TE OGH 1985/5/9 12Os37/85

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Veröffentlicht am 09.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger sowie Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Elöd Daniel A wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Elöd Daniel A gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 5.Dezember 1984, GZ 20 x Vr 3771/84-48, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr.Maria Oelzand, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Elöd Daniel A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 26.März 1984 in Wien Viktor S*** dadurch, daß er wiederholt mit einem Küchenmesser vor allem gegen dessen Hals und Brust einstach, vorsätzlich getötet zu haben.

Die Geschwornen hatten die anklagekonform auf Mord lautende Hauptfrage stimmeneinhellig bejaht und die Zusatzfrage 1 betreffend Tatbegehung im Zustand einer die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden tiefgreifenden Bewußtseinsstörung oder einer anderen schweren, diesem Zustand gleichwertigen seelischen Störung mit 5 : 3 Stimmen verneint. Demgemäß entfiel eine Beantwortung aller weiteren Eventual- und Zusatzfragen.

Dieses Urteil wird vom Angeklagten Elöd Daniel A mit einer auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde bekämpft.

Der Strafausspruch wird mit Berufung angefochten.

Rechtliche Beurteilung

Zu Unrecht meint der Beschwerdeführer, das Frageschema widerspreche hinsichtlich seiner Reihenfolge den Vorschriften der §§ 312 bis 317 StPO.

Die vom Schwurgerichtshof vorgenommene Reihung der Zusatzfrage 1 betreffend Tatbegehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit, sowie der für den Fall der Bejahung dieser Zusatzfrage gestellten, auf selbstverschuldete volle Berauschung gemäß § 287 Abs. 1 StGB in bezug auf Mord lautenden Eventualfrage 1 in unmittelbarem Anschluß an die Hauptfrage nach Mord, auf welche Fragen dann - richtigerweise (vgl SSt 46/49) in Form einer Eventualfrage gemäß § 314 Abs. 1 StPO - die Frage nach Totschlag folgte, bedeutete keinen logischen Bruch in der Fragestellung, durch welchen den Geschwornen im vorliegenden Fall die Möglichkeit genommen worden wäre, ihrer Meinung über das Vorliegen einer Volltrunkenheit im Zeitpunkt der Tat oder über die Begehung eines Totschlags Ausdruck zu geben, und der als solcher, weil mit der Natur und dem Zweck der Fragestellung als Mittel zur Erreichung eines dem wahren Willen der Geschwornen entsprechenden brauchbaren Wahrspruchs in Widerspruch, Urteilsnichtigkeit im Sinne der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO bewirken würde (vgl Mayerhofer-Rieder 2 , II/2, E Nr 4 zu § 317 StPO).

Ein Fehler im Frageschema könnte allerdings, worauf das Beschwerdevorbringen im Ergebnis hinausläuft, darin erblickt werden, daß zwar zur Hauptfrage und zu den Zusatzfragen 3 (nach absichtlicher schwerer Körperverletzung) und 5 (nach Körperverletzung mit tödlichem Ausgang) jeweils Zusatz- und Eventualfragen nach Tatbegehung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit bzw nach selbstverschuldeter voller Berauschung an die Geschwornen gerichtet worden sind, eine entsprechende Fragestellung zum Tatbestand nach § 76 StGB jedoch unterblieben ist, sodaß im Fall einer Verneinung der Hauptfrage und einer Bejahung der Eventualfrage 2 den Geschwornen die Möglichkeit verschlossen gewesen wäre, über das Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes nach § 11 StGB zu entscheiden bzw bei dessen Bejahung ein dem Tatbestand nach § 287 Abs. 1 StGB entsprechenden Verhalten des Angeklagten festzustellen. Diese Formverletzung hat sich aber schon deswegen nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, weil die Geschwornen die Hauptfrage auf Mord bejaht und daher die Eventualfrage 2 nach Totschlag richtigerweise nicht beantwortet haben, sodaß kein Anlaß bestand, die Frage der Zurechnungsfähigkeit (§ 11 StGB) und allenfalls auch der vollen Berauschung nach § 287 Abs. 1 StGB bei Begehung eines Totschlages zu prüfen. Die von den Geschwornen zu Recht nicht beantwortete Eventualfrage auf Totschlag wäre aber gar nicht zu stellen gewesen. Denn der Angeklagte Elöd Daniel A hat sich auf keine konkreten Tatumstände berufen, die, wenn sie als erwiesen angenommen werden, den tiefgreifenden Affekt, in welchem er sich möglicherweise dazu hat hinreißen lassen, Viktor B vorsätzlich zu töten, auch allgemein begreiflich erscheinen ließen. Er hat sich vielmehr damit verantwortet, in einen hochgradigen Erregungszustand geraten zu sein, als er beim Betreten seines Quartiers gesehen habe, wie Viktor B seinen Koffer durchwühlt habe, und daraufhin 'rot gesehen' und 'durchgedreht' zu haben (vgl S 56, 62, 100 f, 349 d.A). Eine solche Fallkonstellation vermag jedoch eine allgemeine Begreiflichkeit der tatauslösenden heftigen Gemütsbewegung im Sinne einer für einen Durchschnittsmenschen unter den gegebenen Umständen sittlichen Verständlichkeit ihrer Ursache nicht indizieren. Setzt doch eine solche voraus, daß der Affekt des Täters in seiner gesamten Dimension, also einschließlich seiner tatkausalen Heftigkeit in Relation zu dem sie herbeiführenden Anlaß bei rechtsethischer Bewertung für einen rechtstreuen Menschen verständlich sein muß (vgl EvBl 1982/167); die Aggressionsbereitschaft des Angeklagten und seine individuelle Neigung zu Erregungszuständen bei Alkoholisierung (vgl S 175, 273 d. A), haben dabei als Charaktermangel und als Ausfluß seiner psychisch abnormen Persönlichkeit außer Betracht zu bleiben (vgl EvBl 1976/119, ÖJZ-LSK 1978/199).

Da sohin die Voraussetzungen für einen auf Totschlag lautende Eventualfrage in Wahrheit nicht gegeben gewesen sind, bewirkte das Unterbleiben der entsprechenden Zusatz- und Eventualfragen keine Nichtigkeit im Sinne der Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO. Nicht stichhaltig ist aber auch der Beschwerdeeinwand (Z 8), die schriftliche Rechtsbelehrung werde den gesetzlichen Erfordernissen nicht gerecht, sie sei für die Geschwornen unverständlich und verwirrend gewesen.

Der Beschwerdeführer vermag nicht konkret aufzuzeigen, welche Passagen der Rechtsbelehrung unrichtig, unverständlich oder unvollständig und demzufolge seiner Ansicht nach geeignet gewesen sein sollen, die Laienrichter auf einen falschen Weg zu weisen; insoweit mangelt es schon an einer ausreichenden Substantiierung des in diesem Zusammenhang angerufenen Nichtigkeitsgrundes der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO. Mißverständnisse über die Bedeutung der Fragen und ihr Verhältnis zueinander konnten auch nicht dadurch entstehen, daß die an die Geschwornen gestellten Fragen in der schriftlichen Rechtsbelehrung in einer anderen Reihenfolge als im Fragenschema erläutert worden sind, indem erst nach der Behandlung der Tatbestände des Mordes, des Totschlages, der absichtlichen schweren Körperverletzung und der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang auf die Zusatzfragen nach § 11 StGB und die Eventualfragen nach § 287 Abs. 1 StGB eingegangen worden ist. Dem verschlägt nichts, daß die Geschwornen im Zuge der Beratung ihres Wahrspruches von ihrem im § 327 Abs. 1 StPO vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht und den Vorsitzenden - gerade um Mißverständnisse beim Wahrspruch hintanzuhalten - um neuerliche Rechtsbelehrung ersucht haben.

Da den Geschwornen sohin auch keine unrichtige Rechtsbelehrung erteilt worden ist, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Elöd Daniel A zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Jahren. Es wertete als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und den raschen Rückfall, als mildernd, daß die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen (§ 34 Z 11 StGB). Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafe an.

Auch die Berufung ist nicht berechtigt.

Selbst wenn man dem Angeklagten auch ein Geständnis im Sinne des § 34 Z 17 StGB als mildernd zugute halten wollte, fiele dieser Milderungsgrund nicht ins Gewicht, denn er hat den Tötungsvorsatz geleugnet und nur zugegeben, was er nicht leicht abstreiten konnte. Das Geschwornengericht hat als mildernd gewertet, daß die Tat unter Umständen begangen wurde, die einem Schuldausschließungsgrund nahekommen. Es hat somit weitgehend die abnorme Persönlichkeit des Angeklagten berücksichtigt, die Ursache dafür war, daß er in einen hochgradigen Erregungszustand versetzt wurde, als er den vermeintlichen Diebstahlsversuch des Viktor B bemerkte. Die Alkoholisierung des Angeklagten kann aber schon deswegen nicht als mildernder Umstand herangezogen werden, weil der Angklagte, wie aus den Vorstrafakten hervorgeht, wußte, daß er im alkoholisierten Zustand zur Gewalttätigkeit neigt. Die Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit durch die Alkoholisierung wird somit durch den Vorwurf aufgewogen, den der Genuß des Alkohols unter diesen Umständen begründet (§ 35 StGB).

Die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe von 15 Jahren entspricht dem Schuld- und Unrechtsgehalt der Tat und seiner Persönlichkeit.

Auch der Berufung war somit ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E05700

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00037.85.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19850509_OGH0002_0120OS00037_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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