TE OGH 1985/5/22 1Ob583/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.05.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien Karl und Johanna A, Landwirte, Wolfshuberstraße 19, 8570 Voitsberg, beide vertreten durch Dr. Josef Peissl, Rechtsanwalt in Köflach, wider die beklagte Partei Franz B, Landwirt, Grasweg 23, 8570 Voitsberg, vertreten durch Dr. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert S 26.000), infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes vom 21.Jänner 1985, GZ 4 R 477/84-45, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Voitsberg vom 10. August 1984, GZ 2 C 146/81-38, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit S 3.352,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 257,25 Umsatzsteuer und S 282,97 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft EZ 27 KG Kowald, zu der die Grundstücke 225/1 Acker und 223/1 Wiese gehören. An diese Grundstücke grenzt etwa nördlich das zum öffentlichen Gut gehörende Grundstück 433 Weg, der sogenannte 'Grasweg', an. Die Kläger behaupten, daß der Beklagte beim Befahren des Grasweges mit seinem Traktor wiederholt das Weggrundstück verlassen und über einen Teil ihrer Grundstücke 225/1 Acker und 223/1 Wiese gefahren sei. Der Beklagte habe auch Lastkraftwagen mit einer Breite von 2,50 m zu seinem Anwesen kommen lassen, die ebenfalls die Grundstücke der Kläger zum Teil befahren hätten. Der Beklagte versuche dadurch, den Grasweg allmählich zu verbreitern. Im zweiten Rechtsgang brachten die Kläger noch vor, der Weg sei bis zu den 70-er Jahren höchstens 2 m breit gewesen, da er bis daher nur mit Tiergespannen befahren worden sei. Die Kläger seien 'daher' zufolge Ersitzung Eigentümer des Weges bis auf eine Breite von rund 2 m vom nördlichen Rand aus gemessen. Die Kläger begehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren der Grundstücke 225 1 Acker und 223/1 Wiese zu unterlassen.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens, bestritt eine Benützung der Grundstücke der Kläger und den Eintritt der Ersitzung am Weggrundstück und wendete ein, daß der Grasweg als öffentlicher Gemeindeweg eine Breite von vier m habe. Die Kläger versuchten, diesen Weg, insbesondere durch Einschlagen von Holzpflöcken, zu verengen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang statt und traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der von der Wolfshuberstraße in einem spitzen Winkel abzweigende Grasweg habe derzeit eine eingeschotterte Breite von ca.2,30 bis 2,40 m. An der Südseite des Weges (Grundgrenze der Kläger) seien keine Grenzsteine vorhanden.

Der Grasweg habe vor dem zweiten Weltkrieg nur eine Breite von 1,30 bis 1,40 m gehabt. Erst ab etwa 1949 sei der Weg mit Motorfahrzeugen, hauptsächlich Traktoren, befahren worden und habe bis 1970 eine Breite von nicht ganz 2 m, gemessen vom nördlichen Rand (Waldrand), gehabt. An der Südseite des Weges habe sich ein schmaler Wiesenstreifen und dann ein Acker befunden. Der Weg sei früher (1938) ganz mit Gras bewachsen gewesen und erst allmählich eingeschottert worden. Der Erstkläger habe zum Schutze gegen weitere Verbreiterungen im Verlauf der 70-er Jahre dort Pflöcke eingeschlagen.

Offenbar übernommen wurde vom Erstgericht auch die im ersten Rechtsgang getroffene Feststellung, daß die Stadtgemeinde C im Jahre 1977 die Vermessung und Vermarkung des Grundstückes 433 Weg durch einen Geometer, der am 15.4.1977 im Beisein des Erstklägers auf Grund der Darstellung des Weges in der Grundbuchsmappe eine Wegbreite von 4 m vorgeschlagen und dieser Breite entsprechend Grenzsteine an der Nord- und Südseite des Weges gesetzt habe, veranlaßt habe und daß der Erstkläger nachträglich seine Zustimmung zu dieser Vermarkung und zu einer Mappenberichtigung zurückgezogen habe, weil das Erstgericht dazu im zweiten Rechtsgang feststellte, daß der Erstkläger diese Grenzsteine wieder entfernt und am Wegrand Pflöcke eingeschlagen habe, wogegen die Stadtgemeinde C als Verwalterin des öffentlichen Gutes nichts unternommen habe. Der Beklagte habe auf dem Grasweg wiederholt Lkws mit einer Breite bis zu 2,50 m zu sich kommen lassen und selbst den Weg seit 1976 mit einem Traktor benützt.Die Kläger und ihre Rechtsvorgänger hätten den südlichen Teil des Grasweges in einer Breite von rund einem halben Meter, der jetzt von Fahrzeugen befahren werde und eingeschottert sei, durch über 40 Jahre ungehindert genützt. Die Vorbesitzer hätten diese Grundstücke schon seit 1929

bewirtschaftet. Das Beweisverfahren habe keinen Anhaltspunkt dafür erbracht, daß der Weg ursprünglich einmal 4 m breit gewesen sei. Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Kläger den südlichen Teil des Grasweges ersessen hätten und die Ersitzungszeit schon 1969 abgelaufen sei.

Der Gemeingebrauch sei nur auf dem nördlichen Teil des Weges bis zu einer Breite von 2,30 bis 2,40 m ausgeübt worden. Die Kläger hätten sich gegen eine Verbreiterung des Weges durch Einschlagen von Pflöcken zur Wehr gesetzt. Sie seien berechtigt, mit Unterlassungsklage eine weitere Verbreiterung des Weges zu verhindern.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge, wies das Klagebegehren ab und sprach aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei.

Das Berufungsgericht stellte ergänzend fest, daß die ursprüngliche Grenze zwischen dem Weggrundstück 433 und den Grundstücken 223/1 Wiese und 225/1 Acker der Kläger unkenntlich geworden sei. Grenzzeichen seien nicht vorhanden und eine einverständliche Grenzberichtigung oder Grenzerneuerung nicht erfolgt. Sowohl aus der im Jahre 1870 erstellten Urmappe als auch aus der derzeitigen Grundbuchsmappe ergebe sich eine Wegbreite von ungefähr 4 m. Sonstige Vermessungsunterlagen seien nicht vorhanden. Die nördliche Grenze des Weggrundstückes 433 decke sich etwa mit dem am nördlichen Wegrand auf dem Wegrain stehenden sehr alten Bäumen. Daraus sei der Schluß zu ziehen, daß das Weggrundstück 433 von den im Interesse des Beklagten den Weg benützenden Fahrzeugen nicht verlassen worden sei. Wenn auch die Grundbuchsmappe nur der Veranschaulichung der Lage der Grundstücke diene, biete sie mangels Rekonstruierbarkeit des tatsächlichen Grenzverlaufes (in Verbindung mit anderen Tatumständen) Grund genug zur Annahme, daß das Weggrundstück breiter sei, als dies von den Klägern insbesondere seit 1970 angenommen worden sei.

Den Klägern sei damit der Beweis, daß Fahrzeuge des Beklagten jemals die an das Weggrundstück südlich anschließenden Grundstücke 223/1 Wiese und 225/1 Acker befahren hätten, nicht gelungen. Ob die Kläger einen halben Meter breiten Streifen des Weggrundstückes 433 ersessen hätten - der Beklagte bekämpfe diese Tatsachenfeststellungen - , könne dahingestellt bleiben, weil es dazu des Nachweises alleinger Besitzhandlungen der Kläger bedurft hätte, in denen die volle Zugehörigkeit dieses Grundstreifens zu ihrem Besitze zum Ausdruck komme, wozu die Kläger nicht einmal ausreichende Prozeßbehauptungen aufgestellt hätten. Zudem beziehe sich aber das Unterlassungsbegehren nicht auf das Befahren von Teilen des Weggrundstückes 433 durch den Beklagten. Auch eine allfällige Ersitzung hätte zu keiner Änderung der Grundstücksgrenzen führen können. Maßgeblich sei der zur Zeit der Grundbuchsanlegung in der Natur bestehende oder seither veränderte Grenzverlauf. Spätere Veränderungen des Grenzverlaufes seien nur insoweit rechtswirksam, als ihnen ein bücherlicher Eigentumswechsel am betroffenen Grundstreifen oder aber eine Berichtigung einer strittigen Grenze zugrundeliege. Beides sei hier nicht der Fall. Der allenfalls ersessene Teil des Weggrundstückes 433 sei auch nicht im Sinne der §§ 404 ff ABGB den Grundstücken 223/1 Wiese und 225/1 Acker der Kläger zugewachsen.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Kläger ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerber behaupten, die Feststellung des Berufungsgerichtes, die Grenze zwischen den Grundstücken 223/1 Wiese und 225/1 Acker einerseits und dem Grundstück 433 Weg andererseits sei unkenntlich geworden, widerspreche der Aktenlage, weil das Erstgericht genaue Feststellungen über die Wegbreite getroffen habe. Sie zeigen mit dieser Rüge keine Aktenwidrigkeit auf, sondern bekämpfen in Wahrheit die im Wege der Beweisergänzung getroffenen Feststellungen des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger Beweiswürdigung, was im Revisionsverfahren unzulässig ist. Das Erstgericht hat wohl Feststellungen über die Breite getroffen, in der das Grundstück 433 Weg von Tiergespannen und später von Kraftfahrzeugen benützt wurde, nicht aber über die natürliche Grenze dieses Grundstückes, die, wie das Berufungsgericht im Rahmen seiner Beweiswürdigung ausführte, mit der Breite der jeweils benützten Fahrspuren nicht übereinstimmen muß, da zu einem Weg üblicherweise auch ein Wegrain gehört. Das Berufungsgericht verkannte auch das Wesen der Grundbuchsmappe nicht, die (außerhalb des Geltungsbereiches des Vermessungsgesetzes) bloß der Veranschaulichung der Lage der Grundstücke dient (SZ 51/64; SZ 38/32;

1 Ob 29/80 uva; Klang 2 II 338; Feil, Angewandtes Grundbuchsrecht 16;

derselbe, Grundbuchsrecht 18). Diese (eingeschränkte rechtliche) Bedeutung der Grundbuchsmappe macht es aber nicht unzulässig, die Mappendarstellung neben anderen Umständen zu Schlüssen über den Verlauf einer Grenze heranzuziehen, da der Mappe bei der Feststellung der Grenzen eine gewisse Beweiskraft zukommen kann (Spielbüchler, Grundbuch und Grenze, JBl 1980, 170 FN 4). Bei der rechtlichen Beurteilung ist daher von der Feststellung der zweiten Instanz auszugehen, daß das Grundstück 433 Weg breiter ist als die Kulturgrenze, die sich seit etwa 1970 allmählich herausbildete, weshalb dessen (unkenntlich gewordene) Südgrenze von den Fahrzeugen, die im Interesse des Beklagten den Weg befuhren, nicht überschritten wurde. Damit ist aber dem Klagebegehren, den Beklagten schuldig zu erkennen, das Befahren der Grundstücke 223/1 Wiese und 225/1 Acker zu unterlassen, der Boden entzogen. Die behauptete und vom Erstgericht festgestellte - vom Beklagten in ihren tatsächlichen Voraussetzungen im Berufungsverfahren bekämpfte - Ersitzung von Teilen des Grundstückes 433 Weg bietet diesem Klagebegehren keine Stütze. Auch wenn die Kläger Teile des Grundstückes 433 Weg ersessen hätten, wäre das auf Unterlassung des Befahrens der Grundstücke 223/1 Wiese und 225/1 Acker gerichtete Klagebegehren nicht begründet, weil die Ersitzung zwar originär, also ohne Verbücherung Eigentum verschafft (SZ 50/23; Klang 2 II 356;

Spielbüchler in Rummel ABGB, Rdz 2 zu 431; Gschnitzer-Faistenburger u. a., Sachenrecht 2 39, 121; Koziol-Welser 7 II 77), aber die Grundstücksgrenze und damit die Zugehörigkeit des ersessenen Grundstreifens zum Weggrundstück 433 nicht ändern konnte und somit der allenfalls ersessene Teil dieses Grundstückes nicht den Grundstücken 223/1 Wiese und 225/1 Acker, auf die sich das Klagebegehren ausschließlich bezieht, zugewachsen ist. Der Grenzverlauf zwischen zwei Grundstücken kann nur durch einen bücherlichen Eigentumswechsel oder durch eine Berichtigung der strittigen Grenze geändert werden (vgl. SZ 50/23; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 1498, Spielbüchler in JBl 1980, 173). Da die Kläger in erster Linie den Standpunkt aufrechterhielten, die wahre Grenze zwischen den Grundstücken 223/1 Wiese und 225/1 Acker einerseits und dem Grundstück 433 Weg andererseits sei seit jeher so verlaufen, daß das Grundstück 433 Weg nur eine Breite von 2 m habe und sich nur vorsichtshalber - für den Fall, daß es breiter sei - auf eine Ersitzung von Teilen dieses Grundstückes stützten, also hilfsweise einen Rechtsgrund geltend machten, der die Berechtigung des Hauptbegehrens ausschließt, hätten sie ein Eventualbegehren auf Unterlassung der Benützung eines bestimmt bezeichneten Teiles dieses Grundstückes stellen müssen. Auf eine solche Klagsänderung hinzuwirken war das Erstgericht weder befugt noch verpflichtet (JBl 1978, 545 ua).

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 5o ZPO.

Anmerkung

E05730

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00583.85.0522.000

Dokumentnummer

JJT_19850522_OGH0002_0010OB00583_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten