TE OGH 1985/5/9 7Ob14/85

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Veröffentlicht am 09.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Petrasch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta und Dr.Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Robert A, Landwirt, Gumpoldskirchen, Wienerstraße 171, vertreten durch Dr.Otto Schuhmeister, Rechtsanwalt in Schwechat, wider die beklagte Partei Versicherungsanstalt der B C, Versicherungs-AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr.Ferdinand Neundlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 1,200.000 S s. A), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 31.Jänner 1985, GZ 2 R 267/84-34, womit infolge Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 17.September 1984, GZ 14 Cg 46/83-26, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 17.931,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.411,95 S an Umsatzsteuer und 2.400 S an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger, von Beruf Landwirt, Weinhändler und Pächter des 400 ha großen Gutsbesitzes Richardhof bei Gumpoldskirchen, schloß für den Zeitraum vom 1.Oktober 1978 bis 1.Jänner 1989 bei der Beklagten zur Polizze Nr. 1 061-001002-6 eine landwirtschaftliche Bündelversicherung ab, bestehend aus Feuer-, Einbruch- und Haftpflichtversicherung. Laut Ergänzungsblatt zur Polizze gelten für diese Versicherung die AHVB und EHVB 1963. Im September 1981 ließ der Kläger die Rohrleitung Luisenquelle-Fischteich sanieren. Am 10. September 1981 stürzte die für die Rohrleitung ausgehobene, nicht gepölzte Künette ein. Hiebei wurde der beim Kläger beschäftigte Marijan D tödlich verletzt. Der KLäger wurde rechtskräftig wegen Vergehens der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB verurteilt. Der Kläger begehrt die Feststellung, die beklagte Partei sei verpflichtet, in den Schadensfall vom 10.September 1981, das ist der vom Landesgericht für Strafsachen Wien zu 7 a E Vr 11516/81 verhandelte tödliche Arbeitsunfall des Marijan D, einzutreten und weiters die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Ersatzansprüche der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, soweit sie berechtigt sind, bis zum Höchstbetrag von 1,2 Millionen Schilling zu erfüllen. Die Beklagte habe mit Schreiben vom 29.September 1982 die Deckung abgelehnt. Der Aufwand des Klägers für Bauarbeiten habe nur 12.920 S betragen, sodaß sich die Versicherung auch auf die gesetzliche Haftpflicht aus der Tätigkeit des Klägers als Bauherr beziehe. Der Kläger sei ausgebildeter Landwirt und habe etwas praktische Bauerfahrung. Er habe sich auf die bei ihm beschäftigten Fachleute Ing. E (Baumeister) und Franz A (Polier) verlassen. Der Kläger habe daher keine Bedenken gehabt, die Künette ohne Pölzung ausheben zu lassen, und habe erst nach dem Vorfall von den Vorschriften der Bauarbeiterschutzverordnung erfahren. Das Erdreich sei fest gewesen; es sei nicht vorgesehen gewesen, daß jemand in die Künette steige. Der Unfall sei auf einen unglücklichen Zufall zurückzuführen, weil beim Graben der Künette offenbar eine alte Zuschüttung angeschnitten worden sei. Im übrigen habe sich der Kläger zur Durchführung und überwachung der Arbeiten eines konzessionierten Baumeisters bedient, von dem er habe erwarten können, daß dieser die Bauvorschriften kenne und deren Einhaltung verlange. Auf Grund dieses Sachverhalts würden von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse erhebliche Regreßansprüche gegen den Kläger gestellt. Das Begehren zu Punkt 2 werde nur für den Fall gestellt, daß die Ansprüche gegen den Kläger zu Recht bestünden. Dieses Begehren sei notwendig, weil der Kläger einen Verjährungsverzicht abgegeben habe, die Ansprüche der Sozialversicherungsträger am 10. September 1984 verjähren und die beklagte Partei für den Fall einer späteren Leistungsverpflichtung diesen Umstand als leistungsbefreiend geltend machen könnte.

Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der gegenständliche Versicherungsvertrag erstrecke sich gemäß Z 10 Punkt 1 lit a der EHVB 1963

auch auf die gesetzliche Haftpflicht des Versicherungsnehmers als Bauherr oder Unternehmer von Bauarbeiten, wenn im Einzelfall die vom Versicherungsnehmer als Bauherr bzw. Bauunternehmer aufzuwendenden Kosten mit weniger als 40.000 S bzw. 20.000 S zu veranschlagen seien. Diese Beträge seien im vorliegenden Fall überschritten worden. Die Eigenleistungen seien gemäß Z 10 Punkt 1 lit a der EHVB 1963 bei der Ermittlung der Gesamtkosten zu ortsüblichen Preisen zu berechnen. Bei den gegenständlichen Baggerarbeiten, die der Kläger von seinen Leuten durchführen ließ, seien Vorschriften der Bauarbeiterschutzverordnung über die Pölzung von Künetten verletzt worden. Am 10.September 1981 sei deswegen ein Teil des Künettenrandes eingestürzt, habe D in die Künette gerissen und verschüttet. Dem Betrieb des Klägers sei ein Bauunternehmen angeschlossen, das von ihm geführt werde; Ing. E sei Angestellter des Klägers. Die Verurteilung im Strafverfahren sei erfolgt, weil der Kläger die gegenständliche Künette habe ausheben lassen, ohne die notwendige Pölzung aus Unkenntnis oder Gleichgültigkeit anzuordnen, und seinen Arbeitern die Fortsetzung der Grabarbeiten aufgetragen habe, obwohl er gewußt habe, daß der Baumeister und der Polier an diesem Tage abwesend waren, und dem Kläger auch bekannt gewesen sei, daß weder der Baggerführer noch der Verunglückte das erforderliche technische und rechtliche Wissen besaßen. Da der Kläger den Unfall damit in Kauf genommen habe, sei die Beklagte auch gemäß Art. 5 AHVB 1963 im Zusammenhalt mit Z 3 Punkt 5 der EHVB 1963 von der Leistung frei, weil der Versicherungsnehmer, der die Aufsicht führte, das die Haftpflicht auslösende Ereignis durch bewußtes Zuwiderhandeln gegen Baugesetze oder baubehördliche Vorschriften herbeigeführt habe. Der Kläger habe den Schadenseintritt als Folge der unterlassenen Pölzung vorhersehen müssen, es sei ihm auch die Kenntnis der Baugesetze zumutbar. Das Erstgericht gab der Klage bezüglich des zu Punkt 1 gestellten Feststellungsbegehrens statt; das zu Punkt 2 gestellte Begehren wies es ab, da es von dem zu Punkt 1 erhobenen Feststellungsbegehren bereits umfaßt sei.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze mit der Maßgabe statt, daß es zu lauten habe, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei auf Grund des zwischen den Streitteilen bestehenden Versicherungsvertrages für die von der Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt und der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte gegen den Kläger wegen der tödlichen Verletzung des Marijan D beim Unfall vom 10.September 1981 erhobenen Schadenersatzansprüche bis zum Höchstbetrag von 1,200.000 S Versicherungsschutz zu gewähren. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, 300.000 S, der des bestätigenden Ausspruches 60.000 S und der des abändernden Ausspruches 15.000 S übersteigt. Das Berufungsgericht ging von folgendem Sachverhalt aus:

Im Jahre 1980 ließ der Kläger die Rohrleitung Baitalquelle-Richardhof erneuern. Sie dient ausschließlich der Versorgung des Gutshofes und des angeschlossenen Hotelbetriebes. Vom Richardhof zum Fischteich führt lediglich eine überlaufleitung.

