TE OGH 1985/5/30 12Os46/85

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Veröffentlicht am 30.05.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Mai 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral (Berichterstatter), Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Rechberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Roland A wegen des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 10. Oktober 1984, GZ. 4 a Vr 1496/83-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, des Angeklagten Roland A, dessen gesetzlichen Vertreters Josef A und des Verteidigers Rechtsanwalt Dr. Othmar Slunsky zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben, der Strafausspruch aufgehoben und gemäß § 13 JGG. der Ausspruch und die Vollstreckung der Strafe für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufgeschoben. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 12.August 1968 geborene Versicherungsangestellte Roland A des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB. schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 6.September 1983 in Kaltenleutgeben fahrlässig den Tod der Paula B herbeigeführt zu haben. Das Erstgericht stellte im wesentlichen fest:

Der im Straßenverkehr routinierte Angeklagte Roland A ist Amateurradrennfahrer (Österr. Staatsmeister 1984 in seiner Altersklasse). Er trainiert häufig mit seinem Vater Josef A außerhalb Wiens. Auf einer solchen Trainingsfahrt durchquerten am 6. September 1983 der damals fünfzehnjährige Roland A, dessen Vater Josef A und Friedrich C als weiterer Trainingspartner mit ihren Rennrädern gegen 18.15 Uhr das Ortsgebiet von Kaltenleutgeben. Sie hielten auf der 7,50 m breiten trockenen Fahrbahn eine Geschwindigkeit von 30 km/h ein, wobei Josef A die Gruppe in einem Seitenabstand von ca. 1,5 m zum rechten Fahrbahnrand anführte und Friedrich C mit einem Tiefenabstand von mehreren Metern und einer rechtsseitigen Versetzung von etwa 10

bis 15 cm folgte; den Abschluß der Gruppe bildete der Angeklagte Roland A mit einem Tiefenabstand von ca. 2 m und einer rechtsseitigen Versetzung von ca. 30 bis 40 cm zu Friedrich C sowie einem Seitenabstand von 0,75 m zum rechten Fahrbahnrand. Während sich die Radfahrer der späteren Unfallsstelle näherten, benützte die Fußgängerin Paula B den (in Fahrtrichtung der Radfahrer gesehen) rechten Gehsteig der Hauptstraße. Josef A nahm die Frau erstmals aus einer Entfernung von etwa 70 m auf dem Gehsteig gehend wahr. Während Josef A kurz zurückblickte, betrat die Fußgängerin die Fahrbahn und hatte sich auf dieser bereits ca. 1,5 m vom Fahrbahnrand entfernt, als Josef A aus einer Entfernung von ca. 30 bis 40 m erneut auf sie aufmerksam wurde. Er stieß einen Warnruf aus und lenkte sein Rad ohne abruptes Ausschwenken nach links aus, wobei er die Fußgängerin in einem Seitenabstand von ca. 80 bis 90 cm passierte. Der hinter Josef A fahrende Friedrich C reagierte zunächst nicht auf das Fahrverhalten seines Vordermannes, bemerkte jedoch aus einer Entfernung von zumindest 18 m die auf der Fahrbahn stehende Paula B und passierte sie nach einem leichten Auslenken gleichfalls linksseitig. Der Angeklagte Roland A, der den Warnruf seines Vaters gehört hatte, nahm die Fußgängerin erst nach dem Linksausschwenken seines unmittelbaren Vordermannes aus einer Entfernung von etwa 10 m wahr und versuchte sie rechtsseitig (in dem dem rechten Gehsteigrand vorgelagerten Fahrbahnbereich) zu passieren. Da Paula B gleichzeitig einen Schritt zurücktrat, wurde sie vom Rennrad des Angeklagten erfaßt und niedergestoßen. Sie erlitt Serienrippenbrüche, eine Milzzertrümmerung sowie zahlreiche Abschürfungen und verstarb nach Hinzutreten einer Lungenembolie und Lungenentzündung am 6.Oktober 1983.

Der Angeklagte Roland A bekämpft den Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 4, 5 und 9 lit. a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund sieht der Beschwerdeführer in der Abweisung des (erstmals mit Schriftsatz vom 30.April 1984 - ON. 16 d.A. - gestellten und in der Hauptverhandlung vom 19.Dezember 1984 wiederholten - AS. 146) Antrages auf Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Radrennsportes verwirklicht.

Rechtliche Beurteilung

Die Überprüfbarkeit der Berechtigung eines Beweisantrages setzt jedoch zunächst voraus, daß das bezügliche Beweisthema schon im Antragsvorbringen ausdrücklich bezeichnet wird oder doch dem Sachzusammenhang zu entnehmen ist (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO. 2 , ENr. 18, 19 zu § 281 Abs. 1 Z. 4), wobei stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Antragstellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist, wogegen erst im Rechtsmittelverfahren vorgebrachte Gründe tatsächlicher Art keine Berücksichtigung mehr finden können (a.a.O. ENr. 41). Da eine hinreichende Konkretisierung des Beweisthemas weder der Antragsbegründung noch dem in Betracht kommenden Sachzusammenhang entnommen werden konnte (ein solcher lag im Hinblick auf die allein entscheidungswesentliche zeitliche und örtliche Annäherungskonstellation der beiden unmittelbar an unfallbeteiligten Personen lediglich in Ansehung des Sachverständigen aus dem Verkehrsfach vor), mangelt es an der wesentlichen Voraussetzung einer überprüfbarkeit der behaupteten Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten. Schon aus dieser Sicht kommt daher eine Urteilsnichtigkeit im Sinne des angerufenen Nichtigkeitsgrundes nicht in Betracht.

Insoweit der Beschwerdeführer jedoch (erstmals) in der Verfahrensrüge das mit der Antragstellung verfolgte Ziel in der Richtung konkretisiert, daß eine vom Sachverständigen für Radsportwesen zu erwartende Bestätigung der nicht nur im Inland, sondern auch international etablierten Wettkampftaktik des sogenannten 'Windschattenfahrens' (unter dem Gesichtspunkt der subjektiven Komponenten strafbarer Fahrlässigkeit) eine für den jugendlichen Angeklagten günstigere rechtliche Beurteilung seines unfallsaktuellen Fahrverhaltens nach sich gezogen hätte, ist zu bemerken, daß im Anlaßfall rennsportspezifische Tatsachenaspekte bei der Beurteilung der subjektiven Grenzen strafbarer Fahrlässigkeit vorweg auf sich beruhen können, weil es sich vorliegend um keine Radsportveranstaltung auf einer gesperrten (allenfalls gesonderten Fahrregeln - § 64 Abs. 3 StVO. - unterliegenden) Rennstrecke, sondern um eine (Trainings-)Fahrt im Rahmen des allgemeinen Straßenverkehrs gehandelt hat. Daß aber die Teilnahme am allgemeinen Straßenverkehr über die Erzielung optimaler wettkampfmäßiger Trainingserfolge hinaus entsprechende Rücksichtnahmen erfordert, betrifft eine fundamentale Obliegenheitsfrage, die - wie bei Behandlung der Rechtsrüge noch darzulegen sein wird - in bezug auf einen (noch dazu routinierten) Rennfahrer im Alter von 15 Jahren nicht anders zu beantworten ist wie in Ansehung eines Erwachsenen. In Ausführung des Nichtigkeitsgrundes gemäß § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. wendet sich der Angeklagte gegen die Bejahung der vom Urteilsvorwurf umfaßten Verschuldenskomponenten (überhöhte Fahrgeschwindigkeit, Vernachlässigung der Aufmerksamkeit in optischer wie auch akustischer Hinsicht, mangelnde Bremsreaktion), sachlich jedoch zum überwiegenden Teil nicht formale Begründungsmängel in der Bedeutung dieses Nichtigkeitsgrundes geltend machend, sondern unter Relevierung materiellrechtlicher Gesichtspunkte.

Dies gilt zunächst für die Frage situationsgerechter Angemessenheit der vom Angeklagten (unbestrittenermaßen) eingehaltenen Annäherungsgeschwindigkeit von 30 km/h, deren (relative) überhöhung das Erstgericht entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung - wie noch darzulegen sein wird, zutreffend - (sinngemäß) damit begründet hat, daß das Fahren im Ortsgebiet in dicht gedrängter Gruppe schon mit Rücksicht auf die formationsbedingte Sichtbehinderung und solcherart beschränkte Reaktionsmöglichkeiten lediglich eine niedrigere als die tatsächlich eingehaltene Fahrgeschwindigkeit zugelassen haben würde (vgl. US. 6). Den erneut rechtliche (nicht aber tatsächliche) Belange betreffenden Vorwurf ungenügender Aufmerksamkeit in bezug auf die sich optisch wie auch akustisch ankündigende Gefahrensituation stützt das Erstgericht (schlüssig und) rechtsrichtig im wesentlichen darauf, daß der Angeklagte trotz eines Warnrufes seines die Radfahrergruppe anführenden Vaters Josef A (und unbeschadet dessen Ausweichmanövers) erst dann reagiert hat, als ihm (nach Ausschwenken auch des unmittelbaren Vordermannes Friedrich C) aus der für eine wirksame Abwehrmaßnahme schon zu kurzen Entfernung von bloß 10 m selbst die Sicht auf die Fußgängerin Paula B eröffnet war. Da das angefochtene Urteil ohnedies ausdrücklich davon ausgeht, daß der (vom Angeklagten zugegebenermaßen wahrgenommene - AS. 130) Warnruf des in führender Position fahrenden Josef A der Fußgängerin, nicht aber den Trainingspartnern gegolten hat (US. 4, 5), erweist sich insoweit nicht die Urteilsbegründung, sondern das gegenteilige Vorbringen im Rahmen der Mängelrüge als aktenwidrig.

Fehl geht auch der weitere Beschwerdeeinwand, der Urteilsvorwurf der Unterlassung jedweden Bremsmanövers widerspreche dem Gutachten des verkehrstechnischen Sachverständigen, der eine verspätete Reaktion des Angeklagten ausgeschlossen hätte. Die damit ins Treffen geführte Berechnung des Sachverständigen bezieht sich nämlich ausschließlich auf den Zeitpunkt der tatsächlichen ersten Wahrnehmung der Fußgängerin durch den Angeklagten im Anschluß an das Linksschwenken seines unmittelbaren Vordermannes (AS. 144), während das angefochtene Urteil in diesem Zusammenhang (rechtlich unbedenklich) von einer gebotenen Gefahrenerkennung (und Bremsreaktion) schon auf Grund des Warnrufes ausgeht (vgl. US. 7).

Dessen Eignung zum Gefahrenindiz ist aber dem Beschwerdevorbringen zuwider unabhängig davon, ob Josef A die Fußgängerin oder den Angeklagten durch Zuruf alarmieren wollte, zu bejahen, weil daraus auf jeden Fall das Bestehen einer besondere Aufmerksamkeit erfordernden unklaren Verkehrssituation als Warnungsanlaß erkennbar war. Davon abgesehen kommt in den Urteilsannahmen ohnedies unmißverständlich zum Ausdruck, daß der Warnruf des Josef D unmittelbar der Fußgängerin gegolten hatte (US. 5). Mit dem Akteninhalt nicht im Einklang steht auch die Rüge, der angefochtene Schuldspruch gehe ohne Begründung von einer erstmaligen Wahrnehmung der Fußgängerin durch den Angeklagten aus einer Entfernung von 18 m aus. Bei diesem Beschwerdeeinwand wird nämlich übersehen, daß das Erstgericht die erwähnte Gefahrenerkennungsdistanz nur dem Zeugen Friedrich C, dem Angeklagten jedoch ohnehin bloß die von ihm selbst einbekannte Gefahrenerkennung aus einer Entfernung von 10 m zugeordnet hat (US. 5/6).

In der auf § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO. gestützten Rechtsrüge wendet der Beschwerdeführer zunächst ein, die Beurteilung des inkriminierten Fahrverhaltens als Verstoß gegen § 20 Abs. 1 StVO. sei rechtsirrig, weil die verfahrensaktuelle Problematik des Hintereinanderfahrens nicht von der angeführten Gesetzesbestimmung, sondern von § 18 Abs. 1 StVO. erfaßt werde. Mag dem Beschwerdeführer auch zuzugeben sein, daß bei der konkreten Fallgestaltung primär nicht die vom Angeklagten eingehaltene, auch für die Durchquerung von Ortsgebiet grundsätzlich zulässige Fahrgeschwindigkeit von 30 km/h, sondern vielmehr der offenkundig zu geringe Tiefenabstand zum Vordermann eine das Unfallsereignis (mit-)auslösende Komponente darstellt, so ist damit für den Angeklagten nichts gewonnen. Denn selbst wenn der Vorwurf einer im Sinne des § 20 Abs. 1 StVO. (relativ) überhöhten Annäherungsgeschwindigkeit durch den Vorwurf eines § 18 Abs. 1 StVO. nicht Rechnung tragenden Sicherheitsabstandes zu ersetzen wäre, bliebe es doch im Ergebnis ohne Belang, ob das fehlerhafte Fahrverhalten des Angeklagten einen Verstoß gegen die eine oder gegen die andere der bezeichneten, dem Schutzzweck nach eng verwandten (gleichwertigen) Verkehrsnormen bildet. Dies umsomehr, als dem Angeklagten die Verletzung der objektiven Sorgfaltspflicht nicht nur in dieser Hinsicht, sondern (mit Recht) auch in Richtung der (den Vorwurf strafbarer Fahrlässigkeit von anderen Verschuldenskomponenten unabhängig tragenden) Vernachlässigung gegebener Gefahrenindizien (Warnruf etc.) angelastet wird.

Die Rechtsrüge versagt aber auch, soweit in Wiederholung des (dort fehl am Platz) im Rahmen der Mängelrüge erhobenen Einwandes der subjektiven Fahrlässigkeitsbegrenzung die Exkulpierung des Angeklagten angestrebt wird. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang geltend, daß er durch die jahrelang von seinem Vater als Trainer ausgegangene Anleitung zum sogenannten 'Windschattenfahren' bewußtseinsmäßig dermaßen auf die inkriminierte, einer international üblichen Wettkampftaktik entsprechende Fahrweise eingestellt gewesen sei, daß ihm als Jugendlichem individuell die Einsicht in deren objektive Sorgfaltswidrigkeit verwehrt und ein anderes Verhalten gar nicht zuzumuten gewesen wäre. Damit wird der - allerdings nicht überzeugende - Versuch unternommen, eine subjektive Sorgfaltswidrigkeit und die Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens als Voraussetzungen strafbarer Fahrlässigkeit in Frage zu stellen. Subjektive Sorgfaltswidrigkeit bedeutet (in bezug auf verfahrensaktuelle unbewußte Fahrlässigkeit) die Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt, zu welcher der Handelnde nach den Umständen verpflichtet und nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen befähigt ist (§ 6 Abs. 1 StGB). Mit anderen Worten - dem Täter muß die objektive Sorgfaltswidrigkeit seines Verhaltens, insbesondere dessen deliktstypische Gefährlichkeit, persönlich erkennbar sein (vgl. Burgstaller im WK., Rz. 82 zu § 6 StGB.). Im konkreten Fall ist davon auszugehen, daß der Angeklagte im Unfallszeitpunkt das gesetzliche Mindestalter für Radfahrer von 12 Jahren (§ 65 Abs. 1 StVO.) um drei Jahre überschritten hatte und als verhältnismäßig routinierter Amateurradrennfahrer trainingsbedingt auch über entsprechende Erfahrungen im allgemeinen Straßenverkehr sowie über rennspezifische Erfahrungswerte bezüglich der Risikoträchtigkeit von Fahrpraktiken wie 'Windschatten-' oder 'Pulkfahren' verfügte. So gesehen war seine individuelle Einsichtsfähigkeit aber auch keineswegs überfordert, um die ein Ortsgebiet durchquerende Hauptstraße als außergewöhnlich risikoreichen, mit gesteigerter Aufmerksamkeit zu passierenden (vgl. ZVR. 1969/14) und demzufolge für die Ausübung schon an sich gefahrenträchtiger Trainingspraktiken unzulässigen Ort zu erkennen. Daß sich der allgemeine Straßenverkehr an den der Sicherheit von Personen und Sachwerten dienenden Verkehrsvorschriften, insbesondere der Straßenverkehrsordnung, nicht aber an von sportlichem Erfolgsstreben bestimmten Trainungszielen zu orientieren hat, ist eine elementare Einsicht, die grundsätzlich von jedermann, und somit auch vom Angeklagten, der über beträchtliche Verkehrserfahrung verfügt, verlangt werden muß.

Neben dem Einwand mangelnder subjektiver Sorgfaltswidrigkeit des inkriminierten Fehlverhaltens versagt aber auch jener der Unzumutbarkeit rechtmäßigen Alternativverhaltens. Deren Annahme hätte zur Voraussetzung, daß von einem mit den rechtlich geschützten Werten verbundenen körperlich und geistig mit dem Angeklagten vergleichbaren Menschen in der konkreten Tatsituation eine Einhaltung der objektiven Sorgfaltspflicht realistischerweise nicht zu erwarten war (WK., Rz. 97 zu § 6 StGB.). Bei der gegebenen Sachlage kann aber nicht davon gesprochen werden, daß eine verkehrsbedingte Unterbrechung der gezielt wettkampfmäßigen Trainingsarbeit eine zu hohe Anforderung an einen - wenn auch erfolgreichen und trainingsbeflissenen - jugendlichen Radrennfahrer darstellen würde.

Da somit im Ergebnis keinem der Beschwerdepunkte Berechtigung zukommt, war die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Roland A zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 80 StGB., 11 JGG. eine Freiheitsstrafe von einem Monat. Gemäß § 43 Abs. 1 StGB. wurde der Vollzug der Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung war erschwerend kein Umstand, mildernd der bisherige ordentliche Wandel, das Tatsachengeständnis, die eigene Verletzung und das nicht auszuschließende Mitverschulden der Fußgängerin Paula

B.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte von einer Strafe Abstand zu nehmen.

Die Berufung ist berechtigt.

Zu den vom Erstgericht zutreffend angeführten Strafbemessungsgründen kommt als weiterer Milderungsgrund noch das Mitverschulden des Vaters und Trainers des Angeklagten Josef A hinzu.

Aufgrund des geringen Verschuldens des Angeklagten und seines persönlichen Eindruckes war anzunehmen, daß ein Schuldspruch genügen werde, ihn von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Auch generalpräventive Erwägungen sprechen in diesem exceptionellen Fall nicht gegen die Anwendung des § 13 Abs. 1 JGG.

Es war daher der Berufung Folge zu geben, der Strafausspruch aufzuheben und gemäß § 13 Abs. 1 JGG. der Ausspruch und die Vollstreckung der Strafe für eine angemessene Probezeit von zwei Jahren vorläufig aufzuschieben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Anmerkung

E05840

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0120OS00046.85.0530.000

Dokumentnummer

JJT_19850530_OGH0002_0120OS00046_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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