Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Dagmar A, Hausfrau, Innsbruck, Tschiggfreystraße 36, vertreten durch Dr.Arne Markl, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider den Antragsgegner Helmut A, Landesbeamter, Innsbruck, Tschiggfreystraße 36, vertreten durch Dr.Peter Lechner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens infolge Revisionsrekurses beider Streitteile gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 4.Jänner 1985, GZ. 2 b R 256,257/84-45, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 25.Oktober 1984, GZ. 2 F 1/83-38, teilweise bestätigt, teilweise aufgehoben wurde, folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs des Antragsgegners wird nicht Folge gegeben.
Dem Revisionsrekurs der Antragstellerin wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache, die durch Unterlassung der Anfechtung der Entscheidung des Erstrichters in Ansehung des Begehrens auf Zuweisung der im ersten Stock des Hauses Innsbruck, Tschiggfreystraße 36, gelegenen Räume nicht mehr Gegenstand des Verfahrens ist, im übrigen zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Die Ehe der Streitteile wurde mit dem Teilurteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 12.Oktober 1982, 15 Cg 50/82, gemäß § 47 EheG aus dem alleinigen Verschulden des Antragsgegners geschieden. Im Urteil wurde ausgesprochen, daß Helmut A die Ehe mit Reinhilde B gebrochen hat. Der Ehe entstammen zwei Kinder, die am 31.Jänner 1963 geborene Elisabeth und die am 31.Mai 1966 geborene Katharina. Die Streitteile bewohnten während der Ehe Räume im Parterre und im ersten Stock des Hauses Innsbruck, Tschiggfreystraße 36. Die Wohnung bestand aus Küche, zwei Zimmern, Dusche, WC und Vorraum im Parterre sowie drei Zimmern, Bad, WC und Vorraum im ersten Stock. Das Haus Innsbruck, Tschiggfreystraße 36, stand zunächst im Eigentum der Mutter des Antragsgegners Elisabeth A. Mit übergabsvertrag vom 3. Dezember 1971 erwarb der Antragsgegner Alleineigentum an der Liegenschaft. Auf Grund des Punktes VI des übergabsvertrages wurde den Eltern des Antragsgegners ein lebenslängliches Wohnrecht an den in der Mansarde des Hauses gelegenen Räumlichkeiten sowie das Mitbenützungsrecht am Jagdzimmer und Bad im ersten Stock, dem Wohnzimmer im Parterre und am Keller und Garten eingeräumt. Der Antragsgegner verpflichtete sich zur Leistung eines Ausgedinges in Form der Pflege und Wartung in alten und kranken Tagen, übernahme der Kosten für Arzt, Medikamente und Krankenhausaufenthalt, soweit diese Kosten nicht durch eine Krankenversicherung gedeckt sind, weiters zur Bestreitung der Kosten des Begräbnisses und der Graberhaltung. Die den Eltern des Antragsgegners eingeräumten Rechte wurden verbüchert. Die Liegenschaft ist auch mit einem Veräußerungsverbot zugunsten der Eltern des Antragsgegners belastet. Der Antragsgegner ist Amtsdirektor der Tiroler Landesregierung mit einem monatlichen Nettoeinkommen von S 21.000, die Antragstellerin war während der Ehe nicht berufstätig, versorgte den Haushalt und widmete sich der Erziehung der Kinder. Bis ein Jahr vor der Ehescheidung erhielt sie ein Wirtschaftsgeld von S 6.250 monatlich, das dann auf S 5.250 monatlich verringert wurde. Mit diesem Betrag bestritt die Antragstellerin die Kosten der Haushaltsführung; einen Betrag von S 75o monatlich verwendete sie zur Deckung persönlicher Bedürfnisse. Seit der Scheidung der Ehe erhält die Antragstellerin vom Antragsgegner monatliche Unterhaltsleistungen in der Höhe von ca. S 5.400. Auf Grund einer außergerichtlichen Vereinbarung benützt die Antragstellerin derzeit die im Parterre des Hauses gelegenen Räume; ein Zimmer wird von der Tochter Elisabeth benützt, die dort mit ihrem Freund Mag. Helmut C wohnt. Der Antragsgegner hat sich wieder verehelicht und bewohnt mit seiner Gattin Reinhilde die im ersten Stock gelegenen Räumlichkeiten. Die Benützungsverhältnisse an der einzigen Küche im Parterre wurde mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichtes vom 30.April 1984 (ON 23) dahin geregelt, daß dem Antragsgegner aufgetragen wurde, die Küche täglich nur in der Zeit zwischen 13.00 und 14.30 Uhr sowie zwischen 19.00 und 20.00 Uhr zu benützen; die anderen im Parterre gelegenen Räume dürfen von ihm nicht betreten, die laut dem im Verfahren 2 F 7/83 des Erstgerichtes abgeschlossenen Vergleich im Eigentum der Antragstellerin stehenden Gegenstände von ihm nicht benützt werden. Im ersten Stock des Hauses befindet sich derzeit nur eine Notküche mit einer Kochplatte. Die Einrichtung einer Küche im ersten Stock wäre technisch möglich, doch würden die erforderlichen Arbeiten sowie die Einrichtung einen Kostenaufwand von S 340.000 erfordern. Zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner sowie dessen Eltern bestehen seit der Scheidung Spannungen, die sich in mehr oder weniger feindseligen Verhaltensweisen äußern und zu einer psychischen Belastung der beteiligten Personen geführt haben. Die Antragstellerin begehrte, ihr die im Parterre und im ersten Stock des Hauses Innsbruck, Tschiggfreystraße 36, gelegenen Räume zur Benützung zuzuweisen und dem Antragsgegner deren weitere Benützung zu untersagen. Die Antragstellerin führte aus, der Antragsgegner habe Reinhilde B, mit der die Ehe gebrochen habe, geehelicht; Reinhilde B habe in Innsbruck, Radetzkystraße 54, über eine Dreizimmerwohnung verfügt; sie habe diese aufgegeben und benütze nunmehr die im ersten Stock des Hauses gelegenen Räume der früheren Ehewohnung. Die Antragstellerin und die aus der Ehe stammenden Kinder seien auf die Benützung der bisherigen Ehewohnung angewiesen.
Der Antragsgegner beantragt Abweisung des Antrages und führte aus, er habe das Haus, in dem sich die frühere Ehewohnung befinde, von seiner Mutter im Rahmen eines kombinierten Schenkungs- und übergabsvertrages erhalten; den Eltern stünden Mitbenützungsrechte an einzelnen Räumen in allen Geschoßen zu.
Die Antragstellerin verhalte sich gegen die Eltern grob unleidlich, sie habe ihr angebotene Wohnungen abgelehnt und sei auf die in Anspruch genommene frühere Ehewohnung zur Sicherung ihrer Lebensbedürfnisse nicht angewiesen.
Hingegen bestehe bei ihm, Antragsgegner, ein dringendes Wohnbedürfnis, da er sich am 16.März 1984 wieder verehelicht und in seinem Haus einen neuen Hausstand gegründet habe. Eine Abteilung der früheren Ehewohnung in zwei getrennte Bereiche sei aus wirtschaftlichen Gründen und wegen der Mitbenützungsrechte der Eltern nicht möglich. Mit dem der Antragstellerin angebotenen Zuschuß von S 100.000 sei sie in der Lage, eine angemessene Wohnmöglichkeit zu finden.
