TE OGH 1985/6/25 4Ob66/85

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Veröffentlicht am 25.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr.Friedl und Dr.Resch sowie die Beisitzer Dr.Geppert und Dr.Mayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Necdet A, Arbeiter, Orduevi (auch B), Ismail Kolayli, Catesi 61, Iszmit, Türkei, vertreten durch Dr. Walter Simma, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Dietmar C, Maurer, Lustenau, Schützengartenstraße 15 b, vertreten durch Dr. Wolfgang Ölz, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen restl. 24.700 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 29. Jänner 1985, GZ Cg a 23/84-47, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Arbeitsgerichtes Feldkirch vom 20. Februar 1984, GZ Cr 99/82-30, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.959,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 247,20 S Umsatzsteuer und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde am 30. September 1981 auf einer Baustelle, an der die Streitteile arbeiteten, durch einen vom Beklagten geworfenen Stein verletzt, so daß ihm der Zahn Nr. 22 entfernt und durch eine VMK-Porzellanbrücke ersetzt werden mußte. Er begehrte vom Kläger aus diesem Vorfall zuletzt 16.200 S an Kosten der Zahnreparatur, 15.000 S Schmerzengeld und 500 S an unfallskausalen Spesen, zusammen 31.700 S sA.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen, und wendete ein, den Kläger treffe das alleinige Verschulden an der Verletzung, weil er - für den Beklagten nicht vorhersehbar - in die Flugbahn des Steines gelaufen sei. Das Klagebegehren sei auch der Höhe nach nicht berechtigt. Im Berufungsverfahren brachte der Beklagte ergänzend vor, er sei als Aufseher im Betrieb von der Haftung befreit. Dem Kläger seien 10.600 S von der D Versicherungs-AG auf Grund einer bestehenden Unfallversicherung ausbezahlt worden. Diesen Betrag habe die Versicherungsgesellschaft gemäß § 67 VersVG gegen den Beklagten eingeklagt.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 23.200 S (16.200 S an Kosten der Porzellanbrücke und 7.000 S Schmerzengeld) zu und wies das Mehrbegehren von 8.500 S ab. Es vertrat auf Grund des von ihm festgestellten Sachverhaltes die Auffassung, der Beklagte hätte bei größerer Umsicht und Sorgfalt vorhersehen können, daß sich jemand in der Flugbahn des Steines befand. Er hafte daher für die Heilungskosten und das mit 7.000 S angemessene Schmerzengeld. Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien teilweise Folge, sprach dem Kläger einen Betrag von 24.700 S sA zu und wies das Mehrbegehren von 6.500 S sA ab. Die Abweisung eines Teilbetrages in der Höhe von 500 S war unbekämpft geblieben. Das Berufungsgericht verhandelte die Streitsache gemäß § 25 Abs 1 Z 3

ArbGG von neuem und traf folgende wesentliche Feststellungen. Am 30. September 1981 waren der Kläger als Lehrling und der Beklagte als Maurer gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern mit der Errichtung eines Kranfundamentes beschäftigt. Erster Mann auf der Baustelle war der Baupolier Walter E. Verließ dieser die Baustelle, so trug der Vorarbeiter - an diesem Tag Ewald F - die Verantwortung. Der Vorarbeiter wurde vom Polier aus den Reihen der Maurer bestimmt. Der Beklagte war zur Unfallszeit noch zu kurz im Betrieb, als daß er vom Polier als Vorarbeiter herangezogen worden wäre. Den Maurern unterstanden wiederum die Hilfsarbeiter und Lehrlinge, sofern ihnen diese vom Polier zur Mitarbeit zugewiesen worden waren. Wenn ein Lehrling einem Maurer zur Mitarbeit zugewiesen war, war der Maurer berechtigt, dem Lehrling Weisungen in bezug auf die Mitarbeit zu erteilen. Der Maurer hatte in einem solchen Fall auch eine gewisse Ausbildungsfunktion gegenüber dem Lehrling zu erfüllen. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der Kläger dem Beklagten am Unfallstag zur Mitarbeit zugewiesen und somit unterstellt worden war. Am Unfallstag errichtete der Beklagte zusammen mit Radosaf G das Fundament des Baukranes. Sie standen dabei in einer Entfernung von etwa 7 m zueinander. Im rechten Winkel zum Beklagten stand in einem Abstand von etwa 5 bis 6 m eine Betonmischmaschine, an der der Kläger und Friedrich H beschäftigt waren. Während der Arbeit warf der Beklagte dem Radosaf G mit den Worten 'Radosaf, den Stein schenke ich dir', spaßhalber einen Kieselstein mit einem Duchmesser von 1 cm zu. G warf den Stein mit der Bemerkung 'danke, ich brauche ihn nicht', zurück. Daraufhin warf der Beklagte den Stein weg und traf damit den Kläger. Nicht festgestellt werden kann, ob der Kläger gleichzeitig mit dem Wegwerfen des Steines in Richtung des Radosaf G gelaufen ist oder zu diesem Zeitpunkt schon in Bewegung war. Durch den Stein wurde der Zahn Nr. 22 des Klägers bis tief in die Wurzel hinein frakturiert, so daß er gezogen werden mußte. Der Kläger besaß ein naturgesundes kariesfreies Gebiß ohne eine einzige Füllung. Als Zahnersatz kam in diesem Fall nur ein festsitzender Ersatz in Form einer dreigliedrigen VMK-Porzellanbrücke in Frage. Die Kosten für diese Brücke betrugen inklusive Mehrwertsteuer 16.200 S. Bei einer solchen dreigliedrigen Brücke trägt die Vorarlberger Gebietskrankenkasse 1.500 S der Gesamtkosten als Kassenanteil. Durch die Verletzung hatte der Kläger einen Tag starke, drei Tage mittlere und fünf Tage leichte Schmerzen. Außer Streit steht, daß der Kläger am 10. März 1983 von seinem privaten Unfallversicherer einen Betrag von 10.600 S an Heilungskosten ausbezahlt erhielt.

Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, der Beklagte sei gegenüber dem Kläger nicht Aufseher im Betrieb gewesen. Er habe die Verletzung des Klägers fahrlässig herbeigeführt und hafte diesem gemäß § 1325 ABGB. Auf Grund der vom Kläger erlittenen Schmerzen sei ein Schmerzengeld von 10.000 S angemessen. Zu den Zahnersatzkosten habe die Gebietskrankenkasse 1.500 S beigetragen, weil es sich um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Hinsichtlich dieses Betrages fehle dem Kläger auf Grund der Legalzession gemäß § 332 Abs 1 ASVG die aktive Klagslegitimation. Hingegen sei die von der privaten Unfallversicherung erfolgte Zahlung von 10.600 S auf die Schadenersatzleistung nicht anzurechnen. Beträge, die dem Geschädigten auf Grund einer privaten Unfallversicherung zukämen, seien auf die vom Schädiger zu erbringende Schadenersatzleistung nicht anzurechnen, weil im Versicherungsvertragsgesetz im Abschnitt über die Unfallversicherung eine dem § 67 VersVG entsprechende Bestimmung fehle (SZ 22/61, SZ 28/46, SZ 52/84).

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte wendet sich vor allem gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, er sei gegenüber dem Kläger nicht Aufseher im Betrieb gewesen.

Dagegen bestehen jedoch keine Bedenken.

Aufseher im Betrieb im Sinne des § 333 Abs 4 ASVG kann nur der sein, der andere Betriebsangehörige oder wenigstens einen Teil des Betriebes zu überwachen hat (EvBl 1979/44; SZ 54/118 ua). Von einem Verhältnis der überordnung des Beklagten gegenüber dem Kläger kann aber nach den getroffenen Feststellungen keine Rede sein. Der Beklagte war am Unfallstag nicht als Vorarbeiter bestimmt worden und es ist ihm auch nicht der Beweis gelungen, daß ihm der Kläger zur Mitarbeit zugewiesen worden sei. Es stand ihm daher kein Weisungsrecht gegenüber dem Kläger zu. Daß im allgemeinen Maurer und Lehrlinge eine unterschiedliche Stellung in der betrieblichen Hirarchie haben, ändert daran nichts. Andernfalls würde jedem Mitarbeiter mit größeren Fachkenntnissen bereits die Eigenschaft eines Aufsehers im Betrieb zukommen.

Soweit der Beklagte meint, das Wegwerfen von größeren Steinen sei auf Baustellen durchaus üblich und stehe in einem inneren Zusammenhang mit den Arbeitsabläufen, weshalb ein Arbeitsunfall vorliege, und daraus den Schluß zieht, ihm selbst komme das Haftungsprivileg des § 333 Abs 1 und 4 ASVG zu, übersieht er, daß eben diese Haftungsbefreiung nur dem Dienstgeber, dem gesetzlichen oder bevollmächtigten Vertreter des Unternehmers oder dem Aufseher im Betrieb zukommt, wozu er aber nicht zählte.

Warum den Kläger deshalb ein Mitverschulden treffen soll, weil er sich im Zeitpunkt seiner Verletzung 'in Bewegung befunden hat', vermag der Beklagte nicht zu begründen. Die bloße Tatsache, daß der Kläger sich in dem Zeitpunkt, als er von dem Stein getroffen wurde, bewegte, kann ein Mitverschulden an der Verletzung nicht begründen. Zur Höhe des Schadenersatzes und des Schmerzengeldes wird in der Revision nichts mehr vorgebracht.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06138

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00066.85.0625.000

Dokumentnummer

JJT_19850625_OGH0002_0040OB00066_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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