TE Vwgh Erkenntnis 2005/6/22 2004/09/0038

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Veröffentlicht am 22.06.2005
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

BDG 1979 §112 Abs1;
BDG 1979 §118 Abs1;
BDG 1979 §43 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Graf und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Lier, über den Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22. März 2004, GZ. 33 Cg 18/03i-8, auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheides des Bezirksgendarmeriekommandos Wien-Umgebung vom 19. Dezember 2001, Zl. 6531/970/01, betreffend vorläufige Suspendierung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (weitere Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens: B in G; Bund ("Republik Österreich"), Bundesministerium für Inneres, vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17 - 19, 1011 Wien; Bezirksgendarmeriekommando Wien-Umgebung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Antrag wird als unbegründet abgewiesen.

Die Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bilden weitere Verfahrenskosten des vor dem Antrag stellenden Gericht anhängigen Verfahrens.

Begründung

Beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ist zur Zl. 33 Cg 18/03i ein Rechtsstreit zwischen GrInsp. B als Kläger und dem Bund ("Republik Österreich") anhängig, in welchem der Kläger von der beklagten Partei aus dem Titel der Amtshaftung die Bezahlung eines Betrages von EUR 912,97 samt Anhang mit der Begründung begehrt, ihm sei in dieser Höhe ein Schaden infolge Verdienstentganges durch die vom Bezirksgendarmeriekommando Wien-Umgebung am 19. Dezember 2001 ausgesprochene vorläufige Suspendierung gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 entstanden.

Aus Anlass dieses Rechtsstreites stellte das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien gemäß § 11 Abs. 1 des Amtshaftungsgesetzes - AHG, den Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge die Rechtswidrigkeit des angeführten Bescheides feststellen.

Mit Bescheid des Bezirksgendarmeriekommandos Wien-Umgebung vom 19. Dezember 2001 wurde GrInsp. B gemäß § 112 Abs. 1 BDG 1979 mit sofortiger Wirkung vorläufig vom Dienst suspendiert, weil er in dringendem Verdacht stand, am 15. Dezember 2001 gegen

23.30 Uhr anlässlich seines dienstlichen Einschreitens gegen den alkoholisierten M.V. diesen in seiner Wohnung in G, Hstraße, durch Schläge in das Gesicht bzw. auf den Hinterkopf sowie durch Fußtritte in die Magengegend und durch heftige Stöße gegen seinen Körper, wodurch er gegen eine Wohnzimmerwand gefallen sei, am Körper misshandelt und dadurch verletzt zu haben. Es sei auch das vom Bezirksgendarmeriekommando Wien-Umgebung wegen einer eingebrachten Misshandlungsbeschwerde ermittelte Erhebungsergebnis in Entsprechung des Erlasses des Bundesministeriums für Inneres vom 10. November 2000, Zl. 64.000/231-II/20/00, am 18. Dezember 2001 um 15.10 Uhr in Form einer Sachverhaltsdarstellung der Staatsanwaltschaft am Landesgericht Korneuburg (U 324003) zur Anzeige gebracht worden. Der Beamte habe durch sein Verhalten seine Dienstpflichten hinsichtlich der Bestimmungen der §§ 43 Abs. 1 und 2 BDG 1969 auf eine Art verletzt, dass durch seine weitere Belassung im Dienst sowohl wesentliche Interessen des Dienstes bzw. das Ansehen des Amtes als auch das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben im besonderen Maße gefährdet erschienen, weshalb wie im Spruch zu entscheiden gewesen sei. Der Entscheidung über die vorläufige Suspendierung des Beamten liege im Übrigen eine dienstliche Weisung des Leiters der Abteilung II/B/4 des Bundesministeriums für Inneres, Gendarmeriezentralkommando General H. zu Grunde.

Das Antrag stellende Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hält den angeführten Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil im Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides bereits folgender Wissensstand hinsichtlich des Vorfalles vom 15. Dezember 2001 bestanden habe:

"F teilte dem BGK Wien-Umgebung am 17.12.2001 um 14.45 Uhr telefonisch mit, dass er sich gegen den ihm bekannten GrInsp B des GP G wegen eines Übergriffes beschweren möchte.

Zur Erhebung der Anschuldigungen wurde F von Mjr R des BGK Wien-Umgebung am 18.12.2001 um 11.50 Uhr an seiner Wohnadresse in G, Hstraße, aufgesucht.

F teilte mit, dass am 15.12.2001 gegen 23.30 Uhr bis 24.00 Uhr die Gendarmerie in seinem Haus in G, Hstraße, gewesen sei, da ein Nachbar, Herr V, in stark alkoholisiertem Zustand eine Scheibe im Erdgeschoß bei der Familie T eingeschlagen habe. Es sei sehr laut im Haus gewesen und so habe er seine Türe geöffnet und gesehen, wie GrInsp B den V am Arm die Treppen heraufgebracht habe, vor dessen Wohnungstüre gestellt und wieder nach unten gegangen sei. Kurz danach sei GrInsp B wieder heraufgekommen, sei zu V gegangen und habe diesen in das Wohnungsinnere gestoßen und hinter sich die Türe geschlossen. Danach habe F Schreien und dumpfe Aufprallgeräusche aus dem Wohnungsinneren wahrgenommen, und er habe den Eindruck gehabt, dort finde eine Rauferei statt. Danach habe sich die Türe geöffnet und GrInsp B sei herausgekommen. Er (F) sei in seiner halb geöffneten Eingangstüre gestanden und habe gesagt: "He Oida, wos is denn do los?", habe mit "Oida" allerdings nicht den Beamten gemeint. Hinter ihm sei seine Freundin C gestanden. Daraufhin sei der Beamte auf ihn zugekommen, habe ihn im Brustbereich am Leiberl gepackt und ganz nah zu sich gezogen. Dann habe der Beamte seine Brille von den Augen auf den Kopf hinaufgeschoben und gemeint, 'so eine schöne Brille, es wäre schade, würde diese kaputt werden'. Danach habe der Beamte ihn nach rückwärts in die Wohnung gestoßen. Nachdem die Beamten gegangen seien, habe ihm V erzählt, dass er von GrInsp B in der Wohnung geschlagen worden sei.

Diese Angaben wurden von der Lebensgefährtin des F, C, bestätigt.

Aufgrund dieser Angaben wurde von Mjr R Herr V in der Nachbarwohnung aufgesucht.

V gab an, er sei am 15.12.2001 gegen 23.30 Uhr nach Hause gekommen. Er sei alkoholisiert gewesen. Der im Erdgeschoß wohnende Herr T habe ihm die Eingangstüre aufgemacht und sei verärgert gewesen, da er offensichtlich laut gewesen sei und die Leute aufgeweckt habe. Aus diesem Grund habe er von Herrn T eine Ohrfeige bekommen, sei aber dadurch nicht verletzt worden und sehe ein, dass er diese Ohrfeige verdient habe. Jedenfalls sei er zur Wohnung von T und in seinem Rausch mit der Hand durch eine dortige Glasscheibe gefahren, wobei diese kaputt gegangen sei und er sich an der Hand verletzt habe. Dann sei die Gendarmerie gekommen, wobei der eine Beamte, der ihm bekannte RevInsp L, und der zweite, ein großer blonder Beamter (Anm.: GrInsp B), der erst kurz in G sei, gewesen sei. Der große Blonde habe mit ihm geschrieen und seine Freundin L B nach ihrer Wohnung gefragt. Dann habe dieser Beamte ihn am Arm erfasst und gemeinsam seien sie die Stufen in den 2. Stock hinaufgegangen. Er sei vorausgegangen und der Beamte hinter ihm, als er im 2. Halbstock von hinten einen Faustschlag an die rechte Gesichtshälfte erhalten habe, dass er zu Boden gestürzt sei. Er sei dann von beiden Beamten wieder aufgehoben und nach oben getragen worden und ca. 2 m vor der Wohnungstüre habe er abermals einen Faustschlag von hinten an die rechte Gesichtshälfte erhalten, dass er wieder zu Boden gefallen sei. Nachdem er sich hochgerappelt habe, sei der Beamte ihn angesprungen und habe ihm mit dem Fuß in den Bauch getreten, dass er in das Wohnungsinnere gestürzt sei. Dann seien beide Beamte in das Wohnungsinnere nachgekommen und hätten die Türe geschlossen. Dort sei er dann wieder von dem großen Blonden erfasst, ins Wohnzimmer gezogen und gegen die Wand gestoßen worden. Danach sei er wieder von diesem Beamten erfasst und über den Boden ins Vorzimmer geschliffen und gegen die Wand gestoßen worden. Ab da könne er sich an nichts mehr erinnern. Der andere Beamte, RevInsp L, habe ihm nichts getan.

Auf die Frage, ob er verletzt worden sei, gab V an, dass er Schmerzen im Rippenbereich rechts und im Mundbereich habe. V wurde eingeladen, ein ärztliches Attest beizubringen, was er zusagte. Im Zuge eines Telefonates am 18.12.2001 um 18.20 Uhr gab V an, sein Hausarzt habe keine Verletzungen festgestellt, er werde aber noch ein Krankenhaus aufsuchen.

Die Lebensgefährtin von V, Frau L B, gab auf Befragen an, dass sie zu dem Zeitpunkt, als der große, blonde Beamte mit ihrem Freund nach oben gegangen sei, gerade mit dem Aufwischen des Blutes vor der Wohnung der Familie T beschäftigt gewesen sei, als sie Schreie ihres Freundes von oben gehört habe. Sie sei hinauf gelaufen und da seien beide Beamte gerade aus ihrer Wohnung gekommen, hätten ihr noch gesagt, jetzt müsse Ruhe sein und seien gegangen. In der Wohnung habe sie im Vorraum in einer Ecke ihren Freund am Boden liegend vorgefunden. Sie sei erschrocken gewesen und habe sich um ihn gekümmert, dieser habe aber auf nichts reagiert. Daraufhin sei sie zu ihrem Nachbarn, Herrn F, um mit dessen Handy die Rettung anzurufen. Die Sanitäter hätten ihr am Telefon erklärt, was sie machen könne. Ihr Freund sei dann erwacht, nachdem sie ihm ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet habe. Als erste Reaktion habe ihr Freund sie gebeten, die 'Polizisten' wegzutun und habe dieser offensichtlich Angst vor den Beamten gehabt. Kurz nachdem die beiden Sanitäter der Rettungsstelle Gö, einen mit Namen 'H' habe sie gekannt, erschienen seien, seien auch die beiden Gendarmeriebeamten wieder gekommen. Sie habe den großen, blonden Beamten zur Rede gestellt und ihm gesagt, er habe ihren Freund geschlagen, woraufhin dieser gemeint habe, sie bilde sich dies nur ein.

Danach sei RevInsp L mit ihr in ein angrenzendes Zimmer und habe auf ihre Frage, ob der große Blonde ihren Mann geschlagen habe, dies zugegeben. Gleichzeitig habe er aber gemeint, sie solle den Mund halten, es gäbe sonst nur Probleme. Auch sei ihr zuvor aufgefallen, dass der große Blonde zu einem Sanitäter gesagt habe:

'Weißt eh, du hast nichts gesehen.' Danach sei dieser Beamte mit ihr ins Wohnzimmer gegangen, sie habe ein Glas Wasser getrunken, da habe dieser gemeint, 'eine schöne große Wohnung, wäre schade, wenn man diese verlieren würde'. Dies habe sie als Drohung aufgefasst.

Am Gendarmerieposten G wurde dann im Beisein des Postenkommandanten BezInsp W der involvierte Beamte RevInsp L befragt. Dieser gab nach Aufforderung zur wahrheitsgetreuen Schilderung an, dass er mit Erhebungen im Erdgeschoß beschäftigt gewesen sei, als GrInsp B mit V nach oben gegangen sei. Es sei richtig, dass im Haus geschrieen worden sei, das sei durch die Alkoholisierung des V und durch die allgemeine Situation allerdings logisch gewesen. Nachdem GrInsp B wieder heruntergekommen sei, seien sie kurz danach wieder zu zweit nach oben gegangen. Dort sei V vor seiner Wohnungstüre gestanden und habe sie beschimpft. Da habe GrInsp B den V am Körper erfasst und in das Wohnungsinnere gestoßen. Dabei habe GrInsp B dem V noch eine sogenannte 'Gnack-Watschn' - einen Schlag gegen den Hinterkopf - versetzt. Im Inneren der Wohnung seien dann GrInsp B und V sich vis-a-vis sehr nahegestanden, wobei V lauthals mit GrInsp B geschrieen habe. Da habe GrInsp B den V abermals am Körper erfasst und zu einem Kasten gedrückt. Auch dabei habe GrInsp B dem V noch eine leichte Ohrfeige über den Hinterkopf versetzt. Eine Verletzung habe er (RevInsp L) bei V nicht erkennen können. Umso überraschter sei er dann gewesen, als sie später kurz nach der Rettung wieder gekommen seien und der V im Vorraum am Boden gelegen sei. V sei im Gesicht blutverschmiert gewesen, er habe dies aber auf dessen Verletzung durch den Glasbruch und das Greifen ins Gesicht zurückgeführt. Er selbst habe V keinesfalls angegriffen. Nachdem sie aus der Wohnung V gekommen seien, habe der F den GrInsp B mit "Oida, wos ist denn do los" angesprochen, woraufhin GrInsp B zu F auf "Tuchfühlung" gegangen sei, diesen am T-Shirt erfasst, die Brille von den Augen auf den Kopf geschoben und ihn dann leicht ins Wohnungsinnere gestoßen habe. Die Anschuldigungen der massiven körperlichen Angriffe von GrInsp B auf V könne er allerdings nicht bestätigen bzw. habe er außer den geschilderten keine weiteren wahrgenommen.

GrInsp B gab bei seiner Erstbefragung an, V nicht geschlagen oder getreten zu haben. Überhaupt habe er versucht, die Amtshandlung nicht eskalieren zu lassen, was angesichts der Alkoholisierung des V ohnehin ein schwieriges Unterfangen gewesen sei.

Auf Hinweis, dass es Zeugenaussagen mit Bezug auf eine Handgreiflichkeit gäbe, räumte GrInsp B ein, dass es möglich sei, dass er V beim Versuch, vom Gang in die Wohnung zu bringen, an der Schulter erfasst habe und dabei mit dem Unterarm am Kopf des V gestreift sei. Einen aktiven, bewussten Angriff auf V stellte der Beamte massiv in Abrede."

In der Begründung des vorliegenden Antrages heißt es weiter, aufgrund dieser vorläufigen Erhebungsergebnisse, nämlich der widersprüchlichen Angaben der Beteiligten unter Berücksichtigung der Persönlichkeitsbilder von V(stark alkoholisiert) und des F(bei diesem sei am 27. März 2001 durch das Koat Neubau der BPD Wien eine Hausdurchsuchung wegen Verdacht des Suchtmittelhandels durchgeführt worden) sei zunächst vom Bezirksgendarmeriekommandanten keine vorläufige Suspendierung von GrInsp B angeordnet worden, der Beamte sei aber bis zum Einlangen einer Entscheidung des Gerichtes vorläufig zum Gendarmerieposten Ge zugeteilt worden. Nach den zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorlie-genden Erhebungsergebnissen gegen GrInsp B sei nach Ansicht des Gerichtes nicht mehr ein entsprechend konkreter Verdacht einer Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 112 Abs. 1 BDG 1979 vorgelegen, dies aufgrund der bereits dargelegten widersprüchlichen Aussagen, der geschilderten Persönlichkeitsbilder der involvierten Zeugen V und F und dem weiteren Umstand, dass der Zeuge V selbst bei einem Telefonat am 18. Dezember 2001 angegeben habe, sein Hausarzt hätte keine Verletzungen feststellen können. Es fehlten sohin hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte, die die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigten. Nach den vorläufigen Erhebungsergebnissen hätte lediglich von einem konkreten Verdacht ausgegangen werden können, dass GrInsp B V am Körper erfasst und in das Wohnungsinnere gestoßen habe, als dieser nicht in die Wohnung hätte zurückgehen wollen, wobei GrInsp B ihm noch eine sogenannte 'Gnack-Watschn' - einen Schlag gegen den Hinterkopf - versetzt hätte und den V, als er weiter in seiner Wohnung geschrieen habe, am Körper erfasst, zu einem Kasten gedrückt und ihm eine leichte Ohrfeige über den Hinterkopf versetzt hätte. Dieses Verhalten könne zwar den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung gem. § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 begründen, allerdings nicht in solcher Intensität, dass durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzung das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interessen des Dienstes gefährdet würden.

Die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Verwaltungsgerichtshof auftragsgemäß vorgelegt.

Sowohl GrInsp B als auch das Bezirksgendarmeriekommando Wien-Umgebung erstatteten Äußerungen, jeweils mit dem Antrag, den Antrag des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien zurück- bzw. abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 112 Abs. 1 und 2 BDG 1979 lauten:

"Suspendierung

§ 112 (1) Wird über den Beamten die Untersuchungshaft verhängt oder wird durch die Belassung des Beamten im Dienst wegen der Art der ihm zur Last gelegten Dienstpflichtverletzungen das Ansehen des Amtes oder wesentliche Interesses gefährdet, so hat die Dienstbehörde die vorläufige Suspendierung zu verfügen.

(2) Gegen die vorläufige Suspendierung ist kein Rechtsmittel zulässig."

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, stellt die Suspendierung - ebenso wie die nach denselben inhaltlichen Vorschriften zu verfügende vorläufige Suspendierung - als sichernde, bei Zutreffen der gesetzlichen Voraussetzungen im Verdachtsbereich zu treffende Maßnahme keine endgültige Lösung dar; sie steht in engem Zusammenhang mit dem Verdacht gegen einen Beamten, eine gravierende Dienstpflichtverletzung begangen zu haben, und weist damit auch einen engen Nahebezug zum Disziplinarverfahren auf. Es braucht daher nicht nachgewiesen zu werden, dass der Beamte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Diese Aufgabe kommt erst den Disziplinarbehörden im Disziplinarverfahren zu. Es genügt, wenn gegen den Beschuldigten ein Verdacht besteht. Dies ist dann der Fall, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Ein Verdacht kann nur auf Grund einer Schlussfolgerung aus Tatsachen entstehen. Die Berechtigung zur Verfügung der Suspendierung liegt allein in dem Bedürfnis, noch vor der Klärung der Frage des Vorliegens einer Dienstpflichtverletzung in der abschließenden Entscheidung über die angemessene Disziplinarstrafe des Beamten eine den Verwaltungsaufgaben und dem Dienstbetrieb dienende, vorübergehende Sicherungsmaßnahme zu treffen.

Im Hinblick auf diese Funktion der Suspendierung können an die in der Begründung eines die vorläufige Suspendierung verfügenden Bescheides darzulegenden Tatsachen, die den Verdacht einer Dienstpflichtverletzung begründen, keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Vielmehr muss das dem Beamten im Suspendierungsbescheid zur Last gelegte Verhalten, das im Verdachtsbereich als Dienstpflichtverletzung erachtet wurde, nur in groben Umrissen beschrieben werden; die einzelnen Fakten müssen nicht bestimmt, d.h. in den für eine Subsumtion relevanten Einzelheiten beschrieben werden. In der Begründung des Suspendierungsbescheides ist darzulegen, warum sich nach dem geschilderten Verhalten der Verdacht einer die Suspendierung rechtfertigenden Dienstpflichtverletzung ergibt. Bloße Gerüchte und vage Vermutungen reichen für eine vorläufige Suspendierung nicht aus. Vielmehr müssen greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung in ausreichender Schwere sowohl in Richtung auf die objektive wie die subjektive Tatseite gegeben sein, welche die von § 112 Abs. 1 BDG 1979 geforderten Tatbestände als Voraussetzungen erfüllen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 2004, Zl. 2001/09/0133). Allerdings ist eine Suspendierung unzulässig, wenn bereits im Zeitpunkt der Entscheidung über ihre Verfügung offenkundig ist, das heißt auf der Hand liegt, dass die Voraussetzungen für die Einstellung des Disziplinarverfahrens vorliegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 2004, Zl. 2002/09/0212). Dies wäre etwa bei inzwischen eingetretener Verjährung, bei bloßem Bagatellcharakter der zur Last gelegten Tat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 1995, Zl. 94/09/0105) oder bereits diagnostizierter Schuldunfähigkeit des Beschuldigten der Fall. Ob diese Offenkundigkeit gegeben ist, kann jeweils nur im Einzelfall beurteilt werden.

