Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johanna A, Verkäuferin, Waidhofen an der Ybbs, Wienerstraße 47, vertreten durch Dr. Dietrich Hafner, Rechtsanwalt in Waidhofen an der Ybbs, wider die beklagte Partei Stefan A, ehemals Hilfsmaurer, Weyer, Dürerweg 285, Pension Kirschbichl, vertreten durch Dr. Erwin Dillinger, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27. März 1985, GZ 11 R 298/84-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes St. Pölten vom 7. September 1984, GZ 1 Cg 185/84-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision nicht n i c h t stattgegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 3.637,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Barauslagen 240,-- S und an Umsatzsteuer 308,85 S) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der damals zwanzig Jahre alte Beklagte und die vier Jahre ältere Klägerin haben einander am 8. September 1956 geheiratet. Die Klägerin gebar vier Kinder, den am 1. Mai 1957 geborenen Stefan, den am 1. August 1958 geborenen, am 20. März 1982 gestorbenen Felix, die am 31. März 1962 geborene Elisabeth und den am 8. November 1965 geborenen Christian. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger.
Am 30. August 1983 brachte die Ehefrau eine auf § 49 EheG gestützte Scheidungsklage ein. Als schwere Eheverfehlungen des Mannes machte sie dessen Trunksucht, Morddrohungen, Beschimpfungen und Beleidigungen sowie grundlose Eifersucht geltend. Der Beklagte widersetzte sich dem Scheidungsbegehren, hilfsweise stellte er einen Mitschuldantrag. Diesen gründete er auf die Vorwürfe einer Verweigerung des ehelichen Verkehrs und eines zumindest ehewidrigen Umganges der Klägerin mit einem 1897 geborenen Pensionisten.
Das Erstgericht sprach - wie schon im ersten Rechtsgang - die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten aus, dessen Mitschuldantrag es als unberechtigt befand.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil.
Aus dem dabei zugrundegelegten Sachverhalt ist hervorzuheben:
Der Beklagte ist seit der Eheschließung Trinker. Sein Alkoholismus verschlimmerte sich immer mehr. Er wendete einen Großteil seines Arbeitsverdienstes für den Alkoholkonsum auf. Die Klägerin wurde dadurch genötigt, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Der Beklagte bedrohte die Klägerin, er schlug sie. Er holte des nachts die Kinder aus dem Bett und schlug sie grundlos. Am 9. Januar 1982 schlug er in der ehelichen Wohnung vor der Klägerin eine Türe zu; die Klägerin erlitt dabei Rißquetschwunden am Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Die wegen dieses Vorfalles gegen den Beklagten wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB erlassene Strafverfügung blieb ohne Einspruch. In den auf diesen Vorfall folgenden Wochen war der Beklagte nahezu täglich betrunken. Er tobte, schrie und warf mit Flaschen um sich. Hausmitbewohner beschwerten sich deswegen. Der Beklagte stieß die Klägerin durch das Zimmer, er bedrohte sie mit dem Umbringen. Eines Nachts fuhr er plötzlich auf, nahm aus der Lade des Nachtkästchens ein Messer und stach damit in den Polster der Klägerin, die nur durch eine rechtzeitige Körperwendung einer Verletzung entging. Vom 10. Februar bis 13. März 1982 stand der Beklagte wegen akuter Erscheinungen seines chronischen Alkoholismus mit Aggressionen in stationärer Behandlung. Er wurde als gebessert entlassen. Am 19. März 1982 wies er seinen damals im 24. Lebensjahr gestandenen Sohn Felix wegen Gasthausschulden aus der Wohnung, tags darauf wurde der Sohn erhängt aufgefunden.
Am 5. Juli 1982 unterzog sich der Beklagte einer nach einer Schädelfraktur erforderlich gewordenen Kopfoperation. Die ärztliche Anweisung, fortan jeden Alkohol zu meiden, befolgte der Beklagte nur ungenügend, er schränkte seinen Alkoholkonsum derart ein, daß er nicht mehr täglich, sondern nur noch zwei oder dreimal in der Woche betrunken war. Weiterhin tobte er, schrie und bedrohte die Klägerin mit dem Umbringen.
Die Klägerin hatte etwa im Jahre 1980 anläßlich einer als Bedienerin gemeinsam mit ihrer Dienstgeberin unternommenen Besorgung einen damals bereits mehr als achtzig Jahre alten Pensionisten kennengelernt, in der Folge mit ihrer Dienstgeberin einen Ausflug unternommen, an dem auch dieser Pensionist teilgenommen hat, und bei späteren zufälligen Begegnungen auf der Straße mit dem Mann jeweils kurze Gespräche geführt. Die Klägerin hat diesen Pensionisten, der seines hohen Alters wegen keine Ausflüge außerhalb seines Wohnortes allein zu unternehmen wagte, zwei oder dreimal bei solchen Ausflügen begleitet. Am 16. August 1983 hat der Beklagte die Klägerin und den Pensionisten bei deren Rückkehr von einem dieser Ausflüge zur Rede gestellt. Seither hat die Klägerin dem erwähnten Mann bei keinem Ausflug mehr Gesellschaft geleistet. Sie hat weder zu diesem noch zu einem anderen Mann 'Beziehungen' unterhalten.
Die Klägerin hat sich schon längere Zeit, bevor sie im Mai 1984 aus dem gemeinsamen Schlafzimmer in der Ehewohnung - deren weiteres Betreten dem Beklagten bereits mit einer im Herbst 1983 erlassenen einstweiligen Verfügung untersagt worden war - ausgezogen ist, einem Intimverkehr mit dem Beklagten entzogen, weil dieser seine Körperpflege vernachlässigte und wiederholt betrunken war. Das Erstgericht lastete dem Beklagten seinen übermäßigen Alkoholkonsum und dessen Folgen sowie die schweren Beschimpfungen und Drohungen als schwere Eheverfehlung an. Andererseits erachtete es die Verweigerung des Intimverkehrs als gerechtfertigt und wertete den festgestellten Umgang der Klägerin mit dem greisen Pensionisten nicht als schwere Eheverfehlung.
Das Berufungsgericht teilte diese Beurteilung.
Der Beklagte ficht das bestätigende Berufungsurteil aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Abweisung des Scheidungsbegehrens, hilfsweise auf Stattgebung des Mitschuldantrages zielenden Abänderungsantrag an.
Die Klägerin strebt die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Vorinstanzen haben dem Revisionswerber die unzureichenden Anstrengungen, den ihm ärztlich untersagten und nach den zahllosen Exzessen auch als schwerste Beeinträchtigung der Klägerin erkennbaren Alkoholkonsum zu meiden, nach den festgestellten Umständen zutreffend als schwere Eheverfehlung angelastet, die der Beklagte auch noch während des anhängigen Scheidungsverfahrens fortsetzte und die zu einer unheilbar gewordenen Ehezerrüttung geführt hat.
Ebenso zutreffend haben die Vorinstanzen aber auch die Annahme einer Mitschuld der Klägerin wegen der vom Beklagten geltend gemachten Verhaltensweisen abgelehnt. Nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt war der Klägerin nach dem Gesamtverhalten des Beklagten psychisch und infolge seiner mangelhaften Körperpflege auch körperlich ein Intimkontakt nicht zumutbar. Die Zusammentreffen mit dem greisen Pensionisten waren aber nicht als Gefährdung des ehelichen Vertrauens und der partnerschaftlichen Lebensgestaltung erkennbar.
Der Revision war ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E06154European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00611.85.0627.000Dokumentnummer
JJT_19850627_OGH0002_0060OB00611_8500000_000