TE OGH 1985/5/23 8Ob24/85

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.1985
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Kropfitsch und Dr.Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hannelore A, Angestellte, Wien 8., Lange Gasse 14/2/41, vertreten durch Dr.Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) B C D, Wien 6., Rahlgasse 3, 2.) Hartmuth E, Gemeindebediensteter, Wien 21., Karl Benz-Weg 34, beide vertreten durch Dr.Konrad Kuderna, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlich S 262.118,15 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16.Jänner 1985, GZ 16 R 248/84-59, womit infolge Berufung der klagenden Partei und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 22.Juni 1984, GZ 24 Cg 703/81-50, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 10.641,07 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen von S 1.920,-, die Umsatzsteuer von S 792,82) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte von den Beklagten den Ersatz ihrer beim Unfall vom 17.Mai 1979 erlittenen Schäden und die Zahlung von Schmerzengeld. Der Zweitbeklagte habe den Unfall als Straßenbahnführer der Erstbeklagten verschuldet.

Mit dem Teilurteil des Oberlandesgerichtes Wien vom 3.Dezember 1982, mit dem das Zwischenund Teilurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 28.Juli 1982 abgeändert wurde, wurde festgestellt, daß die Beklagten der Klägerin für alle in Zukunft entstehenden Schäden aus dem genannten Verkehrsunfall zu 2/3 zu haften haben. Die Beklagten wurden verpflichtet, der Klägerin S 64.264,33 s.A. zu bezahlen. Das Mehrbegehren von S 14.132,17 s.A. wurde abgewiesen. Hinsichtlich eines Betrages von S 68.000,-- (Schmerzengeld) wurde das Ersturteil aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufgetragen. Im weiteren Verfahren des zweiten Rechtsganges wurde der Klägerin antragsgemäß die Einbringung eines Schriftsatzes zur Präzisierung eines bisher nicht behandelten Verdienstentgangsbegehrens binnen vier Wochen aufgetragen.

Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist sprach das Erstgericht mit dem Beschluß vom 2o.Dezember 1983 außerhalb der mündlichen Verhandlung und von Amts wegen aus, daß der Klägerin eine Frist von vier Wochen zur Vorlage von Beweismitteln zur Höhe des Verdienstentganges gesetzt werde, spätere Beweismittel wären ausgeschlossen. Auch diese Frist verstrich fruchtlos. Erst am 14.März 1984

langte beim Erstgericht ein Schriftsatz unter Anschluß einer Bestätigung der Wiener Gebietskrankenkasse vom 15.April 1982 ein, in welchem eine Berechnung des Verdienstentganges unter Berücksichtigung des Deckungsfonds vorgenommen wurde und sowohl das Verdienstentgangsbegehren (unter Berücksichtigung des Verdienstentganges bis 31.Dezember 1983) als auch das Schmerzengeldbegehren ausgedehnt wurden und wonach das Urteilsbegehren unter Berücksichtigung von Zahlungen in Höhe von S 268.870,-- auf S 284.162,-- s.A. lautete.

In ihrer Gegenäußerung vom 2.April 1984 wiesen die Beklagten auf die Verspätung des Schriftsatzes samt dem angeschlossenen Beweismittel hin und beantragten im übrigen die Abweisung des ausgedehnten Begehrens.

Das Erstgericht erkannte nunmehr mit Endurteil die Beklagten zur ungeteilten Hand schuldig, der Klägerin S 68.838,11 s.A. zu bezahlen und wies ein Mehrbegehren von S 215.323,89 s.A. ab. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, zurück, gab der Berufung der Klägerin nicht, hingegen jener der Beklagten Folge und änderte die erstgerichtliche Entscheidung dahin ab, daß es - ohne Berücksichtigung der Klageausdehnung vom 14.März 1984, jedoch unter Bedachtnahme auf das Vorbringen in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 28.Juli 1982 - das restliche Klagebegehren von S 262.118,15 s.A. abwies. Das Gericht zweiter Instanz verwies darauf, daß nach dem vollen Beweis machenden Inhalt des Protokolls über die Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 24.April 1984 in dieser Tagsatzung die bisherigen Verhandlungsergebnisse gemäß § 138 ZPO wiederholt wurden. Ein Vortrag oder auch nur eine Verlesung der Schriftsätze vom 14.März 1984 und 2.April 1984 fand nicht statt. Neben anderen Urkunden legte der Klagevertreter die mit seinem Schriftsatz vorgelegte Urkunde Beil./C (neuerlich) vor, ohne daß diese Urkunden verlesen worden wären oder die Gegenseite hiezu eine Stellungnahme abgegeben hätte. Lediglich die Leistungen der Sozialversicherung an die Klägerin laut Beil./C wurden außer Streit gestellt. Außerdem ersuchte der Klagevertreter um die Erteilung einer Frist von 14 Tagen zur Vorlage der Kontoauszüge über die Gehaltsempfänge. Dieser Beweisantrag wurde vom Erstgericht als verspätet zurückgewiesen. Im übrigen sprach es aus, daß weitere Beweismittel ausgeschlossen seien und spätestens mit dem Schriftsatz hätten vorgelegt werden müssen. Hierauf wurde die Verhandlung geschlossen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung werde eine Klageausdehnung erst mit dem Vortrag des sie ankündigenden Schriftsatzes in der mündlichen Streitverhandlung wirksam. Vereinzelten gegenteiligen Auffassungen der Literatur sei angesichts des klaren Wortlautes des § 232 Abs 2 ZPO nicht zu folgen. Die Revision werde jedoch zugelassen, weil die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht ganz einhellig gewesen sei und zwei gegenteilige Auffassungen der Literatur vorlägen.