Der Kläger betreibt im Rahmen des von ihm geführten Gutsbetriebes auch einen Baumeisterbetrieb, in welchem der bereits 74-jährige Ing. Franz E als gewerberechtlicher Geschäftsführer fungierte, der Kläger aber selbst Anordnungen nicht nur in wirtschaftlichen, sondern auch in arbeitstechnischen Belangen traf. Im September 1981 ließ der Kläger die Sanierung der Rohrleitung Luisenquelle-Fischteich, die von der Leitungsführung Baitalquelle-Richardhof völlig unabhängig ist, von diesem Baumeisterbetrieb durchführen. Der Ausbau der schadhaften Rohre sowie die Verlegung der neuen Rohre sollte maschinell erfolgen, sodaß ein Betreten der Künette nicht notwendig war. Da der Boden dem KLäger und Ing. E standfest erschien, wurde trotz einer Grabungstiefe von 2,5 bis 2,7 m auf eine Pölzung verzichtet. Die dem KLäger nicht bekannte Bauarbeiterschutzverordnung sieht eine Pölzung ab einer Tiefe von 1,25 m zwingend vor.

Als Arbeiter waren der Polier Franz A, der Baggerführer Richard Z*** und der Hilfsarbeiter Marijan D, alle Dienstnehmer des Klägers, auf der Baustelle beschäftigt.

Am 9. September 1981 wurde mit den Arbeiten begonnen. Am späten Nachmittag entfernten sich Ing. Franz E und der Polier Franz A und entschuldigten sich auch für den nächsten Tag. Somit führte am 10. September 1981 der Kläger die Aufsicht.

Am 10.September 1981 war für die Baustelle ein fachkundiger Anordnungsbefugter nicht bestellt worden. Der Kläger ließ es zu, daß trotzdem an der Baustelle gearbeitet wurde, wobei er seinen Dienstnehmern lediglich einschärfte, aufzupassen, wenn es erforderlich wäre, sollte auch gepölzt werden. Er trug damit seinen Dienstnehmern Richard F und Marijan D die Fortsetzung der Grabarbeiten auf, obwohl er wußte oder doch wissen mußte, daß weder der Baggerführer Richard F noch dessen Helfer Marijan D das für die ihnen vom Kläger überlassene Beurteilung der Notwendigkeit einer Pölzung erforderliche technische Wissen mangels entsprechender Ausbildung und Erfahrung besaßen und ihnen auch die diesbezüglichen rechtlichen Vorschriften nicht bekannt waren.

Die Aufträge des Klägers wurden am 10.September 1981 ausgeführt. Mit der Weitergrabung wurde in Abwesenheit des Klägers begonnen. Kurz vor 9 Uhr stürzte die Künette ein und erdrückte den in der Künette befindlichen Marijan D.

Die Eigenkosten des Klägers als Bauherr für die Sanierung der Rohrleitung Luisenquelle-Fischteich beliefen sich auf 38.890,82 S. Am 6.April 1982 wurde der Kläger vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung gemäß § 80 StGB in Verbindung mit § 37 Abs 1 StGB verurteilt. Das Oberlandesgericht Wien bestätigte diese Entscheidung am 27.Juni 1982. Die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt und die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte stellen gemäß § 334 ASVG noch nicht näher konkretisierte Regreßansprüche an den Kläger. Es steht nicht außer Streit, daß diese die einzigen gegen den Kläger erhobenen Ansprüche sind.

In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, im Prozeß zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer über die Deckung des Schadensfalles aus der Haftpflichtversicherung sei nicht darüber abzusprechen, ob die vom geschädigten Dritten erhobenen Ansprüche tatsächlich berechtigt sind. Ein rechtliches Interesse des Versicherungsnehmers an der Feststellung der Deckungspflicht seines Versicherers bestehe auch dann, wenn der gegen ihn vom geschädigten Dritten erhobene Anspruch nicht berechtigt sein sollte. Der Kläger sei, wie sich aus § 156 Abs 3 GewO ergebe, nicht als Bauunternehmer, sondern als Bauherr zu qualifizieren, da er die Bauarbeiten auf eigenem Grund lediglich für den Eigenbedarf ausgeführt habe. Die Bauführung sei daher nach Z 10 Punkt 1 lit a G bis zu einer Kostengrenze von 40.000 S vom Versicherungsschutz umfaßt. Unter den vom Versicherungsnehmer aufzuwendenden Kosten im Sinne von Z 10 Punkt 1 lit a EHVB könnten, wie sich durch Auslegung des Textes der Versicherungsbedingungen ergebe, nur die tatsächlichen Eigenkosten, nicht aber fiktive ortsübliche Kosten verstanden werden: Im übrigen seien Allgemeine Geschäftsbedingungen nicht nach den §§ 6, 7 ABGB, sondern nach den §§ 914, 915 ABGB auszulegen, sodaß eine undeutliche Erklärung zu Lasten der beklagten Partei ginge. Da die Kosten des Klägers als des Bauherrn weniger als 40.000 S betragen hätten, seien die gegenständlichen Bauarbeiten vom Versicherungsschutz umfaßt. Ein qualifizierter Schuldvorwurf nach Z 3 Punkt 5 EHVB oder nach der generellen Bestimmung des Art. 5 III Z 1

lit a AHVB 1963 sei dem Kläger nicht zu machen. Eine bewußte Mißachtung der Bauarbeiterschutzverordnung könne dem Kläger, der bei der Herstellung der Künette die Aufsicht geführt habe und dem diese Verordnung unbekannt gewesen sei, nicht angelastet werden. Ein Haftungsausschluß im Sinne der genannten Versicherungsbedingungen sei daher zu verneinen. Es könne dem KLäger auch nicht vorgeworfen werden, daß er die von ihm als wahrscheinlich vorauszusehenden schädlichen Folgen in Kauf genommen habe: Denn der Kläger habe deshalb auf eine Pölzung verzichtet, weil ihm der Boden genug standfest erschienen sei. - Das Berufungsgericht teile nicht die Ansicht des Erstgerichtes, es seien von dem auf Deckung des gegenständlichen Unfalls gerichteten Begehren sämtliche Ansprüche erfaßt, sodaß sich ein gesonderter Ausspruch über die Deckungspflicht hinsichtlich einzelner Ansprüche erübrige. Der Versicherer müsse dem Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers alle ihm bekannten Einwände entgegensetzen, die seine Leistungsfreiheit gegenüber dem Versicherungsnehmer auch nur bezüglich bestimmter, aus diesem Schadensfall entstandener und gegenüber dem Versicherer gemäß § 12 Abs 3 VersVG erhobener Ansprüche begründen. Der Verjährungsverzicht des Klägers gegenüber den Sozialversicherungsträgern könnte als Verstoß gegen die Obliegenheit nach Art. 7 I 8 AHVB angesehen werden. Einen Einwand in Richtung gegen den vom Kläger erhobenen Deckungsanspruch habe jedoch die beklagte Partei nicht vorgebracht. Durch die rechtskräftige Stattgebung des auf Deckung der gegen den Kläger erhobenen Schadenersatzansprüche aus dem gegenständlichen Unfall gerichteten Begehrens werde der Beklagten die Möglichkeit genommen, im Fall einer tatsächlichen Inanspruchnahme des Klägers durch den Dritten wegen eines Verjährungsverzichts des Klägers die Leistung aus dem Versicherungsvertrag zu verweigern. Punkt 2 des Klagebegehrens stelle sich damit als Ergänzung und Präzisierung des auf Deckung der gegen den Kläger erhobenen Schadenersatzansprüche gerichteten Feststellungsbegehrens und nicht als ein ein weiteres Rechtsschutzziel verfolgendes Begehren dar. Es sei daher nicht abzuweisen, sondern von der Stattgebung des insgesamt auf Deckung der gegen den Kläger erhobenen Schadenersatzansprüche gerichteten Begehrens - das entsprechend neu zu fassen gewesen sei - umfaßt. Die Beklagte bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Beklagte wendet sich zunächst gegen die vom Berufungsgericht vorgenommene Modifizierung des Klagebegehrens. Nur diese Veränderung decke die Behauptung des Berufungsgerichtes, Punkt 2 des Klagebegehrens sei eine bloße Ergänzung und Präzisierung. Nach der ursprünglichen Form des Punktes 2 des Klagebegehrens sei eine solche Auffassung nicht gerechtfertigt. Einem Begehren an die Beklagte, berechtigte Ansprüche zu erfüllen, könne keinesfalls stattgegeben werden, ohne die Vorfrage des Verschuldensgrades zu prüfen. Werde gleichzeitig die Behauptung aufgestellt, diese Ansprüche seien nicht berechtigt, sei es verfehlt.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß Punkt 2 des Klagebegehrens nach seiner Formulierung inhaltlich nicht über dessen ersten Punkt hinausgeht, sondern - außer durch Bezeichnung des Haftungshöchstbetrages - nur durch Anführung von bestimmten Sozialversicherungsträgern als den Geschädigten präzisiert und damit das Gesamtbegehren auf diese einschränkt. Die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes, die beiden Punkte des Klagebegehrens zusammenzufassen und gleichzeitig neu zu formulieren, war daher durchaus gerechtfertigt. Durch diese Neuformulierung hat das Berufungsgericht dem Urteilsspruch nur eine klarere und deutlichere Fassung gegeben und ist damit einer prozeßrechtlichen Pflicht nachgekommen. Es hat die Grenzen des Streitgegenstandes - was in der Revision auch gar nicht geltend gemacht wird - nicht überschritten und insbesondere nichts anderes, also kein aliud, zugesprochen (Fasching III 646, SZ 48/55 u.a.). Der in der Revision vertretenen Ansicht, die Stattgebung des Punktes 2 des Klagebegehrens mit der in der Klage gewählten Form hätte die Prüfung des Verschuldensgrades des Klägers erfordert, kann nicht beigepflichtet werden. Es war zwischen den Prozeßparteien niemals zweifelhaft, daß im gegenständlichen - aus dem Grunde des § 12 Abs 3 VersVG geführten - Rechtsstreit allein die Frage Verfahrensgegenstand ist, ob der Versicherer dem Versicherungsnehmer Versicherungsschutz zu gewähren hat. Diese Frage aber ist von der Untersuchung des Problemkreises, ob der Versicherungsnehmer dem Dritten Schadenersatz schuldet, scharf zu trennen. Der Versicherungsnehmer hat einen Anspruch auf Gewährung von Haftpflichtversicherungsschutz bereits dann, wenn er von dem Dritten auf Schadenersatz in Anspruch genommen wird, gleichgültig, ob der Haftpflichtanspruch begründet ist oder nicht. Zum Wesen des Haftpflichtversicherungsschutzes gehört gerade auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche durch den Haftpflichtvesicherer. Es ist deshalb auch ständige Rechtsprechung, daß im Versicherungsschutzprozeß nicht geprüft werden darf, ob der Anspruch des geschädigten Dritten begründet ist oder nicht (Bruck-Möller, VVG 8 IV 90, Prölls-Martin, VersVG 23 855, SZ 44/53 u.a.). Das auf den Versicherungsvertrag gegründete Begehren des Versicherungsnehmers, berechtigte Ansprüche zu erfüllen, schließt schon entsprechend dem Wortlaut der Allgemeinen Bedingungen für die Haftpflichtversicherung auch die Abwehr unberechtigter Ansprüche in sich (Art. 5 I 4 a der AHVB; SZ 44/53; im gleichen Sinn Bruck-Möller aaO 64 f). Die Ansicht, die Klage sei geradezu unzulässig, weil der Kläger das Vorliegen von grober Fahrlässigkeit verneine, ist aus diesem Grund verfehlt.

Der Vorwurf der Beklagten, das Berufungsgericht gehe in rechtsirriger Weise davon aus, daß die Begriffe 'Bauherr' und 'Bauunternehmer' einander ausschließen, ist unberechtigt. Eine derartige Ansicht wird im angefochtenen Urteil nicht vertreten und kann auch nicht der darin angeführten Bestimmung des § 156 Abs 3 GewO entnommen werden. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Kläger sei nicht Bauunternehmer gewesen, weil er auf eigenem Grund und Boden Bauten nur für den Eigenbedarf und nicht, um sie weiter zu veräußern, ausführen ließ, sodaß die vorliegende Bauführung gemäß Z 10 Punkt 1 lit a EHVB bis zu einer Kostengrenze von 40.000 S von der Versicherung umfaßt sei, ist durchaus zutreffend. Die vom Berufungsgericht angeführte Bestimmung der Gewerbeordnung kann zwar nicht nach ihrem Wortlaut zur Auslegung der Begriffe 'Bauherr' und 'Bauunternehmer' herangezogen werden.

Bei der Abgrenzung dieser beiden Begriffe kommt es jedoch darauf an, ob der den Bau Ausführende als Unternehmer eine auf Gewinn gerichtete Tätigkeit entfaltet oder, wenngleich selbst Baumeister, für den privaten Bereich i.S.

eines Bauherrn tätig wird (vgl. auch die Entscheidung VwGHSlg. 3985 A, die ausdrücklich ausführt, daß zur Tätigkeit des Bauunternehmers nicht nur die Herstellung von Bauten, sondern auch ihre Weiterveräußerung gehört).

Die Ansichten darüber, ob Versicherungsbedingungen nach den §§ 914, 915 ABGB oder nach den §§ 6, 7 ABGB auszulegen sind, sind nicht einheitlich (für den in der Revision vertretenen Standpunkt, die Auslegung habe nach den §§ 6, 7 ABGB zu erfolgen, SZ 43/54 u.a.; gegenteilig etwa Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 6, und Ertl, ÖRZ 1973, 119; die Frage offenlassend in letzter Zeit etwa 7 Ob 21/84). Eine Stellungnahme zu dieser Frage ist im vorliegenden Verfahren entbehrlich: Die Meinung des Berufungsgerichtes, die Auslegung des Textes von Z 10 Punkt 1 lit a der EHVB ergebe, daß unter den vom Versicherungsnehmer aufzuwendenden Kosten die tatsächlichen Eigenkosten, nicht aber fiktive ortsübliche Kosten zu verstehen seien, ist zutreffend und wird in der Revision auch gar nicht in Zweifel gezogen. Es bedarf daher hiezu nicht der Auslegungsregel des § 915, zweiter Halbsatz, ABGB.

Es ergibt sich auch aus den getroffenen Feststellungen, daß der Kläger als Dienstgeber in die Arbeitsvorgänge eingegriffen hat: Es bedurfte deshalb keiner ausdrücklichen Feststellung dieses Inhalts. Wenn die Beklagte rügt, das Berufungsgericht habe entgegen § 268 ZPO aus dem Urteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 28.Juni 1982, 27 Bs 225/82-33, als des Berufungsgerichtes in der Strafsache gegen den KLäger nicht auch festgestellt, der Kläger habe ein spezifisches Erfahrungswissen über die Pölzung von Künetten besessen, und aus einer solchen Feststellung den Schluß zu ziehen versucht, dem Kläger sei die Pölzungsvorschrift bekannt gewesen, wenn er auch die Bauarbeiterschutzverordnung nicht habe zitieren können, sodaß er im Bewußtsein der Rechtswidrigkeit und demnach mit dolus eventualis gehandelt habe und deshalb der Haftungsausschluß nach Z 3 Punkt 5 der EHVB 1963 Art. 5 III 1 a der AHVB gegeben sei, ist dies nicht gerechtfertigt. Der Kläger wurde im Strafverfahren schuldig erkannt, fahrlässig den Tod des Marijan D dadurch herbeigeführt zu haben, daß er trotz Verlassens der Baustelle durch den Baumeister Ing. Franz E und den Polier Franz A Grabungsarbeiten an einer Künette fortsetzen ließ, sowie durch Unterlassen einer ordnungsgemäßen Abpölzung dieser Künette und dadurch, daß er für den 10.September 1981 für diese Bauarbeiten keinen an der Baustelle anwesenden sachkundigen Anordnungsbefugten bestellte, wodurch am 10.September 1981 eine Künettenwand einstürzte und D verschüttet wurde. Der Spruch dieses Urteils enthält dagegen ebenso wie die Begründung der strafgerichtlichen Entscheidung nichts darüber, daß der Kläger auch schuldig sei, Bauvorschriften bewußt zuwidergehandelt zu haben. Bezüglich der Bindung i.S. des § 268 ZPO aber ist nicht zwischen den im Spruch und in den Gründen erwähnten Tatsachen, sondern zwischen den den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen und den reinen Hilfs- oder Illustrationstatsachen zu unterscheiden. Nur die den Schuldspruch notwendigerweise begründenden Tatsachen dürfen im zivilgerichtlichen Verfahren nicht neuerlich überprüft werden (Fasching III 256, 6 Ob 107/70). Das in den Gründen der Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien als des Berufungsgerichtes in der Strafsache gegen den Kläger erwähnte Erfahrungswissen des Klägers über Pölzen ist keine den Schuldspruch notwendigerweise begründende Tatsache, sondern nur eine Hilfstatsache i.S. der genannten Rechtsauffassung. Der Versuch der Beklagten, durch Feststellung eines derartigen Erfahrungswissens des Klägers zu einem Haftungsausschluß nach Z 3 Punkt 5 der EHVB 1963 zu gelangen, stellt daher in Wahrheit eine - unzulässige - Bekämpfung der Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes dar. Bemerkt sei im übrigen, daß ein Erfahrungswissen über Pölzen einer Kenntnis von Pölzungsvorschriften keineswegs gleichgestellt werden kann. Da ausdrücklich festgestellt wurde, der Kläger habe baubehördliche Vorschriften über die Vornahme von Pölzungen nicht gekannt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß er diesen Vorschriften bewußt zuwidergehandelt und die schädlichen Folgen einer unterlassenen Pölzung vorhergesehen, diese jedoch in Kauf genommen habe. Gerade die Anordnung des Klägers an seine Dienstnehmer, sie sollten pölzen, wenn dies erforderlich sei, weist mit Rücksicht auf die zum Zeitpunkt der Anordnung bereits gegebene Künettentiefe von 2,5 bis 2,7 m deutlich darauf hin, daß dem Kläger nicht bekannt war, daß bei einer derartigen Tiefe eine Pölzung zwingend vorgeschrieben ist, und er andere Kriterien für die Notwendigkeit einer Pölzung als wesentlich angesehen hat.

Der vorliegende Sachverhalt kann mit jenem der in der Revision zitierten Entscheidung 7 Ob 21/77 nicht verglichen werden, da in jenem Verfahren von einem Wissen des veantwortlichen Geschäftsführers um die Bestimmungen der Bauarbeiterschutzverordnung ausgegangen wurde.

Mit Recht hat deshalb das Berufungsgericht dem Klagebegehren mit der von ihm vorgenommenen Modifizierung voll stattgegeben, sodaß der Revision ein Erfolg versagt bleiben mußte.

Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05794

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00014.85.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19850509_OGH0002_0070OB00014_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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