Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärtes Dr. Rechberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Sandor A und andere wegen des Verbrechens des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Josef B gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 7.Feber 1985, GZ 5e Vr 7342/84-98, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Hyrohs, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Zusatzfreiheitsstrafe auf 2 (zwei) Jahre und 5 (fünf) Monate herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde (neben drei weiteren Angeklagten) der 23-jährige, zuletzt beschäftigungslos gewesene Installateur Josef B der Verbrechen des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs 1 StGB (Punkt A/1 des Urteilssatzes) sowie des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 15 StGB (Punkte B/I und II) schuldig erkannt.
Das Verbrechen nach § 277 Abs 1 StGB liegt ihm zur Last, weil er im April und Mai 1984 in Wien mit (den insoweit bereits rechtskräftig abgeurteilten) Sandor A, Laszlo C und Csaba D durch die Vereinbarung, Wilhelm E und dessen Ehegattin im Schloß Prugg in Bruck a.d. Leitha zu überfallen, zu fesseln, mit Waffen zu bedrohen, zu betäuben und ihnen gewaltsam eine Münzensammlung wegzunehmen, die gemeinsame Ausführung eines Raubes (§ 142 StGB) verabredet hat.
Rechtliche Beurteilung
Der Sache nach nur diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 9 lit a und b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt. Verfehlt ist zunächst die Mängelrüge (Z 5), mit welcher der Beschwerdeführer gegen das Ersturteil ins Treffen führt, die Annahme (vgl S 17/II), er und seine Komplizen haben die Ausführung des verabredeten Raubes nicht aufgegeben, sondern (lediglich) auf einen späteren Zeitpunkt verschoben, sei deshalb unzureichend begründet, weil die vom Schöffengericht aus dem Umstand, daß die (vier) Angeklagten (bis zu ihrer Festnahme) keine Anstalten getroffen hatten, die für die Tatausführung vorbereiteten Gegenstände (nämlich Gesichtsmasken, Pistolen, ein Klebeband und ein Fläschchen mit Chloroform) zu vernichten, gezogene Schlußfolgerung 'keineswegs zwingend' sei. Denn der Beschwerdeführer übersieht dabei, daß wegen unzureichender Begründung eine Nichtigkeit im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nur dann vorliegt, wenn aus den vom Erstgericht ermittelten Prämissen die gezogenen Schlußfolgerungen entweder nach den Denkgesetzen überhaupt nicht abgeleitet werden können oder doch so weit hergeholt erscheinen, daß das Urteil sohin mit logischen Mängeln behaftet ist. Daß auf Grund der betreffenden Beweisergebnisse allenfalls auch andere als die von den Tatrichtern abgeleiteten, für den Angeklagten günstigere Schlußfolgerungen möglich waren und das Gericht sich dennoch für die dem Angeklagten ungünstigeren - aber logisch einwandfreien - entschieden hat, ist als Akt der im § 258 Abs 2 StPO normierten (freien) Beweiswürdigung einer Anfechtung mit Nichtigkeitsbeschwerde entzogen. Die Annahmen des Gerichtes müssen daher entgegen den Beschwerdevorbringen keineswegs auf zwingenden Schlußfolgerungen, sondern nur auf denkrichtigen und den Lebenserfahrungen nicht widersprechenden überlegungen beruhen (vgl Mayerhofer-Rieder StPO 2 ENr 16 ff zu § 258 und ENr 144 ff zu § 281 Z 5). Im übrigen stützte das Schöffengericht den bloß zeitlichen Aufschub der Ausführung der Raubtat unter Verneinung einer freiwilligen Aufgabe des Tatplanes keineswegs ausschließlich auf das Fehlen von konkreten Verhinderungsmaßnahmen, sondern (ersichtlich) vor allem auf die für glaubwürdig erachteten Angaben des Angeklagten D vor der Polizei (vgl S 100/I iVm S 23/II) und auch darauf, daß die Angeklagten den speziell für die Ausführung des geplanten Raubes vorgesehenen Nachschlüssel zur Wohnung der ins Auge gefaßten Tatopfer (in Wien) vergessen hatten, deshalb ihre zeitlich letzte Inangriffnahme des Raubanschlages abbrachen (vgl S 16, 41/II) und in der Folge, bevor sie weitere Anstalten zur Verwirklichung des verabredeten Raubes trafen, ausgeforscht und verhaftet wurden.
Es liegt aber auch der im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptete Feststellungsmangel in Ansehung der Beteiligung des Angeklagten am inkriminierten Raubkomplott nicht vor, den er darin erblickt, daß das Urteil (auf S 15, 3. Absatz) lediglich zum Ausdruck bringe, daß C, A und D 'daraufhin beschlossen, gemeinsam das Ehepaar in Bruck a.d. Leitha zu überfallen ...', ohne daß er selbst als Teilnehmer an dieser Verabredung zur gemeinsamen Ausführung des in Rede stehenden Raubes erwähnt werde. Insoweit übergeht die Beschwerde nämlich die - auch in der vom Erstgericht für glaubwürdig erachteten Verantwortung des Angeklagten B vor der Polizei (S 62 f/I) Deckung findende - ausdrückliche Urteilskonstatierung, wonach C, A, D und B wenige Tage später zum Schloß Prugg mit dem Vorsatz fuhren, den Raub auszuführen und sich am darauffolgenden Tag abermals dorthin begaben, wobei der Angeklagte B ein Fläschchen mit Chloroform mitführte und Abdrücke vom Türschloß machte (vgl S 16-19, 21/II).
Die Rechtsrüge gelangt daher insoweit nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Gleiches gilt für jenen Teil der Rechtsrüge (Z 9 lit b), mit welcher der Beschwerdeführer das Fehlen von Feststellungen über eine freiwillige Verhinderung des beabsichtigten Raubes durch eine von den Komplottanten gemeinsam beschlossene Aufgabe des Tatplanes reklamiert, die er auf Grund der Verantwortung der Angeklagten A (vor der Polizei sowie in der Hauptverhandlung) und C (vor der Polizei) sowie seiner eigenen Angaben vor der Polizei, wonach bloße 'Feigheit' für die (solcherart freiwillige) Abstandnahme von der Ausführung der Tat maßgeblich gewesen sei, für indiziert erachtet. Da die der Negierung der Voraussetzungen des Strafaufhebungsgrundes nach § 277 Abs 2 StGB zugrundeliegende Konstatierung auf der die reklamierte Feststellung ausschließenden Annahme eines (durch das Vergessen des Nachschlüssels bedingten) bloß vorläufigen Aufschubs des verabredeten Raubanschlages beruht, behauptet der Beschwerdeführer damit in Wahrheit eine unvollständige Begründung der letztgenannten Tatsachenfeststellung, ohne jedoch hiedurch den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO zur gesetzmäßigen Darstellung zu bringen. Die Beschwerde erschöpft sich vielmehr insoweit in einer Anfechtung der Beweiswürdigung des Schöffengerichts, welches die bezügliche Urteilsannahme primär auf die Angaben des Angeklagten D vor der Polizei (vgl S 100/I) stützte, denen es unter Hinweis darauf, daß der Genannte in der Hauptverhandlung an seiner ersten Tatdarstellung festhielt, im Gegensatz zu den wechselhaften Verantwortungen der übrigen Angeklagten Glaubwürdigkeit zuerkannt hat (vgl S 23/II). Zwar gesetzmäßig ausgeführt, jedoch unbegründet ist die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b), in welcher der Angeklagte Straflosigkeit gemäß § 277 Abs 2 StGB daraus abzuleiten sucht, daß seine Angaben anläßlich der ersten polizeilichen Vernehmung rechtsrichtig als freiwillige Mitteilung an die Behörde im Sinn der zitierten Gesetzesbestimmung zu beurteilen wären. Denn abgesehen davon, daß es gar nicht der Beschwerdeführer, sondern der Angeklagte A war, welcher der Behörde die erste Mitteilung über das in Rede stehende Raubkomplott machte (vgl S 41/I), kommt der Strafaufhebungsgrund nach § 277 Abs 2 StGB vorliegend schon deshalb nicht zum Tragen, weil die Mitteilung erst nach Festnahme der Täter (sowie Sicherstellung der eingangs angeführten 'Tatausrüstung') und damit keineswegs freiwillig erfolgte.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 28, 128 Abs 2 StGB zu zweieinhalb Jahren Zusatz-Freiheitsstrafe, wobei es gemäß § 31, 40 StGB auf das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 17.Mai 1984 (richtig 30.Juli 1984), AZ 5 e E Vr 14093/83, Hv 975/84, Rücksicht nahm, mit dem er wegen des Vergehens der versuchten Täuschung nach § 15, 108
