TE OGH 1985/6/27 6Ob605/85

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Veröffentlicht am 27.06.1985
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Riedler und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei 'FAMILIE' A B C D mbH., Linz, Handel-Mazetti-Straße 2, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Helga E, Gastwirtin, Linz, Ferdinand Markl-Straße 33, 2.) Helga E Gesellschaft m.b.H. per Adresse des Otto F, Geschäftsführer, Linz, Bethlehemstraße 1 d, beide vertreten durch Dr. Hubert Schauer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Unterlassungen (Gesamtstreitwert S 60.000,--) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4.Februar 1985, GZ 13 R 769/84-9, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Teilurteil des Bezirksgerichtes Linz vom 1.August 1985, GZ 8 C 568/84-5, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Revision wird z u r ü c k g e w i e s e n .

Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch von Kosten für ihre Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine gemeinnützige Wohnungs- und Siedlungsgenossenschaft. Sie hat mit der Erstbeklagten über Geschäftsräumlichkeiten - die sie zuvor auf Grund eines am 15.Juli 1965 geschlossenen Mietvertrages (Beilage C) zu Geschäftszwecken in Bestand gegeben hatte - einen Nutzungsvertrag im Sinne der am 28. September 1982 errichteten Urkunde (laut Beilage A) geschlossen. Diese Urkunde wurde unter Verwendung eines Formulars für Wohnungs-Nutzungsverträge abgefaßt; dabei wurde lediglich in der vorgedruckten überschrift 'Nutzungsvertrag für Wohnungen' das letzte Wort durchgestrichen und maschinschriftlich durch das Wort 'Geschäfte' ersetzt, im mehrseitigen Vertragstext aber die Bezeichnung des Vertragsgegenstandes als einer 'Wohnung' belassen. Die im Urkundenkopf als Vertragspartei genannte Erstbeklagte wurde nach einer dort im Vordruck in Klammern beigesetzten Bekanntgabe 'im folgenden kurz Mitglied genannt'.

§ 14 des Formulartextes lautet in seinem ersten Satz:

'Die Aufnahme von Untermietern, die gänzliche oder teilweise überlassung der Wohnung an andere Personen, aus welchem Rechtstitel immer, sowie die Aufnahme von anderen Personen als Ehegatten und Verwandten in gerader Linie in die Wohnung ist nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung der Genossenschaft zulässig.' Die Erstbeklagte hat im Sinne der mit 3.April 1984 datierten Kaufvertragsurkunde (Beilage 3) ihr gastwirtschaftliches Unternehmen, das sie in dem im Nutzungsvertrag bezeichneten Lokal geführt hatte, der Zweitbeklagten, einer Gesellschaft m.b.H., verkauft, die erklärte, das Unternehmen samt Lokal bereits Ende Jänner 1984 übernommen zu haben.

Die Erstbeklagte teilte der Klägerin in dem mit 21.Februar 1984 datierten Schreiben (Beilage B) mit, daß sie ihren 'Buffetbetrieb in eine GmbH umgewandelt habe und in Zukunft die Mieten und Betriebskosten unter 'HELGA E GMBH' zur Einzahlung bringen werde'. Unmittelbar nach der Zustellung der Klage richtete der anwaltliche Vertreter der Beklagten an den Klagevertreter das mit 18.April 1984 datierte Schreiben. Darin teilte er namens der Beklagten mit, daß die Zweitbeklagte von der Erstbeklagten das in den von der klagenden Partei 'gemieteten Geschäftsräumlichkeiten betriebene Unternehmen einer Gastwirtschaft gekauft hat und von ihr das erworbene Unternehmen in diesen Geschäftsräumlichkeiten weiterführt'. Im Anschluß an diese Mitteilung erklärten die Beklagten ausdrücklich 'den übergang der Hauptmietrechte' anzuzeigen, und ersuchten um Vorschreibung der Mieten an die Zweitbeklagte.

Die Klägerin erachtete infolge der oben wörtlich wiedergegebenen Vertragsbestimmung (§ 14 Satz 1 des Nutzungsvertrages) die überlassung des Lokales an die Zweitbeklagte mangels Zustimmung der Klägerin als vertragswidrig, wobei die Zweitbeklagte um die Verbotswidrigkeit der überlassung des Lokales wisse. Die Klägerin stellte unter anderem - das weitere Unterlassungsbegehren zu Punkt 3 des Urteiles war nicht Gegenstand des erstrichterlichen Teilurteiles und der angefochtenen Berufungsentscheidung - die Begehren:

