung von Forderungen der N O P Ges.m.b.H. dienen sollte.
Eine solche Bezahlung wäre vielmehr vereinbarungsgemäß im Bankeinzugsverfahren durchzuführen gewesen und ist mangels Deckung des Kontos des Angeklagten gescheitert. Unter diesen Umständen war die Behauptung des Angeklagten, in einem späteren Stadium der Zeugin L Geld zur Weiterleitung an die N O P Ges.m.b.H. übergeben zu haben, nur noch als Hinweis auf eine angeblich versuchte Schadensgutmachung zu verstehen, welcher für die Subsumtion der Tat keine Bedeutung zukäme.
Ebenso sachgerecht war die Ablehnung des Antrags, das gesondert geführte Strafverfahren gegen den Angeklagten wegen Betrugs zum Nachteil des GS Erich R (Ausscheidungs- und Rückleitungsbeschluß Band III S. 104 ff.) wieder in die gegenständliche Strafsache einzubeziehen und die Hauptverhandlung auch darauf zu erstrecken (Band III S. 475 f.). Von der gemäß § 56 Abs. 1 StPO. für den Regelfall vorgesehenen Führung eines gemeinsamen Verfahrens über alle dem Beschuldigten zur Last liegenden strafbaren Handlungen kann gemäß § 57 Abs. 1 StPO. dann Abstand genommen werden, wenn dies zur Vermeidung von Verzögerungen oder Erschwerungen des Verfahrens oder zur Kürzung der Haft eines Beschuldigten dienlich scheint. Der Beschwerdeführer bestreitet zwar die Gefahr einer Verzögerung des Verfahrensfortgangs, vermag jedoch die Annahme der Voraussetzungen getrennter Verfahrensführung nicht in Frage zu stellen. Insoweit genügt ein Hinweis auf den Umfang der vom Untersuchungsrichter in der ausgeschiedenen Strafsache durchzuführenden, keineswegs auf Zeugenvernehmungen beschränkten Erhebungen (Band III S. 105 ff.), die bei Fällung des Zwischenerkenntnisses unbestrittenermaßen noch nicht abgeschlossen waren.
Das übrigen Vorbringen des Beschwerdeführers unter § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO. geht von keiner entsprechenden Antragstellung in der letzten Hauptverhandlung (ON. 225 ff.) aus, läßt also die gesetzliche Voraussetzung der behaupteten Nichtigkeit vermissen. Auch die Mängelrüge entbehrt weitgehend einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung.
Daß die Täterschaft des Angeklagten beim Nötigungsversuch (A) aus den Beweisergebnissen nicht 'eindeutig' und 'unbedingt' abzuleiten sei, weil die Möglichkeit auch anderer Schlußfolgerungen bestehe, zeigt keinen formalen Begründungsmangel auf.
Zum Betrugsfaktum B II 1 hat der Zeuge Sebastian V eindeutig angegeben, daß der Angeklagte als Besteller der Gutscheine aufgetreten ist (Band III S. 511). Soweit der Beschwerdeführer diesen Aussageinhalt vernachlässigt und Nichterörterung eines Entlastungsumstands reklamiert, geht er selbst nicht vom Verfahrensergebnis aus.
Ebensowenig fundiert ist der Einwand unzureichender und unvollständiger Begründung des Betrugs im Faktum B II 2, weil der Zeuge Rolf M keineswegs bestätigt hat, daß die Schmuckstücke namens der K Ges.m.b.H.
bestellt worden seien, sondern vielmehr einen vom Angeklagten im eigenen Namen abgeschlossenen Kauf bekundet hat (Band III S. 95). Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers zu diesem Faktum erschöpft sich wiederum in einer unbeachtlichen Kritik an der Beweiswürdigung der Tatsacheninstanz.
Letzteres gilt auch für die Anfechtung des Schuldspruchs wegen Untreue (C), bei welchem die Einkommenssituation des Angeklagten im Tatzeitraum sehr wohl einer Würdigung unterzogen und die Annahme mangelnder Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit durchaus plausibel begründet wurde (Band IV S. 34 ff.).
Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang meint, er habe bis Februar 1983 (statt Dezember 1982) vom H I ein Arbeitseinkommen bezogen, fehlt dieser Behauptung ebenso eine aktenmäßige Deckung (siehe Band II S. 345; Band III S. 481) wie der - allerdings möglicherweise nur auf einem Schreibfehler in der Beschwerde beruhenden - Angabe des Verdienstes mit 70.000 S (statt mit 17.500 S brutto monatlich).
Die Täterschaft des Angeklagten beim Diebstahl (D) ist keineswegs unter Vernachlässigung des Gelegenheitsverhältnisses anderer Personen begründet worden. Dieser schon bei der Behandlung der Verfahrensrüge widerlegte Beschwerdeeinwand und die auf die abstrakte Möglichkeit einer Verwechslung einer Damenuhr mit einer Herrenuhr gestützte Bestreitung der Beweiskraft eines Verfahrensergebnisses lassen jedenfalls keinen Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. erkennen. In der auf eine Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. abzielenden Rechtsrüge wendet der Angeklagte zunächst gegen den Schuldspruch wegen versuchter Nötigung (A) ein, die Drohungen seien nicht geeignet gewesen, den Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen. Dabei verkennt der Beschwerdeführer aber, wie seine Bezugnahme auf zudem noch aus dem Sinnzusammenhang gelöste Angaben der Bedrohten Gertrude B über eine Wertung der Angelegenheit als 'Spaß' zeigt, daß für die Beurteilung der Rechtsfrage nach der im § 74 Z. 5 StGB. umschriebenen Eignung einer Drohung stets ein objektiver Maßstab anzulegen und darauf abzustellen ist, ob der Bedrohte unter den Gegebenheiten des Anlaßfalls bei unbefangener Betrachtung der Situation den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei willens und in der Lage, das angekündigte übel herbeizuführen. Dabei kommt es weder darauf an, ob das Opfer tatsächlich in einen Angstzustand versetzt wird, noch darauf, ob die angedrohte Rechtsgutverletzung als unmittelbar bevorstehend angesehen werden muß, weil die sogenannte Imminenz des übels (anders als etwa beim Raub) keine Verwirklichungsvoraussetzung der gefährlichen Drohung (oder Nötigung) ist.
Folglich vermag die Tatsache, daß drohende Ankündigungen nicht bei einer persönlichen Begegnung, sondern telefonisch und unter Einschaltung anderer Personen zur Weitergabe an die Betroffenen geäußert werden, auf die rechtliche Beurteilung keinen Einfluß zu üben, weil solche Begleitumstände der Verursachung begründeter Besorgnisse beim Opfer nicht entgegenstehen.
Den Urteilsannahmen zufolge begehrte der Angeklagte von Gertrude B und Fritz C bei den Telefongesprächen die Bezahlung einer angeblichen Schuld und kündigte für den Fall der Leistungsverweigerung sinngemäß an, daß er ihnen Körperverletzungen zufügen und das Geschäftslokal der Gertrude B beschädigen werde. Diese wiederholten Bedrohungen durch eine in der Anonymität bleibende Person waren durchaus geeignet, den Betroffenen den Eindruck zu vermitteln, der Anrufer sei zur Verwirklichung der angekündigten Attacken fähig und gewillt, welche Befürchtung übrigens konkret in der Anzeige ihren Niederschlag fand (Band II S. 11 ff. in ON. 57). Dem Schuldspruch wegen versuchter Nötigung haftet daher der reklamierte Rechtsirrtum nicht an.
Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof von einer - infolge Rückziehung der zu B I erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde - nicht gerügten unrichtigen Anwendung des Strafgesetzes (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) überzeugen:
Der Schöffensenat ließ sich ersichtlich von der Auffassung leiten, daß mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit während eines Krankenstands die für den Krankengeldanspruch maßgebende sozialversicherungsrechtliche Anspruchsvoraussetzung der Arbeitsunfähigkeit sogleich in Wegfall komme.
Weiters wurde eine zumindest in der einschlägigen Krankenordnung statuierte Meldepflicht des Krankengeldempfängers bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit angenommen.
Dieser rechtlichen Beurteilung kann - der Generalprokuratur folgend - nicht beigetreten werden. Die Vorschriften über den Anspruch auf Krankengeld aus dem Versicherungsfall der Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit (§§ 138 bis 143 ASVG.) enthalten keine Regelung, derzufolge die Leistungsvoraussetzung einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit durch Erwerbstätigkeit des Erkrankten unwirksam wird (siehe hiezu Binder, Der krankenversicherungsrechtliche Schutz im Falle der Arbeitsunfähigkeit, in 'Die Minderung der Leistungsfähigkeit im Rechte der Sozialversicherung', herausgegeben von Tomandl, insbesondere S. 4 ff.). Auch eine diesbezügliche Meldepflicht des Krankengeldempfängers ist nicht gesetzlich normiert, doch könnte eine solche aus einer von ihm erkannten maßgebenden Änderung seines Gesundheitszustands resultieren (siehe MGA. des ASVG. Anm. 2 zu § 40). Nach der vom Erstgericht herangezogenen Krankenordnung der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse ist zwar die Verrichtung von Erwerbsarbeiten während der (sozialversicherungsrechtlichen) Arbeitsunfähigkeit untersagt und die Kasse in übereinstimmung mit § 143 Abs. 6 Z. 3 ASVG. ermächtigt, bei wiederholten Verletzungen der Krankenordnung und erfolgloser Belehrung des Versicherten das gänzliche oder teilweise Ruhen des Krankengelds zu verfügen (Punkte 31 Abs. 2 lit. c, Abs. 3; 65 Abs. 3). Eine Verpflichtung des Krankengeldbeziehers zur Meldung seines verbotswidrigen Verhaltens läßt sich daraus jedoch nicht ableiten.
Demgemäß kann im Anlaßfall nach den Urteilskonstatierungen nicht davon ausgegangen werden, daß der Angeklagte gegen eine gesetzliche Meldepflicht verstoßen und schon dadurch eine 'Täuschung über Tatsachen' verwirklicht hat.
Betrug wäre ihm allerdings dann anzulasten, wenn er zwecks Krankengeldbezugs den Sozialversicherungsträger über seinen Gesundheitszustand getäuscht oder eine Kenntnisnahme des Sozialversicherungsträgers von seiner Arbeitstätigkeit durch andere Irreführungshandlungen - etwa Verwendung eines falschen Namens - bewußt verhindert hätte.
Auf Grund seiner Rechtsansicht hat das Erstgericht die für eine abschließende Beurteilung des Anklagevorwurfs in objektiver und subjektiver Hinsicht notwendigen Feststellungen nicht getroffen. Dieses Konstatierungsdefizit (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) erfaßt das Faktum B I zur Gänze. Es war daher gemäß § 290 Abs. 1 StPO. der Punkt B I des Urteilssatzes aufzuheben und die erforderliche Verfahrenserneuerung in erster Instanz anzuordnen.
Da die Kassation sich zusammen mit dem Strafausspruch auf die Entscheidung über die Vorhaftanrechnung erstreckt, erübrigte sich für den Obersten Gerichtshof eine Überprüfung der vom Beschwerdeführer unter § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. weiters geltend gemachten Unvollständigkeit des Anrechnungsausspruchs. Diesbezüglich war das Rechtsmittel auf die Aufhebung des betreffenden Urteilsausspruchs zu verweisen.
Anmerkung
E05708European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0130OS00036.85.0509.000Dokumentnummer
JJT_19850509_OGH0002_0130OS00036_8500000_000