TE OGH 1985/6/4 11Os52/85

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Veröffentlicht am 04.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 4.Juni 1985 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin in der Strafsache gegen Bahij Mohammed A wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach den §§ 75 und 15 StGB als Beteiligter nach dem § 12 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 6. Dezember 1984, GZ 20 a Vr 5.057/81-373, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

1.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Zur Entscheidung über die Berufungen ist das Oberlandesgericht Wien zuständig, dem die Akten zur weiteren Amtshandlung zugeleitet werden.

              3.              Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.Februar 1953 geborene jordanische Staatsangehörige Bahij Mohammed A auf Grund des Wahrspruches der Geschwornen (im dritten Rechtsgang) des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes nach den §§ 75 und 15 StGB als Beteiligter nach dem § 12 (zweiter und dritter Fall) StGB schuldig erkannt, weil er in Wien I./ im April 1981 zur Straftat des Hesham Mohammed B, nämlich zu dem von diesem als Beteiligter nach dem dritten Fall des § 12 StGB verübten Verbrechen des Mordes nach dem § 75 StGB, das B durch Ausforschung des Wohnortes und der Lebensgewohnheiten des Heinz C sowie durch Ankauf einer Natojacke für den unbekannten Täter und durch Auskundschaften des Tatortes und des Fluchtweges begangen hatte, durch Aufforderung beitrug; II./ im August 1981 die abgesondert verfolgten Marwan D und Hesham Mohammed B, die 1./ Nathan E und Ulrike F vorsätzlich töteten, 2./ eine größere, 30 jedenfalls übersteigende Anzahl weiterer Personen, darunter Josef G, Raimund H, Jack I, Siegismund J, Salomon K, Josef L, Joel M, Flora N, Bianca O, Malvine P, Marco Q, Stefanie R, Karl S, Abraham T, Karin U, Wolfgang V, Elisabeth W, Barbara E, Keren W und Tibor X, vorsätzlich zu töten versuchten, dadurch, daß er sie aufforderte, einen Feuerüberfall auf die Besucher des jüdischen Stadttempels in Wien 1., Seitenstettengasse 2, und die dort Sicherheitsdienst verrichtenden Polizeibeamten zu verüben, sowie durch übergabe von zwei Maschinenpistolen, Modell 63, Kal. 9 mm Makarow, 130 Schuß Munition und sechs Splitterhandgranaten zur Ausführung dieser Straftaten bestimmte.

Dieser Schuldspruch beruht auf dem Wahrspruch der Geschwornen, die - nachdem sie die ihnen zunächst vorgelegte Hauptfrage 1, ob der Angeklagte den abgesondert verfolgten Hesham Mohammed B zum Mord an Heinz C bestimmt habe, sowie die Eventualfrage 2, ob er B zu diesem Mord zu bestimmen versucht habe, einstimmig verneint hatten - die dem Schuldspruch entsprechenden Fragen, nämlich die Eventualfrage 3 und die Hauptfrage 4 im Verhältnis von jeweils 5 : 3-Stimmen bejahten und demgemäß eine weitere Eventualfrage 5 zur Hauptfrage 4, ob der Angeklagte den Marwan D und den Hesham Mohammed B zur versuchten erpresserischen Entführung einer größeren Zahl von Besuchern des jüdischen Stadttempels bestimmt habe, unbeantwortet ließen.

Rechtliche Beurteilung

Den vorerwähnten Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer nominell auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 6 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, die aus folgenden Erwägungen zurückgewiesen werden mußte:

Die Einrede, es hätten die Ersatzgeschwornen Helmut Y und Richard Z nicht nur der Beratung, sondern auch der Abstimmung der Geschwornen beigewohnt, entbehrt der für die gesetzmäßige Ausführung eines Nichtigkeitsgrundes erforderlichen übereinstimmung mit der Aktenlage. Denn dem Hauptverhandlungsprotokoll (7.Verhandlungstag) ist ausdrücklich zu entnehmen, daß an diesem (letzten) Verhandlungstag nur mehr ein Ersatzgeschworner, nämlich Alfred AA, anwesend war (S 445/Band IX), der sich nach Schluß der Verhandlung entfernte (S 448/Band IX). Im gleichen Sinn nahm übrigens auch der Vorsitzende zu diesem Beschwerdepunkt schriftlich Stellung (siehe AV vom 7.Februar 1985, ON 390 = S 1/Band X).

Auch das Vorbringen zu Punkt 1.2. der Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht geeignet, eine Urteilsnichtigkeit, insbesondere auch nicht nach der in diesem Zusammenhang zitierten Bestimmung der Z 5 des § 345 Abs. 1 StPO, darzutun:

Auf die Rüge des verweigerten Ausschlusses der Öffentlichkeit während der Vernehmung des Zeugen Marwan D (Punkt 1.2.1. der Beschwerdeschrift) ist dem Beschwerdeführer zu antworten, daß (ungeachtet des Hinweises eingangs der bezüglichen Antragstellung des Verteidigers, wonach der Zeuge einen gehemmten und verängstigten Eindruck mache) der Antrag auf Ausschluß der Öffentlichkeit seinem klaren Wortlaut nach - anders als bei der (erfolgreichen) gleichartigen Antragstellung im Fall des Zeugen B - allein mit einer sich möglicherweise aus dem Bekanntwerden des Inhaltes der Aussage dieses Zeugen ergebenden Gefahr für die Republik Österreich begründet wurde (S 336/Band IX). In der Nichtigkeitsbeschwerde wird dagegen die Ablehnung dieses Antrages nicht unter diesem Aspekt, sondern aus einer anderen Erwägung gerügt. Es wird nämlich vorgebracht, durch die Abweisung des Antrages sei der Angeklagte in seinem (Verteidigungs-)Recht auf Erforschung der materiellen Wahrheit beeinträchtigt worden. Die Darlegung eines in der Ablehnung eines Antrages zu erblickenden Verfahrensmangels verlangt aber jedenfalls das Festhalten an den im Zeitpunkt der Antragstellung zur Unterstützung dieses Verfahrensschritts vorgebrachten Gründen, weil nur auf dieser Basis die Berechtigung der Antragstellung überprüft werden kann und darf (s. dazu die bei Mayerhofer/Rieder 2 unter Nr. 41 zu § 281 Z 4 angeführten Entscheidungen).

Daß darüber hinaus auch nicht den Beschwerdeausführungen und den Akten Substantielles zu entnehmen ist, das geeignet wäre, das (abschlägig beschiedene) Begehren auf Ausschluß der Öffentlichkeit aus Gründen der Wahrheitsfindung als gerechtfertigt erscheinen zu lassen, sei ergänzend erwähnt. Die Beschwerdebehauptung, dem Ausschluß der Öffentlichkeit wäre kein prozessuales Hindernis entgegengestanden, vernachlässigt die Bedeutung der einen leitenden Grundsatz des österreichischen Strafprozesses verwirklichenden Bestimmung des § 228 StPO (vgl. in diesem Zusammenhang auch SSt. 27/38, RZ 1961, 40 u.a.).

Einen weiteren Verfahrensmangel (Punkt 1.2.3. der Rechtsmittelausführung) erblickt der Beschwerdeführer in dem Umstand, daß einem Antrag auf Vernehmung jenes Richters nicht entsprochen wurde, der 'im Zeitraum Mai 1983' die Ausführung des Angeklagten in die Räume der Staatspolizei veranlaßt habe (S 435 f, 447/Band IX). Abgesehen davon, daß es unter den gegebenen Umständen - mangels Einliegens eines Vorführzettels über die behauptete Vorführung im Monat Mai 1983 (s.S 447/Band IX) - einer namentlichen Bezeichnung der Person des beantragten Zeugen bedurft hätte, um den Beweisantrag praktisch durchführbar erscheinen zu lassen, wäre es aber (auch) erforderlich gewesen, näher auszuführen, inwiefern das bezeichnete Beweisthema (Versuch einer Anwerbung des Angeklagten durch die Staatspolizei zur Mitarbeit mit dem AB !gemeint:

israelischer Geheimdienst im Monat Mai 1983) für die Schuldfrage von Relevanz sein könnte (vgl. Mayerhofer/Rieder 2 ENr. 19 zu § 281 Z 4 StPO).

Gleiches gilt schließlich für das Beschwerdevorbringen (Punkt 1.2.2.), der Schwurgerichtshof habe zu Unrecht die vom Verteidiger an den Zeugen Major AC gerichtete Frage, ob er den Angeklagten jemals angeheuert oder anzuheuern versucht habe, für den AB zu arbeiten (S 408/Band IX), nicht zugelassen. Denn auch hier wurde die Berechtigung der Frage im Interesse einer Aufklärung des für das Strafverfahren bedeutsamen Sachverhaltes nicht dargelegt, obgleich der Frageninhalt zu dem unter Anklage gestellten Geschehen nicht ohne weiteres in Beziehung zu setzen ist.

Inwiefern im übrigen die Geschwornen - wie erst in der Beschwerde eingewendet wird - durch die 'Nichtzulassung der Frage und das Unterbleiben einer Antwort und der Reaktion durch den Zeugen' um die Möglichkeit 'einer Abwägung der Glaubwürdigkeit der Verantwortung des Angeklagten mit der Aussage des Zeugen (AC) gebracht' worden sein sollen, bleibt offen.

Schließlich reklamiert der Beschwerdeführer, es hätte mit Rücksicht auf einzelne Passagen in der Aussage des Zeugen D eine Eventualfrage zur vierten Hauptfrage gestellt werden müssen, ob der Angeklagte (nicht im Sinn des zweiten Falls, sondern) im Sinn des dritten Falls des § 12 StGB an der Tat beteiligt war.

Entgegen der vom Beschwerdeführer zu diesem Nichtigkeitsgrund (Z 6 des § 345 Abs. 1 StPO) vertretenen Auffassung sieht der § 314 Abs. 1 StPO die Stellung einer Eventualfrage mit Beziehung auf die Täterschaftsform nur für den Fall vor, daß ein als unmittelbarer Täter Angeklagter als Täter anzusehen wäre, der einen anderen dazu bestimmt hat, die Tat auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beigetragen hat. Von Bedeutung für die Stellung einer Eventualfrage ist demnach insoweit nur die unmittelbare Täterschaft (erster Fall des § 12 StGB) einerseits und die Bestimmungs- oder Beitragstäterschaft (zweiter und dritter Fall des § 12 StGB) andererseits. Für den hier vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Fall, daß ein der Bestimmungstäterschaft Angeklagter der Beitragstäterschaft für schuldig anzusehen wäre, ist eine Eventualfrage nach dem Gesetz nicht zu stellen. Das Unterbleiben einer Eventualfragestellung kann somit unter diesem Gesichtspunkt (§ 345 Abs. 1 Z 6 StPO) nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden.

Da sich sohin zeigt, daß vom Beschwerdeführer in Wahrheit keiner der in den Z 1 bis 13 des § 345 Abs. 1 StPO angeführten Nichtigkeitsgründe prozeßordnungsgemäß bezeichnet und ausgeführt wurde, war die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 1 in Verbindung mit dem § 285 a Z 2 und dem § 344 StPO bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Mangels Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde fehlt es aber an der Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofes zur Erledigung der Berufungen (vgl. EvBl. 1981/46 u.v.a.).

über sie wird das Oberlandesgericht Wien zu erkennen haben. Die Kostenentscheidung beruht auf der zitierten Gesetzesstelle.

Anmerkung

E05836

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0110OS00052.85.0604.000

Dokumentnummer

JJT_19850604_OGH0002_0110OS00052_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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