1.) Die Erstbeklagte sie schuldig, die Weitergabe des näher bezeichneten Lokales an die Zweitbeklagte zu unterlassen und 2.) die Zweitbeklagte sei der Klägerin gegenüber schuldig, den Betrieb eines Gastlokales in den erwähnten Räumlichkeiten zu unterlassen. Die Beklagten vertraten die Ansicht, daß infolge der Unternehmensveräußerung (und Fortführung des Unternehmens durch die Zweitbeklagte) die Zweitbeklagte kraft Gesetzes an Stelle der Erstbeklagten in das Vertragsverhältnis mit der Klägerin über die Nutzung der Geschäftsräumlichkeiten eingetreten sei; daraus folgerten sie ausdrücklich den Mangel der passiven Legitimation der Erstbeklagten, der Sache nach darüber hinaus die Rechtmäßigkeit der überlassung des Unternehmens samt Lokal an die Zweitbeklagte und die Unternehmensfortführung in diesem Lokal durch diese. Das Erstgericht gab mit dem Teilurteil den beiden oben wiedergegebenen Unterlassungsbegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung in einem die beiden Teilbegehren abweisenden Sinne ab. Dazu sprach es aus, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes in Ansehung beider Teilbegehren jeweils S 15.000,-- nicht aber S 300.000,-- übersteigt. Das Berufungsgericht sprach weiter aus, daß die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei (sachlich ungenau: zugelassen werde).

Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung in Ergänzung des vorangestellten Sachverhaltes die Feststellungen zu Grunde, daß dem Geschäftsführer der Zweitbeklagten im Zeitpunkt des Erwerbes des Lokales der zwischen der Erstbeklagten und der Klägerin abgeschlossenen Nutzungsvertrag bekannt gewesen sei, die Erstbeklagte mit einer Stammeinlage von 1 % des Stammkapitals an der Zweitbeklagten beteiligt sei und diese etwa seit dem Frühjahr 1984 das Nutzungsentgelt entrichte, ferner daß die Zweitbeklagte nicht Mitglied der Klägerin sei und diese nach ihren Satzungen Nutzungsverträge nur mit ihren Mitgliedern abschließen dürfe.

In rechtlicher Beurteilung hat das Erstgericht gefolgert: Der am 28. September 1982 abgeschlossene Nutzungsvertrag falle gemäß § 1 Abs 1, 2.Halbsatz MRG in den sachlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes. Selbst wenn die Voraussetzungen nach dem § 1 Abs 3 MRG vorlägen, wäre § 12 MRG anwendbar. Dort werde zwar der besonderen Interessenlage bei Nutzungsverträgen gemeinnütziger Bauvereinigungen mit einem auf einen bestimmten Personenkreis eingeschränkten Geschäftsbetrieb nur im Falle von Wohnobjekten und nicht auch im Falle von Geschäftsräumlichkeiten gedacht, doch sei die Ausnahmeregel des § 12 Abs 3 MRG in erweiternder Auslegung auch auf Nutzungsverträge über Geschäftsräumlichkeiten anzuwenden, um den sich aus dem Wesen und der Struktur gemeinnütziger Bauvereinigungen ergebenden Interessen Rechnung zu tragen. Nach den Bestimmungen des zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten abgeschlossenen Vertrages sei eine überlassung des Nutzungsrechtes von der Zustimmung der Klägerin abhängig gemacht worden. Eine solche Zustimmung habe die Klägerin nicht erteilt. Daher sei das gegen die Erstbeklagte (als Vertragspartei) gerichtete Unterlassungsbegehren gerechtfertigt. Die Zweitbeklagte (als Dritte) habe durch den Vertragsabschluß mit der Erstbeklagten in Kenntnis des von dieser mit der Klägerin abgeschlossenen Nutzungsvertrages die Erstbeklagte durch gezieltes Einwirken zum Vertragsbruch gegenüber der Klägerin verleitet und damit auf eine Weise gegen das aus dem Nutzungsvertrag fließende Forderungsrecht der Klägerin gegenüber der Beklagten eingewirkt, daß auch ihr gegenüber das Unterlassungsbegehren berechtigt sei.

Das Berufungsgericht erachtete zwar die erweiternde Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 12 Abs 4 MRG auf Nutzungsverträge über Geschäftsräumlichkeiten als unzulässig, befand aber die sich daraus ergebende Frage nach der Abdingbarkeit der gesetzlichen Vertragsübernahme (im Berufungsurteil heißt es ungenau: 'Legalzession') nach § 12 Abs 3 MRG wegen der Unbegründetheit der beiden Unterlassungsbegehren aus anderen Gründen nicht als streitentscheidend. Das Berufungsgericht stellte nämlich folgende Erwägungen an: Habe die Erstbeklagte ihr Unternehmen bereits veräußert, so gebräche es, auch wenn darin eine Vertragswidrigkeit gelegen gewesen wäre, an einer für den Unterlassungsanspruch wesentlichen Wiederholungsgefahr. Gegenüber der Zweitbeklagten, als einer außerhalb des Vertragsnexus stehenden dritten Person, könnte der Klägerin nur im Falle eines rechtlich zu mißbilligenden Eingriffes in das von der Erstbeklagten der Klägerin vertraglich zugestandene Verbotsrecht ein Unterlassungsanspruch zustehen. Verbotsrechte brauche ein Dritter aber nach wertungsgerechter, im speziellen Falle am § 12 Abs 3 MRG ausgerichteter Interessenabwägung in Ausübung seiner privatautonomen Rechtsgestaltung 'nicht zu achten'.

Die Klägerin ficht das abändernde Berufungsurteil unter Geltendmachung des Anfechtungsgrundes nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO mit einem auf Wiederherstellung des erstinstanzlichen Teilurteiles gerichteten Abänderungsantrag an.

Die Beklagten streben die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung an.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Bewertungsausspruch des Berufungsgerichtes hängt die Zulässigkeit der Revision vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ab und die Revisionswerberin ist auf die Geltendmachung von Anfechtungsgründen gemäß § 503 Abs 2 ZPO beschränkt.

Die angefochtene Rechtsmittelentscheidung hing nicht von der Lösung einer nach der genannten Gesetzesstelle qualifizierten Frage des materiellen oder Verfahrensrechtes ab:

Gegen die grundsätzliche Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes auf das zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten im Sinne der Vertragsurkunde vom 28.September 1982 begründete Nutzungsverhältnis über die dort nur offenkundig unrichtig als Wohnung bezeichneten Geschäftsräume gemäß § 1 Abs 1 MRG, aber auch gegen die Annahme, es seien alle Voraussetzungen des gesetzlichen Tatbestandes nach § 12 Abs 3 MRG erfüllt, sowie gegen die zutreffende Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die Ausnahmeregelung des § 12 Abs 4 MRG - daß die Klägerin ihre Tätigkeit auf einen beschränkten Personenkreis im Sinne des § 8 Abs 2 Z 1 und 2 WGG eingeschränkt hätte, hat sie im übrigen in erster Instanz nicht einmal behauptet, dies wurde auch nicht festgestellt - nicht auf den im § 12 Abs 3 MRG geregelten Fall des gesetzlichen Eintrittes eines Unternehmenserwerbers anstelle des Veräußerers in ein den Regelungen des Mietrechtsgesetzes unterliegendes Geschäftsraumnutzungsverhältnis ausgedehnt werden darf, fehlt es in der Revision an jeder Ausführung.

Die Frage nach der Abdingbarkeit oder des zwingenden Charakters des § 12 Abs 3 MRG (vgl. dazu etwa Fenyves in HBzMRG 269 ff., 324 f; Schauer JBl 1985, 257 ff., 259; Zingher ÖJZ 1982, 113 ff., 118) ist aber deshalb nicht streitentscheidend, weil eine Abrede, die dem Eintritt der Rechtsfolgen des § 12 Abs 3 MRG entgegengehalten werden könnte, nach dem festgestellten Sachverhalt zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten nicht als zustandegekommen anzusehen ist. Die Klägerin hat zur Abfassung der Urkunde über den mit der Erstbeklagten geschlossenen Geschäftsraumnutzungsvertrag einen mehrseitigen formularmäßigen Vordruck verwendet, der auf Nutzungsverträge für Wohnungen abgestimmt ist und in seinem § 14 die oben zitierten Regelungen enthält. Diese sind derart spezifisch auf die Wohnraumnutzung und die dazu erlassenen gesetzlichen Vorschriften abgestellt, daß auch nur eine denkmögliche Teilanwendbarkeit dieser Regelung auf den konkreten Vertragsfall einer Geschäftsraumnutzung für eine Vertragspartei in der Lage der Erstbeklagten nicht mit einer für den rechtsgeschäftlichen Verkehr erforderlichen Eindeutigkeit erkennbar war. Ein überlassungsverbot ist daher schon nach den Grundsätzen der Rechtsgeschäftslehre zwischen der Klägerin und der Erstbeklagten nicht wirksam vereinbart worden. Aus dieser überlegung erübrigt sich jede weitere Untersuchung darüber, ob ein wirksam vereinbartes Verbot den Eintritt der an die Erfüllung des gesetzlichen Tatbestandes nach § 12 Abs 3 MRG geknüpften Rechtsfolgen auszuschließen vermocht hätte. Ist aber kraft § 12 Abs 3 MRG die Zweitbeklagte in die Vertragsstellung der Erstbeklagten eingetreten, kann sich der vertragliche Unterlassungsanspruch nicht mehr gegen die Erstbeklagte richten, während dem gegen die Zweitbeklagte erhobenen Unterlassungsanspruch die auf sie übergegangenen Rechte aus dem Nutzungsvertrag entgegenstehen.

Aus diesen Erwägungen war die Entscheidung nicht von der Abdingbarkeit oder dem zwingenden Charakter des § 12 Abs 3 MRG oder der Lösung einer anderen nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO qualifizierten Rechtsfrage abhängig. Das macht die Revision unzulässig (§ 508 a Abs 1 ZPO). Sie war aus diesem Grunde zurückzuweisen. Die Revisionsgegner haben auf diesen Zurückweisungsgrund nicht hingewiesen. Ihre Revisionsbeantwortung kann daher nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig angesehen werden, sodaß den Beklagten ein Ersatz für die Kosten dieses Schriftsatzes nicht gebührt.

Anmerkung

E06153

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1985:0060OB00605.85.0627.000

Dokumentnummer

JJT_19850627_OGH0002_0060OB00605_8500000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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