TE OGH 1985/5/14 10Os49/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch und Dr.Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Köhl als Schriftführer in der Strafsache gegen Jörg A wegen

des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 83 Abs 1, 86 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten Jörg A gegen das Urteil des Landesgerichtes für

Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.November 1983, GZ 7 Vr 4016/82-82, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch die Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jörg A (1.)

des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB und (2.) des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt, weil er in Graz (seine Ehegattin) Irene Adelheidis A (vorsätzlich) am

Körper verletzt hatte, und zwar

(zu 1.) am 28.November 1982 durch Faustschläge und Fußtritte gegen Gesicht und Körper sowie durch Zerren an der linken Ohrmuschel, wobei die Tat Blutunterlaufungen über dem Brustbein, in der Beckengegend, an den Beinen und hinter dem linken Ohr zur Folge hatte, sowie

(zu 2.) in der Nacht vom 1. zum 2.Dezember 1982 durch Faustschläge gegen Kopf und Oberkörper, wobei die Tat den Tod der Geschädigten zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 4 und 5 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt keine Berechtigung zu.

Die Verfahrensrüge (Z 4) betrifft ausschließlich die Feststellung der Kausalität seiner Tathandlungen beim Faktum 2. für den Tod seiner Gattin. Darin beschwert er sich einleitend über die Abweisung 'diverser' Beweisanträge, durch die er in seinen Verteidigungsrechten gröblichst verletzt worden sei; dies treffe 'insbesondere' auf den Beweisantrag vom 4.November 1983 und auf die in der Hauptverhandlung vom 16.November 1983 gestellten Beweisanträge zu; konkret releviert er im folgenden nur seine Anträge auf 'Beiziehung des Univ.Doz.Dr.DIRNHOFER', der zu genau bezeichneten Themen befragt werden sollte (S 375/II), sowie auf 'Beiziehung weiterer Gutachter' wegen der Schwierigkeit des Falles (S 376/II); abschließend jedoch erblickt er seine Beschwer in der Ablehnung 'sämtlicher' Beweisanträge.

Gegenstand einer sachbezogenen Erörterung im Rechtsmittelverfahren können nur Nichtigkeitsgründe sein, die vom Beschwerdeführer im einzelnen deutlich und bestimmt bezeichnet werden; dazu gehört vor allem die ausdrückliche oder doch durch deutliche Hinweisung vorzunehmende Erfassung derjenigen (tatsächlichen, prozessualen oder rechtlichen) Umstände, die den Nichtigkeitsgrund bilden sollen, widrigens auf die Beschwerde keine Rücksicht zu nehmen ist (§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO). Auf jene Ablehnung einer Beweisaufnahme, die mit der Verfahrensrüge nicht im besonderen bemängelt wird, war demnach nicht einzugehen; im Umfang der konkret bezeichneten Beschwer des Angeklagten aber sind dessen Beweisanträge mit Recht abgewiesen worden.

Das Schöffengericht hat, den Gutachten der Sachverständigen Univ.Prof.Dr.B und Univ.Prof.Dr.C folgend, als erwiesen angenommen, daß die Tätlichkeiten des Beschwerdeführers gegen seine Gattin in der Nacht vom 1. zum 2.Dezember 1982 bei dieser letzten Endes zu einem Hirnödem und solcherart durch feuchte Hirnschwellung und Hirnlähmung zum Tod geführt haben, wobei Sauerstoffmangelzustände die entscheidende Rolle spielten und der Eintritt des Todes durch einzelne bereits vorgelegene krankhafte Veränderungen erleichtert wurde, von ihnen allein aber nicht beigeführt worden wäre; insbesondere eine histologisch festgestellte Fetteinwucherung in die rechte Herzkammerwand schloß es als Todesursache ausdrücklich aus (US 9 und vso, 10 und vso, 12, 12 vso f., 13 vso f.); den Sauerstoffmangel, demzufolge es das verletzungsbedingte Fortschreiten der körperlichen Veränderungen am Tatopfer als (möglicherweise über mehrere Stunden hin) langsam ablaufenden Erstickungstod beurteilte, führte es auf ein makroskopisch konstatiertes Lungenödem zurück (US 10, 12, 13 und vso).

Die Sachverständigen waren davon ausgegangen, daß die - von ihm selbst geschilderten (vgl. S 300 f., 303 II) - (Faust-)Schläge des Angeklagten auf seine in gebückter Deckungshaltung vor ihm gesessene Gattin sowie seine folgenden weiteren Schläge auf ihren Rücken zu einer Reihe von Blutunterlaufungen vor allem in ihrem Rücken- und Hinterhauptsbereich geführt und letztere den Beginn dieses Lungenödems ausgelöst hatten, welches sodann einen zunehmenden Sauerstoffmangel und damit eine in Form eines circulus vitiosus ihrerseits wieder die Zunahme der Atemlähmung fördernde, fortschreitende sowie letztlich auch die lebenswichtigen Hirnzentren im verlängerten Rückenmark erfassende, mit der definitiven Lähmung des Atemzentrums verbundene und für den Eintritt des Todes maßgebend gewesene Hirnschwellung bewirkt hatte (S 40 bis 44, 348, 351 f., 371, 373/II).

Mit seinem Antrag auf Beiziehung des - vom Sachverständigen Prof.Dr.B im Rahmen der Befundaufnahme (unter anderem) zur Durchführung histologischer Untersuchungen herangezogenen (S 26, 49 bis 57/II) - Doz.Dr.D zum Beweis dafür, daß die von ihm erstellten Diagnosen sich tatsächlich aus den Befunden ergeben und insbesondere aus den Gewebeschnitten hervorgehen, sowie zum Nachweis dessen, daß im Bereich der Lunge nur ganz vereinzelt Gewebeschnitte vorgenommen wurden und demzufolge nicht ausgeschlossen werden könne, daß (bloß) ein einen gerade noch ausreichenden Gasaustausch ermöglichendes Lungenödem (im Protokoll offensichtlich irrig: 'nicht') vorgelegen sei (S 375/II), hat der Beschwerdeführer die Kausalität des ihm als Verletzungsfolge angelasteten Lungenödems für die letztlich letal verlaufene Hirnlähmung in Frage zu stellen versucht.

Die relevierten Diagnosen sind aber von den Sachverständigen, mögen sie auch bei der histologischen Befundaufnahme nicht zugegen gewesen sein, in ihrer Richtigkeit gar nicht bezweifelt, sondern ganz im Gegenteil in ihrer (die Richtigkeit voraussetzenden) Relevanz eingehend erörtert worden; dies jedoch mit dem Ergebnis, daß zwar der histologische Befund des Lungengewebes für sich allein tatsächlich gar nicht für ein Lungenödem spreche, ein solches aber schon durch die makroskopisch festgestellte (S 18/I) massenhafte Durchsetzung der Lungenschnittflächen mit weißlichem, feinflüssigem Schaum erwiesen sei (vgl. S 27, 351, 358, 369 f., 371, 374, 438/II). Aus der im histologischen Untersuchungsbefund enthaltenen bloß vereinzelten Konstatierung von 'etwas' Ödemflüssigkeit in den Alveolarräumen (S 51/II) wäre daher für den Angeklagten mit Rücksicht auf die makroskopischen Befunde gegen die daraus abgeleitete Annahme einer nur unzureichenden Sauerstoffversorgung der Hirnzentren selbst dann nichts zu gewinnen gewesen, wenn die betreffende histologische Lungenuntersuchung im Sinn seines Beweisantrags - wofür im übrigen keinerlei Anhaltspunkt vorliegt - etwa zu wenig genau durchgeführt worden wäre. Daran vermag auch das (in den Gutachten ohnehin berücksichtigte und aufgeklärte: S 16, 24/I, 350, 356 f., 366, 368/II) Fehlen eines 'klassischen' Hirnödem-Befundes nichts zu ändern. Soweit aber der Beschwerdeführer mit Bezug auf das (seiner Meinung nach äußerst geringe) Gewicht des makroskopisch festgestellten Schaums und auf die geringe Menge der histologisch konstatierten Ödemflüssigkeit der Sache nach gegen die Richtigkeit des vom Sachverständigen Prof.Dr.B erhobenen makroskopischen Lungenbefundes sowie gegen die Stichhältigkeit der daraus gezogenen Schlußfolgerungen argumentiert, ficht er nur im Verfahren über Nichtigkeitsbeschwerden unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Erstgerichts an, welches auch in jenem Belang ausdrücklich (US 13 und vso) der darauf bezogenen Stellungnahme der Sachverständigen (S 369 f., 371, 374) folgte.

Der andere Antrag des Angeklagten hinwieder, wegen der Schwierigkeit des Falles weitere Gutachter beizuziehen, ging schon deswegen fehl, weil in der Prozeßordnung (§ 118 Abs 2 StPO) für einen solchen Fall lediglich die Beiziehung zweier Sachverständiger vorgesehen ist, die hier nach der ursprünglichen Auftragserteilung an den Sachverständigen Prof.Dr.B (S 1/I) durch die zusätzliche Bestellung des Sachverständigen Prof.Dr.C (S 3a, 3c/I) ohnehin vorgenommen wurde.

Der dazu erhobene Beschwerdeeinwand, daß im vorliegenden Fall nur ein (gemeinsames) Gutachten erstattet worden sei, ist - von der gesonderten Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung (S 348 ff., 371 ff./II) ganz abgesehen - schon deswegen nicht zielführend, weil es im gegebenen Zusammenhang bloß darauf ankommt, daß zwei Sachverständige tätig werden, wobei es nicht von Belang ist, ob sie ihre Gutachten, falls sie übereinstimmen, gesondert oder in einem gemeinsam verfaßten Elaborat erstatten.

Die weitere Auffassung des Beschwerdeführers aber, daß mit den Gutachten der im vorliegenden Verfahren beigezogenen beiden Universitätsprofessoren deshalb, weil sie an derselben Fakultät lehren und 'von einander nicht unabhängig' seien, in Wahrheit nur die Meinung eines einzigen Sachverständigen wiedergegeben werde, kann kaum noch anders denn als unsachliche Polemik verstanden werden; dazu genügt es, auf ihre eigenständige Verantwortung als gerichtlich beeidete Sachverständige hinzuweisen.

Jenes gesamte weitwendige Beschwerdevorbringen, mit dem der Angeklagte eine besondere - unstrittige und wie dargelegt ohnehin prozeßordnungsgemäß berücksichtigte - Schwierigkeit der Begutachtung darzutun sucht, geht folglich ins Leere. Die (im gegebenen Zusammenhang mehrfach urgierte) zusätzliche Beiziehung speziell eines Kardiologen jedoch hat er in erster Instanz nicht beantragt, sodaß er insoweit zur Beschwerde gar nicht legitimiert ist. Mängel der Befundaufnahme (§ 125 StPO) hinwieder, wie sie der Beschwerdeführer nunmehr ins Treffen führt, hat er zur Begründung des in Rede stehenden Antrags nicht geltend gemacht; unter diesem Aspekt kann er daher in seinen Verteidigungsrechten keinesfalls verletzt worden sein.

Bedenken gegen die Gutachten (§ 126 StPO) der Sachverständigen Prof.Dr.B und Prof.Dr.C schließlich, die der Angeklagte in seinem (in der Hauptverhandlung wiederholten - S 375/II) Beweisantrag vom 4.November 1983 (ON 79) gegen die Annahme eines Hirnödems sowie eines diesem kausal vorausgegangenen Lungenödems als Ursache für den Tod seiner Gattin geäußert hat, wurden vom Schöffengericht - teils im Ergebnis (US 7 vso, 9) und teils, wie schon oben erwähnt, sogar ausdrücklich (US 13 und vso) - als durch die darauf bezogenen Stellungnahmen der genannten Sachverständigen (S 365 f. iVm 437 f., 368, 369 f. iVm 438, 371, 373 f./II) beseitigt angesehen; auch unter jenem Gesichtspunkt vermag der Beschwerdeführer - abgesehen davon, daß er mit diesen Bedenken primär nur den Antrag auf Ladung des Münchener Univ.Prof.Dr.E als weiteren Sachverständigen begründet hat, den er mit der Verfahrensrüge gar nicht weiter verfolgt - die Erforderlichkeit der Beiziehung zusätzlicher Sachverständiger nicht aufzuzeigen. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, daß nach der vom Obersten Gerichtshof mit dem Beschluß vom 6.November 1984, GZ 10 Os 107/84-9, veranlaßten ergänzenden gutächtlichen Stellungnahme der Sachverständigen Univ.Prof.Dr.B und Univ.Prof.Dr.C

(ON 99) aufgetretene Bedenken gegen die Richtigkeit der dem erstgerichtlichen Urteil zugrunde gelegten Tatsachen beseitigt wurden (§ 362 Abs 1 StPO).

Verfehlt ist im hier aktuellen Zusammenhang die Auffassung des Angeklagten, ein von Univ.Prof.Dr.E und dem weiteren Münchener Univ.Prof.Dr.F für ihn erstelltes Privat-Gutachten, welches er seiner Fragestellung an die im vorliegenden Verfahren beigezogenen Sachverständigen in der Hauptverhandlung sowie auf Ladung des Prof.Dr.E zugrunde gelegt hatte (vgl. ÖJZ-LSK 1979/369), sei durch dessen übermittlung an die Sachverständigen zur Stellungnahme ein hier zu berücksichtigendes Beweismittel geworden. Denn Aktenstücke können nach § 258 Abs 1 StPO nur insoweit als Beweismittel dienen, als sie - was im gegebenen Fall mit Recht nicht veranlaßt wurde - bei der Hauptverhandlung vorgelesen worden sind; die übergabe eines Privat-Gutachtens an den gerichtlichen Sachverständigen zur Stellungnahme allein kommt einer derartigen Verlesung keineswegs gleich. Demgemäß kann aber auch vom Vorliegen widersprechender Gutachten, die zur Beiziehung weiterer Sachverständiger oder zur Einholung eines Fakultätsgutachtens (§ 126 Abs 1 und Abs 2 StPO) hätte Anlaß geben können, keine Rede sein.

Ebensowenig zielführend ist die Mängelrüge (Z 5).

Der Gesundheitszustand des Tatopfers zur Zeit der inkriminierten Tätlichkeiten des Angeklagten beim Faktum 2. ist weder für die bisher erörterte Kausalitätsfeststellung noch sonst für die Entscheidung in der Schuldfrage oder für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Belang; gleiches gilt auch für die mit dieser Rüge weiters relevierten Fragen, ob der Beschwerdeführer seiner Gattin beim Faktum 1. neben Faustschlägen auch Fußtritte versetzt und ob er nachher bemerkt hat, daß sie von einem Ohr blutete, sowie ferner, ob sie - womit er im übrigen lediglich auf einen (im Original ohnehin korrigierten) Schreibfehler Bezug nimmt - nach ihrem Tod (Faktum 2.) im Halsbereich Würgespuren aufwies oder nicht.

Alle darauf bezogenen Einwände gehen dementsprechend schon deshalb fehl, weil sie keine im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes entscheidenden Tatsachen betreffen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher nach Anhörung der Generalprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 und Z 1 iVm § 285 a Z 2 StPO). über die Berufung dagegen wird gesondert bei einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung zu entscheiden sein (§ 296 Abs 3 StPO).

Anmerkung

E06594

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00049.85.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19850514_OGH0002_0100OS00049_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten