TE OGH 1985/6/18 10Os54/85

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Veröffentlicht am 18.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Friedrich, Dr.Reisenleitner, Dr.Kuch und Dr.Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Schrott als Schriftführer, in der Strafsache gegen Christian A wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 28. Februar 1985, GZ 1 a Vr 1936/84-32, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Tschulik, und der Verteidigerin Dr.Schöll, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10.Jänner 1968 geborene beschäftigungslose Jugendliche Christian A des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs 1, 143 (zu ergänzen: erster Fall) StGB (A), des Vergehens des schweren Diebstahls nach § 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB (B) und des Vergehens der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

(zu A) Ende September 1984 in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Erwachsenen Franz B als Beteiligter (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen eine Person, nämlich durch gewaltsames Festhalten, dem Bernhard C fremde bewegliche Sachen, und zwar dessen Digitaluhr Marke 'RENOX' sowie ca. 5.700 S Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt (richtig: weggenommen), sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

(zu B) Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

I. am 12. Oktober 1984 in Gesellschaft des abgesondert verfolgten Erwachsenen Franz B als Beteiligter (§ 12 StGB) dem Paul D ca. 340 Schweizer Franken und ca. 2.000 S;

II. Anfang November 1984 einem Unbekannten ca. 1.000 S;

(zu C) Anfang November 1984 einen Unbekannten dadurch geschädigt, daß er eine fremde bewegliche Sache, nämlich eine Geldbörse aus dessen Gewahrsam dauernd entzog, ohne diese sich oder einem Dritten zuzueignen.

Rechtliche Beurteilung

Nur den Schuldspruch wegen Verbrechens des schweren Raubes (A) bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Ihr kommt keine Berechtigung zu.

Insoweit sich die Mängelrüge (Z 5) gegen die Konstatierungen zum Raubvorsatz wendet und in diesem Zusammenhang die Argumentation des Schöffengerichtes auf US 10 oben als unzureichend moniert, ist zunächst klarzustellen, daß sich dieser Teil der Entscheidungsgründe auf die Feststellung (US 5 und 9 unten) bezieht, wonach der Angeklagte und sein erwachsener Komplize bereits im Lokal 'Alfis goldener Spiegel' den Vorsatz gefaßt hatten, Bernhard C zu berauben. Die weitere, im Rahmen der rechtlichen Beurteilung getroffene Feststellung (US 8 und 9 oben), daß - was allein entscheidungswesentlich ist - der Raubvorsatz zum Zeitpunkt der eigentlichen Tatausführung (weiter-)bestanden hat, was vom Erstgericht mit dem gewaltsamen Festhalten des C durch den Angeklagten und der solcherart diesem aufgezwungenen Duldung des Herausziehens der Brieftasche und der Abnahme der Armbanduhr durch den Raubgenossen begründet wird, ist damit von der Anfechtung in Wahrheit gar nicht umfaßt, weshalb die Rüge schon aus diesem Grund verfehlt ist. Im übrigen ist die vom Schöffengericht für die bereits im Lokal erfolgte Verabredung eines Raubes gegebene Begründung, daß 'das Opfer seine Wertsachen natürlich nicht freiwillig herausgeben würde' (US 10 oben), den Beschwerdebehauptungen zuwider dafür durchaus zureichend, zumal der Beschwerdeführer selbst sowohl im Vorverfahren (insoweit konform mit der Darstellung seines Komplizen) als auch in der Hauptverhandlung ausdrücklich zugegeben hat, daß der gemeinsame Tatplan dahin gegangen ist, Bernhard C festzuhalten und zu berauben (S 26 f, 42, 51 a, 167), also durch Einsatz von Gewalt in den Besitz der erhofften Beute zu gelangen. Unbegründet ist aber auch die Rechtsrüge (Z 10), das bloße Festhalten des Tatopfers stelle keine willensbeugende Gewaltanwendung im Sinne des § 142 StGB dar, weil Bernhard C keine Gegenwehr geleistet und die Möglichkeit gehabt hätte, sich loszureißen und davonzulaufen, weshalb der Beschwerdeführer den Sachverhalt nur dem Tatbestand des schweren Diebstahls nach § 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 1 StGB unterstellt wissen will. Nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖJZ-LSK 1976/29 u.a.) und damit übereinstimmender Lehre (Leukauf-Steininger, Kommentar 2 RN 6 zu § 142; Kienapfel, BT II, RN 26 ff zu § 142 StGB) ist unter Gewalt die Anwendung nicht bloß unerheblicher physischer Kraft zur Verhinderung oder überwindung eines vorausgesetzten, d.h. tatsächlichen oder zu erwartenden Widerstandes zu verstehen. Schon bloßes Festhalten einer Person, ohne weitere Gewalttätigkeiten gegen sie auszuüben, um einem anderen zu ermöglichen, ihr Geld oder andere bewegliche Sachen wegzunehmen, entspricht daher dem Begriff der Gewalt im Sinne des § 142 StGB (so schon EvBl 1969/436; vgl. auch EvBl 1965/432). Ob sich das Opfer effektiv zur Wehr setzt oder nicht, ist nicht entscheidend. Für das Erfordernis der Gewalt ist auf die Kraftentfaltung selbst und nicht auf die Zwangswirkung abzustellen (vgl. Zipf im WK RN 15 zu § 142 StGB). Demnach ist das Tatbestandsmerkmal der Gewalt vom Erstgericht im vorliegenden Fall zu Recht bejaht worden:

