TE OGH 1985/5/9 12Os60/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.05.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 9.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz A und Helmut Georg P*** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 127 Abs. 1

und Abs. 2 Z. 1 (128 Abs. 1 Z. 4), 129 Z. 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Helmut Georg B gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 27.Februar 1985, GZ. 7 Vr 1181/84-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (betreffend Franz A) unberührt bleibt, im Schuldspruch (Urteilsfaktum II 2) und im Strafausspruch betreffend Helmut Georg B aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Helmut Georg B des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1, Abs. 2 Z. 1, 129 Z. 1 StGB

schuldig erkannt, weil er am 14.Oktober 1984 gemeinsam mit dem Angeklagten Franz A in Gattendorf zwei Flaschen Barack unbekannten Wertes der Elfriede C durch Einbruch und Einsteigen gestohlen hat (Urteilsfaktum II 2). Der Mitangeklagte Franz A wurde wegen dieses Einbruchsdiebstahls, eines weiteren in Gesellschaft begangenen Einbruchsdiebstahls und eines allein begangenen Diebstahls des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128

Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1 StGB schuldig gesprochen und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Das Urteil ist hinsichtlich A in Rechtskraft erwachsen.

Der Angeklagte B bekämpft den ihn betreffenden Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 1 a, Z. 4 und Z. 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, den Strafausspruch mit Berufung. Mit den beiden erstgenannten Nichtigkeitsgründen rügt der Beschwerdeführer zunächst, daß durch die Ablehnung seines Antrages, seinen Verteidiger wegen Interessenkollision seines Amtes zu entheben, Verfahrensgrundsätze verletzt worden seien. Auf Grund des Beschlusses des Landesgerichtes Eisenstadt vom 11. Februar 1985 wurde Rechtsanwalt Dr. Michael D gemäß § 41 Abs. 2 StPO zum Verteidiger beider Angeklagten bestellt (S. 95). Der Zweitangeklagte B bestritt den Einbruchsdiebstahl und behauptete, vom Erstangeklagten zu Unrecht beschuldigt worden zu sein. Franz A hingegen, der zu allen Anklagepunkten ein volles Geständnis abgelegt hat, belastete sowohl im Vorverfahren als auch in der Hauptverhandlung den Mitangeklagten B. über Antrag des Verteidigers, der in der Hauptverhandlung am 27.Februar 1985 Interessenkollision geltend gemacht hatte (S. 101), erkannte das Schöffengericht, daß keine 'beachtliche Kollision' vorliege, mit der Begründung, daß die Angaben des Angeklagten B dem Angeklagten A, der ein rückhaltsloses Geständnis abgelegt hat, keinesfalls schaden konnten.

Der Verteidiger konnte jedoch auch B nach Ansicht des Schöffengerichtes rückhaltslos verteidigen, weil A ohnehin ein Geständnis abgelegt hat (S. 101, 115).

Rechtliche Beurteilung

Zwar liegt der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 1 a StPO nicht vor, weil der Angeklagte B während der ganzen Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertreten war. Durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung sinngemäß gestellten Antrages des Angeklagten B, den Verteidiger wegen Interessenkollision zu entheben, wurden jedoch Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist. Gemäß § 43 StPO kann zwar mehreren gleichzeitig Angeklagten ein gemeinsamer Verteidiger beigegeben werden, jedoch ist für eine abgesonderte Verteidigung Sorge zu tragen, wenn sich ein Widerstreit der Interessen zeigt.

Im vorliegenden Fall lag eine solche Interessenkollision vor. Denn der Angeklagte B wurde ausschließlich durch den Mitangeklagten A des Diebstahls bezichtigt. Die im Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung in diesem Zusammenhang herangezogenen Aussagen der Zeugen Inspektor Johann E und Elfriede C und 'logische Gründe', waren keineswegs geeignet, einen Schuldbeweis zu erbringen, sondern nur ausreichend, die Glaubwürdigkeit des Geständnisses des Angeklagten A zu untermauern. Das Interesse des Angeklagten A, sein Geständnis als glaubwürdig erscheinen zu lassen und dadurch den Vorwurf der Verleumdung abzuwenden und sich den Milderungsgrund des Geständnisses zu sichern, stand im diamentralen Gegensatz zum Versuch des die Tat leugnenden Angeklagten B, die Darstellung des Erstangeklagten zu erschüttern. Es lag somit für den Verteidiger beider Angeklagten ein klassischer Fall widerstreitender Interessen vor. Das angefochtene Zwischenerkenntnis, mit welchem dem Standpunkt der Verteidigung, wegen der bestehenden Interessenkollision an der Verteidigung beider Angeklagten gehindert zu sein, nicht gefolgt wurde, verletzt den Grundsatz des Strafverfahrens auf das Recht des Angeklagten im Falle notwendiger Verteidigung durch einen Verteidiger vertreten zu werden, der an der Ausübung seiner Aufgabe nicht durch die Verpflichtung, die Interessen anderer Angeklagten zu wahren, behindert ist (Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO, vgl. SSt. 37/2, 40/35, EvBl. 1973/291).

Ohne daß auf die weiteren geltend gemachten Nichtigkeitsgründe eingegangen werden mußte, war somit der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten B bereits in einer nichtöffentlichen Beratung gemäß § 285 e StPO sofort Folge zu geben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten B und im diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Anmerkung

E05543

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00060.85.0509.000

Dokumentnummer

JJT_19850509_OGH0002_0120OS00060_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten