TE OGH 1985/5/14 4Ob329/85

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Veröffentlicht am 14.05.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurzinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl, Dr.Resch, Dr.Kuderna und Dr.Gamerith als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B C D, Schwarzenbergplatz 14, 1040 Wien, vertreten durch Dr.Walter Prunbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei E & F Kaufhaus AG, Handel mit Waren aller Art, Bahnhofweg 6, 8940 Liezen, vertreten durch Dr.Gottfried Eisenberger und Dr.Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 220.000), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 16.Jänner 1985, GZ 4 R 6/85-25, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 25.Oktober 1984, GZ 5 Cg 84/84- 20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird mit der Maßgabe bestätigt, daß es zu lauten hat:

'I. Die beklagte Partei ist schuldig, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, vier Wochen vor dem am jeweiligen Wohnorte (Sitz) des beworbenen Interessenten geltenden Saisonschlußverkaufstermin, der von der betreffenden Kammer der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 5 Abs1 AusvG festgesetzt wurde, durch Versendung von Sonderkatalogen Preisverbilligungen und/oder Preisgegenüberstellungen für die von den maßgeblichen Verordnungen der zuständigen Kammer der gewerblichen Wirtschaft betroffenen Warengruppen bekanntzumachen oder mitzuteilen.

II. Der klagenden Partei wird die Ermächtigung erteilt den stattgebenden Teil des Urteilsspruches binnen drei Monaten nach Rechtskraft auf Kosten der beklagten Partei in Samstagsausgaben der Zeitungen 'Kleine Zeitung', 'Kronen-Zeitung' und 'Kurier' im Textteil in Normallettern mit Fettdruckumrandung, Fettdrucküberschrift und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien veröffentlichen zu lassen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.812,05 bestimmten Prozeßkosten (davon S 626,55 USt. und S 1.920,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei betreibt den Versandhandel mit Waren aller Art, insbesondere Schuhen und Textilien. Sie ließ Anfang Jänner 1984 in Österreich durch Postwurfsendung einen Prospekt verteilen, in dem unter der überschrift 'SONDERPREISE Jänner '84' unter anderem auch Textilien und Schuhe unter Hinweis auf die bisher gültigen rot durchgekreuzten Verkaufspreise 'solange der Vorrat reicht' verbilligt angeboten wurden.

Die beklagte Partei betreibt ferner in G AN H I ein Kaufhaus. Sie warb für dieses Kaufhaus in der 'Kleinen Zeitung' vom 10.1.1984 unter dem Schlagwort 'Wer da nicht zugreift...' mit einem Inserat, in dem zwei Damenschuhe unter Hinweis auf die früheren durchgestrichenen Verkaufspreise verbilligt angeboten wurden. Die örtlich zuständigen Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft setzten für das Jahr 1984 gemäß § 5 Abs1 AusvV (jetzt: AusvG) für die Ankündigung von Winterräumungsverkäufen nachstehende Termine fest:

   Wien:        Winterräumungsverkäufe            aller Waren

21.1.-11.2.

           Pelze                           5.3.-14.4.

Burgenland:  Winterräumungsverkäufe            aller Waren

21.1.-11.2.

Kärnten:     Textil- und Schuhhandel        21.1.-11.2.

Niederösterreich:  Textil- und Schuhhandel        21.1.-11.2.

           Pelze                           5.3.-14.4.

Oberösterreich:       Textilhandel                   21.1.-4.2.

           Schuhhandel                    21.1.-11.2.

           Weiße Woche                    25.2.-10.3.

Salzburg:    Textil- und Schuhhandel        21.1.-4.2.

           Weiße Woche                    18.2.-3.3.

Steiermark:  Textilhandel                   21.1.-4.2.

           Schuhhandel                    21.1.-11.2.

           Weiße Woche                     4.2.-11.2.

Tirol:    I. Textilhandel:

           1. Bundesland Tirol mit Aus-

              nahme der nachstehend ge-

              nannten Wintersportorte     21.1.-11.2.

