TE OGH 1985/6/27 6Ob609/85

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Veröffentlicht am 27.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertrud A, Hausfrau, Klagenfurt, Flatschacherstraße 134, vertreten durch Dr. Dieter Huainigg, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Karl A, Versicherungsangestellter, Klagenfurt, Gasometergasse 2, vertreten durch Dr. Dieter Havranek, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Unterhaltes (Streitwert S 144.000,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgerichtes vom 19. April 1985, GZ 1 R 154/85-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klagenfurt vom 14. Jänner 1985, GZ 18 C 90/84-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 7.185,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 565,95 Umsatzsteuer und S 960,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Ehe der Streitteile ist mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 23. Mai 1979 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden worden. Der Ehe entstammt der 13-jährige Sohn Thomas, für den der Beklagte einen monatlichen Unterhaltsbeitrag in der Höhe von S 2.600,-- zu leisten hat. Nach der Scheidung haben die Streitteile am 13. August 1979 vor dem Bezirksgericht Klagenfurt zu 19 F 8/79 einen Vergleich geschlossen, wonach der Beklagte seine Eigentumswohnung in Klagenfurt, Flatschacherstraße 134, bis 31. August 1985 der Klägerin zur ausschließlichen Benützung überlassen hat. über gegenseitige Unterhaltsansprüche haben die Parteien keine Vereinbarung getroffen, die Klägerin hat dem Beklagten gegenüber nicht auf Unterhalt verzichtet. Der Beklagte verdient als Versicherungsvertreter unter Berücksichtigung des ihm zustehenden Werbungskostenpauschales von 35 % (höchstens jedoch S 13.300,-- monatlich) und unter Bedachtnahme auf die Sonderzahlungen im Durchschnitt rund S 30.000,-- netto monatlich. Er hat keine weiteren Sorgepflichten. Im Februar 1984 hat die Klägerin ihren Miteigentumsanteil an dem Hause Klagenfurt, Radetzkystraße 38, mit dem dazugehörigen Geschäftslokal - die Kaffee-Konditorei 'CANDY' - und dessen Einrichtung um den Preis von S 800.000,-- verkauft, ohne daß dies trotz der zurückgehenden Umsätze wirtschaftlich notwendig gewesen wäre. Davon ist ihr unter Berücksichtigung der Verbindlichkeiten laut Bilanz und der Einkommensteuerbelastung aus der Veräußerung ein Verkaufserlös in der Höhe von S 636.862,-- netto verblieben, der bei entsprechender Anlegung jährlich einen Bruttogewinn zwischen S 32.000,-- und S 76.000,-- erbringen könnte. Von diesem Verkaufserlös hat sie bestehende Verbindlichkeiten abgedeckt und Beträge für ihren Lebensunterhalt verbraucht, so daß sie derzeit noch über ein Guthaben von ca. S 300.000,-- verfügt. Im Falle der Verpachtung ihres Unternehmens hätte die Klägerin einen Pachtzins in der Höhe von S 3.000,-- monatlich erzielen können. Selbst hätte die Klägerin das Unternehmen nur unter der Voraussetzung einer umfangreichen eigenen Mitarbeit betreiben können. Bei bloßer Führung der Aufsicht wäre ein wirtschaftlicher Betrieb nicht möglich gewesen. Die Klägerin, die die höhere Frauenberufsschule mit der Matura abgeschlossen hat und zwei Fremdsprachen beherrscht, hat bis vor 15 Jahren den Beruf einer Hotelsekretärin ausgeübt. Sie leidet an einer angeborenen beiderseitigen Hüftdysplasie mit Anzeichen einer beginnenden Coxarthrose. Sie kann zwar alle altersentsprechenden Arbeiten im Sitzen, Gehen und Stehen durchführen, muß aber alle Arbeiten, die ausschließlich im Gehen und Stehen durchgeführt werden, vermeiden. Nach etwa jeweils zwei Stunden Arbeit im Gehen und Stehen muß sie kurzfristig Arbeiten im Sitzen durchführen. Das Heben von Lasten ist mit 15 kg begrenzt. Eine Arbeitskraft, die nach jeweils 2 Stunden kurzfristig ihre Arbeit im Sitzen erledigen muß, ist im Gastgewerbe nicht gefragt. Im Jänner 1985 war beim Arbeitsamt Klagenfurt nur eine Stelle für eine Hotelsekretärin offen, allerdings eingeschränkt auf eine Person, die nicht älter als 35 Jahre war. Auch im übrigen Kärnten sowie in der Steiermark und in Salzburg bestand im Jänner 1985 keine große Nachfrage nach Hotelsekretärinnen. überdies waren nur Abgängerinnen von Handelsakademien und Handelsschulen gefragt. Der Kollektivvertragslohn für eine Hotelsekretärin mit einer Dienstzeit von 10 bis 15 Jahren beträgt S 9.200,-- brutto. In der Praxis liegt die Entlohnung aber wesentlich höher.

