Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Rudy A, Geschäftsinhaber, 1340 Amberwick Lane, Anaheim, Kalifornien 92804, USA, vertreten durch Dr. Otto Haselauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte und widerklagende Partei Elizabeth A, Angestellte, Linz, Eisenhochstraße 5, vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten und widerklagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19.September 1984, GZ. 2 R 146, 147/84-46, womit infolge Berufung der klagenden und widerbeklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 26. März 1984, GZ. 2 Cg 80/80-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil, das in Ansehung des Ausspruchs der Scheidung der Ehe aus dem Verschulden beider Streitteile und der Abweisung des Begehrens des Klägers und Widerbeklagten, die Ehe aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten und Widerklägerin zu scheiden, als nicht in Beschwerde gezogen unberührt bleibt, wird insoweit, als der Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Klägers und Widerbeklagten an der Zerrüttung der Ehe begehrt wird, sowie im Kostenausspruch aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung zurückverwiesen. Auf die Kosten des Revisionsverfahrens ist gleich weiteren Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen.
Text
Begründung:
Die Streitteile haben am 25.2.1967 vor dem Friedensrichter der Stadtgemeinde Henderson,Clark County, Nevada, USA die Ehe geschlossen. Der Kläger und Widerbeklagte (im folgenden: Kläger) ist kanadischer Staatsbürger, die Beklagte und Widerklägerin (im folgenden: Beklagte) ist österreichische Staatsangehörige. Der letzte gemeinsame Wohnsitz war 1340 Amberwick Lane, Anaheim, Kalifornien, USA. Der Ehe entstammt die am 12.3.1968 geborene Renee Elizabeth A.
Der Kläger begehrte die Scheidung der Ehe wegen schwerer Eheverfehlungen der Beklagten, die im Juli 1979 grundlos die eheliche Gemeinschaft aufgehoben habe und die Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft ablehne. Dadurch sei die Ehe so tief zerrüttet, daß die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr zu erwarten sei. Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Mit Widerklage begehrte sie die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Klägers. Sie brachte vor, der Kläger habe sie dadurch unterdrückt, daß er ihr nur ein Kostgeld und kein Taschengeld gegeben habe; sie habe in entwürdigender Weise um Geld bitten müssen, über die gemeinsamen Konten sei sie nicht zeichnungsberechtigt gewesen. Der Kläger sei streitsüchtig; sie habe ihm nichts recht machen können, sei beschimpft und völlig unterdrückt worden.
Schließlich habe sie der Kläger auch sexuell vernachlässigt. Das Erstgericht schied die Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers.
Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Klägers teilweise Folge und änderte das angefochtene Urteil dahin ab, daß es die Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile schied.
Das Berufungsgericht stellte nach Beweiswiederholung fest: Nach der Eheschließung hätten die Streitteile ihren gemeinsamen Wohnsitz in Anaheim, Kalifornien, genommen. Der Kläger habe mit dem Aufbau eines Attorney Service begonnen. Die Beklagte habe in den ersten Ehejahren bis etwa 1970 als Sekretärin in einer Bank gearbeitet und ca. 50 Dollar pro Woche verdient; mit diesem Einkommen habe sie zum Unterhalt beigetragen Etwa 1970 hätten sich die Geschäfte des Klägers so weit konsolidiert, daß er die Mitarbeit der Beklagten in seinem Betrieb benötigt habe. Die Beklagte habe darauf ihre Stellung bei der Bank aufgegeben und im Betrieb ihres Gatten gearbeitet. Sie habe dort Anrufe von Kunden entgegengenommen, Rechnungen ausgestellt und die Bücher geführt. Diese Arbeiten habe sie bis zur Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft verrichtet. Für ihre Mitarbeit habe sie vom Kläger kein Entgelt, sondern nur ein Wirtschaftsgeld für die Besorgung der Güter des täglichen Bedarfs erhalten. Sie sei zunächst auch für die gemeinsamen Konten der Streitteile nicht zeichnungsberechtigt gewesen. Erst im Herbst 1975 sei ihr die Zeichnungsberechtigung eingeräumt worden. Im Sommer 1978 habe der Kläger das Bankinstitut gewechselt, der Beklagten dann aber keine Zeichnungsberechtigung mehr eingeräumt. Die größeren persönlichen Anschaffungen wie Kleider seien vom Kläger bestritten worden. Bei der Auswahl habe er versucht, die Beklagte zu beeinflussen. Dem Wunsche der Beklagten, laufend über ein eigenes Taschengeld verfügen zu können, habe er nicht entsprochen. Der Kläger sei bei Meinungsverschiedenheiten zwischen ihm und der Beklagten so vorgegangen, daß er so lange diskutiert habe, bis die Beklagte sich seiner Meinung äußerlich angeschlossen habe. Im Herbst 1971 habe der Kläger mit der Zucht von Shih Tzu-Hunden begonnen. Die Beklagte hatte die Aufgabe, die Hunde zu pflegen, sie zu frisieren, ausstellungsreif zu machen und zu Hundeausstellungen zu fahren. Im Durchschnitt seien sechs, manchmal bis zu acht Hunde gehalten worden. Die Beklagte habe die Hunde gern gehabt, habe aber deren Pflege im Laufe der Zeit als Belastung empfunden. Im Frühjahr 1979 sei der Kläger besonders gereizt gewesen; die Beklagte habe ihm zu dieser Zeit kaum etwas recht machen können und immer wieder befürchten müssen, daß dem Kläger etwas nicht passe. Ab Mai 1979 habe die Beklagte auf die Auflösung der ehelichen Gemeinschaft gedrängt. Sie sei im Juli 1979 mit ihrer Tochter zu ihrer Mutter nach Linz geflogen. Vor dem Abflug hätten die Streitteile vor einem öffentlichen Notar in Vrange, Kalifornien, ein Ehevergleichsabkommen geschlossen, in dem unter anderem festgehalten worden sei, daß unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vertragsparteien aufgetreten seien, die die Trennung zur Folge hätten. In vermögensrechtlicher Hinsicht habe der Kläger das Grundstück in Anaheim und die Haushaltsausstattung in sein alleiniges Eigentum erhalten, wogegen die Beklagte neben der Flugkarte im Wert von 1.010 Dollar einen Betrag von 1.300 Dollar sowie weitere 700,-- Dollar erhalten habe. Die Beklagte habe auf jedwede (finanzielle) Unterstützung seitens des Klägers verzichtet. Im Oktober 1979 sei der Kläger nach Linz geflogen, wo es zu Gesprächen zwischen den Streitteilen gekommen sei. Der Kläger habe versucht, die Beklagte zur Rückkehr nach Amerika und zur Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft zu bewegen, die Beklagte habe jedoch keinen Versuch gemacht, die Ehe zu retten, da bei ihr jeder Ehewille erloschen gewesen sei. Im Jänner 1980 habe sich der Kläger im Krankenhaus der Elisabethinen in Linz einer schweren Operation unterziehen müssen. Es seien ihm dabei die Blase, eine Niere und Teile des Dickdarms entfernt worden. Nach dieser Operation habe die Beklagte den Kläger einmal im Spital besucht, jedoch mit ihm nicht gesprochen, da er gerade geschlafen und eine Krankenschwester davon abgeraten habe, ihn zu wecken. Weitere Besuche habe die Beklagte nicht unternommen. Nach seiner Genesung sei der Kläger nach den Vereinigten Staaten zurückgekehrt, die Beklagte sei in Linz geblieben.
In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß beiden Streitteilen schwere Eheverfehlungen im Sinne des § 49 EheG zur Last fallen.
Vom Kläger wäre zu erwarten gewesen, daß er sich gegenüber der Beklagten, die in der Fremde leben mußte, besonders rücksichtsvoll und entgegenkommend verhalte. Er hätte der Beklagten ein Taschengeld zur Verfügung zu stellen gehabt. Auch die Gereiztheit des Klägers im Frühjahr 1979 spiele eine gewisse Rolle, doch sei das Gewicht dieser Verfehlung eher gering anzusetzen. Das geringe Verständnis des Klägers für die Beklagte habe schließlich zu einer Entfremdung der Ehegatten geführt. Das im Mai 1979 einsetzende Bestreben der Beklagten, die eheliche Gemeinschaft aufzulösen, stehe allerdings mit den Eheverfehlungen des Klägers in keinem richtigen Verhältnis. Der Abreise der Beklagten seien jedoch lange Diskussionen vorangegangen, so daß angenommen werden könne, daß auch der Kläger letztlich mit der Trennung einverstanden gewesen sei, was auch im abgeschlossenen Scheidungsübereinkommen seinen Ausdruck finde. Der Beklagten sei als Eheverfehlung anzulasten, daß sie sich um den schwer kranken Gatten in Linz praktisch überhaupt nicht gekümmert habe.
Die Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft sei eine überreaktion gewesen. Bei Abwägung der beiderseitigen Eheverfehlungen sei keinem der Ehegatten ein überwiegendes Verschulden anzulasten. Einem auslösenden Verhalten des Klägers stehe die übersteigerte Reaktion der Beklagten gegenüber. Demgemäß sei gemäß § 60 Abs.2 EheG die Scheidung der Ehe aus dem gleichteiligen Verschulden beider Streitteile auszusprechen.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.
Der Rechtsmittelantrag der Beklagten lautet dahin, der Berufung des Klägers gegen das Ersturteil nicht Folge zu geben. Dieser Rechtsmittelantrag ist zwar verfehlt, weil das Revisionsgericht nicht über die Berufung des Klägers zu entscheiden hat, doch ist diesem Antrag immerhin zu entnehmen, daß die Beklagte die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstrichters und damit den Ausspruch der Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers anstrebt. Es wird auch der Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung dahin ausgeführt, daß das Erstgericht (richtig wohl Berufungsgericht) bei richtiger rechtlicher Würdigung zum Ergebnis hätte gelangen müssen, daß den Beklagten (der Widerklage) das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist daher nur mehr die Frage gleichteiligen oder überwiegenden Verschuldens des Klägers, wogegen der Ausspruch der Scheidung wegen Verschuldens in Rechtskraft erwachsen ist.
Die Vorinstanzen haben nicht geprüft, ob für die vorliegende Rechtssache die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist; sie haben auch der Frage des anzuwendenden Rechts keine Beachtung geschenkt. Auch in den Rechtsmittelschriften finden sich hiezu keine Ausführungen. Ob die inländische Gerichtsbarkeit gegeben ist, ist gemäß § 42 Abs.1 JN in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; eine bindende Entscheidung der Vorinstanzen im Sinne des § 42 Abs.3 JN liegt nicht vor, da ein Entscheidungswille der Vorinstanzen nicht einmal aus den Gründen ersichtlich ist ( vgl. SZ 54/190). Gemäß § 76 Abs.3 JN idF vor der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. Nr.135 (vgl. deren Art.XVII, § 2 Abs.6), war die österreichische Gerichtsbarkeit in Ehesachen, wenn auch nur ein Teil die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, gegeben (vgl. Fasching Komm. I 398). Da die Beklagte die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, ist die inländische Jurisdiktion zu bejahen. Gemäß den §§ 2, 3 IPRG ist die Frage, ob österreichisches oder ein fremdes Recht anzuwenden ist, bei