TE OGH 1985/5/21 2Ob570/85

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Veröffentlicht am 21.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Josefine Angelina A, Altenpflegerin, Kreuzgasse 8, 6850 Dornbirn, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei Konrad Albert A, Webermeister, Reichenaustraße 15, 6890 Lustenau, vertreten durch Dr. Clement Achammer, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Ehescheidung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 1. Februar 1985, GZ 6 R 190/84-35, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. April 1984, GZ 6 Cg 3667/83-31, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

'Die zwischen Konrad Albert A und Josefine Angelina A geb. B am 18. Oktober 1958 vor dem Standesamt in Dornbirn geschlossene Ehe, eingetragen im Ehebuch unter Nr. 188/1958, wird aus dem Verschulden beider Parteien geschieden.

Die Kosten des Verfahrens erster Instanz werden gegenseitig aufgehoben.' Die Klägerin hat dem Beklagten die mit S 2.620,15 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin S 160,-- Barauslagen und S 223,65 Umsatzsteuer) und die mit S 3.193,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 240,-- Barauslagen und S 268,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die am 11. Jänner 1938 geborene Klägerin und der am 4. Dezember 1933 geborene Beklagte haben am 18. Oktober 1958 die Ehe geschlossen, der eine am 2. Februar 1960 geborene Tochter entstammt. Die Klägerin begehrt mit ihrer am 27. April 1983 eingebrachten Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Sie brachte im wesentlichen vor, der Beklagte habe ehewidrige und ehebrecherische Beziehungen zu anderen Frauen gehabt, habe Nächte außer Haus verbracht, ohne der Klägerin zu sagen, wo, und habe die Klägerin wiederholt beschimpft, geschlagen und eingeschüchtert. Der Beklagte gehe weitgehend eigene Wege, es gebe in der Ehe keine Gemeinsamkeiten mehr.

Der Beklagte sprach sich nicht gegen die Ehescheidung aus, beantragte aber den Ausspruch des überwiegenden Mitverschuldens der Klägerin mit der Begründung, die Klägerin habe sich lieblos verhalten, habe ehewidrige und ehebrecherische Beziehungen zu anderen Männern unterhalten, habe dem Beklagten jahrelang ohne Grund den Beischlaf verweigert, habe den Beklagten wiederholt beschimpft und verletzt und habe seit 1. Jänner 1983 für den Beklagten nicht mehr gekocht und gewaschen.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten, sprach aus, daß die Klägerin mitschuldig sei und daß der Beklagte mit Renate L*** die Ehe gebrochen habe. Das Erstgericht stellte den auf den Seiten 4 bis 17

der Ausfertigung seines Urteils (AS 188 ff.) angeführten Sachverhalt fest. Aus diesem ist folgendes hervorzuheben:

Der Beklagte war von Beginn der Ehe an neben seiner Tätigkeit als Webermeister abends als Musiker tätig. Dadurch bedingt unterhielt er zumindest seit 1970 viele Frauenbekanntschaften. Die Klägerin war damit einverstanden, daß der Beklagte als Musiker tätig und wenig zu Hause ist. Beide Streitteile zeigten nur geringes Interesse am anderen Partner und an einer gemeinsamen Gestaltung des Ehelebens, jeder ging seine eigenen Wege. Die Ehegatten haben sich immer mehr auseinandergelebt. Die Klägerin war wenig zu Hause, war oft mit Freundinnen unterwegs und wurde mit anderen Männern gesehen. Sie kam erst Stunden nach Arbeitsschluß nach Hause. Die Klägerin hatte kein Interesse an den Hobbys des Beklagten (Schifahren, Baden) und wollte auch nicht mit ihm ausgehen. Die Ehegatten verbrachten nur wenige Urlaube gemeinsam. Die Klägerin hatte von 1977 bis 1978 ein Jahr lang ein intimes Verhältnis mit einem anderen Mann, mit dem sie wiederholt Geschlechtsverkehr durchführte. Der Beklagte hatte im Jahre 1978 zumindest einmal Geschlechtsverkehr mit Bernadette C. Zwischen den Ehegatten kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, die zum Teil ihre Ursache in den ehewidrigen Beziehungen des anderen Ehegatten hatten. Im Zuge derartiger Auseinandersetzungen verwendeten beide Ehegatten Schimpfwörter und wurden gegeneinander tätlich, wodurch beide Verletzungen erlitten. Es kam aber auch immer wieder zu Versöhnungen zwischen den Ehegatten, die allerdings nie lange anhielten. Kurze Zeit nach den Versöhnungen fiel jeder Ehegatte in seine bisherigen Gewohnheiten. Von Weihnachten 1982 bis Oktober 1983 war der Beklagte mit Renate D befreundet. Zumindest ab Juni 1983 hatten die beiden Geschlechtsverkehr. Als die Klägerin im Jänner 1983 von der Bekanntschaft des Beklagten zu Renate D erfuhr, kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung, nach welcher der Beklagte aus dem Schlafzimmer auszog. Ab diesem Zeitpunkt kocht die Klägerin nicht mehr für den Beklagten und versorgt auch seine Wäsche nicht mehr. Seit damals ist auf beiden Seiten keine eheliche Gesinnung mehr vorhanden, die Ehe ist endgültig gescheitert. Der letzte Geschlechtsverkehr zwischen den Ehegatten fand Ende 1982 statt. Seit Mitte 1983 ist der Beklagte auch mit Hannelore E befreundet, zu deren Wohnung er einen Schlüssel hat. Am 28. Dezember 1983 zog der Beklagte nach einer heftigen Auseinandersetzung mit der Klägerin aus der Ehewohnung aus.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, beide Ehegatten hätten Ehebruch begangen, sodaß die Scheidung nach § 47 Abs 1

EheG gerechtfertigt sei. Das Scheidungsbegehren sei aber auch unter dem Gesichtspunkt des § 49 EheG berechtigt. Es könne nicht davon gesprochen werden, daß das Verschulden eines Ehegatten erheblich schwerer wiege als das des anderen. Der Ehebruch des Beklagten mit Renate D sei erst nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe erfolgt. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise dahin Folge, daß das überwiegen des Verschuldens des Beklagten ausgesprochen wurde. Das Berufungsgericht führte aus, bis Ende 1982 mögen die beiderseitigen Eheverfehlungen einander die Waage gehalten haben, doch hätten die Ehegatten bis dahin immerhin noch die eheliche Gemeinschaft aufrecht erhalten. Erst das Eingehen ehewidriger Beziehungen mit Renate D habe dann zum endgültigen Scheitern der Ehe geführt. Dieser Beziehung komme daher größte Bedeutung zu.

Das Verschulden des Beklagten müsse wesentlich schwerer gewertet werden als das der Klägerin.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, auf Wiederherstellung des Ersturteils. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens eines Ehegatten hat nur zu erfolgen, wenn die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer ist als die des anderen (EFSlg 43.691, 43.692 uva.). Im vorliegenden Fall haben beide Ehegatten durch Jahre hindurch schwere Eheverfehlungen begangen. Jedem sind insbesondere Beschimpfungen und Mißhandlungen des anderen Ehegatten, Ehebrüche und Interesselosigkeit an einer gemeinsamen Gestaltung des Ehelebens anzulasten. Dieses beiderseitige Verhalten führte zu einer immer weiter fortschreitenden Zerrüttung der Ehe. Anlaß zum endgültigen Bruch war wohl eine Auseinandersetzung im Jänner 1983, die ihre Ursache in Beziehungen des Beklagten zu Renate D hatte (ein Ehebruch des Beklagten mit Renate D wurde allerdings erst ab Juni 1983 festgestellt). Daß die Beziehungen, die der Beklagte bis Jänner 1983 zu Renate D hatte, eine schwerere Eheverfehlung darstellten, als seine früheren Beziehungen zu anderen Frauen oder als das ehebrecherische Verhältnis, das die Klägerin in den Jahren 1977 und 1978

gehabt hatte, kann den Feststellungen nicht entnommen werden. Es handelt sich hier um eine Eheverfehlung, die keinesfalls schwerwiegender war als Verfehlungen, die beide Ehegatten schon seit Jahren begangen hatten. Da Ehebruch erst ab Juni 1983 festgestellt wurde, muß sogar gesagt werden, daß diese Verfehlung weniger schwer war als vorangegangene Eheverfehlungen, die sowohl der Beklagte als auch die Klägerin begangen hatten. Daß die Auseinandersetzung wegen der Beziehungen des Beklagten zu Renate D zum endgültigen Bruch führten, war offenbar nicht auf das Gewicht dieser Eheverfehlung zurückzuführen, sondern darauf, daß die Ehe schon vorher durch Verfehlungen beider Gatten weitgehend zerrüttet war und bei keinem der Ehegatten mehr ein Interesse an einer gemeinsamen Gestaltung der Ehe bestand.

Die Beziehungen, die der Beklagte bis zur Auseinandersetzung im Jänner 1983 zu Renate D hatte, reichen daher nicht aus, um einen so erheblichen Unterschied im Verschulden zu begründen, der den Ausspruch eines überwiegenden Verschuldens des Beklagten rechtfertigen könnte. Das gleiche gilt für die späteren Ehebrüche des Beklagten mit Renate D und seine Beziehungen zu Hannelore E, da dieses Verhalten erst nach der endgültigen Zerrüttung der Ehe erfolgte und daher bei der Verschuldensteilung keine entscheidende Rolle mehr spiele (EFSlg 43.688 uva.).

Der Ausspruch, daß das Verschulden des Beklagten überwiegt, ist daher nicht berechtigt, weshalb der Revision Folge zu geben war. Ein Ausspruch darüber, daß mit einer bestimmten Person Ehebruch begangen wurde, hatte zu unterbleiben, weil die Vorschriften des § 9 EheG gemäß Art. II Z 1 und des § 80 der 1. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz gemäß Art. III Z 2 des Bundesgesetzes über Änderungen des Personen-, Ehe- und Kindschaftsrechts BGBl. Nr. 566/1983 aufgehoben wurden und auf das vorliegende Verfahren gemäß Art. X Z 4 leg. cit. nicht mehr anzuwenden sind, weil die mündliche Streitverhandlung erster Instanz nach dem 31. Dezember 1983 geschlossen wurde.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Gerichtsgebühren für die Revision betragen nicht S 600,--, sondern nur S 240,--.

Anmerkung

E05739

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0020OB00570.85.0521.000

Dokumentnummer

JJT_19850521_OGH0002_0020OB00570_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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