Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl und Dr. Kuderna, sowie die Beisitzer Dr. Geppert und Dr. Mayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Erika A, Krankenschwester, Hainburg an der Donau, Dorrekstraße 5, vertreten durch Dr. Roland Itzlinger, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wider die beklagte Partei B C AN D E, vertreten durch Dr. Ulrich Brandstetter, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 476.132,-- s A und Feststellung (Gesamtstreitwert S 576.132,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 14. Jänner 1985, GZ 44 Cg 193/84-40, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 5. April 1984, GZ 4 Cr 2211/82-32, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 16.872,65 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 800,-- an Barauslagen und S 1.461,15 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin begehrt der beklagten Partei gegenüber die Feststellung des aufrechten Bestehens ihres Arbeitsverhältnisses und die Zahlung eines Betrages von S 476.132,-- s A an laufendem Entgelt. Zur Begründung dieser Begehren führt sie aus, sie sei von der beklagten Partei mit Schreiben vom 22. Jänner 1982
ungerechtfertigt entlassen worden. Diese ungerechtfertigte Entlassung sei nach den Bestimmungen des niederösterreichischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes rechtsunwirksam. Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin habe in ihrer Eigenschaft als Hilfskrankenschwester des der beklagten Partei gehörigen Krankenhauses Hainburg in der Nacht vom 19. auf den 20. Jänner 1982 eine Patientin gröblich beschimpft und an den Haaren gerissen.
Die Klägerin bestritt dieses Vorbringen.
Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:
Die Klägerin war als Hilfskrankenschwester auf der Internen Abteilung des Krankenhauses Hainburg an der Donau beschäftigt. Auf dieses Arbeitsverhältnis fanden die dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen des nö.
Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes Anwendung.
Die Klägerin hatte in der Nacht vom 19. auf den 20. Jänner 1982 gemeinsam mit der Hilfskrankenschwester Margarete F Nachtdienst. Die beiden Schwestern begaben sich gegen 3,30 Uhr in das Zimmer Nr. 11 und stellten bei dieser Kontrolle fest, daß die Patientin Margarete G in ihrem Kot lag. Die Klägerin sagte hierauf zu der Patientin:
'Schon wieder angeschissen; bei Tag fahrst Du mit dem Mercedes und bei Nacht scheißt Du in das Bett; Du gehörst in den Schweinestall.'
Die beiden Schwestern wechselten hierauf das Bettzeug und reinigten die Patientin. Die Klägerin riß dabei die aufschreiende Patientin an den Haaren, hob deren Kopf empor und wusch das Gesicht. Am Nachmittag oder Abend des 20. Jänner 1982 teilte Margarete G ihrem Ehegatten den Vorfall mit. Dieser meldete ihn der Oberärztin Dr. H, welche Margarete G über den Vorfall befragte. Am Morgen des 21. Jänner 1982 informierte die Oberärztin den Primarius Dr. Wegmann, der seinerseits, nachdem ihm Margarete G den Vorfall ebenso wie am Vortag der Oberärztin Dr. H bestätigt hatte, die Pflegedienstleiterin I und den ärztlichen Krankenhausdirektor Primarius Dr. J verständigte. Am 22. Jänner 1982 wurde die Klägerin über den Vorfall befragt; sie stritt die gegen sie erhobenen Vorwürfe ab. Nach telefonischer Verständigung des Bürgermeisters der beklagten Partei sprach dieser über Antrag des Direktors die Entlassung der Klägerin aus. Die Entlassung wurde der Klägerin mit Schreiben vom 22. Jänner 1982 noch schriftlich mitgeteilt. Bei der nächstfolgenden Gemeinderatssitzung der beklagten Partei vom 25. Februar 1982 genehmigte der Gemeinderat diese Entlassung. Die Klägerin war schon früher zu den Patienten 'nicht immer die Allerfreundlichste'. Sie wurde aus diesem Grund mehrmals ermahnt und aufgefordert, 'ihre Aggressionen anderweitig auszuleben'. Sie wurde zweimal - zuletzt im Sommer oder Herbst 1981 - von Primarius Dr. Wegmann verwarnt, weil sie sich Patienten gegenüber grob verhalten hatte.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Entlassung der Klägerin sei aus dem Grunde des § 39 Abs 2 lit b des nö. Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes gerechtfertigt; die Klägerin habe sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten schuldig gemacht.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß der Streitwert des Feststellungsbegehrens S 30.000,-- übersteige. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch, traf die gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Zusätzlich stellte es fest, die Klägerin hätte Margarete G auch reinigen können, ohne sie an den Haaren zu reißen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Der Anfechtungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt nicht
vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Nach dem § 39 Abs 2 lit b. des nö.
Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes 1976 liegt ein Entlassungsgrund unter anderem dann vor, wenn der Vertragsbedienstete sich einer besonders schweren Verletzung der Dienstpflichten schuldig macht. Dieser Entlassungsgrund liegt nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Berufungsgerichts vor. Die Klägerin hat in ihrer Eigenschaft als Krankenschwester eine Patientin auf ordinäre Weise beschimpft und hat sie, ohne daß dies für die Körperreinigung erforderlich gewesen wäre, an den Haaren gerissen. Daß ein solches Verhalten nicht nur den primitivsten Forderungen der Menschlichkeit, sondern besonders auch den elementaren Dienstpflichten einer Krankenschwester widerspricht, bedarf keiner näheren Begründung. Ob sich die Klägerin beim Reißen an den Haaren von einem Mißhandlungsvorsatz leiten ließ, kann entgegen der Meinung der Revisionswerberin dahingestellt bleiben. Entscheidend ist, daß sie auf diese unmenschliche Weise gegen die Patientin vorgegangen ist. Feststellungen über einen derartigen Vorsatz oder über 'die Stärke dieser kompulsiven Handlung und über die damit verbundenen Schmerzen' konnten daher entgegen der in der Revision vertretenen Meinung unterbleiben. Das gleiche gilt für die Frage, ob sich die Patientin 'in einem Halbschlaf' befunden und aus diesem durch die Reinigung 'herausgerissen' wurde sowie ob ein 'Aufruhr' oder 'Menschenzusammenlauf' auf dem Gang erfolgte. Der Auffassung der Klägerin, es könne ihr lediglich eine 'entschuldbare Fehlleistung', welche eine Entlassung nicht rechtfertige, vorgeworfen werden, fehlt angesichts ihres brutalen Verhaltens jede Grundlage. Ob die vorausgegangenen Verwarnungen schriftlich oder mündlich ausgesprochen worden sind, ist für die Beurteilung des Gesamtverhaltens der Klägerin umsoweniger von Bedeutung, als schon allein der für die Nacht vom 19. auf den 20. Jänner 1982 festgestellte Sachverhalt die Entlassung rechtfertigt. Entgegen der Meinung der Klägerin wurde die am 25. Februar 1982 erteilte Genehmigung der vom Bürgermeister der beklagten Partei am 22. Jänner 1982 ausgesprochenen Entlassung der Klägerin durch den Gemeinderat ehestmöglich im Sinne des § 42 Abs 2 des nö.
Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes beschlossen. Für eine solche Genehmigung ist nicht die Einberufung einer außerordentlichen Sitzung erforderlich; es genügt die Beschlußfassung zumindest in der nächsten folgenden Sitzung.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E06141European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0040OB00077.85.0625.000Dokumentnummer
JJT_19850625_OGH0002_0040OB00077_8500000_000