Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna sowie die Beisitzer Dr. Schaffelhofer und Dr. Neuwirth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans A, Orchestermusiker, Graz, Lindenhofweg 22, vertreten durch Dr. Guido Held und Dr. Heimo Hofstätter, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagten Parteien 1) B C, und 2) STADT D, beide vertreten durch Dr. Thomas E, Verwaltungsdirektor, Graz, Kaiser Josef-Platz 10, dieser vertreten durch Dr. Robert A. Kronegger und Dr. Rudolf Lemesch, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung (Gebührenstreitwert S 2.000, RAT-Streitwert S 3.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 8. Jänner 1985, GZ 2 Cg 43/84-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 16. April 1984, GZ 2 Cr 24/84-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.661,08
bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 151 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes seines Arbeitsverhältnisses mit der Begründung, die beklagte Partei, sein Arbeitgeber, habe das Arbeitsverhältnis zum 31. August 1983 ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrates und somit rechtsunwirksam gekündigt.
Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung und behauptete, den Betriebsrat rechtzeitig von der Kündigungsabsicht verständigt zu haben.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, die beklagte Partei habe den Betriebsrat mit Schreiben vom 2. Dezember 1982 über ihre Absicht, den Beklagten zu kündigen, verständigt. Da die Kündigung mit Schreiben vom 28. Dezember 1982 ausgesprochen worden sei, habe die beklagte Partei die Bestimmung des § 105 Abs 1 und 2 ArbVG eingehalten, so daß die Kündigung rechtswirksam sei.
Im Berufungsverfahren hat der Kläger neu vorgebracht, die Kündigung sei deshalb rechtsunwirksam, weil in der Orchesterordnung, die ein Bestandteil des auf die Prozeßparteien anzuwendenden Kollektivvertrages über das Dienstverhältnis der Angehörigen des Grazer Philharmonischen Orchesters sei, die Vornahme einer Kündigung von der Durchführung eines Disziplinarverfahrens und von einem auf die Stellung eines Antrages auf Kündigung lautenden Disziplinarerkenntnis abhängig gemacht sei. Ein solches Erkenntnis sei jedoch nicht ergangen. Die Kündigung sei außerdem deshalb rechtsunwirksam, weil die beklagte Partei dem Kläger im Dienstvertrag vom 1. September 1966 bis 1. September 1974 zurückgelegte Vordienstzeiten angerechnet habe. Daraus folge, daß der Kläger planmäßiges Orchestermitglied im Sinne des § 8 Abs 2 lit a KV sei. Ein solches Mitglied könne aber (ebenfalls) nur nach Durchführung eines Disziplinarverfahrens rechtswirksam gekündigt werden.
Die beklagte Partei bestritt dieses Vorbringen und wies auf das Erfordernis einer 'ununterbrochenen und tatsächlichen' Angehörigkeit zum Orchester für die Erlangung der Stellung eines planmäßigen Orchestermitgliedes hin.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 30.000 übersteigt. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:
Die Parteien schlossen am 20. Dezember 1978 für die Zeit ab 1. Jänner 1979
einen dem oben genannten Kollektivvertrag unterliegenden Orchesterdienstvertrag. Nach dem wesentlichen Inhalt dieses Vertrages wurde der Kläger als Orchesterangehöriger nach dem § 8 Abs 2 lit c KV eingestuft. Gemäß dem § 11 KV wurde die Zeit vom 1. September 1966 bis 1. September 1974, sohin 8 Jahre, welche der Kläger als Angehöriger des Grazer Philharmonischen Orchesters zurückgelegt hatte, auf seine Dienstzeit angerechnet. Ein Disziplinarverfahren im Sinne der Orchesterordnung fand gegen den Kläger nicht statt. Mit Schreiben vom 12. November 1982 wurde der Kläger davon verständigt, daß die Disziplinarkommission am 19. November 1982 zusammentreten werde; er werde gebeten, zu diesem Termin in der Intendanz zu erscheinen.
Mit Schreiben vom 19. November 1982 teilte der Intendant dem Kläger mit, er habe ihm während des Disziplinarverfahrens am 19. November 1982 für den Fall eines neuerlichen schuldhaften Verhaltens unmißverständlich Konsequenzen angedroht; sollte der Kläger 'mit der vorgegebenen Dienstauffassung in Konflikt' geraten, müßte er 'mit der Nichtverlängerung seines Vertrages zum nächstmöglichen Kündigungstermin rechnen'.
Der Kläger blieb am 28. November 1982 seinem Dienst (Spielverpflichtung bei einer Opernaufführung) fern und meldete sich erst am 1. Dezember 1982
wieder zurück. An diesem Tag teilte der Intendant dem Betriebsratsobmann Josef F (mündlich) mit, daß der Dienstvertrag des Klägers mit Ende der laufenden Spielzeit nicht mehr verlängert werde und der Kläger keinen Anspruch auf Abfertigung habe. Der Betriebsratsobmann nahm diese Erklärung zur Kenntnis. Mit eingeschriebenem Brief vom 2. Dezember 1982, dem Kläger zugegangen am 6. Dezember 1982, teilte der Intendant dem Kläger unter Hinweis auf das Disziplinarverfahren vom 19. November 1982 und den Vorfall vom 28. November 1982 mit, daß er mit einer Verlängerung seines Vertrages über die Spielzeit 1982/83 hinaus nicht zu rechnen habe, und drohte für den Wiederholungsfall die Entlassung an. Der Betriebsratsobmann erhielt eine Ausfertigung dieses Schreibens entweder gleichzeitig mit dem Kläger oder einen Tag später. Er faßte dieses Schreiben nicht als Verständigung von der Absicht der beklagten Partei, den Kläger zu kündigen, auf und befaßte daher den Betriebsrat mit der Angelegenheit nicht.
Mit eingeschriebenem Brief vom 28. Dezember 1982, dem Kläger zugegangen am 3. Jänner 1983, teilte der Intendant dem Kläger unter Hinweis auf das oben erwähnte Schreiben vom 2. Dezember 1982 'fristgerecht' mit, daß er nicht beabsichtige, den Orchesterdienstvertrag des Klägers über die Spielzeit 1982/83 hinaus zu verlängern, so daß die gegenseitigen vertraglichen Bindungen mit 31. August 1983 enden.
Die beklagte Partei hat Orchestermusiker mit Vordienstzeiten nicht für eine Planstelle nach dem § 8 Abs 2 lit a KV aufgenommen. Auch solche Musiker gelten als 'Musiker während des ersten Dienstjahres' und rücken nach der tatsächlichen, ununterbrochenen Dienstzeit vor. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die beklagte Partei habe den Betriebsratsobmann am 1. Dezember 1981 von ihrer Absicht in Kenntnis gesetzt, den Dienstvertrag des Klägers mit Ende der laufenden Spielzeit nicht mehr zu verlängern. Dies sei eine Verständigung von einer beabsichtigten Kündigung im Sinne des § 105 Abs 1 ArbVG. Daß der Betriebsratsobmann den Betriebsrat in der rechtsirrigen Meinung, es handle sich nicht um eine Kündigung, nicht verständigt habe, sei rechtlich belanglos. Die mit Schreiben der beklagten Partei vom 2. Dezember 1984 erfolgte Kündigung des Klägers sei gemäß dem § 105 Abs 2 ArbVG rechtsunwirksam, weil sie vor Ablauf der fünftägigen Frist des § 105 Abs 1 ArbVG ausgesprochen worden sei. Hingegen sei die mit Schreiben der beklagten Partei vom 28. Dezember 1982 (neuerlich) ausgesprochene Kündigung des Klägers rechtswirksam, weil sie nach Ablauf der Fünftagefrist und in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der vorerwähnten Verständigung des Betriebsrates und der rechtsunwirksamen Kündigung erfolgt sei. Ein Disziplinarerkenntnis sei mangels einer entsprechenden kollektivvertraglichen Norm keine Voraussetzung für die Kündigung eines Orchesterangehörigen im Sinne des § 8 Abs 2 lit b KV. Da nur solche Orchesterangehörige planmäßige Mitglieder im Sinne des § 8 Abs 2
