TE OGH 1985/6/4 11Os75/85

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Veröffentlicht am 04.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider (Berichterstatter) und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin in der Strafsache gegen Kurt A wegen des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengerichtes vom 13.März 1985, GZ. 8 Vr 2.441/84-40, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Strasser, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.Juni 1941 geborene Kurt A des Vergehens der Körperverletzung nach dem § 83 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, 1. am 26.August 1983 dem Hubert B durch Faustschläge ins Gesicht vorsätzlich (leichte) Verletzungen, nämlich Schwellungen an der Nase und an den Lippen, zugefügt und 2. am 17.September 1984 dem - infolge seiner Invalidität (mangelnde Gebrauchsfähigkeit der linken Hand) und Alkoholisierung gleichsam wehrlosen - Hugo C mit Gewalt gegen dessen Person, indem er ihn von einer Parkbank zerrte, zu Boden warf und dort niederhielt (S. 170), 350 S Bargeld, eine Schachtel Zigaretten und ein Gasfeuerzeug mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen zu haben.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Kurt A mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5, 9 lit. a, b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die sich teils als unbegründet, teils als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt erweist:

Entgegen dem Einwand einer Aktenwidrigkeit und (sachlich auch) einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung widersprechen die Urteilsannahmen zu Punkt 1. des Schuldspruches keineswegs den Aussagen des Zeugen Theodor D, denen zufolge es zwischen dem Angeklagten und Hubert B zu einer Rauferei gekommen war, wobei der Zeuge (nur) nicht anzugeben vermochte, ob der Angeklagte mit der (flachen) Hand oder mit der Faust auf Hubert B eingeschlagen sowie ob und welche Verletzungen der Betroffene hiedurch erlitten hatte (S. 162 f.). Die Urteilsfeststellung, der Angeklagte habe Hubert B im Zuge des Raufhandels durch Faustschläge verletzt, ist jedoch der Beschwerdeauffassung zuwider durch diese Zeugenaussage, welche eine solche Alternative des Tatablaufes samt Folgen als möglich erscheinen läßt, gedeckt. Es ist ferner ein Gegensatz zwischen diesen Aussagen und jenen des Opfers sowie des Meldungslegers, auf welche das Erstgericht seine Feststellungen weiters stützt, nicht ersichtlich. Der behauptete formale Begründungsmangel liegt sohin nicht vor.

Die Beweiswürdigung des Erstgerichtes zum Faktum 2. des Schuldspruches und die im Urteil angeführten Gründe, warum der Schöffensenat die Aussagen des Zeugen B für wahr hielt, entsprechen den Erfordernissen der §§ 258 Abs. 2, 270 Abs. 2 Z. 5 StPO. Eine Überprüfung der Glaubwürdigkeit und inneren Beweiskraft der Angaben des Opfers aber, worauf die Nichtigkeitsbeschwerde hinausläuft, ist im Nichtigkeitsverfahren vor dem Obersten Gerichtshof nicht möglich.

Ob sich beide vom Schuldspruch erfaßten Taten im sogenannten 'Sandlermilieu' ereigneten, in welchem sehr häufig 'ein Gerangel oder Gestoße' stattfinde, wobei es zumeist um alkoholische Getränke oder Zigaretten gehe, ist der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützten Rüge zuwider für die rechtliche Beurteilung der Sache unentscheidend. Der behauptete Feststellungsmangel ist daher gleichfalls nicht gegeben. Erneut nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt ist die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO die von Punkt 1. des Schuldspruchs erfaßte Tat rechtlich als fahrlässige Körperverletzung im Sinn des § 88 Abs. 1 StGB gewertet wissen will. Die Geltendmachung eines materiellen Nichtigkeitsgrundes setzt (stets) ein Festhalten an dem im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalt voraus. Dem durch Spruch und Gründe des Urteils vorgegebenen Tatsachensubstrat zufolge verletzte der Angeklagte aber den Hubert B vorsätzlich (§ 5 Abs. 1 StGB) am Körper. Die eine rechtliche Subsumtion der Tat unter das Tatbild eines Fahrlässigkeitsdeliktes anstrebende Rechtsrüge vergleicht daher nicht den vom Gericht festgestellten Sachverhalt mit dem darauf angewendeten Gesetz.

Als sachlich unbegründet erweist sich das weitere Vorbringen unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO, worin der Beschwerdeführer in bezug auf den Schuldspruch Punkt 2. wegen Verbrechens des Raubes nach dem § 142 Abs. 1 StGB das Vorliegen der privilegierenden Voraussetzungen des sogenannten minderschweren Raubes nach dem § 142 Abs. 2 StGB geltend macht: Danach unterliegt einer geringeren Strafdrohung (sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe), wer einen Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begeht, wenn ferner die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB) handelt. Von den kumulativen Voraussetzungen einer solchen Privilegierung fehlt hier schon die Tatbegehung ohne Anwendung erheblicher Gewalt: Als solche Gewalt ist der in brutaler (vehementer) Weise geschehene Einsatz physischer Kraft zu verstehen (vgl. u.a. Kienapfel BT II RN 109; Leukauf-Steininger 2 RN 35 zu § 142 StGB; EvBl. 1981/136). Insofern stellt das Gesetz auf einen relativierenden, gemischt objektiv-individuellen Maßstab ab (vgl. zu § 142 StGB u.a.:

Kienapfel a.a.O. RN 110; Zipf, WK, Rz 47; LSK 1984/77). Angewendet auf den vorliegenden Fall ergibt dieser Grundsatz, daß die vom Erstgericht festgestellte Gewaltanwendung - Zubodenwerfen und Festhalten des durch Invalidität und Alkoholisierung zumindest in seiner Abwehrfähigkeit wesentlich eingeschränkten, wenn nicht sogar (in concreto) hilflosen Opfers (S. 172) - keineswegs mehr unter der Erheblichkeitsschwelle gelegen war, sondern diese Grenzlinie eindeutig überschritten hatte. Die Beurteilung der Tat als Raub nach § 142 Abs. 1 StGB war somit rechtsrichtig.

Letztlich geht auch das auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO gestützte, mangelnde Strafwürdigkeit der Tat im Sinn des § 42 Abs. 1 StGB einwendende Vorbringen fehl. In bezug auf das mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren strafbedrohte Delikt nach dem § 142 Abs. 1 StGB (Punkt 2. des Schuldspruches) fehlt es bereits an der Grundbedingung des § 42 StGB, daß die (von Amts wegen zu verfolgende) Tat mit nicht mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht ist. Zu den (gleichfalls) kumulativen Voraussetzungen des § 42 Abs. 1 StGB zählt ferner jene, daß eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten. Davon kann auch in Ansehung der Körperverletzung (Punkt 1. des Schuldspruches) keine Rede sein, weil der später verübte Raub (Punkt 2. des Schuldspruches) und frühere Verurteilungen des Angeklagten wegen übertretung nach dem § 411 StG sowie wegen Vergehens nach dem § 83 Abs. 1 StGB eine Neigung zur Begehung von Delikten gegen die körperliche Unversehrtheit anderer zeigen.

Aus den angeführten Erwägungen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach dem § 142 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren. Es wertete bei der Strafbemessung das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen und die 'über die Rückfallsqualifikation hinausgehenden' - richtig, weil die Strafbemessungsvorschrift des § 39 StGB (vgl. dazu u.a. Leukauf-Steininger, Komm. 2 , RN 19 zu § 39 StGB) nicht angewendet wurde, alle - auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorstrafen als erschwerend. Ein Milderungsgrund wurde nicht angenommen. Mit seiner Berufung zielt der Angeklagte auf die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Gewährung bedingter Strafnachsicht ab. Auch diesem Rechtsmittel kommt Berechtigung nicht zu. Der Meinung des Berufungswerbers zuwider ist ein geringes Verschulden nicht gegeben, wurden doch beide vom Schuldspruch erfaßten Delikte unter Anwendung erheblicher Gewalt, die Raubtat sogar an einer geistig und körperlich beeinträchtigten Person begangen. Bei der Beurteilung des Schuldgehaltes der Taten unter dem Gesichtspunkt der §§ 32 ff. StGB kommt es auf das - vom Rechtsmittelwerber hervorgehobene - Milieu, dem Täter und Opfer angehören, aber nicht an.

Das Erstgericht stellte - wenn auch in Verkennung der Rechtsnatur des § 39 StGB, so doch im Ergebnis - die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig und vollständig fest und bemaß eine nach Meinung des Obersten Gerichtshofes nicht reduktionsbedürftige Freiheitsstrafe, deren Höhe der Gewährung bedingter Strafnachsicht (§ 43 StGB) zwingend entgegensteht.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch angeführte Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05832

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00075.85.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19850604_OGH0002_0110OS00075_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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