TE OGH 1985/5/23 8Ob563/85

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Veröffentlicht am 23.05.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ö*****, vertreten durch Dr. Josef Lenz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herta F*****, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 57.000 S samt Anhang, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 30. Jänner 1985, GZ. 4 R 282/84-13, womit das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 28. Juli 1984, GZ. 14 a Cg 150/83-9, unter Rechtskraftvorbehalt aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei ist ein gemeinnütziger Verein, der den Modellflugsport betreibt. Zu diesem Zweck hat die klagende Partei von der Beklagten mit dem Vertrag vom 12. 1. 1964 und Nachtrag vom 3. 4. 1964 Teile von der Beklagten gehörigen Grundstücken zur Anlegung eines Modellflugplatzes in Bestand genommen. Als Bestandzins wurde ein Betrag von 6.000 S jährlich vereinbart, der in Anlehnung an den Verpflegungskostensatz für die dritte Verpflegsklasse des Landeskrankenhauses Salzburg wertgesichert wurde. Auf Grund dieser Vereinbarung begehrt die Beklagte für das Jahr 1982 von der klagenden Partei einen Bestandzins von 68.196 S, den die klagende Partei am 1. 5. 1982 auch bezahlt hat.

Mit der am 25. April 1983 beim Landesgericht Salzburg erhobenen Klage begehrt die klagende Partei die Rückzahlung des Betrages von 57.000 S samt Anhang. Das Bestandverhältnis unterliege den Bestimmungen des Spielplatzschutzgesetzes vom 22. Juli 1920, StGBl.Nr. 334. Bei Anwendung des § 2 dieses Gesetzes sei lediglich ein Jahreszins von 11.000 S gerechtfertigt. Außerdem entspräche die Auswirkung der vereinbarten Wertsicherungsklausel nicht dem Parteiwillen, weil lediglich an die Abgeltung des Kaufkraftverlustes gedacht gewesen sei. Diese Wertsicherungsvereinbarung würde lediglich einen Bestandzins von 14.000 S jährlich rechtfertigen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Spielplatzschutzgesetz sei auf den streitgegenständlichen Bestandvertrag gar nicht anwendbar. Das Bestandobjekt diene keineswegs als Spiel-, Sport- oder Turnplatz im Sinne des genannten Gesetzes. Allfällige Rückzahlungsforderungen seien durch die Zahlung des vereinbarten Bestandzinses „über Jahrzehnte“ verjährt. Im übrigen entspräche die Wertsicherungsklausel dem beiderseitigen Parteiwillen bei Vertragsabschluß. Schließlich wendete die Beklagte noch für den Fall des Rechtsbestandes der Klagsforderung dieser gegenüber nicht näher konkretisierte Schadenersatzforderungen aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß das Klagebegehren dem Grunde nach zu Recht bestehe. Es traf über den bereits wiedergegebenen Sachverhalt hinaus im einzelnen Feststellungen über den Inhalt der Satzungen der klagenden Partei über deren Ziel und Zweck sowie die ihr zur Verfügung stehenden Mittel, über Art und Umfang der Möglichkeiten der Ausübung des Modellflugsportes durch Mitglieder und Nichtmitglieder des Vereines und die Aktivitäten des Vereines selbst.

In rechtlicher Hinsicht zog das Erstgericht aus den getroffenen Feststellungen den Schluß, daß das Bestandobjekt den im § 1 des Spielplatzschutzgesetzes beschriebenen Zwecke diene. Der Modellflugsport sei als Körpersport anerkannt und werde auf dem streitgegenständlichen Flugplatz einem breiten Interessentenkreis ermöglicht. Damit unterliege der gegenständliche Bestandvertrag den Zinsbildungsvorschriften des § 2 des genannten Gesetzes. Was entgegen dieser Bestimmung geleistet worden sei, könne gemäß § 3 Abs. 2 des genannten Gesetzes zurückgefordert werden, wobei die Verjährung des Rückforderungsanspruches erst nach einem Jahr eintrete. Schon aus der Anwendung des Spielplatzschutzgesetzes ergebe sich, daß die der Höhe nach mit 1,-- S außer Streit gestellte Klagsforderung dem Grunde nach zu Recht bestehe.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Zwischenurteil auf und verwies die Rechtssache unter Beisetzung eines Rechtskraftvorbehaltes zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Prozeßgericht zurück. Den Gesetzesmaterialien zum Spielplatzschutzgesetz vom 22. 7. 1920, StGBl.Nr. 334/1920, sei zu entnehmen, daß es nur auf solche Bestandverträge Anwendung finden sollte, die zur Zeit des Inkrafttretens des Gesetzes bereits abgeschlossen gewesen seien. Einen derartigen Hinweis enthielte die Gesetzesvorlage der Staatsregierung (868 der Beilagen für die konstituierende Nationalversammlung), in der die vorläufigen gesetzlichen Maßnahmen zur Behebung der Spielplatznot damit begründet worden seien, daß „die vorhandenen Spielplätze ihrem bisherigen Zweck erhalten bleiben sollen“. Diesem Zweck diene das Spielplatzschutzgesetz (S. 11 der Beilagen). Fast gleichlautend sei der Gesetzeszweck im Bericht des Ausschusses für soziale Verwaltung zur Gesetzesvorlage der Staatsregierung definiert (929 der Beilagen für die konstituierende Nationalversammlung, S. 2). Im letztlich beschlossenen Gesetzestext kommt dies auch deutlich zum Ausdruck, weil § 1 den Geltungsbereich der „nachstehenden Bestimmungen“ auf jene Spiel-, Sport- oder Turnplätze beschränke, die für den Betrieb von Körperpflege und Leibesübungen in gemeinnütziger Weise „verwendet werden“. Damit stimme überein, daß § 2 des Spielplatzschutzgesetzes lediglich die „bisherigen“ Bestandzinse einer Regelung unterwerfe. Hinsichtlich des im Gesetz vorgesehenen Kündigungsschutzes (§§ 4, 5) habe denn auch die Judikatur bereits wiederholt ausgesprochen, daß er sich nur auf jene Bestandverträge erstrecke, die bereits vor dem Inkrafttreten des Spielplatzschutzgesetzes abgeschlossen worden seien (MietSlg. 138, 7947 = JBl. 1960 S 448, MietSlg. 19.177, 27.333 ua). Gleiches gelte für die Zinsbildungsvorschriften des Spielplatzschutzgesetzes (in diesem Sinn wohl MietSlg. 34.373), weshalb sich die Beklagte – wenn auch mit anderer Begründung –zu Recht darauf berufe, daß die Klagsforderung in den §§ 2 und 3 des Spielplatzschutzgesetzes 1920 keine Deckung finde. Damit sei der einzige vom Erstgericht bisher geprüfte Rechtsgrund des Klagebegehrens weggefallen. Zu untersuchen bleibe, ob die Aufwertung des Bestandzinses in Anlehnung an den Verpflegskostensatz des Landeskrankenhauses Salzburg tatsächlich dem beiderseitigen Parteiwillen bei Vertragsabschluß zuwiderlaufe. Die hiezu angebotenen Beweise seien zwar aufgenommen, aus rechtlichen Erwägungen aber nicht verwertet worden. Dies werde das Erstgericht nachzuholen haben (§ 496 Abs. 3 ZPO).

Die Beisetzung des Rechtskraftvorbehaltes begründete das Berufungsgericht damit, daß der Oberste Gerichtshof zwar zu der Anwendbarkeit der Kündigungsbestimmungen des Spielplatzschutzgesetzes ausdrücklich Stellung genommen habe, nicht aber zur Anwendbarkeit der Zinsbildungsvorschriften dieses Gesetzes.

Gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Sachentscheidung aufzutragen.

Die Beklagte beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs keine Folge zu geben; hilfsweise beantragte sie die Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Die Rekurswerberin wendet sich gegen die vom Berufungsgericht angenommene Beschränkung der Anwendbarkeit des genannten Gesetzes auf Bestandverträge, die bereits im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes bestanden hätten. Nach den Auslegungsregeln komme es zunächst auf den Wortlaut des Gesetzes und die wörtliche Auslegung an und seien Gesetzesmaterialien nur dann heranzuziehen, wenn eine wörtliche Auslegung nicht zum Ziele führe und Zweifelsfragen offen blieben. Die Formulierung des § 1 des Spielplatzschutzgesetzes führe keinesfalls zwingend zu der vom Berufungsgericht vorgenommenen Interpretation, sie bedeute lediglich, daß die Qualifikation dieser Verwendung bei der Anwendung des Gesetzes auf einen konkreten Bestandvertrag im Zeitpunkt der Anwendung vorliegen müsse. Dem Gesetzgeber sei durchaus zuzumuten, daß er dann, wenn er wirklich die vom Oberlandesgericht und der bisherigen Judikatur dem Gesetz beigelegte Einengung bei der Beschlußfassung über das Gesetz beabsichtigt hätte, dies auch klar im Wortlaut zum Ausdruck gebracht hätte. Auch die Formulierung des § 2 „... Bestandzinses, den der Bestandnehmer bisher oder den der letzte Bestandnehmer zu zahlen hatte“ stehe der klaren Bestimmung des § 1 nicht entgegen, weil damit nur die Zinsbildung für die erstmalige Vereinbarung eines Bestandzinses nach Inkrafttreten des Gesetzes freigegeben und nur im Rahmen des § 879 ABGB begrenzt sei, danach aber die Anwendung des Gesetzes im konkreten Fall dieser vereinbarte Bestandzins als bisheriger Bestandzins bezüglich der Erhöhung der Beschränkung des § 2 Abs. 1 unterliege. Die aus der wörtlichen Auslegung zu gewinnende Erkenntnis über die allgemeine Anwendbarkeit des Gesetzes werde auch durch die Gesetzesmaterialien nicht zwingend widerlegt. Schließlich ergebe sich auch noch aus dem Zusammenhang des Spielplatzschutzgesetzes mit dem Spielplatzanforderungs-gesetz vom gleichen Tage ein wesentliches Argument für die Richtigkeit der von der Rekurswerberin vertretenen Rechtsauffassung. Wenn es die Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, mit diesen beiden Gesetzen das Spielplatzproblem für Vergangenheit und Zukunft zu lösen, so wäre bei der vom Berufungsgericht und in der bisherigen Judikatur vertretenen Ansicht das Gesetzgebungswerk lückenhaft und die Absicht des Gesetzgebers jedenfalls großteils vereitelt. Dem kann nicht gefolgt werden.

Für die Auslegung von generell abstrakten Normen geben die §§ 6 und 7 ABGB grundsätzlich Anweisungen. § 6 stellt sowohl auf die „eigentümliche Bedeutung der Worte“, und zwar „in ihrem Zusammenhang“, was der Wortinterpretation unter Berücksichtigung des Bedeutungszusammenhanges und der Gesetzessystematik entspricht (Koziol-Welser6 I 15), als auch auf die „klare Absicht des Gesetzgebers“ ab und schreibt damit die Erforschung der Absicht des Gesetzgebers vor. Dabei bietet sich die sogenannte historische Interpretation, die nach dem Willen des geschichtlichen Gesetzgebers forscht, als Lösungsmöglichkeit an. Anhaltspunkte in diesem Sinne finden sich etwa in Regierungsvorlagen, Ausschußberichten und stenographischen Protokollen zu Parlamentssitzungen (Koziol-Welser6 I 19). Da die Auslegung ein dialektischer Prozeß ist und außerdem eine generelle erschöpfende Rangordnung der einzelnen Auslegungskriterien nicht aufgestellt werden kann (Bydlinski in Rummel, ABGB, Rdz 25 zu § 6), dürfen die verschiedenen Auslegungsmethoden nicht mechanisch hintereinander angewendet werden (Koziol-Welser6 I 20), es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung vorzunehmen (Bydlinski, aaO, Rdz 25 zu § 6) und unter Heranziehung aller zur Verfügung stehender Kriterien in wertender Entscheidung der Sinn der Regelung klarzustellen (Koziol-Welser6 I 21 unter Hinweis auf SZ 47/65). Der Oberste Gerichtshof hat – wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte – in wiederholten Entscheidungen zur Frage des zeitlichen Geltungsbereiches des Spielplatzschutzgesetzes Stellung genommen und ausgesprochen, daß nur solche Mietverhältnisse den Kündigungsbeschränkungen des Spielplatzschutzgesetzes unterliegen, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes begründet wurden. Diese Auslegung beruhte auf dem Wortlaut des § 1 dieses Gesetzes (wonach die Bestimmungen auf Bestandverträge Anwendung zu finden haben, die als Spiel-, Sport- oder Turnplätze für den Betrieb von Körperpflege ... verwendet werden) und den Bestimmungen des Gesetzes über die Regelung der Zinsgestaltung hinsichtlich solcher Bestandverträge (§ 2: ... Bestandzins, den der Bestandnehmer bisher oder den der letzte Bestandnehmer zu zahlen hatte ...) und dem Fehlen einer Regelung über die Angemessenheit einer erstmaligen Festsetzung des Mietzinses bei einem erst nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zustandegekommenen Bestandvertrages im Zusammenhang mit den auch vom Berufungsgericht dargestellten Gesetzesmaterialien, wobei auch darauf hingewiesen wurde, daß das am selben Tag erlassene Spielplatzanforderungsgesetz (StGBl. 1920/335), das hauptsächlich auf die Neuerrichtung der genannten Plätze gerichtet ist, wohl eine Regelung über die Zinsgestaltung enthält (vgl. § 2 leg.cit.). Der Oberste Gerichtshof hat in seiner in MietSlg. 138 veröffentlichten Entscheidung diese Auslegungskriterien ausdrücklich gebilligt und ausgesprochen, daß § 1 des genannten Gesetzes in Verbindung mit den erwähnten stenographischen Protokollen keine andere Auslegung zulasse als die, daß das Gesetz nur die im Zeitpunkt seines Inkrafttretens bereits bestehenden Bestandverhältnisse erfassen wollte. An dieser auf der klaren Gesetzeslage beruhenden Auslegung hat der Oberste Gerichtshof bisher festgehalten (MietSlg. 7947, 19.177). Die im Rekurs zur Stützung der gegenteiligen Ansicht vorgetragenen Argumente vermögen demgegenüber nicht zu überzeugen. Es besteht daher kein Anlaß, von der bisher schon vertretenen Rechtsmeinung abzugehen. In der Ablehnung der Anwendbarkeit der Bestimmungen des Spielplatzschutzgesetzes auf den vorliegenden Bestandvertrag durch das Berufungsgericht kann daher kein Rechtsirrtum erblickt werden.

Mangels Spruchreife der Rechtssache entspricht der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß der Sach- und Rechtslage. Dem Rekurs der klagenden Partei mußte daher der Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E130949

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00563.850.0523.000

Im RIS seit

22.03.2021

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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