           2. Wintersportorte Seefeld,               Leutasch,

Steinach a.Br.,               Reit i.A., Lanersbach,

Kitzbühel, Kirchberg,               Fieberbrunn, Ellmau, Söll,

Scheffau, St.Anton a.A.,               Galtür, Ischgl, Nauders,

Serfaus und Sölden          25.2.-17.3.

       II. Schuhhandel:

           1. Bundesland Tirol mit Aus-

              nahme der nachstehend ge-

              nannten Wintersportorte     21.1.-11.2.

           2. Wintersportorte Seefeld,               Leutasch, Reith

b. Seefeld               Steinach a.Br., Lanersbach,

Ellmau, Söll, Scheffau      19.2.-10.3.

           3. Wintersportorte               St.Anton a.A., Galtür,

Ischgl, Nauders, Serfaus,               und Sölden

25.2.-17.3.

      III. Handel mit Sportgeräten:       25.2.-17.3.

Vorarlberg:  keine Termine festgesetzt.

Der klagende Schutzverband (§ 14 UWG) behauptet, die beklagte Partei habe durch die beschriebenen Ankündigungen gegen § 5 Abs3 AusvG verstoßen, der Bekanntmachungen oder Mitteilungen über Verkaufsveranstaltungen, die im Hinblick auf besondere Preisherabsetzungen und Preisgegenüberstellungen Saisonschlußverkäufe vorwegnehmen, für einen Zeitraum von vier Wochen vor dem für Saisonschlußverkäufe festgesetzten Zeitraum verbiete.

Die klagende Partei begehrte zuletzt, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, es im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, in Vorwegnahme des von den örtlich zuständigen Kammern der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 5 Abs1 AusvV festgesetzten Saisonschlußverkaufszeitraumes vier Wochen vor der festgesetzten Saisonschlußverkaufsfrist Sonderaktionen, Preisverbilligungen und/oder Preisgegenüberstellungen und dergleichen bekanntzumachen oder mitzuteilen und sie zu ermächtigen, den Urteilsspruch in mehreren Zeitungen zu veröffentlichen.

Die beklagte Partei anerkannte das Klagebegehren, soweit es sich auf das ihr Kaufhaus in G AN H I betreffende Inserat gründete, beantragte aber im übrigen Abweisung des Klagebegehrens, weil die Ausverkaufsverordnung schon begrifflich auf den Postversand eines Unternehmens, der sich auf ganz Österreich erstrecke, keine Anwendung finde.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (einschließlich des Veröffentlichungsbegehrens) statt. Es erkannte die beklagte Partei schuldig, im geschäftlichen Verkehr es zu unterlassen, in Vorwegnahme des von den örtlich zuständigen Kammern der gewerblichen Wirtschaft gemäß § 5 Abs1 AusvV festgesetzten Saisonschlußverkaufstermins vier Wochen vor der festgesetzten Saisonschlußverkaufsfrist Sonderaktionen, Preisverbilligungen und/oder Preisgegenüberstellungen und dergleichen für die vom jeweiligen Saisonschlußverkauf betroffenen Warengruppen in dem jeweiligen Bundesland bekanntzumachen oder mitzuteilen. Das durch die Novelle zur Ausverkaufsverordnung, BGBl.1982/642 eingeführte Verbot, während eines Zeitraumes von vier Wochen vor den von den örtlich zuständigen Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft festgesetzten Saisonschlußverkaufszeiträumen, Verkaufsveranstaltungen anzukündigen, die Saisonschlußverkäufe vorwegnehmen, gelte auch für Geschäfte und Warenhäuser, die das ganze Jahr hindurch in Sonderaktionen Waren besonders günstig verkauften. Es finde auf Einzelhändler, die an Letztverbraucher über mehrere Bundesländer oder über ganz österreich verkauften, Anwendung. Unternehmen, die in Konkurrenz mit den örtlichen Detailhändlern träten, müßten sich an die für den jeweiligen örtlichen Bereich geltenden Regelungen halten, und damit auch unterschiedliche Regelungen in einzelnen Bundesländern beachten. Die besondere Unternehmensstruktur gehe zu Lasten des konkurrierenden Unternehmens.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und die Revision gemäß § 502 Abs4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß das Erstgericht bei Neufassung des Urteilsspruches nicht vom Wesen des gestellten Begehrens abgewichen sei. Der Versandhandel sei (nur) eine Betriebsform des Einzelhandels, bei der das Anbieten der Waren nicht in offenen Ladengeschäften (Schaufenstern), sondern schriftlich mittels Katalogen anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolge und die schriftlich bestellte Ware den Käufern im Versandweg zugestellt werde. Auch der Versandhandel wende sich an den Letztverbraucher. Auch über den Versandhandel könne ein Gewerbetreibender in den Kundenkreis seines Konkurrenten eindringen, der seine Waren in offenen Ladengeschäften anbiete. Da die Ausverkaufsverordnung eine der legislativen Maßnahmen zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sei, seien die dort enthaltenen Bestimmungen auch auf den Versandhandel anzuwenden. Die beklagte Partei habe durch das Anbieten verbilligter Waren unter Hinweis auf die früheren, nunmehr durchgestrichenen Preise beim durchschnittlichen Verbraucher den Eindruck der Vorwegnahme einer termingebundenen Verkaufsveranstaltung erweckt. Die beklagte Partei könne den bundesländerweise verschiedenen Regelungen über die Abhaltung von Saisonschlußverkäufen durch eine zeitversetzte Verteilung der Kataloge oder auch dadurch entsprechen, daß sie bundesländerweise zu verschiedenen Zeiten verschiedene Kataloge versenden. Diese Fragen seien damit für die Anwendbarkeit der Ausverkaufsverordnung auf den Versandhandel ohne Einfluß. Gegen die Verfassungsmäßigkeit der Ausverkaufsverordnung bestünden keine Bedenken.

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision der beklagten Partei, mit der sie begehrt, der Oberste Gerichtshof wolle das Klagebegehren, soweit es sich auf den 'Postversandkatalog' beziehe, abweisen, ist zulässig, aber nicht berechtigt. Da sich die angefochtene Entscheidung nicht nur auf den von der beklagten Partei anerkannten Verstoß gegen das Ausverkaufsgesetz bei der Ankündigung preisverbilligter Schuhe in ihrem Warenhaus in G AN H I, sondern auch auf den von der beklagten Partei bestrittenen Verstoß im Versandhandel bezieht, hängt die Entscheidung von der für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit und Rechtsentwicklung erheblichen Frage der Anwendbarkeit des Ausverkaufsgesetzes auf den (überregionalen) Versandhandel ab, die mit dem vorliegenden Rechtsmittel erstmalig an den Obersten Gerichtshof herangetragen wird. Der von der beklagten Partei anerkannte Verstoß würde nur ein enger gefaßtes Verbot rechtfertigen. Im Gegensatz zur Ansicht der Revisionsgegnerin ist daher, wie die zweite Instanz zutreffend erkannte, das Rechtsmittel gemäß § 502 Abs4 Z 1 ZPO zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionswerberin ist der Meinung, daß der überregionale Versandhandel von den auf den örtlichen Einzelhandel abgestellten Bestimmungen des Ausverkaufsgesetzes nicht betroffen sein könne. Auch aus der Verschiedenheit der Terminfestsetzungen in den einzelnen Bundesländern ergebe sich, daß das Ausverkaufsgesetz auf den Versandhandel unanwendbar sei. Das angefochtene Urteil sei mangels Festsetzung von bestimmten Warengruppen und Saisonverkaufsfristen unbestimmt und daher nicht vollstreckbar. Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen.

Die mit Kundmachung vom 25.1.1985, BGBl.1985/51 als Ausverkaufsgesetz wiederverlautbarte Ausverkaufsverordnung regelt neben der - vorliegend nicht betroffenen - Ankündigung der eigentlichen Ausverkäufe im Sinne des § 1 Abs1 leg.cit., die insbesondere aus Anlaß der Auflassung eines Unternehmens, zumindest aber der Auflassung bestimmter Warengattungen vorgenommen werden (vgl. § 2 Z 5 AusvG; Hohenecker-Friedl, Wettbewerbsrecht 35; Christian, Die Ausverkaufsverordnung, ÖBl.1961,41) in § 5 Abs1 die Voraussetzungen, unter denen die Ankündigung von 'Saisonschlußverkäufen, Saisonräumungsverkäufen, Inventurverkäufen u. dgl.' - im folgenden auch im Sinne der Terminologie der vergleichbaren Norm des § 9 dUWG als 'Abschnittschlußverkäufe' bezeichnet, die um die Wende eines Verbrauchsabschnittes stattfinden - zulässig ist. Geregelt ist im Gesetz nicht die Zulässigkeit der Abhaltung solcher Verkäufe an sich, sondern die Zulässigkeit ihrer Ankündigung, weil ohne entsprechende Ankündigung (die auch in einer entsprechenden Geschäftsaufmachung bestehen könnte), der Zweck dieser Abschnittsverkäufe nicht erreicht werden kann (Christian aaO 41; Prunbauer, Die Novelle der Ausverkaufsverordnung, BGBl.1982/642, RdW 1984,162;

Kucsko-Schönherr, Wettbewerbs-, Marken-, Muster- und Patentrecht,46). § 5 Abs1 AusvG bestimmt, daß die Abschnittsschlußverkäufe, falls die örtlich zuständige Kammer der gewerblichen Wirtschaft hiefür bestimmte Zeiträume festgesetzt hat, nur für diese Zeiträume angekündigt werden dürfen. Weder die Vorschriften über die Ausverkäufe (§§ 1 bis 4), noch über die Abschnittsschlußverkäufe (§ 5) sind nach dem Wortlaute des Gesetzes auf bestimmte Warengruppen oder bestimmte Vertriebsformen beschränkt. Die von den Kammern der gewerblichen Wirtschaft auf Grund der Verordnungsermächtigung des § 5 Abs1 AusvG (vgl. ÖBl.1984,161) erfolgten Festsetzungen von Zeiträumen für Abschnittsschlußverkäufe sind allerdings (mit Ausnahme von Wien und Burgenland) auf bestimmte Warengruppen (Textilien, Schuhe, Pelze) beschränkt. Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Vorarlberg hat von der Verordnungsermächtigung des § 5 Abs1 AusvG überhaupt keinen Gebrauch gemacht. § 5 Abs1 Satz 3, Abs2 und Abs4 AusvG (höchstens dreimalige Ankündigung pro Jahr; Anzeigepflicht; Ankündigung nicht früher als sieben Tage vor dem Beginn der Verkaufsveranstaltung) sind aber auch ohne die den Kammern übertragene Zeitraumfestsetzung anwendbar.

Zweck der aus kaufmännischer übung erwachsenen Saisonschlußverkäufe ist es, den Kaufleuten die Abstoßung ihrer Restbestände - insbesondere an typischen Saison- und Modeartikeln - zu ermöglichen (Hohenecker-Friedl aaO 35).

Saisonschlußverkäufe dienen somit der Bereinigung der Warenlager, sollen einer Warenentwertung vorbeugen und die Liquidität erhöhen (Christian aaO 42; vgl. auch Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht 14 1354). Durch die Bindung dieser Verkäufe an bestimmte Zeiträume sollen für alle beteiligten Unternehmen gleiche Bedingungen geschaffen werden (Baumbach-Hefermehl aaO 1361). Ohne eine solche Bindung könnte das Bestreben der einzelnen Mitbewerber, den anderen bei der Ankündigung der Abstoßung der Saisonware zuvorzukommen und sich dadurch einen größeren Interessentenkreis zu sichern, zu einem immer früheren, betriebswirtschaftlich nicht mehr zu rechtfertigenden Beginn der Abschnittsschlußverkäufe führen und durch eine solche übersteigerung des Wettbewerbs schließlich den Zweck der Einrichtung vereiteln.

Zur Vermeidung der Umgehung der Terminfestsetzungen wurden mit der Änderung der Ausverkaufsverordnung vom 10.12.1982, BGBl. Nr.642 'Bekanntmachungen und Mitteilungen über Verkaufsveranstaltungen, die im Hinblick auf besondere Preisherabsetzungen, Preisgegenüberstellungen, Sonderaktionen oder dgl. an bestimmte Zeiträume gebundene Saisonschlußverkäufe, Saisonräumungsverkäufe, Inventurverkäufe oder dgl. vorwegnehmen, für den Zeitraum von vier Wochen vor dem gemäß Abs1 festgesetzten Zeitraum verboten'. Damit sollte der Tatsache Rechnung getragen werden, daß die termingebundenen Abschnittsschlußverkäufe im Sinne des § 5 AusvG schon seit Jahren von einzelnen Handelsunternehmen 'durch Sonderverkäufe, die in Art und Weise der Ankündigung nach der Verkehrsauffassung einer zeitlichen Vorwegnahme der Abschnittsverkäufe gleichkommen', wirtschaftlich entwertet worden waren, was zu 'unerträglichen Wettbewerbsverzerrungen zum Schaden gesetzestreuer Mitbewerber' geführt hatte (so der Bericht des Handelsausschusses zur Novelle 1982, 1341 BlgNR 15.GP; vgl. RdW 1984,172).

Die aufgezeigten Regelungszwecke des § 5 Abs1 und 3 AusvG sind nicht auf den (örtlichen) Verkauf in offenen Ladengeschäften beschränkt, sondern haben auch für den Versandhandel Bedeutung, der nach den Materialien zur Gewerbeordnung 1973 (AB bei Mache-Kinscher, Gewerbeordnung 5 221 FN 16) eine Betriebsform des Einzelhandels, also eine Form des Verkaufes von Waren an Letztverbraucher ist, bei der das Anbieten der Waren schriftlich mittels Katalogen, Anzeigen, Prospekten oder auch durch Vertreter erfolgt und die schriftlich bestellten Waren den Käufern im Versandweg zugestellt werden. Auch im Versandhandel besteht das Bedürfnis, Restbestände von Waren, insbesondere solche, die der Mode unterworfen oder an eine bestimmte Saison gebunden sind, möglichst vor dem Beginn des nächsten Verkaufsabschnittes (Versendung des nächsten regulären Warenkataloges) im Wege eines Abschnittsschlußverkaufes beschleunigt abzusetzen und zu diesem Zweck durch die Ankündigung von Preisherabsetzungen einen besonderen Kaufanreiz hervorzurufen. Schon die Schaffung gleicher Bedingungen für den Wettbewerb unter den Versandhäusern gebietet die Anwendung des § 5 AusvG. Gleiches gilt aber auch für den Wettbewerb zwischen Versandhändlern und sonstigen Einzelhändlern. Gewiß sind die äußeren Bedingungen, unter denen sich Saisonschlußverkäufe in offenen Ladengeschäften abspielen, von der Art und Weise der Vornahme von Abschlußverkäufen durch einen Versandhändler ebenso verschieden wie die normalen Verkäufe bei beiden Betriebsformen. Da sich aber die Kundenkreise für beide Vertriebsformen des Einzelhandels überschneiden, hätten es die Versandhändler in der Hand, innerhalb der Sperrfrist des § 5 Abs3 AusvG in Vorwegnahme von Abschnittsschlußverkäufen Sonderangebote anzukündigen und damit unter ungleichen Wettbewerbsbedingungen in den Kundenkreis der übrigen Einzelhändler einzudringen, wenn nur diese an die Vorschriften des § 5 AusvG gebunden wären. Für die Maßgeblichkeit dieser Erwägungen spricht auch der Vergleich mit der Rechtslage in der BRD. Die auf Grund des § 9 dUWG ergangene Verordnung des Bundeswirtschaftsministers vom 13.7.1950 über die Sommer- und Winterschlußverkäufe ist gemäß § 4 leg.cit. auch auf die von Versandgeschäften veranstalteten Sommer- und Winterschlußverkäufe anzuwenden (vgl. Baumbach-Hefermehl aaO 1369). Gegen die Anwendbarkeit des § 5 AusvG auf Versandgeschäfte spricht auch nicht, daß von den örtlich zuständigen Landeskammern der gewerblichen Wirtschaft für unterschiedliche Warengruppen bundesländerweise verschiedene Zeiträume für die Abschnittsschlußverkäufe festgesetzt werden können und auch tatsächlich festgesetzt wurden. Der Beginn der Winterschlußverkäufe für Schuhe und Textilien (in Wien für alle Waren außer Pelze, im Burgenland für alle Waren) war allerdings im Jahre 1984 in ganz Österreich (mit Ausnahme Vorarlbergs, dessen Kammer der gewerblichen Wirtschaft von der Verordnungsermächtigung des § 5 Abs1 AusvG keinen Gebrauch machte) übereinstimmend geregelt. Es ist daher - gemessen an den für 1984 verlautbarten Terminen - verfehlt, wenn die Revisionswerberin behauptet, bei Beachtung der Vorschriften in allen Bundesländern hätte sie vor dem 10.3. eines jeden Jahres keine Möglichkeit, einen alle Warengattungen umfassenden Abschnittsschlußverkauf mit (Sonder-)Katalog anzukündigen. Sieht man vom Winterschlußverkauf von Pelzen und von dem vom gegenständlichen Verfahren nicht betroffenen Fall der Sonderverkäufe (insbesondere 'Weiße Wochen', für die bundesländerweise verschiedene Terminfestsetzungen bestehen), ab, hatte die beklagte Partei im Jahre 1984 jedenfalls die Möglichkeit, ab 21.1. mit Abschnittsschlußverkäufen zu beginnen und diese gemäß § 5 Abs4 AusvG schon sieben Tage vor deren Beginn (durch Katalogversendung) anzukündigen.

Für die Frage, welche Ausverkaufstermine von den überregionalen Versandhändlern, die ihre Geschäfte mit Kunden in ganz Österreich abwickeln, zu beachten sind, und welches demnach die örtlich zuständige Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft im Sinne des § 5 Abs1 AusvG ist, kommt es nicht darauf an, wo sich die Betriebsstätte befindet, von der aus der Versandhandel betrieben wird; maßgebend ist auch nicht der Ort, der als Abschlußort des Distanzgeschäftes gilt, weil allein die wettbewerbsrechtliche Betrachtungsweise entscheidet. Da das Wesen des Versandgeschäftes darin besteht, daß der Versandhändler gleichsam in die Wohnung (das Geschäft) des Kunden kommt, in dem er ihm dort - regelmäßig durch Kataloge, aber auch durch Vertreterbesuche - das Warenangebot präsentiert und die bestellte Ware dorthin übersendet, tritt der Versandhändler bei der Veranstaltung (Vorwegnahme) eines Saisonschlußverkäufes - wie bereits ausgeführt - vor allem mit den Händlern am Wohnort des angesprochenen Interessenten (und in der näheren Umgebung dieses Wohnortes) in Konkurrenz. Die beklagte Partei hatte daher, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, die jeweiligen, am Wohnort (Sitz) des angesprochenen Interessenten ('Empfangspost') geltenden Verordnungen der örtlich zuständigen Landeskammer zu beachten, ähnlich, wie für das in § 5 Abs3 letzter Halbsatz AusvG normierte Verbot nur die am Ort der Bekanntmachung der (ausländischen) Sonderverkaufsveranstaltung im Inland erlassenen Verordnungen nach § 5 Abs1 AusvG maßgebend sein können. Unter 'Empfangsort' ist hiebei der vom Versandhändler angegebene Empfangsort unabhängig davon zu verstehen, wo die Ankündigung den Adressaten (zB bei Nachsendungen) tatsächlich erreicht.

