Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Vormundschaftssache des inzwischen volljährig gewordenen Robert A,geb.19.12.1965, vertreten gewesen durch die Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg als Amtsvormund, infolge Revisionsrekurses des Vaters Adolf B, Maschinist, 6840 Götzis, Neue Siedlung 3, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 14.März 1985, GZ 5 R 92/85-30, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eibiswald vom 12. Februar 1985, GZ P 128/75-23, bestätigt wurde, folgenden Beschluß gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Unter Hinweis darauf, daß sein unehelicher Sohn demnächst volljährig werde, seine Ausbildung als Kellner abgeschlossen habe, wie darauf, daß er (der Vater) vor allem wegen sonstiger Sorgepflichten keinen Unterhaltsbetrag mehr leisten könne, beantragte der Vater im Juli 1984 die Enthebung von seiner Unterhaltspflicht.
Der Amtsvormund sprach sich gegen den Antrag aus, weil der Minderjährige in dem an sich abgeschlossenen Kellnerberuf keine Erfüllung finde und daher jetzt die Handelsakademie besuchen wolle. Das Erstgericht wies in einem erst nach Eintritt der Volljährigkeit gefaßten Beschluß den Antrag des Vaters ab.
Das Gericht zweiter Instanz bestätigte diesen Beschluß. Die beiden Vorinstanzen gingen davon aus, daß Robert A im Frühjahr 1984 seine Ausbildung als Kellnerlehrling erfolgreich abgeschlossen habe. Da er sich aber in seiner Berufsumgebung nicht wohl gefühlt habe und den Eindruck gewonnen habe, der Kellnerberuf sei nicht sein Idealberuf, habe er das noch laufende Lehrverhältnis abgebrochen und die Aufnahmsprüfung zur Handelsakademie abgelegt und besuche seit dem Schuljahr 1984/85 die Handelsakademie mit bisher durchschnittlichem Erfolg. Das Gericht zweiter Instanz erhob diesbezüglich ergänzend, daß er nach dem ersten Halbjahr im Fach Wirtschaftliches Rechnen und im Fach Stenotypie und Textverarbeitung je auf der Notenstufe 5 stand.
In rechtlicher Hinsicht vertraten die Vorinstanzen die Auffassung, daß Robert A trotz der abgeschlossenen Berufsausbildung noch nicht selbsterhaltungsfähig sei, weil ihm zuzubilligen sei, daß er sich noch der Ausbildung für einen ihm besser zusagenden Beruf unterziehe. Das Gericht zweiter Instanz wies darauf hin, daß die derzeit eher schwächeren Schulleistungen noch nicht den Schluß zuließen, er sei für die Handelsakademie nicht geeignet. Beide Instanzen bejahten im übrigen auch die Leistungsfähigkeit des Vaters zur Zahlung des ihm bisher auferlegten Unterhaltsbetrages. Gegen den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters, der vor allem darauf hinweist, daß sein Sohn über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfüge und lange genug in diesem Beruf tätig gewesen sei, so daß es ihm auch zugemutet werden könne, jetzt in diesem Beruf sein Fortkommen zu finden. Der Vater könne nicht gezwungen werden, den bloßen Wunsch seines Sohnes zu fördern, sich nicht der Arbeitswelt stellen zu müssen, zumal die Schulleistungen nur mäßig seien. Aber auch seine fehlende Leistungsfähigkeit hätte eine Entscheidung zu seinen Gunsten gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Vaters ist unzulässig.
Daß über den Antrag des Vaters das Erlöschen seiner Unterhaltspflicht auszusprechen, im außerstreitigen Verfahren entschieden wurde, obwohl der Minderjährige zwischen der Stellung des Antrages und der Entscheidung des Erstgerichtes volljährig geworden ist, entspricht der neueren Rechtsprechung (EFSlg 37.101 und dort angeführte weitere Rechtsprechung), an der der erkennende Senat festhält.
Die Frage, ob der Vater auf Grund seines Einkommens und seiner sonstigen Sorgepflichten in der Lage ist, seinem unehelichen Sohn auch weiterhin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von 800 S zu leisten, stellt eine Frage der Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche dar, welche gemäß § 14 Abs 2 AußStrG von der zweiten Instanz endgültig zu entscheiden ist, da hier ein Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht zulässig ist (EFSlg 44.575 bis 44.577 ua.).
Auch die Frage, ob ein Kind selbsterhaltungsfähig ist oder nicht, gehört grundsätzlich zum Bemessungskomplex. Wenn es aber in erster Linie darum geht, ob dem Kind eine ganz bestimmte Berufsausbildung ermöglicht werden soll oder nicht, und der Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit damit in untrennbarem Zusammenhang steht, dann liegt keine bloße Bemessungsfrage mehr vor (EFSlg 44.072, 44.612).
Damit kommt aber die Rechtsmittelbeschränkung des § 16 AußStrG zum Tragen. Nach dieser Gesetzesstelle kann nämlich gegen einen Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz, mit welchem der Beschluß des Gerichtes erster Instanz bestätigt wurde, nur wegen Nichtigkeit (Nullität), Aktenwidrigkeit oder offenbarer Gesetzwidrigkeit Rekurs erhoben werden.
Eine Nichtigkeit oder Aktenwidrigkeit macht der Vater auch andeutungsweise nicht geltend.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wird (EFSlg 42.327, 44.642 uva.).
Ob ein Kind nach einer abgeschlossenen Berufsausbildung selbsterhaltungsfähig ist oder ob ihm noch eine weitere Berufsausbildung zuzubilligen ist, ist im Gesetz nicht geregelt. Das Gesetz verweist hier vielmehr gemäß § 166 ABGB nur auf die Lebensverhältnisse des Kindes (§ 140 Abs 2 ABGB), auf die Lebensverhältnisse der Eltern (§ 146 Abs 2 ABGB) und auf das Wohl des Kindes (§ 147 ABGB). Die Beurteilung der Umstände, die in diesem Sinn für und gegen die Berufswahl des Kindes und damit zusammenhängend für oder gegen den Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit sprechen, ist daher weitgehend eine Frage des Ermessens, deren Lösung schon begrifflich nicht offenbar gesetzwidrig sein kann (EFSlg 37.406, 44.656, 44.663 ua.). Wenn auch nach der Rechtsprechung dann, wenn ein Kind schon eine abgeschlossene Berufsausbildung besitzt und es nur darum geht, dem Kind eine zusätzliche bzw. andere Berufsausbildung zu ermöglichen, ein strengerer Maßstab gerechtfertigt ist, als wenn es um die Entscheidung über die erste Berufswahl geht (vgl. Entscheidungen wie SZ 51/90 oder ÖA 1984,68), so kann es den Anlagen des Kindes und überhaupt seinem Wohle nach den Lebensverhältnissen der Eltern und des Kindes doch sehr wohl entsprechen, auch nach einer fertigen Berufsausbildung die aus irgend welchen Gründen für das Kind nicht paßt, einen zweiten Beruf zu erlernen, Daß das Gericht zweiter Instanz die im Gesetz angeführten Grundsätze überhaupt gänzlich außer acht gelassen hätte, was eine offenbare Gesetzwidrigkeit bedeuten könnte (vgl.Entscheidungen wie EFSlg 21.372), kann nicht gesagt werden; denn vor allem die zweite Instanz weist ausdrücklich darauf hin, daß die neue Ausbildung nur dann zugebilligt werden kann, wenn entsprechende schulische Leistungen vorliegen, die dafür sprechen, daß die neue Ausbildung dem Wesen des Schülers und damit später auch seinem weiteren Fortkommen besser gerecht wird als der Zwang, einen ungeliebten und unpassenden Beruf ausüben zu müssen. Es ist daher nicht erkennbar, daß die Entscheidung der Vorinstanzen offenbar gesetzwidrig wäre. Der Revisionsrekurs war daher als unzulässig zurückzuweisen.
Anmerkung
E05870European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00551.85.0612.000Dokumentnummer
JJT_19850612_OGH0002_0030OB00551_8500000_000