TE OGH 1985/6/20 6Ob568/85

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Veröffentlicht am 20.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Riedler und Dr.Schlosser als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg A, Hausfrau, Wien 22., Hartlebengasse-Wohlgemutgasse 1-17/66/3, vertreten durch Dr.Ingrid Huber, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Herbert A, dzt.arbeitslos, Voitsberg, Rottenbachergasse 29, vertreten durch Dr.Inge Braun, Rechtsanwalt in Graz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 20.November 1984, GZ. 6 R 184/84-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz vom 5.Mai 1984, GZ. 11 Cg 99/83-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 USt. und keine Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 25.9.1978 miteinander die Ehe geschlossen. Für den Beklagten war es die erste, für die Klägerin die zweite Ehe. Die erste Ehe der Klägerin war durch Scheidung aufgelöst worden. Der Ehe entstammen der am 16.3.1979 geborene Alexander A und die am 8.4.1981 geborene Simone A. Der Antrag des Beklagten auf Klageerhebung gemäß § 158 ABGB betreffend den minderjährigen Alexander A wurde von der Staatsanwaltschaft Wien abgelehnt. Die vom Beklagten eingebrachte Ehelichkeitsbestreitungsklage betreffend die mj.Simone A wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 18.8.1982

rechtskräftig abgewiesen. Der Beklagte hatte bereits am 30.10.1978 zu 11 Cg 282/78 beim Landesgericht für ZRS Graz eine auf § 49 EheG gestützte Ehescheidungsklage eingebracht. Die Klägerin hatte am 14.8.1979 zu 11 Cg 170/79 des Landesgerichtes für ZRS Graz die auf § 49 EheG gestützte Widerklage erhoben. Die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen wurden unter Verzicht auf den Anspruch zurückgenommen. In der Folge brachte der Beklagte am 27.3.1981 zu 11 Cg 94/81 neuerdings eine auf § 49 EheG gestützte Ehescheidungsklage ein. In jenem Verfahren trat Ruhen des Verfahrens ein.

Die Klägerin brachte am 11.3.1983 eine Scheidungsklage ein, in welcher sie Eheverfehlungen des Beklagten im Sinne des § 49 EheG geltend machte. Sie behauptete, der Beklagte habe sich nie um die Familie, insbesondere auch nicht um die Kinder gekümmert. Im Oktober 1981 habe der Beklagte die Klägerin mit den Kindern aus der gemeinsamen Ehewohnung in B 'geworfen', weshalb die Klägerin seither in WIEN lebe. Der Beklagte leiste der Klägerin und den Kindern auch keinen Unterhalt. Schließlich unterhalte er ehewidrige Beziehungen zu anderen Frauen. Der Beklagte habe die Klägerin auch beschimpft. Der Beklagte sprach sich nicht gegen die Scheidung der Ehe aus, stellte jedoch den Antrag auf Feststellung des überwiegenden Verschuldens der Klägerin, weil sie die Ehegemeinschaft eigenmächtig aufgehoben und bereits vor Aufhebung dieser Ehegemeinschaft ehewidrige Beziehungen zu fremden Männern, insbesondere zu August C, unterhalten habe. Auch die im Verfahren 11 Cg 94/81 behaupteten Eheverfehlungen der nunmehrigen Klägerin, insbesondere Tätlichkeiten gegenüber dem Beklagten und Vergeudung des Wirtschaftsgeldes wurden zur Begründung des Mitverschuldenseinwandes geltend gemacht.

Die Parteien bestritten die ihnen jeweils vom Gegner angelasteten Eheverfehlungen.

Das Erstgericht hat die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG geschieden und ausgesprochen, daß das Verschulden beide Parteien zu gleichen Teilen trifft. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Der Beklagte war mit der Haushaltsführung der Klägerin nie einverstanden. Er kritisierte die Klägerin dauernd und sagte zu ihr, daß er alles besser könne. Die Unzufriedenheit mit der Haushaltsführung der Klägerin war oft der Ausgangspunkt für Streitigkeiten. Der Beklagte hat der Klägerin oft vorgeworfen, daß sie den Haushalt nicht so führe und nicht so koche, wie er wolle und wie er es von seiner Mutter gewöhnt sei. Er hat bei der Haushaltsführung dauernd dreingeredet. Die Klägerin konnte nicht kochen. Sie hat sich auch nicht viel um die Wäsche gekümmert, sie war immer unterwegs. Am 21.10.1978 ist die Klägerin aus der Ehewohnung ausgezogen. Im Jahre 1980 ist sie noch einmal dorthin zurückgekommen. Der Beklagte hatte sie um diese Rückkehr ersucht. Der Beklagte war schon vor dem ersten Wegziehen der Klägerin von dieser mißhandelt und beschimpft worden. Ehewidrige Beziehungen des Beklagten zu anderen Frauen wurden nicht festgestellt. Wohl aber wurde festgestellt, daß die Klägerin im Jahre 1978 einige Male mit August C am Nachmittag um halb fünf Uhr weggegangen und erst um elf Uhr abends nach Hause gekommen ist. Einmal hat der Beklagte die Klägerin auch in der Wohnung des August C getroffen, als er früher von einer Schicht nach Hause gekommen war. Es wurde ihm damals auf sein erstes Klopfen nicht geöffnet. Als er nach einer viertel Stunde wieder kam, war die Tür offen, die Klägerin und August C saßen auf dem Bettrand. Die Klägerin ist auch öfters in der Früh zum Bett des August C gegangen, hat sich auf den Bettrand gesetzt und unter die Decke gegriffen; hineingelegt hat sie sich allerdings nicht. Sie ist auch einmal mit August C zu einem Teich spaziert, wo sie miteinander 'geschmust' haben. Der Beklagte gab der Klägerin S 4.000 bis S 5.000 Wirtschaftsgeld im Monat, der Onkel des Beklagten gab ihr seine gesamte Pension. Nach dem ersten Wegziehen hat der Beklagte der Klägerin keinen Unterhalt bezahlt. Als die Klägerin im Jahre 1980 wieder beim Beklagten war, hat er Unterhalt geleistet. Seit die Klägerin zum zweiten Mal ausgezogen ist, kümmert sich der Beklagte nicht um die Kinder. Er hat jahrelang keine Zahlungen geleistet. Als die Klägerin zum zweiten Mal vom Beklagten weggezogen ist, erklärte der Beklagte, daß die Klägerin gehen könne. Dem war aber kein Streit vorausgegangen.

In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß auf seiten der Klägerin deren ehewidriges Verhalten, Streitereien, Mißhandlungen des Beklagten, sowie die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft und auf seiten des Beklagten dessen Unterhaltsverletzungen als schwere Eheverfehlungen anzusehen seien. Auch die verzichteten oder verjährten Eheverfehlungen seien im Rahmen des Mitverschuldensantrages zu berücksichtigen. Die Ehe der Streitteile sei unheilbar zerrüttet, das Verschulden an der Zerrüttung treffe beide Streitteile, wobei ein überwiegendes Verschulden nicht habe festgestellt werden können. Wenn auch das Verhalten der Klägerin für den Standpunkt des Beklagten, keinen Unterhalt zu leisten, auslösend gewesen sei, so sei diese Eheverfehlung insbesondere auch wegen der Weigerung der Unterhaltsleistung an die Kinder ebenfalls schwerwiegend. Die lediglich gegen den Verschuldens- und Kostenausspruch erhobene Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Das Berufungsgericht erachtete die Tatsachenrüge für nicht berechtigt und führte in rechtlicher Hinsicht aus: Weder der Umstand, daß der Beklagte die zu 11 Cg 282/78 des Landesgerichtes für ZRS Graz eingebrachte Scheidungsklage unter Anspruchsverzicht zurückgenommen, noch der Umstand, daß der Beklagte die zu 11 Cg 94/81 desselben Gerichtes eingebrachte Scheidungsklage ruhen gelassen habe, stehe der Geltendmachung der dort behaupteten Eheverfehlungen der Klägerin zur Begründung des Mitverschuldensantrages entgegen. Auch verziehene Eheverfehlungen könnten zur Begründung des Mitverschuldensantrages unterstützend herangezogen werden. Die Klägerin habe nicht nur schon zu Beginn der Ehe mit dem Beklagten schwere Eheverfehlungen begangen, sie habe diese auch fortgesetzt. Wenn die Klägerin schon wenige Monate nach der Eheschließung ohne triftigen Grund die Ehegemeinschaft für längere Zeit aufgehoben und danach die für kurze Zeit wieder aufgenommene Ehegemeinschaft abermals wieder aufgehoben habe, so zeige dieses Verhalten einen Mangel an ehelicher Gesinnung auf seiten der Klägerin. Daß die Klägerin ohne einen rechtfertigenden Grund eigenmächtig die Ehegemeinschaft aufgehoben habe, stehe zweifelsfrei fest. So sei die Klägerin nach Rücknahme der ersten Ehescheidungsklage durch den Beklagten wieder ohne triftigen Grund aus der Ehewohnung ausgezogen und lebe nun in WIEN. Diese von der Klägerin gesetzte Eheverfehlung wirke noch fort, sodaß auch die übrigen von der Klägerin während der kurzen Zeit des Zusammenlebens mit dem Beklagten gesetzten Eheverfehlungen zur Begründung des Mitschuldantrages unterstützend herangezogen werden könnten. Daran könnte auch das Schreiben des Beklagten, Beilage K, nichts ändern, das zwar kein Datum trage, aber doch zeige, daß dieses Schreiben nur eine Reaktion auf das ehewidrige Verhalten der Klägerin gewesen sei. Die Verfehlungen der Klägerin seien keinesfalls geringer als das ehewidrige Verhalten des Beklagten. Bei vergleichender Betrachtung und Abwägung des Fehlverhaltens der Parteien könne keine Rede davon sein, daß den Beklagten das Alleinverschulden oder auch nur das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Ein Verfahrensmangel liegt nach Prüfung durch den Obersten Gerichtshof nicht vor (§ 510 Abs.3 ZPO).