Gegen diese Bindung des Versandhandels an die am jeweiligen 'Empfangsort' des beworbenen Interessenten geltenden Terminfestsetzungen spricht auch nicht, daß es Handelsunternehmen, die ihre Waren in offenen Ladengeschäften anbieten, gestattet ist, die nach den jeweiligen Vorschriften am Ort der betreffenden Filiale zulässigen Abschnittsschlußverkäufe auch in einem anderen Bundesland, in dem der Abschnittsschlußverkauf etwa zu einem anderen Zeitraum stattfindet, anzukündigen und damit Interessenten aus anderen Bundesländern anzusprechen. Dieser Wettbewerbsvorteil ist praktisch zu vernachlässigen, weil nur in Ausnahmsfällen Kunden aus anderen regionalen Bereichen zum Besuch einer Saisonschlußverkaufsveranstaltung motiviert werden können, der Versandhändler wiederum den Vorteil hat, wogegen (in dieser Funktion!) nur an die Verordnungen am 'Empfangsort' des beworbenen Interessenten gebunden zu sein; etwa bei der Versendung von Sonderkatalogen, mit denen Abschnittsschlußverkäufe angekündigt oder vorweggenommen werden, in das Bundesland Vorarlberg unterliegt der Versandhändler keinen Beschränkungen.

Nach der Formulierung des Klagebegehrens müßte die Frage, auf welche Festsetzungen der Saisonschlußverkaufstermine es ankommt, gar nicht geklärt werden. Der Wortlaut des Klagebegehrens ist schon durch die festgestellten Verstöße der beklagten Partei (im Warenhaus G/I gegen die für Kärnten festgesetzten Vorschriften; im Versandhandel jedenfalls gegen die für die Steiermark festgesetzten Vorschriften) voll gedeckt, wenn man unter den 'örtlich zuständigen Kammern' nur die Handelskammer der Steiermark und Kärntens versteht. So wurde aber das Klagebegehren weder von der klagenden Partei, noch von den Vorinstanzen verstanden. Der vom Berufungsgericht gebilligten Fassung des erstgerichtlichen Spruches liegt vielmehr die Rechtsansicht zugrunde, die Beklagte habe für die in verschiedenen Bundesländern liegenden offenen Ladengeschäfte die jeweiligen Vorschriften, im Versandhandel aber die Saisonschlußverkäufstermine für die vom jeweiligen Saisonschlußverkauf betroffenen Warengruppen in allen Bundesländern, in denen Interessenten angesprochen werden, zu beachten. Auch die beklagte Partei geht davon aus, will aber daraus die Unanwendbarkeit des § 5 AusvG auf den Versandhandel ableiten.

Da auch die vom Erstgericht in Verdeutlichung des Klagebegehrens geänderte Fassung des Urteilsspruches nicht klar zum Ausdruck bringt, was mit den maßgeblichen Vorschriften der zuständigen Kammern der gewerblichen Wirtschaft gemeint ist, war dem Spruch eine deutlichere Fassung zu geben. Damit ist auch dem Einwand der Unbestimmtheit des Klagebegehrens wegen Bezugnahme auf eine nicht näher definierbare Verordnung einer Kammer der gewerblichen Wirtschaft Rechnung getragen. Die zu beachtenden Saisonschlußverkaufstermine und Warengruppen ergeben sich aus der jeweiligen Verordnung der örtlich zuständigen Kammer in deren Sprengel dem Kunden die Ankündigung zugeht.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05987

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00329.85.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19850514_OGH0002_0040OB00329_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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