Den Urteilsfeststellungen zufolge hat der Angeklagte Christian A nämlich den ihm körperlich unterlegenen Bernhard C von hinten festgehalten, um seinem Komplizen Franz B zu ermöglichen, den alkoholisierten C abzutasten, dessen Brieftasche aus der rechten hinteren Hosentasche herauszuziehen und ihm die Armbanduhr abzunehmen. Solcherart hat die vom Beschwerdeführer ausgeübte Gewalt die Erheblichkeitsschwelle eindeutig überschritten; sie ist auch geeignet (und dazu bestimmt) gewesen, den Widerstandswillen des Tatopfers zu beugen und von vornherein zu verhindern, daß sich dieses gegen die Sachwegnahme zur Wehr setzt. Daß dem Festgehaltenen nicht - wie der Beschwerdeführer vermeint: durch 'überwältigende Gewaltanwendung' - jede Bewegungsmöglichkeit genommen war und Bernhard C allenfalls sich losreißen und davonlaufen hätte können, schließt die Annahme von Gewalt im dargelegten Sinn nicht aus (vgl. Mayerhofer-Rieder 2 E Nr 6 zu § 142 StGB).

Da sämtliche Tatbestandsmerkmale eines Raubes erfüllt sind, kommt eine Beurteilung des inkriminierten Verhaltens des Beschwerdeführers (bloß) als Bedrängnisdiebstahl nicht in Betracht. Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 28 Abs 1, 143 (gemeint: erster Strafsatz) StGB unter Anwendung des § 11 Z 1 JGG zu zweieinhalb Jahren Freiheitsstrafe. Es wertete den sofortigen Rückfall, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und zahlreiche einschlägige Vorstrafen als erschwerend; als mildernd berücksichtigte es ein vollständiges und reumütiges Geständnis, die ungünstigen häuslichen Verhältnisse und den Umstand, daß keine besondere Gewalt angewendet wurde. Es führte weiters aus, daß wegen der Straffälligkeit nach Entweichung aus der Sonderanstalt Gerasdorf ein besonders strenger Maßstab anzulegen wäre. Dennoch hielt es die Mindeststrafe für angemessen, weil der Angeklagte keine besondere Gewalt angewendet und ein volles und reumütiges Geständnis abgelegt hat. Wegen der einschlägigen Vorstrafen machte es jedoch von der Möglichkeit einer außerordentlichen Strafmilderung keinen Gebrauch und zog auch eine bedingte Strafnachsicht nicht in Betracht.

Dagegen richtet sich die Berufung des Angeklagten, mit der er beantragt, über ihn unter Anwendung des § 41 StGB eine geringere Freiheitsstrafe zu verhängen.

Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.

Von einer Beteiligung des Berufungswerbers am schweren Raub in bloß untergeordneter Weise kann keine Rede sein, bestand doch gerade sein Tatbeitrag in der unmittelbaren Gewaltanwendung gegen das Raubopfer (Festhalten von hinten). Auch eine besonders verlockende Gelegenheit kommt als Milderungsgrund nicht in Betracht, da unter den gegebenen Umständen einem ansonsten rechtsgetreuen Menschen die Begehung einer schweren Gewalttat nicht zusinnbar wäre (vgl. Leukauf-Steininger, Kommentar 2 § 34 RN 15). Eine Alkoholisierung hinwieder kann nur unter den Voraussetzungen des § 35 StGB (ausnahmsweise) mildernd sein, doch wird im vorliegenden Fall durch den nach den Umständen begründeten Vorwurf übermäßigen Alkoholkonsums die dadurch bewirkte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit zumindest aufgewogen.

Demgegenüber ist den Erschwerungsgründen die zweifache Qualifikation des Diebstahls (Gesellschaft und Wert) noch hinzuzufügen, während der Mangel besonderer Gewaltanwendung als eigener Milderungsgrund zu entfallen hat und nur im Rahmen der allgemeinen Strafbemessungsregel des § 32 Abs 3 StGB Berücksichtigung finden kann. Insgesamt kann unter Bedacht auf die ansonsten vom Erstgericht richtig festgestellten und zutreffend gewürdigten Strafbemessungsgründe, wobei dem Umstand der Begehung der Straftaten während der Flucht aus der Strafhaft entscheidendes Gewicht zukommt, von einem beträchtlichen überwiegen der Milderungsgründe und einer daraus ableitbaren Aussicht auf künftiges Wohlverhalten selbst bei Verhängung einer das gesetzliche Mindestmaß unterschreitenden Freiheitsstrafe nicht gesprochen werden, weshalb der Berufung ein Erfolg zu versagen war.

Anmerkung

E06072

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00054.85.0618.000

Dokumentnummer

JJT_19850618_OGH0002_0100OS00054_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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