lit a KV seien, die auf eine sechsjährige ununterbrochene Dienstzeit im Grazer Philharmonischen Orchester zurückblicken können, der Kläger aber ungeachtet der eine ununterbrochene Dienstzeit nicht herbeiführenden Vordienstzeitenanrechnung diese Voraussetzung nicht erfülle, seien die für die Kündigung planmäßiger Mitglieder geltenden Vorschriften der Disziplinarordnung (§ 20 Abs 2 lit d) auf den Kläger nicht anwendbar.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nur aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Revisionswerber releviert in seinen Rechtsmittelausführungen ausschließlich die Frage der Auswirkung der Vordienstzeitenanrechnung auf seine Stellung als Orchesterangehöriger nach dem § 8 Abs 2 lit a KV und die sich aus einer solchen Stellung ergebende Rechtsunwirksamkeit der Kündigung sowie weiters die Frage der Voraussetzung eines Disziplinarerkenntnisses für die Zulässigkeit der Kündigung. Zur Vermeidung von Wiederholungen genügt es daher, auf die unbekämpft gebliebenen und zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts über die Gesetzmäßigkeit des der Kündigung des Klägers vorausgegangenen betrieblichen Vorverfahrens im Sinne des § 105 Abs 1 und 2 ArbVG hinzuweisen. Voraussetzung für die Rechtswirksamkeit der von der beklagten Partei ausgesprochenen Kündigung des Klägers zum 31. August 1973 ist daher nur noch einerseits die Richtigkeit der Einstufung des Klägers als Orchesterangehöriger im Sinne des § 8 Abs 2
lit b KV sowie anderseits, daß die Kündigung ein entsprechendes Disziplinarerkenntnis nicht voraussetzt.
Gemäß dem § 8 Abs 2 KV besteht das Grazer Philharmonische Orchester, soweit es für diesen Rechtsstreit von Bedeutung ist, aus planmäßigen Mitgliedern (lit a), ständig verpflichteten Musikern nach einer Dienstzeit von einem Jahr mit Anwartschaft auf eine Planstelle (lit b) und Musikern während des ersten Dienstjahres (lit c). Nur Musiker dieser drei Kategorien sind Orchesterangehörige im Sinne des KV.
Gemäß dem § 8 Abs 3 KV sind planmäßige Musiker (Abs 2 lit a) Orchesterangehörige nach sechsjähriger ununterbrochener Dienstzeit im Grazer Philharmonischen Orchester. Ihr Dienstverhältnis kann nur nach den Bestimmungen des § 39 KV gelöst werden. Die planmäßige Mitgliedschaft kann vom Dienstgeber auch vor Ablauf von sechs Jahren nach Anhörung des Betriebsrates zuerkannt werden.
Gemäß dem § 8 Abs 4 KV haben ständig verpflichtete Musiker nach einer Dienstzeit von einem Jahr im genannten Orchester (Abs 2 lit b) Anwartschaft auf eine Planstelle gemäß Abs 3. Ihr Dienstverhältnis kann nur nach den Bestimmungen des § 39 KV gelöst werden.
Gemäß dem § 8 Abs 5 KV gilt das Dienstverhältnis eines neueintretenden Orchesterangehörigen (Abs 2 lit c) als auf ein Jahr befristet. Diese Dienstverhältnisse gehen in eine ständige Verpflichtung im Sinne des Abs 2
lit b über, sofern der Dienstgeber nicht dem Orchesterangehörigen vor Ablauf von sechs Monaten mit eingeschriebenem Brief mitteilt, daß eine ständige Verpflichtung nicht beabsichtigt ist. Der Revisionswerber übersieht nun, daß seiner Annahme, er sei unter Bedachtnahme auf die Anrechnung einer Vordienstzeit von 8 Jahren ein planmäßiges Mitglied im Sinne des § 8 Abs 2 lit a KV, sodaß eine Kündigung für ihn nur unter den - unbestrittenermaßen nicht vorliegenden - Voraussetzungen des § 39 Abs 1 und Abs 2 lit a KV zulässig sei, die in der erstangeführten Bestimmung enthaltene Voraussetzung einer ununterbrochenen sechsjährigen Dienstzeit entgegensteht. Die Anrechnung einer Vordienstzeit kann, falls nicht die Parteien Abweichendes vereinbaren, eine ununterbrochene Dienstzeit nicht herbeiführen. Die vom Beklagten in den Mittelpunkt seiner diesbezüglichen Ausführungen gestellten überlegungen, ob sich die gegenständliche Vordienstzeitenanrechnung nur auf die für die Bezüge maßgebliche Dienstzeit, wie das Berufungsgericht angenommen hat, oder auch auf andere dienstzeitabhängige Ansprüche erstreckt, gehen am Wesentlichen vorbei.
Die Bestimmung des § 11 Abs 1 KV spricht wohl von der 'für die Erlangung von Rechten, die von der Dienstzeit abhängig sind, anrechenbaren Dienstzeit'.
Aus den weiteren Bestimmungen des § 11 KV über anrechenbare Dienstzeiten ergibt sich jedoch kein Hinweis darauf, daß anrechenbare Vordienstzeiten gemeinsam mit der tatsächlichen Dienstzeit zu einer 'ununterbrochenen Dienstzeit' im Sinne des § 8 Abs 3 KV führen. Die Darlegungen des Klägers, seine Auffassung sei auch deshalb richtig, weil im § 11 Abs 8 KV angeordnet sei, daß die Bestimmungen über die Anrechnung von Vordienstzeiten 'lediglich' auf die Bemessung der Abfertigung keine Anwendung finden, ist schon deshalb unrichtig, weil das Wort 'lediglich' oder ein sinnverwandtes Wort in dieser Bestimmung nicht enthalten ist. Daß die Anrechnungsbestimmungen auf die Bemessung der Abfertigung keine Anwendung finden, sagt aber darüber nichts aus, ob eine solche Anrechnung zu einer ununterbrochenen Dienstzeit führt. Da die Bestimmungen des Kollektivvertrages die Auffassung des Klägers, er sei infolge Anrechnung einer Vordienstzeit von acht Jahren planmäßiges Mitglied geworden, nicht rechtfertigen und eine Vereinbarung im Dienstvertrag im Sinne der Auffassung des Klägers ebenfalls nicht erfolgt ist - die Parteien haben im Gegenteil die Einstufung in § 8 Abs 2 lit c KV für das erste Dienstjahr vereinbart -, kommen ihm die die Zulässigkeit einer Kündigung für diese Kategorie von Mitgliedern einschränkenden Bestimmungen des § 39 Abs 1
und Abs 2 lit a nicht zugute. Die Kündigung ist daher unter diesem Gesichtspunkt nicht rechtsunwirksam.
Dem Kläger kann auch in seiner Auffassung nicht gefolgt werden, seine Kündigung setze ein entsprechendes Disziplinarerkenntnis selbst unter der Annahme voraus, daß er ein Orchesterangehöriger im Sinne des § 8 Abs 2
lit b KV sei. Er meint, in der Orchesterordnung sei für alle Gruppen von Orchesterangehörigen ein Disziplinarverfahren vorgesehen; im § 17 Abs 3 der Orchesterordnung sei lediglich das Recht auf vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses von der Disziplinarordnung ausgenommen. Aus dem Umkehrschluß ergebe sich, daß die - nicht vorzeitige - Kündigung unter die Disziplinarordnung falle, zumal die Bestimmungen über das Disziplinarverfahren für alle Gruppen von Orchesterangehörigen gelten.
Entscheidend ist also die Frage, ob die Kündigung eines Orchesterangehörigen im Sinne des § 8 Abs 2 lit b KV ausschließlich im Wege eines Disziplinarerkenntnisses zulässig ist. Nach dem § 20 der Orchesterordnung sind Disziplinarstrafen der schriftliche Verweis (Abs 2 lit a), die Geldstrafe (lit b), die Androhung des Antrages auf Kündigung oder Entlassung für den Fall eines neuerlichen Dienstvergehens (lit c) und schließlich der Antrag auf Kündigung oder Entlassung gemäß dem § 39 Abs 1
und 2 KV. Daß eine Kündigung oder Entlassung nur unter der Voraussetzung eines Disziplinarverfahrens vom Dienstgeber für die in Rede stehende Kategorie von Orchesterangehörigen ausgesprochen werden dürfe, kann diesen Bestimmungen des Kollektivvertrages (einschließlich der einen Bestandteil des Kollektivvertrages bildenden Orchesterordnung) nicht entnommen werden. Die Vorschrift des § 39 Abs 3 KV enthält Bestimmungen über die Kündigung eines Dienstverhältnisses von Orchesterangehörigen im Sinne des § 8 Abs 2 lit b, ohne irgend eine Einschränkung vorzusehen. Nach dem § 17 Abs 3 der Orchesterordnung wird der Dienstgeber durch die Bestimmungen dieser Ordnung 'nicht gehindert, von seinem Recht
Gebrauch zu machen, das Dienstverhältnis ........ bei Vorliegen
eines wichtigen Grundes .......... nach § 39 Abs 2
lit b KV vorzeitig aufzulösen'. Nach dieser Bestimmung endet das Dienstverhältnis durch dessen vorzeitige Auflösung nach den §§ 37 bis 40 SchauspG.
Fraglich ist daher nur, ob die Kündigung eines Orchesterangehörigen im Sinne des § 8 Abs 2 lit b KV überhaupt eine Disziplinarstrafe im Sinne des § 20 Abs 2 lit d der Orchesterordnung ist. Sie ist es nur dann, wenn ein Antrag auf Kündigung im Sinne des § 39 Abs 1 oder 2 KV vom Disziplinarausschuß (an den Dienstgeber) gestellt wird. Die Bestimmung des § 39 Abs 1 und jene des Abs 2 lit a (die lit b betrifft nur die vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses und scheidet daher im vorliegenden Zusammenhang aus den Betrachtungen aus), beziehen sich jedoch ausdrücklich und ausschließlich auf planmäßige Orchesterangehörige im Sinne des § 8 Abs 2 lit a KV. Sie kommen daher auf Orchesterangehörige nach dem § 8 Abs 2 lit b und somit auf den Kläger nicht zur Anwendung. Daraus folgt, daß die Kündigung eines Orchesterangehörigen der letztgenannten Kategorie keine Disziplinarstrafe ist und schon aus diesem Grund ein entsprechendes Disziplinarerkenntnis nicht voraussetzt.
Die Meinung des Klägers, die Bestimmung des § 20 Abs 2 lit d der Orchesterordnung sei ein 'Redaktionsversehen', weil nach dieser Bestimmung die Disziplinarverfahren nur in den von ihm in diesem Zusammenhang für bedeutungslos gehaltenen Kündigungsfällen des § 39 Abs 1 und Abs 2 lit a KV vorgesehen sei, entbehrt jedenfalls für die Gründe des Abs 1 lit a (dauernde Dienstunfähigkeit, weil die künstlerische Leistung dauernd unter ein für das Orchester tragbares Ausmaß gesunken ist) und lit b (Nichterfüllung der vertraglich zugesicherten Leistung und Verweigerung der Zustimmung zu einer Versetzung) jeder Berechtigung. Der Sinn der Bestimmungen über die Kündigung ist, wie sich aus den kollektivvertraglichen Normen insgesamt ergibt, darin zu erblicken, daß der Schutz vor Kündigungen für planmäßige Orchesterangehörige verstärkt werden soll (Kündigungsgründe, Disziplinarverfahren), wogegen Orchesterangehörige mit einer sechs Jahre nicht erreichenden Dienstzeit ohne Vorliegen bestimmter Gründe und ohne Disziplinarverfahren, wenn auch unter Bedachtnahme auf den allgemeinen Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 105 bis 107 ArbVG, nach dem § 39 Abs 3 KV ohne weitere Beschränkung gekündigt werden können.
Die Kündigung des Klägers ist somit, wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, rechtswirksam, so daß dem aus der Annahme einer rechtsunwirksamen Kündigung abgeleiteten Feststellungsbegehren die Berechtigung fehlt.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E05758European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00054.85.0514.000Dokumentnummer
JJT_19850514_OGH0002_0040OB00054_8500000_000