Gegen die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin, in welcher sie Revisionsgründe gemäß § 503 Abs 1 Z 2

und 4 geltend macht und beantragt, das berufungsgerichtliche Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagten beantragen in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zwar im Sinn der zutreffenden Darstellung des Berufungsgerichtes zulässig, jedoch nicht berechtigt:

Die Klägerin vertritt unter beiden herangezogenen Revisionsgründen im wesentlichen den Standpunkt, daß es nicht auf den Vortrag des bezogenen Schriftsatzes ankam, sondern darauf, daß das Erstgericht auf der Grundlage der Schriftsätze vom 14.März 1984 und 2.April 1984 'unzweifelhaft' verhandelt habe.

Dem kann jedoch schon in seinem Ausgangspunkt nicht gefolgt werden, weil die Klägerin in der 'unzweifelhaften' Annahme, daß auf der Grundlage der beiden genannten Schriftsätze verhandelt wurde, von einem Sachverhalt ausgeht, den die Vorinstanzen nicht festgestellt haben. Aus dem Wortlaut des in AS 247 f. vorliegenden Tagsatzungsprotokoll vom 24.April 1984 läßt sich für den Standpunkt der Klägerin nichts gewinnen. Es kommt vielmehr darauf an, ob § 232 Abs 2 ZPO dahin verstanden werden kann, daß die Streitanhängigkeit eines erst im Laufe des Verfahrens erhobenen Anspruches auf die Einbringung des die Klageausdehnung enthaltenden Schriftsatzes zurückbezogen werden kann oder nicht. Dem steht der Wortlaut dieser Bestimmung entgegen, wonach die Streitanhängigkeit in Ansehung dieses (neuen) Anspruches mit dem Zeitpunkt eintritt, in welchem derselbe bei der mündlichen Verhandlung geltend gemacht wurde. Es ist demgemäß ständige Rechtsprechung aus jüngerer Zeit (EvBl 1972/25; EvBl 1982/141; JBl 1984, 270; JBl 1985, 49 u.a.), daß die in einem vorbereiteten Schriftsatz 'erklärte' Klageausdehnung erst mit dem Vortrag des Schriftsatzes in der mündlichen Verhandlung wirksam wird. Der einen gegenteiligen Standpunkt vertretenden Ansicht Böhms, RZ 1980, 45 f. hält schon Fasching, Zivilprozeßrecht, 1181 entgegen, daß sie auch im Widerspruch mit § 235 ZPO steht, wonach Klagserweiterungen und Klagsänderungen erst dann rechtswirksam werden, wenn sich der Gegner zustimmend geäußert oder ohne Widerspruch in die Verhandlung über das geänderte Begehren eingelassen hat oder das Gericht die Klageausdehnung ausdrücklich zuläßt; beides kann nur in der mündlichen Verhandlung erfolgen. Der Artikel Böhms wurde auch in der in den JBl 1985, 49 veröffentlichten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes 1 Ob 33,34/83 behandelt. Der Oberste Gerichtshof sah sich unter eingehender Darstellung der dafür maßgebenden Gründe nicht veranlaßt, von seiner nunmehr ständigen Rechtsprechung abzugehen. Diese trifft auch auf den vorliegenden Fall zu, in welchem der schriftlich angestrebten Ausdehnung des Klagebegehrens der gemäß § 232 Abs 2 ZPO erforderliche mündliche Vortrag in der bezogenen Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung mangelte. Der Vortrag wäre aber selbst nach der im übrigen die Ansicht Böhms vertretenden Argumentation P. Bydlinski in F 1984, 242, 249, der diese Problematik im Zusammenhang mit der Unterbrechung der Verjährung behandelt, erforderlich gewesen, um die Streitanhängigkeit des bisher nur mit Schriftsatz gestellten Begehrens zu begründen. Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E05806

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00024.85.0523.000

Dokumentnummer

JJT_19850523_OGH0002_0080OB00024_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten