TE OGH 1985/6/12 9Os71/85

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Veröffentlicht am 12.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Juni 1985 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Walenta, Dr. Lachner und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Mader als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Adolf A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9.Jänner 1985, GZ 1c Vr 9764/84-25, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, und des Verteidigers Dr. Schütz, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruchs über die Vorhaftanrechnung) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 22-jährige Adolf A der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB (Punkt 1 des Urteilssatzes) und des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Darnach hat er am 5.Mai 1984 in Wien 1. Franz B mit einem Messer absichtlich eine schwere Körperverletzung zugefügt, nämlich eine Stichverletzung im Bereich der rechten unteren Brustkorbseite samt Durchstich der Leber und des Zwerchfelles, verbunden mit einer länger als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit, und 2. der Herta C durch festes Zupacken und Zustechen mit einem Kugelschreiber, wodurch die Genannte eine seichte Schnittwunde oberhalb der linken Augenbraue bis zum Jochbeinbereich links erlitt, somit durch Gewalt gegen eine Person, fremde bewegliche Sachen, und zwar Bargeld, mit dem Vorsatz wegzunehmen versucht, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer die Gründe der Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs. 1 StPO relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde, der teilweise Berechtigung zukommt. Berechtigt ist die Beschwerde nämlich insoweit, als der Angeklagte - gestützt auf die Z 9 lit a und 10, der Sache nach aber lediglich die Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO ausführend - rügt, das Erstgericht habe hinsichtlich des Schuldspruchs wegen absichtlicher schwerer Körperverletzung (Punkt 1 des Urteilssatzes) eine 'besondere Schuldform' (gemeint: 'Absichtlichkeit' im Sinn des § 5 Abs. 2 StGB in bezug auf die Herbeiführung einer schweren Körperverletzung) angenommen, die 'nicht gegeben' sei, womit ersichtlich zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß die Feststellungen des Gerichtes zum subjektiven Tatbestand nach Auffassung des Beschwerdeführers eine Subsumtion der Tat unter die Bestimmung des § 87 Abs. 1 StGB nicht rechtfertigen.

Rechtliche Beurteilung

Das Erstgericht hat in objektiver Beziehung die Herbeiführung einer schweren Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) festgestellt, in subjektiver Hinsicht aber (lediglich) ein Handeln des Angeklagten in 'Verletzungsabsicht' (gemeint: mit Verletzungsvorsatz) konstatiert (vgl S 278, 279, 281, 285), ohne indes Feststellungen dahin zu treffen, daß es dem Angeklagten geradezu darauf angekommen ist, den schweren Verletzungserfolg zu verwirklichen (§ 5 Abs. 2 StGB), er mithin in der Absicht gehandelt hat, Franz B eine schwere Körperverletzung zuzufügen, wie dies der subjektive Tatbestand des § 87 Abs. 1 StGB voraussetzt. Die bloße Wiedergabe der verba legalia dieser Strafbestimmung im Urteilsspruch vermag die in den Urteilsgründen fehlenden, zur Beurteilung der Tat (nicht bloß als schwere Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB, sondern) als absichtliche schwere Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB unabdingbare Konstatierung zur inneren Tatseite nicht zu ersetzen (vgl Mayerhofer-Rieder StPO 2 Nr 94a, 95 zu § 270). Dem angefochtenen Urteil haftet somit, wie die Beschwerde im Ergebnis zutreffend rügt, in Ansehung des Schuldspruchs zu Punkt 1 des Urteilssatzes ein Feststellungsmangel an, wobei - entgegen der Stellungnahme der Generalprokuratur - nach der Aktenlage nicht davon ausgegangen werden kann, daß die fehlende Feststellung in einem weiteren Rechtsgang keineswegs getroffen werden könnte. In (teilweiser) Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war somit das Urteil im Schuldspruch zu Punkt 1 des Urteilssatzes (und demgemäß auch im Strafausspruch) aufzuheben und insoweit dem Erstgericht die Erneuerung des Verfahrens aufzutragen, ohne daß auf das weitere Beschwerdevorbringen zu diesem Teil des Schuldspruchs eingegangen zu werden braucht.

Nicht berechtigt ist die Beschwerde hingegen, soweit sie gegen den Schuldspruch wegen versuchten Raubes (Punkt 2 des Urteilssatzes) gerichtet ist.

Soweit der Beschwerdeführer diesbezüglich sowohl in bezug auf die Feststellung, wonach er zur Tatzeit nicht voll berauscht gewesen ist, als auch in bezug auf die Annahme eines Handelns mit Raubvorsatz eine unvollständige Begründung des Urteils reklamiert, so übersieht er, daß es nach der in der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO zitierten Vorschrift des § 270 Abs. 2 Z 5 StPO nicht notwendig ist, im Urteil zu jedem Vorbringen des Angeklagten Stellung zu nehmen und alle Umstände einer Erörterung zu unterziehen, die durch das Beweisverfahren hervorgekommen sind; es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof im Urteil die entscheidenden Tatsachen bezeichnet, welche er als erwiesen annimmt und die Gründe angibt, die zu seiner Überzeugung von der Richtigkeit dieser Annahme geführt haben (vgl Mayerhofer-Rieder StPO 2 Nr 7 und 8 zu § 270). Dieser Verpflichtung ist das Schöffengericht aber hinsichtlich der bekämpften Aussprüche in ausreichendem Maße nachgekommen, wobei es - dem Beschwerdevorbringen zuwider - keineswegs entscheidende (und für die Version des Angeklagten sprechende) Teile der Aussagen der Zeuginnen D, E, F und C - deren Bekundungen insgesamt gegen und nicht für die Verantwortung des Beschwerdeführers sprechen - mit Stillschweigen übergangen, sondern diese Bekundungen in ihrer Gesamtheit beweiswürdigend berücksichtigt und daraus - in Verbindung mit den (in der Hauptverhandlung erstatteten bzw ergänzten) Sachverständigengutachten - die Überzeugung gewonnen hat, daß der Angeklagte zur Tatzeit zwar alkoholisiert, aber nicht volltrunken gewesen ist (S 283/284). So gesehen bedurfte es aber auch keiner gesonderten Erörterung jenes Teils der Ausführungen des Sachverständigen Dr. G, demzufolge der Angeklagte 'verstandesmäßig minder ausgestattet' ist; denn einem solchen Umstand kommt für die Lösung der Schuldfrage keine entscheidende Bedeutung zu, er kann vielmehr lediglich bei der Strafzumessung Berücksichtigung finden. Daß der Angeklagte mit Raubvorsatz gehandelt hat, konnten die Tatrichter - entgegen der insoweit eine unzureichende Begründung relevierenden Beschwerde - auf Grund seiner eigenen Angaben vor der Polizei (S 79, aber auch S 97) als erwiesen annehmen, wobei sie auf Grund der als glaubwürdig erachteten Aussage des Zeugen H die Überzeugung gewinnen konnten, daß der Angeklagte diese Angaben unbeeinflußt gemacht hat (S 282/283).

Das gesamte Vorbringen in der Mängelrüge läuft somit - auch wenn der Beschwerdeführer dies nicht wahrhaben will - lediglich auf eine unzulässige und damit unbeachtliche Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung hinaus; formale Begründungsmängel werden damit nicht aufgezeigt. Das gilt insbesondere auch für den Einwand, daß aus den vorliegenden Umständen auch andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse hätten gezogen werden können und jene des Gerichtes nicht zwingend seien.

Was die auf die Z 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gegründete Rechtsrüge betrifft, mit welcher der Beschwerdeführer das Vorliegen der objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des (versuchten) Raubes bestreitet und - insoweit sachlich die Z 10 der zitierten Gesetzesstelle heranziehend - eine Tatbegehung im Zustand voller Berauschung unterstellt, so entbehren diese Rügen der gesetzmäßigen Ausführung, weil sie nicht vom festgestellten Urteilssachverhalt (demzufolge der Angeklagte mit Raubvorsatz Gewalt gegen eine Person angewendet hat, um deren Bargeld wegzunehmen, wobei er diskretions- und dispositionsfähig war) ausgehen.

Soweit der Angeklagte schließlich - insoweit der Sache nach eine Nichtigkeit gemäß der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO relevierend - die Beurteilung des ihm angelasteten versuchten Raubes als 'minderschwerer Raub' gemäß § 142 Abs. 2 StGB anstrebt, führt er die Rechtsrüge zwar gesetzmäßig aus; er ist damit aber nicht im Recht. Denn die Anwendung des § 142 Abs. 2 StGB setzt (unter anderem) voraus, daß der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen wurde. Schon diese Voraussetzung trifft vorliegend nicht zu. Nach den Urteilsfeststellungen bestand die vom Beschwerdeführer gegenüber Herta C angewendete Gewalt nicht bloß im festen Zupacken, sondern auch darin, daß er ihr mit einem Kugelschreiber in der Augengegend - sohin in gefährlicher Weise - ins Gesicht stach, wodurch sie eine leichte - aber immerhin 7 cm lange (S 259) - Schnittwunde oberhalb der linken Augenbraue bis zum Jochbeinbereich links erlitt. Angesichts dieser Vorgangsweise gegen die Genannte kann aber nicht davon gesprochen werden, daß der Täter keine erhebliche Gewalt angewendet hat, weshalb die Tat ohne Rechtsirrtum als versuchter Raub nach §§ 15, 142 Abs. 1 StGB beurteilt wurde.

In Ansehung des Schuldspruchs zu Punkt 2 des Urteilssatzes war die Nichtigkeitsbeschwerde somit als zur Gänze unbegründet zu verwerfen. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle (vgl Mayerhofer-Rieder aaO Nr 11 zu § 390 a).

Anmerkung

E05820

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0090OS00071.85.0612.000

Dokumentnummer

JJT_19850612_OGH0002_0090OS00071_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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