Mit ihrer am 31. Juli 1984 eingebrachten Klage begehrte die Klägerin vom Beklagten die Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages in der Höhe von S 4.000,--. Sie brachte vor, sie sei seit dem aus wirtschaftlichen und gesundheitlichen Gründen notwendig gewesenen Verkauf ihres Unternehmens ohne Einkommen. Eine Erwerbstätigkeit sei ihr infolge ihres schlechten Gesundheitszustandes nicht zumutbar. Den noch vorhandenen Erlös aus dem Verkauf ihres Unternehmens benötige die Klägerin zur Anschaffung einer neuen Wohnung, weil sie die ihr vom Beklagten überlassene Wohnung nach dem 31. August 1985 dem Beklagten wieder übergeben müsse.

Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, es sei nicht notwendig gewesen, die Kaffee-Konditorei zu verkaufen, es wäre ein Kaufpreis von S 1 Mill. zu erzielen gewesen. Die Klägerin hätte im Falle der Verpachtung des Unternehmens monatlich S 12.000,-- bis S 15.000,-- netto einnehmen können. Sie wäre auch ohne weiteres in der Lage gewesen, eine Kaffee-Konditorei selbst zu betreiben.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete den Beklagten zur Leistung eines monatlichen Unterhaltsbeitrages in der Höhe von S 4.000,--. Es beurteilte den oben wiedergegebenen Sachverhalt dahin, daß die Klägerin den Anspruch auf § 66 EheG stützen könne. Das festgestellte Leiden der Klägerin habe eine volle Mitarbeit ausgeschlossen, sodaß die Klägerin den Betrieb durch bloßes Beaufsichtigen nicht hätte wirtschaftlich weiterführen können. Deshalb und weil die Lage am Arbeitsmarkt die Aufnahme einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Hotelsekretärin oder Büroangestellte, der Gesundheitszustand der Klägerin aber die Annahme einer Stelle als Serviererin ausschlössen, müsse davon ausgegangen werden, daß die Klägerin über keine Einkünfte aus einer ihr zumutbaren Erwerbstätigkeit verfüge. Lediglich den aus der möglichen Verpachtung des Betriebes erzielbaren Pachtzins in der Höhe von S 3.000,-- monatlich müsse sich die Klägerin anrechnen lassen. Auf der Grundlage dieses Sachverhaltes und des festgestellten Einkommens des Beklagten sei das Begehren der Klägerin ungeachtet der Sorgepflicht des Beklagten für ein Kind im vollen Umfang berechtigt.

Die gegen dieses Urteil erhobene Berufung des Beklagten blieb erfolglos.

Das Berufungsgericht stellte auf Grund eines ergänzenden Beweisverfahrens zusätzlich fest: Hätte sich die Klägerin im Frühjahr 1984 um eine Stelle als Hotelsekretärin oder Rezeptionistin beworben, hätte sie kaum sofort eine derartige Stelle erhalten. Für die Sommersaisonen 1984 und 1985 waren jeweils im Feber allein in Kärnten etwa 14 derartige Stellen ausgeschrieben. Für die Wintersaison sind die Aussichten in Kärnten eher schlecht, weil entsprechend große Betriebe im Winter nicht vorhanden sind. In Tirol oder Vorarlberg ist die Lage diesbezüglich günstiger. Ganzjahresstellen sind im Raum Pörtschach und Velden angeboten worden. Im April 1985 waren bei den Arbeitsämtern in Kärnten 11 arbeitssuchende Hotelsekretärinnen und Rezeptionistinnen gemeldet, die alle bereits für die Sommersaison 1985 untergebracht worden sind. Wer als Hotelsekretärin oder Rezeptionistin für die Sommersaison unterkommen will, muß sich bereits im April darum bewerben. Als Hotelsekretärin oder Rezeptionistin könnte die Klägerin ein monatliches Einkommen von ca. 10.000,-- erzielen. In den Sommersaisonen beginnen die Arbeitsverhältnisse für Hotelsekretärinnen jeweils im April.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, die Klägerin hätte seit April 1985 als Hotelsekretärin arbeiten können und durchschnittlich rund S 10.000,-- monatlich verdient. Weil sie aus eigenem Verschulden diese ihr zumutbare Erwerbstätigkeit nicht ausgeübt habe, sei von diesem fiktiven Einkommen auszugehen. Zusammen mit dem fiktiven Pachtzins wären der Klägerin seit April 1985 monatlich S 13.000,-- zur Verfügung gestanden. Bei der Beurteilung über den Unterhaltsanspruch der Klägerin sei von einem Einkommen des Beklagten in der Höhe von S 30.000,-- monatlich - der gewärte Steuerfreibetrag sei in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen, weil konkrete Aufwendungen vom Beklagten nicht geltend gemacht worden seien - und von einem Einkommen der Klägerin in der Höhe von S 3.000,-- bzw. seit 1. April 1985 in der Höhe von S 13.000,-- auszugehen. Ihr Unterhaltsanspruch im Sinne des § 66 EheG sei also davon abhängig, ob ihre Einkünfte zur Deckung des angemessenen Unterhaltes nicht ausreichten. Dies sei nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Beklagten zu beurteilen. übersteige demnach das Einkommen des geschiedenen Ehemannes jenes der Frau nicht unbeträchtlich, dann habe die Frau Anspruch, daran teilzuhaben. Gehe man davon aus, daß die Einkommen der beiden Streitteile - unter Berücksichtigung der Sorgepflicht des Beklagten für das eheliche Kind - bis 31. März 1985 zusammen den Betrag von S 30.400,-- und seit 1. April 1985 zusammen den Betrag von S 40.400,-- pro Monat ergäben und die Klägerin pro Monat S 3.000,-- (bis 31. März 1984) bzw. S 13.000,-- (seit 1. April 1985) verdienen könnte, dann bedeute dies, daß das Einkommen des Beklagten das der Klägerin beträchtlich übersteige. Unter diesen Voraussetzungen erweise sich der geltend gemachte Anspruch zur Gänze als begründet, weil die Klägerin erst mit einem Betrag von rund S 17.000,-- am Lebensstandard des Beklagten angemessen teilnehme.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen und ihr im Falle der Zulassung keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist unzulässig.

Gemäß § 502 Abs 2 Z 1 ZPO ist gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes ein weiterer Rechtszug unzulässig, soweit über die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes entschieden wurde. Der Beklagte macht in seiner Revision ausschließlich zum Bemessungskomplex gehörende Fragen geltend. Die von ihm behandelten Fragen der Heranziehung des Verkaufserlöses des Kaffeehauses 'CANDY' (Punkt 1. der Revision), der zumutbaren Arbeitstätigkeit und eines daraus erzielbaren Einkommens der Klägerin (Punkt 2. der Revision), aus welchen überlegungen sich ein zu berücksichtigendes Einkommen in der Höhe von S 16.666,66 der Klägerin ergäbe (Punkt 3. der Revision) sowie die Ausführungen über das der Unterhaltsfestsetzung zugrundezulegende bzw. nicht zugrundezulegende Einkommen (Werbekostenpauschale) des Beklagten und die daraus abgeleiteten Ausführungen über einen Unterhaltsanspruch der Klägerin (Punkt 4. und 5. der Revision) betreffen ausschließlich die Unterhaltsbemessung. Zu diesen gehören nämlich nach Lehre und Rechtsprechung nicht nur alle Erörterungen über die zur Deckung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten erforderlichen Mittel, sondern auch jene über die zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind, und die Frage der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wozu auch die Beurteilung der dem Unterhaltspflichtigen zustehenden Mittel und die zur Unterhaltsbemessung heranzuziehenden Vermögens- und Einkommensarten gehören (vgl. Fasching IV, 273 ff.; derselbe, Zivilprozeßrecht, Rz 1866; JB 60 neu = SZ 27/177; EFSlg. 39.723, 42.264, 44.077 uva). Die insgesamt gemäß § 502 Abs 2 Z 1 ZPO unzulässige Revision war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E06150

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00609.85.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19850627_OGH0002_0060OB00609_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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