Vorhandensein entsprechender Anhaltspunkte von Amts wegen zu prüfen (JBl.1977, 419; SZ 48/97; SZ 46/83; Duchek-Schwind, Internationales Privatrecht 11; Schwimann, Grundriß des internationalen Privatrechts 35). Im vorliegenden Fall ist nur mehr über die Verschuldensteilung zu entscheiden, der Ausspruch über die Ehescheidung aus Verschulden nach österreichischem Recht ist in Rechtskraft erwachsen. Dies macht die Prüfung, nach welcher Rechtsordnung die Frage des Verschuldens an der Zerrüttung der Ehe zu beurteilen ist, nicht entbehrlich. Nach § 20 Abs.1 B sind die Voraussetzungen der Scheidung einer Ehe nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung zu beurteilen. Die Anknüpfung an das gemeinsame bzw. letzte gemeinsame Personalstatut (§§ 9 Abs.1, 18, Z 1 B) kommt im Hinblick auf die verschiedene Staatsangehörigkeit der Ehegatten nicht in Betracht, so daß das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts, den ein Ehegatte beibehalten hat, maßgeblich ist (§ 18 Abs.1 Z 2 B). Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist nach der Regel Nr.9 der Entschließung des Ministerkomitees des Europarates (72) I vom 18.1.1972 zur Vereinheitlichung der Rechtsgrundbegriffe 'Wohnsitz' und 'Aufenthalt' dort gegeben, wo die Dauer und die Beständigkeit des Aufenthalts sowie andere Umstände persönlicher und beruflicher Natur die dauerhafte Beziehung zwischen einer Person und ihrem Aufenthalt anzeigen. Diese Entschließung kann bei der Auslegung des Begriffes 'gewöhnlicher Aufenthalt' als Entscheidungshilfe dienen (Duchek-Schwind, a.a.O. 33 Anm.4; EB zur RV 784 BlgNR XIV GP 21). Nach Schwimann, Grundriß des IPR 59, ist der gewöhnliche Aufenthalt einer Person dort gegeben, wo sie ihren Lebensmittelpunkt hat. Der mehrmonatige Aufenthalt des Beklagten in Linz, wo sich die Klägerin nach der Trennung vom Beklagten aufhielt, begründete im Hinblick darauf, daß der Beklagte nach Österreich kam, um die Klägerin zur Rückkehr in die Vereinigten Staaten zu bewegen, wenn er sich dann auch, möglicherweise unvorhergesehen, einer Operation unterziehen mußte, die einen längeren Aufenthalt in Österreich erforderlich machte, keinen gewöhnlichen Aufenthalt, weil nicht gesagt werden kann, daß die Umstände des Aufenthalts eine dauerhafte Beziehung anzeigen; auch von einer Verlegung des Lebensmittelpunkts des Klägers nach Linz kann keine Rede sein. Der letztegewöhnliche Aufenthalt der Streitteile, den der Beklagte beibehalten hat, ist in Anaheim, Kalifornien, gegeben, so daß die Rechtssache nach kalifornischem Recht zu beurteilen ist. Daran ändert auch nichts, daß Teilrechtskraft eingetreten ist, da zumindest nach dem richtigerweise anzuwendenden Recht zu beurteilen ist, ob und in welcher Weise über den von der Klägerin noch verfolgten Teilanspruch entschieden werden kann. Das Recht der amerikanischen Teilstaaten verweist in Angelegenheiten der Ehescheidung in Fällen, in denen die Jurisdiktion eines ausländischen Gerichts anerkannt wird, in aller Regel auf das Recht der lex fori (ZfRV 1980, 296 mit Anm.Hoyer), doch ist dem Obersten Gerichtshof eine verläßliche Klärung der Rechtslage an Hand der zu Gebote stehenden Erkenntnisquellen nicht möglich. Das Berufungsgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren das fremde Recht zu erheben haben; gemäß § 4 Abs.1 B wird auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens in Betracht kommen. Die Rechtssache ist gemäß § 496 Abs.3 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E05719European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00543.85.0522.000Dokumentnummer
JJT_19850522_OGH0002_0010OB00543_8500000_000