Das Erstgericht wies den Antrag auf Zuweisung der Ehewohnung ab und verpflichtete den Antragsgegner zur Leistung einer Ausgleichszahlung in der Höhe von S 250.000. Die Ehewohnung unterliege der Aufteilung, weil die Antragstellerin über keine andere Wohnung verfüge. Das Wohl der Kinder erheische die Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin nicht, da die minderjährige Katharina bereits außerhalb des Wohnungsverbandes lebe und die volljährige Elisabeth auf eigenen Füßen stehe. Das Alleinverschulden des Antragsgegners an der Ehescheidung sei zwar bei der Bemessung der Ausgleichszahlung, nicht aber bei der Entscheidung über die Zuweisung der Ehewohnung zu berücksichtigen. Die Antragstellerin benötige keinesfalls die gesamte frühere Ehewohnung zur Deckung ihres Wohnbedürfnisses, hiefür reichten die Räumlichkeiten im Parterre aus. Im vorliegenden Fall sei entscheidend, daß das Haus im Eigentum des Antragsgegners stehe und eine Trennung der Lebensbereiche der Streitteile nur unzureichend möglich ist. Demzufolge komme eine auch nur teilweise Zuweisung der früheren Ehewohnung an die Antragstellerin nicht in Betracht. Im Hinblick auf die Unmöglichkeit der Aufteilung der Ehewohnung sei der Antragsgegner zur Leistung einer Ausgleichszahlung zu verhalten, die mit S 250.000 zu bemessen sei. Die Leistung dieses Betrages sei dem Antragsgegner im Hinblick auf sein Einkommen und seine Vermögensverhältnisse zumutbar. Beide Streitteile bekämpften den Beschluß des Erstgerichtes mit Rekurs, der Antrgsgegner insoweit, als ihm eine S 120.000 übersteigende Ausgleichszahlung auferlegt wurde. Die Antragstellerin beantragte im Rekurs nur mehr die Zuweisung der im Parterre des Hauses gelegenen Räume der früheren Ehewohnung sowie des Kellers. Das Rekursgericht gab den Rekursen beider Streitteile teilweise Folge und bestätigte die Entscheidung des Erstrichters, mit der Maßgabe, daß es die Ehewohnung dem Antragsgegner zuwies und die Antragstellerin schuldig erkannte, die Ehewohnung drei Monate nach rechtskräftiger Entscheidung des Verfahrens über die Ausgleichszahlung geräumt zu übergeben. Soweit dem Antragsgegner eine S 120.000 übersteigende Ausgleichszahlung auferlegt wurde, hob es den Beschluß des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Das Rekursgericht sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig ist.
Das Erstgericht habe zu Recht die Ehewohnung gemäß § 82 Abs.2 EheG in die Aufteilung einbezogen, da die Antragstellerin zur Deckung ihres Wohnungsbedürfnisses dringend auf die Ehewohnung angewiesen sei. Die Unmöglichkeit der vollständigen Trennung der Lebensbereiche allein stehe der Zuweisung der Ehewohnung an die Antragstellerin nicht entgegen. Im vorliegenden Fall stünden aber den Eltern des Antragsgegners Mitbenützungsrechte am Wohnzimmer im Parterre zu. Da ein Verzicht der Berechtigten nicht zu erwarten sei, müsse es zu einer Kollision der Rechte der Antragstellerin und der Eltern des Antragsgegners kommen. Berührungspunkte mit dem Antragsgegner und seiner nunmehrigen Gattin könnten zwar durch umfangreiche Umbauten im ersten Stock vermindert, aber doch nicht gänzlich ausgeschlossen werden. Es sei auch zu berücksichtigen, daß tiefgreifende und unüberwindbare Differenzen zwischen der Antragstellerin und den ehemaligen Schwiegereltern bestehen, die zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen aller Beteiligten geführt hätten. Die Aufhebung der Wohngemeinschaft liege daher auch im Interesse der Antragstellerin. Der Antragsgegner sei gemäß dem übergabsvertrag seinen Eltern gegenüber verpflichtet, ihnen die im Vertrag näher bezeichneten Dienste zu leisten. Die Erfüllung dieser Verpflichtung würde durch eine Ausweisung aus der derzeitigen Wohnung wenn schon nicht unmöglich, so doch erheblich erschwert. Dazu komme, daß der Antragsgegner sich wieder verehelicht habe und mit seiner nunmehrigen Gattin im selben Haus wohne. Berücksichtige man die Gründe, die zur Ehescheidung führten und die Tatsache, daß die Antragstellerin offensichtlich die Trennung persönlich noch nicht überwunden habe, so sprächen auch diese Umstände im Interesse der Antragstellerin dagegen, daß sie weiterhin in der früheren Ehewohnung bleibe.
