TE OGH 1985/6/26 1Ob595/85

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Veröffentlicht am 26.06.1985
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Tamara A, geboren am 27.Juli 1981, und der minderjährigen Jasmin A, geboren am 26.November 1982, beide vertreten durch die Mutter Tatjana A, Wien 19, Paul Ehrlich-Gasse 18, diese vertreten durch Dr.Helene Klaar, Rechtsanwalt in Wien, infolge Revisionsrekurses der Mutter gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 20.Februar 1985, GZ 43 R 1550/84-43, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 30.Oktober 1984, GZ 2 P 282/83-36, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben und die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Eltern der minderjährigen Tamara A, geboren 27.Juli 1981, und der minderjährigen Jasmin A, geboren 26.November 1982, wurde mit dem Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 11.November 1983 gemäß § 55 a EheG geschieden. In einem anläßlich der Scheidung abgeschlossenen und in der Folge pflegschaftsbehördlich genehmigten Vergleich vereinbarten die Eltern, daß die elterlichen Rechte in Ansehung der beiden Kinder der Mutter zustehen; dem Vater wurde ein Besuchsrecht eingeräumt. Die Mutter ist österreichische Staatsbürgerin, der Vater ist ägyptischer Staatsangehöriger. Die Mutter stellte am 19.Oktober 1984 den Antrag, den Vater zu verpflichten, die Streichung der Eintragung betreffend die minderjährigen Kinder in seinem Reisepaß zu veranlassen. Sie führte zur Begründung aus, die Kinder seien im ausländischen Reisepaß des Vaters eingetragen, so daß es dem Vater möglich sei, die Kinder unter Umständen nach Ägypten zu entführen, wie er dies bereits angedroht habe.

Das Erstgericht trug dem Vater auf, binnen vier Wochen den Nachweis der Streichung der Eintragung der beiden minderjährigen Kinder in seinem Reisepaß zu erbringen. Da die Mutter der gesetzliche Vertreter der Kinder sei, sei ihrem Antrag zu entsprechen. Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs des Vaters Folge und änderte den Beschluß dahin ab, daß es den Antrag abwies. Die vom Erstgericht verfügte Maßnahme schieße weit über das Ziel hinaus. Wenn ein Sicherungsbedürfnis bestehe, wie dies vom Erstgericht ohne Begründung angenommen werde, so könne allfälligen Gefahren auch anders begegnet werden, so in der Weise, daß der Vater für die Zeit der Ausübung des Besuchsrechtes seinen Reisepaß der Mutter aushändige. Aus der Zuordnung der elterlichen Rechte an die Mutter folge noch nicht die Verpflichtung des Vaters, Eintragungen betreffend die Kinder in seinem Reisepaß streichen zu lassen, zumal das Personaldokument dem Vater gehöre.

Rechtliche Beurteilung

Dem gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobenen Revisionsrekurs kommt Berechtigung zu.

Da die elterlichen Rechte in Ansehung der beiden minderjährigen Kinder der Mutter zustehen, ist sie berechtigt, den Aufenthaltsort der Kinder zu bestimmen. Die Mutter befürchtet, daß der Vater versuchen könnte, sich der Kinder zu bemächtigen und sie in das Ausland zu verbringen, was ihm zufolge der Eintragung der Kinder im Reisepaß möglich wäre; er habe eine solche Maßnahme auch bereits angedroht. § 176 Abs.1 ABGB sieht vor, daß das Gericht die zur Sicherung des Wohls des Kindes erforderlichen Maßnahmen zu treffen hat, wenn die Eltern durch ihr Verhalten das Wohl des Kindes gefährden. Diese Bestimmung räumt dem Gericht umfassende Möglichkeiten ein; es hat alle nötigen, dem Kindeswohl entsprechenden Maßnahmen innerhalb der rechtlichen Grenzen unter Beachtung der Rechte der Eltern und Dritter zu treffen (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 4 zu § 176). Es kann nicht zweifelhaft sein, daß das Wohl der Kinder durch eine Verbringung nach Ägypten schwer gefährdet wäre, weil sie dadurch in einer ihnen vollkommen fremden Umgebung unter gänzlich anders gearteten sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen aufwachsen müßten. Die Gefahr, daß ein Elternteil zu derartigen Schritten Zuflucht nimmt, ist, wie die Erfahrung lehrt, nicht von der Hand zu weisen, so daß auch an die Bescheinigung der Gefährdung des Kindeswohls in dieser Richtung keine allzu strengen Maßstäbe anzulegen sind; dies muß umsomehr dann gelten, wenn im Interesse des Kindeswohls eine Maßnahme getroffen werden soll, die keinen schwerwiegenden Eingriff in die Rechtssphäre des andern Elternteils beinhaltet. Die Streichung der Eintragung der beiden minderjährigen Kinder im Reisepaß des Vaters beschwert diesen insbesondere dann nicht, wenn er, wie er im Rechtsmittel an das Rekursgericht ausführte, ohnehin nicht die Absicht hat, die Kinder in das Ausland zu verbringen. Die Erwägung des Rekursgerichtes, eine solche Maßnahme sei zu weitgehend, weil der von der Mutter behaupteten Gefahr auch dadurch begegnet werden könne, daß der Vater während der Ausübung des Besuchsrechts seinen Reisepaß der Mutter ausfolge, hält die Rechtsmittelwerberin zutreffend entgegen, daß die Gefahr der Entführung der Kinder keinesfalls nur während der Besuchszeit bestehe. Die vom Rekursgericht ins Auge gefaßte Maßnahme, den Vater zur zeitweiligen Herausgabe seines Reisepasses zu verhalten, ist jedenfalls viel weiterreichend als die bloße Streichung der Eintragung der Kinder im Reisepaß.

Der Vater hat in seinem Rechtsmittel gegen den Beschluß des Erstrichters geltend gemacht, daß die von der Mutter beantragte Streichung der Eintragung nach ägyptischem Recht nicht zulässig sei; darüber hinaus könnte diese Eintragung, wenn überhaupt, nur in Ägypten von ägyptischen Behörden vollzogen werden; es sei ihm aber unzumutbar, nur wegen der Berichtigung des Reisepasses nach Ägypten zu reisen. Die beantragte Maßnahme setzt ihre rechtliche Zulässigkeit nach den ägyptischen Rechtsvorschriften voraus. Das Erstgericht wird daher entsprechende Feststellungen zu treffen und insbesondere zu klären haben, ob die allenfalls zulässige Streichung der Eintragung im Reisepaß des Vaters auch in Österreich durch die Konsularabteilung der ägyptischen Vertretungsbehörde vorgenommen werden könnte.

Demzufolge ist spruchgemäß zu entscheiden.

Anmerkung

E05863

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0010OB00595.85.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19850626_OGH0002_0010OB00595_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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