Die Klägerin macht als Feststellungsmangel geltend, daß aus der Beilage K (ident mit Beilage L) nicht festgestellt worden sei, der Beklagte habe nicht das geringste Interesse an einer Rückkehr der Klägerin und an der Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft gehabt. Die Klägerin hält solche Feststellungen deshalb für wesentlich, weil sich daraus ergebe, daß auf ihrer Seite keine Eheverfehlung des böswilligen Verlassens vorliege und wenn sie vorgelegen wäre, vom Beklagten nicht geltend gemacht werden könnte. Weiters vermißt sie eine Feststellung über den Zeitpunkt des letzten ehelichen Verkehrs und meint, dies wäre wegen des Einwandes der Verzeihung von Bedeutung gewesen.

Es ist unrichtig, daß die gewünschten Feststellungen zu der rechtlichen Beurteilung führen würden, die gesonderte Wohnungnahme durch die Klägerin sei gerechtfertigt gewesen oder der Beklagte dürfe die nicht gerechtfertigte gesonderte Wohnungnahme nicht als Eheverfehlung geltend machen. Denn einerseits änderten solche Feststellungen nichts an der auf den Zeitpunkt der gesonderten Wohnungnahme abzustellenden Beurteilung derselben und andererseits trifft es nicht zu, daß der Beklagte diesen Umstand zum Zweck der Verschuldensabwägung nicht mehr geltend machen dürfte. Die Klägerin läßt bei ihren Ausführungen unter Punkt 2 b ihrer Revision, in welchen sie die Auffassung vertritt, daß sämtliche angelasteten Eheverfehlungen 'verjährt, verziehen und verzichtet' seien, außer acht, daß gemäß § 60 Abs.3 Satz 2 EheG dem Mitverschuldensantrag, wenn dies der Billigkeit entspricht, auch dann stattzugeben ist, wenn der Beklagte bei der Erhebung der Klage das Recht, die Scheidung wegen Verschuldens der Klägerin zu begehren, bereits verloren hatte (vgl.Schwind in Klang Komm. 2 , I/1, S.825,832,838; Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 60 EheG; EFSlg.38.783, 41.280 ua.). Dies ist dann der Fall, wenn es unter Bedachtnahme auf alle Umstände, auf die gesamte Beziehung der Ehegatten zueinander und die Schwere und Tragweite der Eheverfehlungen, hinsichtlich welcher das Recht, die Scheidung wegen Verschuldens zu begehren, bereits verloren ist, gerecht ist, die Schuld nicht allein einem Eheteil aufzuerlegen (vgl.EFSlg.34.054, 38.783, 41.279 ua.). Daß im vorliegenden Fall bei der Verschuldensabwägung die Berücksichtigung der Eheverfehlungen der Klägerin - daß solche vorliegen, versucht die Klägerin gar nicht argumentativ zu bekämpfen - jedenfalls aus dem Gedanken der Billigkeit erforderlich ist, kann nicht zweifelhaft sein. Es erübrigt sich daher ein Eingehen darauf, ob und inwiefern Verfristung, Verzeihung oder Verzicht vorliegen und ob und inwiefern diese Umstände bereits in erster Instanz geltend gemacht wurden oder von Amts wegen aufzugreifen gewesen wären. Die Berücksichtigung der Eheverfehlungen der Klägerin verhindert aber entgegen deren Auffassung nicht nur eine Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten, sondern erweist die Auffassung der Vorinstanzen, die gleichteiliges Verschulden angenommen haben, als frei von Rechtsirrtum, weil ein überwiegendes Verschulden eines Ehegatten nur dort anzunehmen und auszusprechen ist, wo die Schuld desselben erheblich schwerer ist als die Schuld des anderen und letztere neben dem eindeutigen Verschulden des einen Teiles fast völlig in den Hintergrund tritt (EFSlg.38.787, 41.284, 43.692 ua.). Der unberechtigten Revision war daher der Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06017

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00568.85.0620.000

Dokumentnummer

JJT_19850620_OGH0002_0060OB00568_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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