Es werde aber durch Festsetzung einer entsprechenden Zahlungsverpflichtung, die im Rahmen des Bedarfs der Antragstellerin und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners zu bemessen sei, ein Ausgleich gefunden werden müssen. In diesem Punkt sei das Verfahren noch nicht spruchreif. Vor allem sei das Einkommen des Antragsgegners durch Anfrage an den Dienstgeber klarzustellen. Die Antragstellerin habe als zulässige Neuerung vorgebracht, daß der Antragsgegner über beträchtliches Liegenschaftsvermögen verfüge, was gleichfalls erhoben werden müsse. Feststellungen seien auch über die nunmehr von der Antragstellerin behaupteten finanziellen Beiträge zu den Investitionen im Haus zu treffen. Bei der Ermittlung des Bedarfes der Antragstellerin seien auch die ihr offenstehenden Möglichkeiten von Bedeutung, zum eigenen Fortkommen nach Kräften beizutragen. Es dürfe der in § 66 EheG zum Ausdruck kommende Grundsatz nicht völlig außer Acht gelassen werden, daß auch der schuldlos Geschiedene primär selbst für seinen Unterhalt aufzukommen habe.
Leitlinie für die Bemessung der Höhe der Ausgleichszahlung werde auch der Wertzuwachs der Teile des Hauses, in denen die Ehewohnung gelegen sei, während aufrechter Ehe sein, dies unter Berücksichtigung allfälliger Beiträge der Antragstellerin und Erwägungen der Billigkeit.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs des Antragsgegners ist nicht gerechtfertigt, dem Revisionsrekurs der Antragstellerin kommt Berechtigung zu. Gemäß § 81 Abs.2 EheG stellt die Ehewohnung eheliches Gebrauchsvermögen dar, das der Aufteilung unterliegt.
Ehewohnung im Sinne dieser Gesetzesstelle ist jene Wohnung, in der die Ehegatten bei Wirksamwerden der Scheidung, oder zuletzt im gemeinsamen Haushalt gelebt haben (SZ 54/114; Jensik, Die Ehewohnung NZ 1976, 65 ff.).
Entscheidend ist die Widmung der Räumlichkeiten durch den über ihre Nutzung verfügungsberechtigten Ehegatten zur Stätte des den Ehegatten gemäß § 90 ABGB grundsätzlich obliegenden gemeinsamen Wohnens (SZ 54/126). Durch das den Eltern des Antragsgegners an einzelnen Räumen der Wohnung zustehende Mitbenützungsrecht wurde die Eignung der Wohnung zur Stätte gemeinsamen Wohnens der früheren Ehegatten nicht ausgeschlossen, so daß diese Rechte auch der Beurteilung der Wohnung als Ehewohnung nicht entgegenstehen. Wurde die Ehewohnung einem Ehegatten von einem Dritten geschenkt, so ist sie gemäß § 82 Abs.2 EheG nur dann in die Aufteilung einzubeziehen, wenn ein Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist. Da dies, wie die Vorinstanzen zutreffend annahmen, für die Antragstellerin zutrifft, bedarf es keiner Klärung, ob und inwieweit der übergabsvertrag vom 3.Dezember 1971 (teilweisen) Schenkungscharakter hat.
Die Vermögensauseinandersetzung zwischen den vormaligen Ehegatten ist unter Berücksichtigung der in § 83 EheG nur beispielsweise aufgezählten Billigkeitskriterien vorzunehmen. Die gesetzliche Regelung verfolgt das Ziel, den vormaligen Ehegatten die bisherigen Lebensgrundlagen möglichst zu bewahren und den Beginn des neuen Lebensabschnittes für sie tunlichst zu erleichtern (JBl. 1982, 321; EFSlg. 43.767, 43.766, 36.464 u.a.). § 84 EheG ordnet an, daß die Aufteilung so vorgenommen werden soll, daß sich die Lebensbereiche der geschiedenen Gatten künftig möglichst wenig berühren. Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, es müsse ausnahmsweise in Kauf genommen werden, daß Kontakte der geschiedenen Ehegatten auch in Zukunft bestehen bleiben, wenn anders dem Billigkeitsgebot nicht entsprochen werden könnte (SZ 54/114;
RZ 1983/16 u.a.). Allein unter Berufung auf die Bestimmung des § 84 EheG kann demnach dem Zuweisungsantrag nicht der Erfolg versagt werden.
Bei der nach Billigkeit vorzunehmenden Regelung kann das Verschulden eines Ehegatten am Scheitern der Ehe nach nunmehr gefestigter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht außer Betracht bleiben. Gewiß wollte der Gesetzgeber die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens nicht zu einem Instrument der Bestrafung beziehungsweise Belohnung für ehewidriges beziehungsweise ehegerechtes Verhalten machen (EvBl. 1981/49; EFSlg. 43.769, 41.380), doch wurde es als zulässig erkannt, dem schuldlosen Teil Optionsmöglichkeiten in Ansehung der Aufteilung einzuräumen (EFSlg. 43.769, 41.376, 41.372) und den unschuldigen Teil besser zu bedenken als den schuldigen (EFSlg. 43.769). Es soll der Schuldlose nicht durch die Aufteilung des Gebrauchsvermögens in unzumutbare wirtschaftliche Schwierigkeiten kommen (JBl. 1983, 488; EFSlg. 43.770, 41.376, 41.373, 41.371). Es tritt auch, wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (1 Ob 506/84), die Erwägung des § 84 EheG dann in den Hintergrund, wenn der an der Scheidung schuldlose Teil ein weiteres Berühren der künftigen Lebensbereiche mit dem geschiedenen Gatten in Kauf nimmt. Diese Erwägungen sprechen für die Begründung eines Wohnungsrechtes zugunsten der Antragstellerin an den im Parterre gelegenen Räumen der früheren Ehewohnung. Das den Eltern des Antragsgegners an einem Zimmer der von der Antragstellerin beanspruchten Räume zustehende verbücherte Mitbenützungsrecht schränkte Benützungsrechte der Antragstellerin zwar ein, doch hat die Antragstellerin ausdrücklich auch erklärt, die Mitbenützung durch die Eltern des Antragsgegners zu akzeptieren. Diese Rechte hindern also die Begründung von Benützungsrechten der Antragstellerin nicht. Die Erbringung der dem Antragsgegner nach dem übergabsvertrag obliegenden Leistungen würde durch die Einräumung eines Wohnungsrechtes an die Antragstellerin schon deshalb nicht behindert, weil die Antragstellerin nunmehr ohnehin nur mehr die im Parterre gelegenen Räume für sich beansprucht. Die zwischen der Antragstellerin einerseits und dem Antragsgegner und seinen Eltern andererseits aufgetretenen Zwistigkeiten, die auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen der Beteiligten führten, lassen gewiß die Einräumung eines Wohnungsrechtes nicht als Ideallösung erscheinen, doch müßten diese Schwierigkeiten in Kauf genommen werden, wenn das dringende Wohnbedürfnis der Antragstellerin in anderer Weise angemessen nicht befriedigt werden könnte. Es darf immerhin nicht übersehen werden, daß ein Teil der aufgetretenen Schwierigkeiten darauf zurückzuführen ist, daß der Antragsgegner mit seiner nunmehrigen Gattin, die Anlaß für das Scheitern der Ehe mit der Antragstellerin war, und eine eigene Wohnung besaß, die im ersten Stock gelegenen Räume bezogen hat, und die im Parterre gelegene Küche gemeinsam mit der Antragstellerin benützt. Es kann daher wohl erwartet werden, daß nach Beseitigung der gemeinsamen Benützungsverhältnisse durch Einrichtung einer Küche im ersten Stock die Spannungen verringert werden.
