TE OGH 1985/6/13 6Ob534/85

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Veröffentlicht am 13.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A B wider die beklagten Parteien

1. Karl Peter C, Angestellter, Wels, Dragonerstraße 46, vertreten durch Dr.Josef Hofer, Rechtsanwalt in Wels, und 2. Anastasia Nyambura C, Traun, Kremstaltstraße 107, vertreten durch Dr.Franz Kriftner, Rechtsanwalt in Linz, wegen Nichtigerklärung der Ehe, infolge Revision der erstbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 8.November 1984, GZ.5 R 216/84-21, womit infolge der Berufungen der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 17.Mai 1984, GZ.3 Cg 81/84-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die erstbeklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die A B begehrte mit der am 20.10.1983 beim Erstgericht eingelangten Klage die Nichtigerklärung der Ehe der Beklagten gemäß § 23 EheG und den Ausspruch, daß beide Beklagte an der Nichtigkeit der Ehe ein Verschulden treffe. Zur Begründung wurde ausgeführt, daß die Beklagten am 7.8.1982 vor dem Standesamt Wels geheiratet hätten. Der Erstbeklagte, sei österreichischer Staatsbürger, die Zweitbeklagte sei im Zeitpunkt der Eheschließung keniatische Staatsbürgerin gewesen. Der letzte Wohnsitz beider Beklagter sei B gewesen. Die Ehe der Beklagten sei ausschließlich zu dem Zwecke geschlossen worden, um der Zweitbeklagten die österreichische Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Die Zweitbeklagte, die in einem Nachtclub in D beschäftigt gewesen sei, sei von den Ehegatten Franz und Annemarie E in D angeworben worden, in Österreich die Prostitution auszuüben. Um dies zu ermöglichen, habe der Erstbeklagte die Zweitbeklagte geheiratet.

Es sei von den Beklagten von vorneherein nie beabsichtigt gewesen, einen gemeinsamen Haushalt zu gründen oder eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft einzugehen.

Beide Beklagte beantragten Abweisung des Klagebegehrens. Der Erstbeklagte wendete im wesentlichen ein, mit der Zweitbeklagten bei der Eheschließung einen gemeinsamen Haushalt in B, Linzerstraße 220, gegründet und dort die gemeinsame Ehewohnung gehabt zu haben. Ungefähr vier Monate nach der Eheschließung habe die Zweitbeklagte die häusliche Gemeinschaft eigenmächtig aufgelöst, weshalb der Erstbeklagte die Scheidungsklage erhoben habe.

Die Zweitbeklagte bestritt, daß die Ehe ausschließlich oder vorwiegend zum Zwecke des Erwerbes der österreichischen Staatsbürgerschaft durch sie geschlossen worden sei. Die Beklagten hätten nach der Eheschließung eine Lebensgemeinschaft gegründet. Dies sei auch bei der Eheschließung in ihrer Absicht gelegen gewesen. Die eheliche Gemeinschaft zwischen ihnen habe vier Monate hindurch bestanden.

Das Erstgericht gab der Klage statt und stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Beklagten haben am 7.8.1982 (im Ersturteil offenbar irrig: 17.8.1983) vor dem Standesamt B die Ehe geschlossen. Der Erstbeklagte war zum Zeitpunkt der Eheschließung österreichischer Staatsbürger, die Zweitbeklagte war keniatische Staatsangehörige. Beide Beklagten hatten zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht die Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, die Aufnahme ehewidriger geschlechtlicher Beziehungen zu anderen Personen zu unterlassen und einander nicht grundlos zu verlassen, einander anständig zu begegnen und wechselseitig Beistand in materieller und ideeller Hinsicht zu leisten. Vorwiegender Zweck der Eheschließung war vielmehr, der Zweitbeklagten den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Erstbeklagten, also der österreichischen Staatsangehörigkeit, zu ermöglichen. Am 30.9.1982 erklärte die Zweitbeklagte gegenüber dem Magistrat der Stadt B, der Republik Österreich als getreue Staatsbürgerin angehören zu wollen.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, der vorliegende Sachverhalt sei gemäß den §§ 17, 18 IPR-Gesetz nach österreichischem Recht zu beurteilen. Da auf Grund der getroffenen Feststellungen beider Beklagte die Ehe vorwiegend zu dem Zwecke geschlossen hätten, der Frau den Erwerb der Staatsangehörigkeit des Mannes zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen, seien die im § 23 Abs.1 EheG für die Nichtigkeit der Ehe normierten Voraussetzungen gegeben. Die festgestellte Absicht inkludiere auch die Kenntnis des Nichtigkeitsgrundes und damit das Verschulden beider Beklagter. Die gegen dieses Urteil erhobenen Berufungen der Beklagten blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete die Beweis-, Tatsachen- und Mängelrügen für nicht berechtigt, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht. Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Erstbeklagten - die klagende A beteiligte sich am Revisionsverfahren nicht - ist nicht berechtigt.

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens macht der Rechtsmittelwerber geltend, das Berufungsgericht hätte die Beweise wiederholen oder ergänzen müssen, und versteht darunter die neuerliche Einvernehmung 'beider Parteien', womit er offensichtlich beide Beklagte meint.

Rechtliche Beurteilung

Damit macht der Erstbeklagte aber nicht den Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, nämlich die Verletzung einer Verfahrensvorschrift geltend, sondern bekämpft die Ergebnisse der richterlichen überzeugung von der Vollständigkeit und Richtigkeit der Tatsachengrundlage, wozu auch die Frage gehört, ob vom Berufungsgericht die Beweiswiederholung für notwendig erachtet wird (Fasching IV, 310). Eine solche Bekämpfung ist in dritter Instanz aber unzulässig.

Zum Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung führt der Erstbeklagte aus, eine auch nur kurzzeitige Lebensgemeinschaft nach Schließung der Ehe hätte die im Zeitpunkt der Eheschließung vorhandene Absicht, eine eheliche Lebensgemeinschaft zu begründen, impliziert bzw. dokumentiert. Es sei daher entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes eine Feststellung über einen gemeinsamen Haushalt in F (richtig wohl B) entscheidungswesentlich. Der Tatbestand des § 23 EheG sei schon dann nicht verwirklicht, wenn Teilaspekte einer Lebensgemeinschaft, nämlich die Geschlechtsgemeinschaft und insbesondere die Wirtschaftsgemeinschaft auch nur kurze Zeit gegeben gewesen seien. Da in vielen Ehen nur Teilaspekte einer vollen Lebensgemeinschaft verwirklicht würden, sei auch der Tatbestand des § 23 EheG nicht gegeben, wenn irgendeines der tragenden Momente der Verbindung verwirklicht worden sei. Soweit diese Revisionsausführungen nach der Absicht des Rechtsmittelwerbers dahin verstanden werden sollen, daß er damit die Feststellung über das Vorliegen einer bestimmten Absicht in einem bestimmten Zeitpunkt bekämpfen will, dann handelt es sich insoweit um eine in der Revision unzulässige Bekämpfung der Tatsachengrundlage.

Da im Verfahren über eine Nichtigerklärung einer Ehe aber der Grundsatz nicht gilt, daß erhebliche Verfahrensmängel erster Instanz, die vom Berufungsgericht nicht als gegeben erachtet wurden, in dritter Instanz nicht mehr gerügt werden dürfen, ist das Revisionsvorbringen auch in der Richtung zu prüfen, ob darin nicht eine Mängelrüge bezüglich der Nichtvernehmung des Zeugen Helmut G zum Beweisthema 'gemeinsamer Haushalt' erblickt werden kann. Aber auch mit der Bejahung dieser Frage ist für den Rechtsmittelwerber aus folgender überlegung nichts zu gewinnen:

Das Erstgericht hat eine Erhebung und Feststellung über einen gemeinsamen Haushalt der Beklagten auch deshalb nicht durchgeführt, weil es einen allenfalls begründeten gemeinsamen Haushalt auf Grund seiner sonstigen Feststellungen als 'nur dem Schein nach' begründet angesehen hat. Das Erstgericht ist also auch unter Annahme eines gemeinsamen Haushaltes der Beklagten zu seiner Tatsachenfeststellung über die bei der Eheschließung vorhandene Absicht der Beklagten gekommen. Der Umstand des gemeinsamen Haushaltes war eine jener Hilfstatsachen, aus denen unter Zuhilfenahme der Erfahrung auf das Vorhandensein eines im gesetzlichen Tatbestand enthaltenen Tatbestandsmerkmales, nämlich der Absicht der Parteien, geschlossen wurden (vgl. Fasching, Lehrbuch, Rdz 810). Diese überlegungen des Erstgerichtes gehören daher zum Bereich der Beweiswürdigung, wobei es keinen Verfahrensmangel darstellte, daß es ohne den Umstand zu klären, ob überhaupt ein gemeinsamer Haushalt gegründet wurde, dem Sinne nach ausführte, auch für den Fall eines solchen gemeinsamen Haushaltes blieben die Feststellungen bestehen, weil ein solcher Haushalt nur zum Schein, also zur Verschleierung der wirklichen Absicht, gegründet worden wäre. Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zu Recht die Rüge, es sei der Zeuge Helmut G nicht zum Beweisthema des gemeinsamen Haushaltes vernommen worden, als nicht berechtigt angesehen. Es liegt daher keine Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor.

Soweit in den oben wiedergegebenen Ausführungen aber zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß eine nach der Eheschließung zumindest in Teilbereichen zustandegekommene Lebensgemeinschaft die Annahme der Nichtigkeit der Ehe auch dann ausschließe, wenn zunächst die Ehe ausschließlich oder vorwiegend zu dem Zwecke geschlossen worden sei, der Frau unter anderem den Erwerb der Staatsangehörigkeit zu ermöglichen, ohne daß die eheliche Lebensgemeinschaft hätte begründet werden sollen, ist der Rechtsmittelwerber auf die von den Vorinstanzen zutreffend vertretene Auffassung zu verweisen, daß bei der Prüfung der Verwirklichung des Tatbestandes des § 23 EheG auf den Zeitpunkt der Eheschließung abzustellen ist (vgl. auch Schwind, Ehe 2 1, S.144). Ist die Ehe auf Grund der in diesem Zeitpunkt gegebenen Umstände nichtig, dann heilt die Ehe auch bei Wegfall dieser Umstände nur gemäß Abs.2 der genannten Gesetzesstelle, also bei qualifizierter Dauer der Gemeinschaft (vgl. Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 3 zu § 23 EheG). Da die Gemeinschaft zwischen den beiden Beklagten nach deren eigenem Vorbringen nur vier Monate gedauert hat, kann von einer solchen Heilung unabhängig von der Frage, welche Elemente der Gemeinschaft vorhanden sein müssen, damit eine Heilung überhaupt in Betracht kommt, keine Rede sein. Auf die diesbezüglichen Revisionsausführungen ist daher nicht einzugehen. Der insgesamt unberechtigten Revision war daher der Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kostentragung beruht auf § 40 ZPO.

Anmerkung

E06023

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00534.85.0613.000

Dokumentnummer

JJT_19850613_OGH0002_0060OB00534_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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