TE OGH 1985/6/26 3Ob537/85

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Veröffentlicht am 26.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johann A, Hausbesitzer, 6330 Schwoich, Dorf Nr.115, vertreten durch Dr. Hansjörg Zink, Dr. Georg Petzer und Dr. Herbert Marschitz, Rechtsanwälte in Kufstein, wider die beklagte Partei Bruno B, Hausbesitzer, 6330 Schwoich, Dorf Nr.113, vertreten durch Dr. Alois Fuchs, Rechtsanwalt in Landeck, wegen Unterlassung und Wiederherstellung einer Mauer infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14.November 1984, GZ 1 R 255/84-20, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29.Mai 1984, GZ 6 Cg 195/83-11, teilweise aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß gefaßt:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist Eigentümer der Grundparzelle 307/3, der Beklagte ist Eigentümer der daran oberhalb angrenzenden Grundparzellen 307/5 und 307/6, alle in Kat.Gem. Schwoich. Auf dem Grundstück des Klägers steht an der Grenze zu den Grundstücken des Beklagten eine Betonmauer von etwa 1,10 m Höhe. Die Grundstücke des Beklagten wurden hinter dieser Mauer aufgeschüttet. Durch den Druck des Erdreiches wurde die Betonmauer erheblich beschädigt. Der Kläger behauptete, daß eine erste Aufschüttung noch unschädlich gewesen sei, eine zweite Aufschüttung im Jahr 1974 habe dann aber zu dem überdruck geführt. Wegen der bestehenden Einsturzgefahr begehrte der Kläger die Unterlassung des von der Erdaufschüttung ausgehenden Druckes, weiters begehrte er, den Beklagten zur Wiederherstellung der Mauer zu verurteilen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er wendete ein, daß die fragliche Mauer vom Kläger und dem Rechtsvorgänger des Beklagten im Eigentum der beiden Grundparzellen 307/5 und 307/6 Josef C gemeinsam errichtet worden sei, so daß die Wiederherstellungskosten auf jeden Fall vom Kläger zur Hälfte mitzutragen seien. Die Mauer sei unsachgemäß erstellt worden und habe schon der ersten Aufschüttung nicht standgehalten. Da die Aufschüttung durch den Rechtsvorgänger des Beklagten und den Kläger einverständlich vorgenommen worden sei, hafte der Beklagte nicht für die Wiederherstellung. Das Wiederherstellungsbegehren sei auch verjährt.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Es traf folgende Tatsachenfeststellungen:

Die strittige Betonmauer wurde vom Kläger im Jahr 1970 allein und auf seine Kosten errichtet. Es ist nicht erwiesen, daß die Kosten von beiden Nachbarn je zur Hälfte getragen wurden. Der Kläger hatte nicht um eine Baubewilligung angesucht. Die Gemeinde hatte aber die Mauer toleriert und erließ keinen Abbruchbescheid. Josef C hatte gegen die Errichtung der Mauer keinen Einwand erhoben. Ebenso erhob dann der Kläger keinen Einwand, als C sein Grundstück bis zur Mauerkrone aufschüttete, wobei die Aufschüttung von der Mauerkrone an in einer leichten Böschung anstieg. Daß der Nachbar aufschütten werde, war dem Kläger schon bei Errichtung seiner Mauer bekannt. Ein oder zwei Jahre später, füllte Josef C seine Grundstücke weiter auf, wodurch die Böschung viel steiler wurde und an ihrem obersten Rand den Mauerfuß 2,8 m überragte. Auch gegen diese zweite Aufschüttung hatte der Kläger (zunächst) keinen Einwand erhoben. In der Folge wurde der Druck des Erdreiches wegen der zusätzlichen Aufschüttung auf die Mauer zu groß. Für die erste Aufschüttung wäre die Mauer ausreichend dimensioniert gewesen. Es entstand in der Mauer ein durchgehender vertikaler Riß in der Mitte, außerdem gab es an drei Stellen einen Abriß, die rechte Mauerhälfte hat sich überdies um etwa 30 cm nach vorne geneigt. Es droht der gänzliche Einsturz der Mauer.

Eine Sanierung der Mauer im jetzigen Zustand ist nicht möglich. Bei Erstellung einer neuen Stützmauer müßten die Dimensionen den neuen Verhältnissen angepaßt werden. Das Abtragen der beschädigten Mauer und die Neuherstellung derselben Mauer würde 95.321,58 S kosten.

In rechtlicher Hinsicht bejahte das Erstgericht den Unterlassungsanspruch gemäß § 364 Abs 2 ABGB. Trotz der Unterlassung eines Einwandes, die keinen Verzicht darstelle, könne der Kläger aber auch die Wiederherstellung der Mauer aus dem Titel des Schadenersatzes begehren, eine Verjährung sei nicht eingetreten, weil der Beklagte selbst nicht behauptet habe, daß dem Kläger schon mehr als drei Jahre vor der Klagsanbringung bekannt gewesen sei, daß die Mauer Schaden leide.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes in seinem Ausspruch über das Unterlassungsbegehren als Teilurteil und sprach aus, daß der von der Bestätigung erfaßte Teil des Klagebegehrens den Wert von 60.000 S nicht übersteige. Hinsichtlich des Ausspruches über das Wiederherstellungsbegehren und hinsichtlich der Kostenentscheidung hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes mit Rechtskraftvorbehalt auf.

Das Berufungsgericht war der Auffassung, daß das Wiederherstellungsbegehren nur bei Verschulden berechtigt sei. Ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch nach § 364 a ABGB komme nur bei behördlich genehmigten Anlagen in Frage, welcher Fall hier nicht gegeben sei. Es müsse daher geprüft werden, ob den Beklagten ein Verschulden treffe, wobei ihm ein allfälliges Verschulden des Josef C nicht ohne weiteres angelastet werden könne. Den Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht mit der abweichenden Beantwortung der entscheidenden Rechtsfrage in der älteren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes.

Gegen den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wendet sich der Rekurs der klagenden Partei mit dem Antrag, ihn aufzuheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, das Urteil des Erstgerichtes auch hinsichtlich des Wiederherstellungsbegehrens zu bestätigen. Die beklagte Partei erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß §§ 519 Abs 2, 526 Abs 2 ZPO unzulässig, weil ein Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes nur statthaft ist, wenn die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 ZPO erfüllt sind.

Der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hatte, übersteigt an Geld oder Geldeswert zwar 15.000 S, nicht aber 300.000 S. Dies ergibt sich daraus, daß das Unterlassungsbegehren vom Berufungsgericht in übereinstimmung mit der Bewertung durch die klagende Partei als 60.000 S nicht übersteigend bewertet wurde und das Wiederherstellungsbegehren zwar vom Berufungsgericht im Spruch nicht ausdrücklich bewertet wurde, aus den Gründen aber ersichtlich ist, daß die Feststellung über die Höhe dieser Wiederherstellungskosten übernommen wurde und somit von einem Wert des Wiederherstellungsbegehrens von 95.321,58 S auszugehen ist. Damit liegt die Sache jedenfalls im sogenannten Zulassungsbereich und hat das Berufungsgericht in diesem Sinne folgerichtig auch den Rechtskraftvorbehalt mit dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO begründet. Entgegen der Beurteilung durch das Berufungsgericht liegen aber diese Voraussetzungen nicht vor. Von einer im Sinne des § 502 Abs 4 Z 2 ZPO 'uneinheitlichen' Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes kann nämlich nicht schon dann gesprochen werden, wenn in früherer Zeit ein anderer Standpunkt vertreten wurde als nunmehr ständig in neuer Zeit (vgl. hiezu Petrasch in ÖJZ 1985, 291 f, dort 298). Wenn sich nämlich seit etlichen Jahren eine von einer früheren Rechtsprechung abweichende neue Rechtsprechung gefestigt hat, liegt (wieder) eine (neue) einheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vor, und nur wenn das Berufungsgericht von einer solchen Rechtsprechung abweichen würde, hinge die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung gemäß § 502 Abs 4 Z 2 ZPO ab. Zutreffend wurde der vorliegende Fall der Bestimmung des § 364 Abs 2 ABGB unterstellt. Eine analoge Anwendung der Bestimmung des § 364 b ABGB auf Erhöhungen eines Grundstückes kommt nämlich nicht in Betracht (SZ 14/210 = ZBl.1933/86, Klang in Klang 2 II 178). Der Druck, der von der Erhöhung des Nachbargrundes ausgeht, stellt vielmehr eine Immission nach § 364 Abs 2 ABGB dar (Klang in Klang 2 II 170).

Es ist richtig, daß die Rechtsprechung etwa bis zur Entscheidung JBl 1977, 201, welche bezeichnenderweise auch im Rekurs immer als die jeweils letzte Entscheidung zitiert wird, entgegen dem damals schon überwiegend anders argumentierenden Schrifttum den Standpunkt vertrat, in den Fällen des § 364 Abs 2 ABGB stehe dem Beeinträchtigten nicht nur der Anspruch auf Untersagen des Eingriffes zu, sondern es gebühre ihm ohne Rücksicht auf ein Verschulden des Nachbarn auch ein verschuldensunabhängiger Ersatzanspruch, wenn durch unzulässige Immissionen schon ein Schade eingetreten sei. Seit einigen Jahren wurde aber in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes diese Auffassung durchgehend aufgegeben und dem neueren Schrifttum (vgl. etwa ausführlich Koziol, Haftpflichtrecht 2 II 316 ff oder Koziol-Welser 7 II 39 oder Spielbüchler in Rummel RZ 18 zu § 364 ABGB) folgend einheitlich dahin differenziert, daß der verschuldensunabhängige Ausgleichsanspruch nur dann gebührt, wenn analog dem Falle des § 364 a ABGB dem beeinträchtigten Nachbarn kein Abwehrrecht gegen die Immission zusteht, wenn also gleichsam an Stelle des entzogenen Unterlassungsanspruches ein einer Enteignungsentschädigung ähnlicher Ausgleichsanspruch einzuräumen ist, während sonst neben dem Untersagungsanspruch nur ein von den Voraussetzungen der §§ 1295 ff ABGB abhängiger Schadenersatzanspruch besteht (SZ 50/160 = MietSlg.29/31, JBl 1982, 595, SZ 55/105, SZ 56/158). Im Rekurs wird nichts ins Treffen geführt, was gegen die Argumente dieser einheitlichen neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes sprechen könnte. Eine Analogie zu § 364 a ABGB scheidet im vorliegenden Fall aus. Das Berufungsgericht hat daher der einheitlichen neuen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gemäß die Prüfung der Verschuldensfrage aufgetragen. Der unzulässige Rekurs war daher zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung hatte zu entfallen, weil sich die beklagte Partei am Rekursverfahren nicht beteiligte.

Anmerkung

E06119

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0030OB00537.85.0626.000

Dokumentnummer

JJT_19850626_OGH0002_0030OB00537_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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