Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 25.Juni 1985 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schrott als Schriftführer in der Strafsache gegen Herbert A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 2 und 3, Abs. 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 28. März 1983, GZ 23 Vr 803/81-68, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, des Angeklagten Herbert A und des Verteidigers Dr. Schmid zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe auf 2 Jahre herabgesetzt; im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.
Gemäß § 290 Abs. 1 StPO wird das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Ausspruch über die Vorhaftanrechnung dahin ergänzt, daß dem Angeklagten die Vorhaft (bereits) ab 8,15 Uhr des 21.Mai 1981 gemäß § 38 Abs. 1 Z 1 StGB auf die Freiheitsstrafe angerechnet wird.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.Juli 1927 geborene Antiquitätenhändler Herbert A des Verbrechens (richtig:
Vergehens; vgl SSt 47/33) der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 StGB (A) und des Verbrechens des schweren Diebstahls als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 127 Abs. 1, 128 Abs. 1 Z 2 und 3, Abs. 2 StGB (B) schuldig erkannt und hiefür nach §§ 28 Abs. 1, 128 Abs. 2 StGB zu 2 1/2 (zweieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Gemäß § 38 Abs. 1 (Z 1) StGB wurde die Vorhaft vom 21. Mai 1981, 12,00 Uhr, bis 18.August 1981, 12,15 Uhr, auf diese Freiheitsstrafe angerechnet.
Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen und das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen; als mildernd berücksichtigte es die schon länger zurückliegenden Tatzeiten und die teilweise objektive Schadensgutmachung.
Die gegen dieses Urteil vom Angeklagten erhobene Nichtigkeitsbeschwerde wurde mit dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 16.April 1985, GZ 10 Os 178/84-11, dem der der Verurteilung zugrundeliegende maßgebliche Sachverhalt entnommen werden kann, in nichtöffentlicher Sitzung zurückgewiesen.
Rechtliche Beurteilung
Der Berufung des Angeklagten, mit der er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt, kommt teilweise Berechtigung zu.
Zwar kann in der vom Angeklagten ins Treffen geführten Weigerung seinerseits, die von ihm bestellte Diebsbeute letztlich auch wirklich anzukaufen (was er denkwidrig als 'Rücktritt' von der - vollendeten - Straftat bezeichnet), ein Milderungsgrund nicht erblickt werden; hat doch der Berufungswerber, solcherart die Kunstgegenstände einem ungewissen Schicksal überlassend, in keiner Weise auch nur den Versuch unternommen, weitere nachteilige Folgen der Tat zu verhindern und - jedenfalls bisher - auch keinerlei Schadensgutmachung geleistet. Auch wurde vom Schöffengericht bei den Erschwerungsgründen übersehen, daß das Vergehen der Hehlerei in mehreren Angriffen begangen und die Schadenssummen sowohl bei der Hehlerei als auch beim Diebstahl jeweils ein Vielfaches der angenommenen Qualifikationsbeträge ausmachen. Das Verbrechen des Diebstahls ist überdies dadurch beschwert, daß neben der strafsatzbestimmenden Qualifikation noch zwei weitere Qualifikationen (§ 128 Abs. 1 Z 2 und 3 StGB) gegeben sind und der Angeklagte die unmittelbaren Täter zur Tat bestimmt hat (§ 33 Z 4 StGB). Der Milderungsgrund der Zustandebringung eines (nämlich des - wertmäßig - größten) Teiles der Beute (Gemälde des 'Kremser Schmidt') wird dadurch beeinträchtigt, daß dieses Bild nur mit erheblichen Kosten restauriert werden konnte, nichtsdestoweniger aber beträchtlich an Wert verloren hat (vgl S 585 f/II). Dennoch hielt der Oberste Gerichtshof eine mäßige Reduktion des Strafausmaßes vor allem deshalb für gerechtfertigt, weil die letzte einschlägige Verurteilung des Angeklagten (wegen Betruges zu zweieinhalb Jahren schweren Kerkers) aus dem Jahre 1968 datiert, jene Tat sohin fast zwei Jahrzehnte zurückliegt und auch seit den vorliegend abgeurteilten Straftaten bereits ein Zeitraum von mehr als sieben Jahren verflossen ist, während dessen sich der Berufungswerber - von zwei ersichtlich bereits getilgten Verurteilungen in der Bundesrepublik Deutschland wegen Verkehrsdelikten zu Geldstrafen abgesehen - wohlverhalten hat (vgl Strafregisterauskunft vom 26.April 1985 sowie die gleichfalls vom Obersten Gerichtshof beigeschaffte - negative - Auskunft des Bundeszentralregisters Berlin vom 17.Mai 1985).
Eine weitere Ermäßigung der Freiheitsstrafe oder deren bedingte Nachsicht (§ 43 Abs. 2 StGB) erschien jedoch mit Rücksicht auf den hohen Unrechtsgehalt der Taten und das immerhin belastete Vorleben des Angeklagten nicht vertretbar; dies auch mit Bedacht auf das vom Berufungswerber im Gerichtstag erklärte Anbot, die von ihm erlegte Haftkaution (Antrags- und Verfügungsbogen S 3 e verso) zur Schadloshaltung der Bestohlenen zur Verfügung zu stellen, denn eine solche Verwendung ist derzeit weder rechtlich noch tatsächlich gewährleistet. Sollte der Berufungswerber tatsächlich eine nachträgliche Schadensgutmachung nachweisen, könnte dies allerdings allenfalls im Rahmen einer Maßnahme gemäß § 410 StPO berücksichtigt werden.
Bereits anläßlich der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen (§ 290 Abs. 1 StPO), daß das Ersturteil in seinem Ausspruch über die Vorhaftanrechnung (§ 38 Abs. 1 Z 1 StGB) mit einer dem Angeklagten zum Nachteil gereichenden, ungerügt gebliebenen materiellrechtlichen Nichtigkeit (§ 281 Abs. 1 Z 11 StPO) behaftet ist, weil ihm die Vorhaft erst ab 12,00 Uhr des 21. Mai 1981 angerechnet wurde, wiewohl er bereits um 8,15 Uhr dieses Tages in (Auslieferungs-) Haft genommen worden wart(lN 24/III). Hierüber war daher im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über die Berufung des Angeklagten mitzuentscheiden (§ 290 Abs. 2 StPO) und der unvollständige Ausspruch entsprechend zu ergänzen. Demgegenüber fand jedoch der Oberste Gerichtshof keinen Anlaß, der Anregung der Generalprokuratur folgend auch in Ansehung des Ausspruches darüber gemäß § 290 Abs. 1 StPO vorzugehen, daß die dem Angeklagten als Beteiligung am Verbrechen des schweren Diebstahls angelastete Tat (B) nicht nur der Qualifikationsnorm der Z 2, sondern auch jener der Z 3 des § 128 Abs. 1 StGB unterstellt wurde.
Hiezu ist zwar wohl davon auszugehen, daß die den letztangeführten Qualifikationsgrund bedingenden Tatumstände, nämlich die Eigenschaft (wenigstens einer) der an allgemein zugänglichen Orten gestohlenen Sachen als allgemein anerkanntermaßen künstlerisch wertvoll entgegen der Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z 1 StPO im Urteilsspruch nicht angeführt worden sind. Dort wurden die gestohlenen Kunstgegenstände bloß ziffernmäßig bewertet, über ihre künstlerische Qualität jedoch nichts ausgesagt. In den Urteilsgründen aber findet sich immerhin bezüglich des wertvollsten Stückes, nämlich des mit 500.000 S bewerteten 'Kremser Schmidt', der wiederholte Hinweis, daß Werke dieses Meisters auf reellem Weg praktisch nicht zu erwerben sind (US 15 f), womit ersichtlich gemeint ist, daß sie im Kunsthandel nur höchst selten angeboten werden. Daraus folgt unter Berücksichtigung des außergewähnlich hohen Handelswertes des betreffenden Gemäldes in Verbindung mit der notorischen künstlerischen Kapazität des genannten Barockmalers letzten Endes doch deutlich genug die Urteilsannahme, daß es sich (zumindest) bei dem gegenständlichen Kreuzwegbild um eine Sache von allgemein anerkanntem künstlerischem Wert gehandelt hat (vgl S 585 f/II), sodaß die hiezu getroffenen Feststellungen als (noch) ausreichend angesehen werden können. Damit liegt insoweit kein materiellrechtlicher Feststellungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 10 StPO), sondern lediglich der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 3 (§ 260) StPO vor, der jedoch ungerügt geblieben ist. Eine (echte) Konkurrenz der Qualifikationen nach Z 2 und 3 des § 128 Abs. 1 StGB hinwieder ist, der Auffassung der Generalprokuratur zuwider, durchaus möglich, denn der Schutzzweck der erhöhten Strafdrohung ist in diesen beiden Fällen sehr wohl ein unterschiedlicher: liegt die ratio des Qualifikationsgrundes nach Z 2 in erster Linie im Schutz des religiösen Gefühls, dessen eigenständige Bedeutung aus dem Achten Abschnitt des Besonderen Teiles der StGB klar zu erkennen ist (vgl auch EB 274), so stellt Z 3 in erster Linie auf die Bewahrung von Kulturgütern für die Allgemeinheit ab. Wie auch die Generalprokuratur einräumt, setzt die erstere Bestimmung nicht voraus, daß die in einem sakralen Raum aufbewahrten oder sakralen Zwecken dienende Objekte auch Sachen von allgemein anerkanntem kulturellem Wert sein müssen; weshalb nichtsdestoweniger der deliktische Gesamtunwert einer Tat beim Zusammentreffen beider Voraussetzungen erhöhter Strafwürdigkeit durch die Annahme bloß einer der beiden Qualifikationen - und zwar jener nach Z 2 des § 128 Abs. 1 StGB - zur Gänze erfaßt sein sollte, ist der in Rede stehenden Anregung zu einem Vorgehen nach § 290 Abs. 1 StPO nicht zu entnehmen. Für die von der Generalprokuratur vorgenommene historische Interpretation bieten die Materialien keine Anhaltspunkte.
Anmerkung
E06183European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0100OS00178.84.0625.000Dokumentnummer
JJT_19850625_OGH0002_0100OS00178_8400000_000