TE OGH 1985/5/30 7Ob29/84

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Veröffentlicht am 30.05.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Petrasch sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Friedl, Dr. Wurz und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** Versicherungs-Aktiengesellschaft in *****, vertreten durch Dr. Gerhard Blasche, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann R*****, vertreten durch Dr. Harald Beck, Rechtsanwalt in Eisenstadt, wegen 818.000 S samt Nebengebühren, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 23. Mai 1984, GZ 4 R 71/84-57, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Handelsgericht vom 16. Jänner 1984, GZ 1 Cg 204/83-50, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 16.986 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.400 S Barauslagen und 1.326 S USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei, die als Transportversicherer der J***** Gesellschaft mbH (im Folgenden kurz: GesmbH) deren Schaden an Kiwi-Früchten aus einem Verkehrsunfall vom 12. Jni 1980 in Italien in der Höhe des Klagsbetrags ersetzt hat, nimmt beim beklagten Frachtführer Regress gemäß Art 17 Abs 1 CMR wegen der schuldhaften Verursachung dieses Unfalls durch den Fahrzeuglenker. Der Beklagte bestritt vor allem, als Frachtführer tätig geworden zu sein.

Der Erstrichter gab dem Klagebegehren teilweise statt. Er sprach der klagenden Partei 405.680 S sA zu und wies das Mehrbegehren ab. Nach seinen Feststellungen war der beklagte Landesproduktenhändler und Transportunternehmer am Großmarkt Inzersdorf mit Johann J***** und Ernst M***** bekannt geworden, die nach Kenntnis des Beklagten an verschiedenen Firmen gemeinsam beteiligt waren; nähere Kenntnisse darüber besaß der Beklagte nicht. Über ihr Ersuchen stellte der Beklagte den Genannten im Frühjahr 1980 einen LKW für Obsttransporte innerhalb Österreichs gegen ein wöchentliches Entgelt von 4.000 S zur Verfügung. Nach einiger Zeit teilte Johann J***** dem Beklagten telefonisch mit, dass er mit diesem LKW einen größeren Obsttransport nach Italien durchführen wolle. Der Beklagte, dem bewusst war, dass für diesen Transport jemand als Frachtführer auftreten und die erforderlichen Dokumente besorgen und fertigen musste, erklärte sich einverstanden, dies zu übernehmen. Er schloss am 21. Mai 1980 eine Kaskoversicherung für den LKW auf unbestimmte Zeit ab, besorgte eine grüne Versicherungskarte und stellte weiters die erforderlichen Frachtdokumente und eine Stampiglie seiner Firma für den Transport zur Verfügung. Es war ihm bewusst, dass er bei diesem Transport demnach als Frachtführer auftreten werde, und er war damit einverstanden. Der Beklagte interessierte sich allerdings nicht dafür, welcher Fahrer mit dem Lenken seines LKW bei diesem Transport beauftragt wurde, und überließ dies Johann J*****. Dieser nahm den sonst als Taxilenker tätigen Wolfgang S***** für die Fahrt auf. Am 11. Juni 1980 wurde ein nicht dem Beklagten gehörender LKW-Anhänger mit 4.610 Kartons kalifornischer Kiwi-Früchte beladen, deren Verkehrswert 1.014,200 S betrug. Wolfgang S***** fuhr dann mit dem LKW-Zug zur italienischen Grenze. Dort traf er vereinbarungsgemäß mit Johann J***** zusammen, der ihm nun erklärte, der LKW „dürfe nicht in Verona ankommen“, und verlangte, dass S***** vor Erreichen des Ziels einen Unfall verursachen solle. Dafür bot J***** S***** Geld, er drohte ihm aber auch mit Unannehmlichkeiten für seine Familie, falls er diesem Wunsch nicht entsprechen würde. S***** lehnte das Ansinnen zwar zunächst ab, entschloss sich aber letztlich doch, dem Wunsch zu entsprechen, und führte den strittigen Unfall bewusst herbei. Der Beklagte machte in der Folge seinen Fahrzeugschaden beim Kaskoversicherer geltend und verneinte im Schadensbericht die Frage nach einer Vermietung des Fahrzeugs im Unfallszeitpunkt. Er erhielt eine Totalschadensablöse. Der Beklagte hatte für seine Auslandstransporte überdies einen CMR-Versicherungsvertrag abgeschlossen, in dessen Rahmen er am 21. Juli 1980 auch den strittigen Transport von Wien nach Verona meldete. Der CMR-Versicherer lehnte eine Deckung wegen Verspätung dieser Meldung ab.

Nach der Rechtsansicht des Erstrichters habe der Beklagte den strittigen Transport als Frachtführer übernommen. Er hafte für das Verschulden des mit seiner zumindest konkludenten Zustimmung seitens der „Firma J*****“ mit der Durchführung des Transports betrauten Fahrers nach CMR wie für sein eigenes Verschulden, selbst wenn der unmittelbare Auftrag zum Lenken des Fahrzeugs durch J***** erfolgt sei. Die klagende Partei als Legalzessionar der GesmbH müsse sich aber das vom Beklagten konkludent eingewendete Mitverschulden des Geschädigten anrechnen lassen, dessen Geschäftsführer den Fahrer zur Begehung der Tat angestiftet und überredet hatte. Da dieses Mitverschulden mit 60 % anzusetzen sei, habe der Beklagte 40 % des eingetretenen Schadens zu ersetzen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge, wohl aber der Berufung des Beklagten, und änderte das Ersturteil im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens ab. Die zweite Instanz übernahm die Tatsachenfeststellungen des Erstrichters als unbedenkliches Ergebnis eines mängelfreien Verfahrens (mit einer bei der obigen Wiedergabe der Feststellungen bereits berücksichtigten Ausnahme) und vertrat die Rechtsansicht, dass das Klagebegehren aus mehreren Gründen schon dem Grunde nach nicht berechtigt sei. Zunächst sei den Feststellungen des Erstrichters unmissverständlich zu entnehmen, dass nicht die GesmbH Vertragspartnerin des Beklagten gewesen sei, sondern Johann J***** selbst, der dem Beklagten gegenüber auch nicht als Organ der GesmbH aufgetreten sei. Von dieser als der Versicherungsnehmerin der Klägerin hätten deshalb keine Ansprüche gegen den Beklagten im Wege des § 67 Abs 1 VersVG übergehen können. Entgegen der Meinung des Erstgerichts sei der Beklagte überdies im maßgeblichen Innenverhältnis auch nicht Frachtführer gewesen, weil er bloß die LKW-Zugmaschine entgeltlich zur Verfügung gestellt und nur nach außen hin für die Beförderung über die Grenze die Stellung eines Frachtführers übernommen habe, während Johann J***** selbst die Beförderung durchgeführt und für die Beistellung eines Fahrers gesorgt habe. Der Beklagte habe den von J***** vorsätzlich herbeigeführten Schaden weder verursacht noch verschuldet. Schließlich habe die klagende Partei die Versicherungsteilleistung zu Unrecht erbracht, weil sie gemäß § 131 Abs 1 VersVG für den von ihrem Versicherungsnehmer vorsätzlich verursachten Schaden gar nicht gehaftet habe.

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Annahme des Berufungsgerichts, dass nicht die Versicherungsnehmerin der klagenden Partei, nämlich die J***** Gesellschaft mbH Vertragspartner des Beklagten gewesen sei, geht allerdings nach der zutreffenden Rüge der Revisionswerberin über die vom Beklagten in erster Instanz erhobenen Einwendungen hinaus und widerspricht auch dem vorliegenden Frachtbrief, in dem die GesmbH als Versenderin aufscheint. Es hätte deshalb zumindest einer Erörterung dieser Frage mit den Parteien bedurft. Die Berechtigung des Klagsanspruchs wäre weiters auch davon unabhängig, ob die klagende Partei ihrem Versicherungsnehmer eine nicht gebührende Deckung gewährt hat. Der Forderungsübergang nach § 67 Abs 1 VersVG setzt bloß die tatsächliche Leistung an den Versicherungsnehmer im Rahmen des versicherten Risikos ohne Rücksicht darauf voraus, ob eine Leistungspflicht bestand (EvBl 1965/400 ua; Prölss-Martin, VVG23 410 mwN). Schließlich ist das vom Erstrichter angenommene, von der zweiten Instanz aber nicht mehr geprüfte Mitverschulden der Versicherungsnehmerin der klagenden Partei außer Betracht zu lassen, weil der Beklagte (unverständlicherweise) in erster Instanz die vorsätzliche Herbeiführung des Schadensfalls durch den Versender und Versicherungsnehmer nicht eingewendet hat und überschießende Tatsachenfeststellungen des Erstrichters nur im Rahmen der erhobenen Einwendungen zu berücksichtigen gewesen wären.

Beizupflichten ist jedoch der Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Beklagte gar nicht als Frachtführer anzusehen ist. Ein Frachtvertrag setzt nach § 425 HGB und Art 1 Z 1 CMR die Übernahme der entgeltlichen Beförderung von Gütern voraus, dass also der Erfolg, nämlich die Verbringung von Ort zu Ort, geschuldet wird (ZfRV 1981, 44 und EvBl 1984/13 mwN). Die Tatsache und der Inhalt des ausgestellten Frachtbriefs sind gemäß Art 9 CMR in diesem Zusammenhang nur bis zum Beweise des Gegenteils von Bedeutung. Da überdies keine dritten Personen Ansprüche erheben, sondern noch die Parteien des ursprünglichen Vertrags, auf der Klagsseite bloß durch einen Legalzessionar repräsentiert, einander gegenüberstehen, ist es nach der zutreffenden Ansicht des Berufungsgerichts ohne Bedeutung, wie der Beklagte nach außen hin aufgetreten ist. Es ist vielmehr die wahre Vertragsgestaltung im Innenverhältnis maßgebend. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ist der vorliegende Fall durchaus mit denen der oben genannten Vorentscheidungen vergleichbar. Der Beklagte übernahm nicht die Beförderung des ins Ausland versendeten Gutes, sei es auch durch einen Dritten, sondern stellte bloß im Rahmen eines Mietvertrags sein Fahrzeug, sogar ohne Beistellung eines Fahrers, sowie seinen Namen für die Grenzpapiere zur Verfügung. Den Transport der Ware hatte demgegenüber Johann J***** oder die GesmbH selbst durchzuführen.

Die gegenteiligen Argumente der Revisionswerberin vermögen nicht zu überzeugen. Der Beklagte ist zwar auch als Transportunternehmer selbständig gewerblich tätig und er wusste, dass er für den strittigen Transport als Frachtführer auftrete. Das betrifft aber das hier nicht entscheidende Außenverhältnis. Mit der Durchführung des Transports hatte der Beklagte aber nichts zu tun. Daran ändert auch der vorliegende Schriftverkehr nichts, in dem sich der Beklagte zunächst – durch die Verfahrensergebnisse dann widerlegt – als Frachtführer bezeichnet und angegeben hatte, dass das Fahrzeug zum Unfallszeitpunkt nicht vermietet gewesen sei. Bloße Wissenserklärungen dieser Art standen einer gegenteiligen Feststellung aufgrund des durchgeführten Beweisverfahrens nicht entgegen. Dies gilt auch im Zusammenhang mit der Tatsache, dass der Beklagte den strittigen Transport zu seiner CMR-Polizze gemeldet und auch den Schaden dort (vergeblich) angezeigt hat. Die Übernahme einer Obsorgepflicht für diesen Transport hat aber entgegen der Meinung der Revisionswerberin im Verhältnis zwischen ihrem Legalzedenten und dem Beklagten eben nicht stattgefunden.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E116999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0070OB00029.840.0530.000

Im RIS seit

06.02.2017

Zuletzt aktualisiert am

06.02.2017
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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