Abs 1 StGB zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat verurteilt worden war.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend das Zusammentreffen von zwei Verbrechen, die Wiederholung der Diebstähle und deren mehrfache Qualifikation, als mildernd hingegen das Teilgeständnis, den Umstand, daß es 'teilweise beim Versuch geblieben ist' und den (zu den Tatzeiten) unbescholtenen Lebenswandel.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.
Für eine vom Berufungswerber als (weiteren) Milderungsgrund reklamierte untergeordnete Beteiligung am verbrecherischen Komplott bieten die schöffengerichtlichen Konstatierungen keinen Raum. Insoweit er den Umstand, daß er sich bei dem Verbrechen nach § 277 Abs 1 StGB und in Ansehung eines bloß versuchten Diebstahlsangriffs der 'Zufügung eines größeren Schadens freiwillig enthalten' habe, als mildernd berücksichtigt wissen will, genügt - abgesehen davon, daß die vom Schöffengericht (noch) als Komplott gewerteten Tathandlungen bereits die Kriterien eines versuchten (schweren) Raubes weitestgehend erfüllen - zum einen der Hinweis, daß die Tatsache des in einem Fall bloß bis zum Versuch gediehenen Diebstahls ohnedies als Milderungsgrund herangezogen wurde; zum andern aber übersieht der Angeklagte, daß beim Komplott gefährliche Vorphasen bestimmter verbrecherischer Verhaltensweisen erfaßt und selbständig vertypt sind, wobei der Gesetzgeber dem Umstand, daß in derartigen Fällen eine selbständige Strafbarkeit von ansonsten straflosen Vorbereitungshandlungen normiert wird, durch eine im Vergleich mit den einzelnen Komplottdelikten geringere Strafdrohung Rechnung getragen hat (Leukauf-Steininger Kommentar 2 § 277 RN 1), womit eine darüber hinausgehende Berücksichtigung des Tatstadiums bei der Strafbemessung nicht in Betracht kommt. Ebensowenig kann dem Berufungswerber - seinem Vorbringen zuwider - der Umstand als mildernd zugute gehalten werden, daß er politischer Flüchtling ist. Wohl aber wäre als Milderungsgrund noch zu berücksichtigen gewesen, daß der Angeklagte durch seine Angaben vor der Polizei (S 62 f/I) betreffend das verbrecherische Komplott wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen hat.
Nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs hätte bei gemeinsamer Aburteilung aller von den in Betracht kommenden (beiden) Urteilen erfaßten Taten eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zweieinhalb Jahren der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 StGB) entsprochen. Demzufolge war gemäß § 40 StGB die im vorliegenden Verfahren über ihn verhängte (Zusatz-)Freiheitsstrafe unter Bedacht auf die bereits rechtskräftig ausgesprochene Strafe (von einem Monat) in Stattgebung der insoweit begründeten Berufung auf zwei Jahre und fünf Monate zu reduzieren.
Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.
Anmerkung
E05822European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00067.85.0605.000Dokumentnummer
JJT_19850605_OGH0002_0090OS00067_8500000_000