Die Schwierigkeiten, die aus dem Zusammenwohnen der Streitteile in einem Haus resultieren, könnten vermieden werden, wenn der Antragstellerin eine angemessene andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung stünde. In der Rechtsprechung ist anerkannt, daß es bei überlassung der Ehewohnung an einen Ehegatten ein Gebot der Billigkeit sein kann, daß der Ehegatte, der die Wohnung er(be)hält, durch eine Geldzahlung den anderen bei der Beschaffung der neuen Wohnung unterstützt (SZ 53/125; RZ 1983/16 u.a.). Bei Bestimmung der Höhe der Ausgleichszahlung ist dem anderen Ehegatten insbesondere dann, wenn er am Scheitern der Ehe schuld ist, die äußerste Einschränkung seiner Lebensbedürfnisse zuzumuten. Da die Antragstellerin über keine eigenen Geldmittel verfügt, müßte daher dem Antragsgegner eine Ausgleichszahlung in einer Höhe auferlegt werden, die es der Antragstellerin ermöglicht, eine ungefähr gleichwertige Wohnung mit gleicher Sicherheit wie die Begründung eines Wohnungsrechts der Antragstellerin im Haus des Antragsgegners zu erwerben. Der Antragsgegner beruft sich darauf, daß er sich bemüht habe, der Antragstellerin 'an die Hand zu gehen', und Wohnungsanbote eingeholt habe.
Ernstlich gemeint könnten diese durchwegs kostspieligen Anbote im Hinblick auf die Vermögenslosigkeit der Antragstellerin nur sein, wenn es der Antragsgegner auch übernimmt, für die aus dem Erwerb einer Eigentumswohnung, eines Wohnungsrechtes oder einer auf Lebenszeit gesicherten Miete, entstehenden finanziellen Lasten aufzukommen. Nur solche Rechte könnten die Wohnungsverhältnisse der Antragstellerin für die Zukunft weitestgehend so sichern wie die Zuweisung eines Teiles der Ehewohnung. Die zur Anschaffung einer solchen Wohnung notwendigen Mittel müßte der Antragsgegner in Form einer Ausgleichszahlung leisten. Sollte der Antragsgegner, wie er in seinem Revisionsrekurs behauptet, nur zur Leistung einer Ausgleichszahlung von S 120.000 in der Lage sein, um welchen Betrag eine angemessene Wohnung kaum erworben werden kann und jedenfalls von ihm konkret angeboten werden müßte, käme nur die Begründung eines Wohnrechts für die Antragstellerin an den im Parterre seines Hauses gelegenen Räumen in Betracht. Es widerspräche dem Billigkeitsgebot des § 91 EheG, dem an der Scheidung schuldlosen Ehegatten die Wohnmöglichkeit in der früheren Ehewohnung ohne gleichzeitige Sicherstellung der Beschaffung einer anderen Wohnmöglichkeit zu entziehen, um dem an der Scheidung der Ehe schuldigen und wohnungsmäßig bereits einigermaßen versorgten Teil die Begründung seines neuen Hausstandes auch in dieser Wohnung zu ermöglichen.
Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 234 AußStrG.
Anmerkung
E05718European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00541.85.0610.000Dokumentnummer
JJT_19850610_OGH0002_0010OB00541_8500000_000