Entgegen der vom antragstellenden Gericht vertretenen Ansicht erscheinen die im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits bekannten Erhebungsergebnisse vom 18. Dezember 2001 geeignet, einen Verdacht einer "ihrer Art nach" gravierenden Dienstpflichtverletzung und damit eine vorläufige Suspendierung des Beamten zu begründen, liegen doch Aussagen vor, die den Kläger des Amtshaftungsverfahrens eindeutig und konkret solcher Handlungen bezichtigen, die jedenfalls Übergriffe in Bezug auf die körperliche Integrität der zu beamtshandelnden Person darstellen. Dass diese - im Übrigen nur geringfügig voneinander abweichenden - Aussagen zum Teil von Personen getätigt wurden, die die Behörde offenbar einem sozial bedenklichen Umfeld zuordnet, nimmt diesen Aussagen nicht die Eignung, darauf einen konkreten Verdacht im oben beschriebenen Sinne zu gründen. Es obliegt in der Folge der Disziplinarkommission, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung auf Grund eigener Wahrnehmungen beweiswürdigend zu beurteilen, ob den Angaben der vernommenen Personen Glauben zu schenken ist oder nicht. Dass die vorliegenden Zeugenaussagen bloßen "Gerüchten" oder "vagen Vermutungen" gleichzuhalten gewesen wären, kann auch nicht gesagt werden, hatte doch auch der von der Dienstbehörde einvernommene Kollege des Amthaftungsklägers tätliche Übergriffe desselben sowohl auf den alkoholisierten V ("...am Körper erfasst und in das Wohnungsinnere gestoßen...", "G'nack-Watschen", ....innerhalb der Wohnung abermals "am Körper erfasst und zu einem Kasten gedrückt"...., ...wiederum eine "leichte Ohrfeige über den Hinterkopf versetzt"...) als auch gegenüber dem unbeteiligten F (..."auf Tuchfühlung gegangen".., .."diesen am T-Shirt erfasst, die Brille von den Augen auf den Kopf geschoben und ihn dann leicht ins Wohnungsinnere gestoßen..."), wenn auch in weniger schwerwiegender Art als von den Betroffenen geschildert, bestätigt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass der Kläger zunächst jede Art von Angriffen auf den alkoholisierten V zur Gänze abstritt und sich dadurch einem Widerspruch mit den Angaben seines Kollegen aussetzte. Ein ausreichender Verdacht betreffend eine nicht unerhebliche Dienstpflichtverletzung lag somit gegen den Beamten auch am Tag der Erlassung des Bescheides über die Suspendierung noch vor.

Auch die Art der dem Beamten vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung war nicht dergestalt, dass sie eine Suspendierung von vornherein hätte rechtswidrig erscheinen lassen.

Der in § 43 Abs. 2 BDG enthaltene Begriff "Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben" bedeutet nichts anderes, als die allgemeine Wertschätzung, die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt bzw. nach dem Willen des Gesetzgebers genießen soll. Exekutivbeamte als Vertreter der Ordnungsgewalt haben u.a. die Aufgabe, Angriffen gegen die körperliche Unversehrtheit einer Person entgegen zu treten; solche Übergriffe zu unterbinden gehört damit zum Kernbereich ihrer Aufgaben. Aus diesem Grunde bilden aggressive Übergriffe von Exekutivbeamten auf die körperliche Integrität von Personen in der Regel Dienstpflichtverletzungen, denen nicht bloß Bagatellcharakter zukommt und die daher geeignet sind, die Suspendierung zu rechtfertigen. Dabei ist es für die Qualifikation als Dienstpflichtverletzung unerheblich, ob der Misshandelte tatsächlich Verletzungen davon getragen hat oder nicht.

Dabei ist aus der hier gebotenen ex ante Beurteilung nicht von Bedeutung, dass die vorläufige Suspendierung im Beschwerdefall tatsächlich durch die Disziplinarkommission mit Bescheid vom 9. Jänner 2002 aufgehoben und das Strafverfahren wegen des Verdachtes der Vergehen nach §§ 83 Abs. 1 und 313 StGB gemäß § 90 Abs. 1 StPO am 15. März 2002 eingestellt wurde.

Da sohin der Bescheid vom 19. Dezember 2001 den materiellen und formellen Begründungserfordernissen entsprach, war der gemäß § 11 Abs. 1 AHG gestellte Antrag als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenausspruch gründet sich auf § 68 VwGG.

Wien, am 22. Juni 2005

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2004090038.X00

Im RIS seit

19.07.2005

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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